Adventskalender 2

Hinter unserem zweiten Adventstürchen verbirgt sich ein Geburtstagskind. Herzliche Gratulation: Gary Becker, einer der Grossen unseres Fachs, feiert heute seinen achtzigsten. Der Nobelpreisträger von 1992 („für seine Ausdehnung der mikroökonomischen Theorie auf einen weiten Bereich menschlichen Verhaltens und menschlicher Zusammenarbeit“) hat ökonomisches Denken weit jenseits der Wirtschaft angewandt. Seine Analysen sind echte Grenzerfahrungen — und entsprechend umstritten. Am meisten freut uns, dass Gary Becker zusammen mit Mitstreiter Richard Posner stets noch aktiv bloggt. Wir hoffen, dass Bloggen fit hält, und wünschen dem Jubilar alles Gute!

Sichere Banken — ein Lehrfilm der CS

Angriff ist die beste Verteidigung. Die CS hat erkannt: Too-big-to-fail ist kein Geschäftsmodell (mehr). Der Steuerzahler will Banken nicht mehr subventionieren. Die CS stellt sich deshalb voll hinter den Bericht der Expertenkommission des Bundes. Vor allem aber hat die CS das Konzept verfilmt. Mit Vereinfachungen, versteht sich, aber dafür allgemein verständlich. Danke CS!

Adventskalender 1

Im Advent gibt es jeden Tag einen kleinen Batzen. Der erste ist der Rolle Deutschlands als Leuchtturm und Geber-Nation innerhalb der EU gewidmet.

Einst Land der Dichter und der Denker,
Dann Land der Richter und der Henker,
Heut‘ Land der Schlichter und der Lenker -:
Wann Land der Lichter? Wann der Schenker?
(aus Robert Gernhardt: Nachwort zu „Reim und Zeit“, Reclam)

Mehr über’s Schenken gibt’s von Monika Bütler in der NZZaS vom kommenden Sonntag.

Der SNB StabFund (Das Innenleben einer „bad bank“)

Ein Teil des Rettungspakets für das Schweizer Finanzsystems vom 16. Otober 2008 war die Errichtung eines Auffangbeckens für bedrohte Anlage der UBS durch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Der zu diesem Zweck errichtete StabFund ist ein Beispiel einer „bad bank“, deren Trennung von den gesunden Teilen die „good bank“ retten soll. Für die SNB war der kühne Schritt mit grossen Risiken verbunden. Zwei Ökonomen der SNB, Marcel Zimmermann und Szoltan Szelyes, beschreiben in einer neuen Publikation den StabFund und seine Entwicklung von innen. Damit erhält die Offentlickeit Einblick in einen bisher weitgehend geheimen oder zumindest wenig bekannten Teil der Notenbankpolitik. Der Bericht ist auch ein Lehrstück für alle künftigen Finanzkrisen-Manager.

Weshalb sich Banken und Ökonomen nicht verstehen

Vor zwei Wochen haben wir hier berichtet, dass der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, aus Sicht der Banken übergeschnappt ist. Er hat den Glaubenssatz in Frage gestellt, wonach Eigenmittel teurer sind als Fremdmittel. King wurde sogar vorgeworfen, er wolle das britische Bankensystem zerstören. Seine auf  die Finanztheorie gestützte Argumentation steht tatsächlich im Widerspruch zur Alltagserfahrung der Praktiker. Wer hat recht?

Des Rätsels Lösung liegt darin: Beide Seiten sprechen über unterschiedliche Dinge. Die Bankpraktiker sprechen über die Kosten der Beschaffung von Eigenmitteln, die Theoretiker über die Kosten der Haltung von Eigenmitteln. Kurzfristig haben die Praktiker recht, langfristig die Theoretiker. Mervyn King hat gut getan, sich an der längerfristigen Sicht zu orientieren. Im einzelnen findet sich die Argumentation in meinem Aufsatz.

Eine kürzere Version wurde von der NZZ vor über einer Woche akzeptiert, aber noch nicht gedruckt. Da ich soeben von Inke Nyborg den gestrigen Artikel von David Miles (Monetary Policy Committee Bank of England) aus der Financial Times erhalten habe, in der dieser ähnlich argumentiert, wollte ich meinen Text hier zur Verfügung stellen, bevor er abgeschrieben scheint. Die NZZ möge mir verzeihen.

Banken=Staat=Banken

Wir haben es mehr als einmal gesagt (z.B. in der Antrittsvorlesung vom 12. April und im Gutachten für die SP Schweiz vom 8. Juli): Der Fluchtpunkt der impliziten Staatsgarantie ist die Verschmelzung von Banken und Staat. Nun folgt, wie die Irish Times berichtet, die Bestätigung durch die Rating-Agentur Standard&Poor’s: „The fate of the Government and the fate of Ireland’s banking system are really one and the same“ (Frank Gill, Irland-Analyst S&P). Damit sind die Banken verstaatlicht oder der Staat „verbankt“. Da die irischen Banken „too big a problem for this country“ sind (Finanzminister Lenihan, diesen Montag) geht das Spiel auf der nächst höheren Ebene (jener der EU) weiter …

Regulator’s Dilemma

Die irische Krise wirft auch ein grelles Licht auf die zweischneidige Rolle der Bankaufseher. Das Wall Street Journal erinnert daran, dass die irischen Banken im Juli, bevor sie das Land ins Verderben rissen, die behördlichen Stress-Tests noch brav bestanden.

Doch nicht nur die Stress-Tests sehen schlecht aus. Auch die Basler Eigenmittelempfehlungen hinken hinter der Realität hinterher. Staatsschulden gehen mit Gewicht null in die Berechnung der „Risikogewichteten Anlagen“ ein, solange sie ein AA-Rating haben. Irland ist zwar aus dem AA-Klub ausgeschieden und erhält jetzt wie Italien oder Portugal ein Gewicht von 20% (Griechenland: 100%).

Die nationalen Aufsichtsbehörden dürfen aber für Verpflichtungen ihrer Regierungen gegenüber einheimischen Banken tiefere Werte vorsehen. Wen wundert’s, dass gemäss Financial Times in der EU plötzlich der Anteil der Staatsschulden gegenüber Ausländern zurückgeht und derjenige gegenüber Inländern (wohl vor allem der Banken) ansteigt?

Die Bankaufsichtsbehörden helfen also ihren Banken, den höheren Eigenmittelanforderungen ausweichen. Dass die Banken dabei auf schlechten Papieren sitzen bleiben, stört sie wenig. Im Gegenteil — der Anreiz für die Banken, die Schrottpapiere der eigenen Regierung zu kaufen, wird noch zunehmen, wenn die in Basel geschneiderten verschärften Liquiditätsanforderungen in Kraft treten sollten. Denn selbstverständlich gelten Obligationen der eigenen Regierung als liquid.

Nur die irische Regierung hat (gemäss dem auf vier Jahre angelegten National Recovery Plan) eine noch bessere Mülltonne für ihre Schulden gefunden: Den nationalen Pensionsfonds. Wer’s auch fast nicht glaubt, lese den Blog der Financial Times.

Steuerwettbewerbspolitik nach dem 28. November

Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass es eng werden könnte für die „Steuergerechtigkeitsintiative“. Am interessantesten aus meiner Warte wäre eine knappe Ablehnung durch das Stimmvolk, möglicherweise gar in Form einer nationalen Ja-Mehrheit ohne das erforderliche Ständemehr. Unter einem solchen Szenario dürfte durchaus parlamentarischer Wille für die Errichtung zusätzlicher Steuerwettbewerbs-Leitplanken entstehen, und die Suche nach sinnvollen Lösungen ginge weiter.

Einige Politiker haben auf Anfrage von Journalisten bereits laut über eine solche Zukunft nachgedacht. Etwas überraschend muten dabei die kolportierten Lösungsansätze gewisser bürgerlicher Politiker an. Eine Gruppe von Nationalräten schlägt vor, dass die Kantone untereinander strengere Spielregeln aushandeln. Dies stände dem föderalistischen Staatsgedanken gewiss näher als per Bundesverfassung vorgeschriebene Mindeststeuersätze. Es ist allerdings nicht klar, wieso einzelne Kantone zu Konzessionen bereit sein sollten in einem ganz auf Freiwilligkeit beruhenden System. Zudem besteht eine vorgeschlagene Form solcher interkantonaler Abkommen aus Bandbreiten für die zulässigen Steuersätze. Ein solcher Ansatz wäre der vorliegenden SP-Initiative sehr ähnlich, denn er würde die materielle Steuerautonomie der Kantone beschneiden.

Die erstaunlichste Aussage stammt jedoch von Bundesrätin Widmer-Schlumpf. Sie schlägt vor, die Bundesbeiträge im Finanzausgleich aufzustocken. Eine solche Umschichtung der Geldflüsse liefe auf eine Verlagerung der Steuerabschöpfung von den Kantonen auf den Bund hinaus. Je stärker jedoch das fiskalische Gewicht des Bundes, und je schwächer das der Kantone und Gemeinden, desto weniger kann der inner-helvetische Steuerwettbewerb spielen.

Am sinnvollsten scheint mir weiterhin eine sanfte Reform des Finanzausgleichs mittels einer progressiveren Gewichtung der persönlichen Einkommen und Vermögen in der Berechnung des Ressourcenindexes. Der administrative Aufwand wäre äusserst gering, denn die Kantone übermitteln bereits im existierenden System Steuerdaten auf individueller Basis ans Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Und das EFD wendet schon jetzt eine leicht progressive Formel an, indem es steuerbare Einkommen bis zu einem Freibetrag von knapp 30’000 Franken aus der Berechnung des Ressourcenpotentials ausspart. Diese Null-Gewichtung im untersten Bereich könnte man nun ganz einfach um eine höhere Gewichtung im obersten Bereich ergänzen. Eine derart umgestaltete Index-Berechnung wäre durchaus mit einem unveränderten Gesamtvolumen der Ausgleichszahlungen vereinbar. Es entstände also keine Aufblähung der Umverteilung sondern bloss eine Umlagerung der Anreize für die kantonale Steuerpolitik vom allerobersten aufs obere, oder vom oberen aufs mittlere, Einkommenssegment – je nach genauer Ausgestaltung.

Steuerinitiative: SP, Batz, und Berner Zeitung

Die Berner Zeitung („Die SP annektiert Professoren“) stellt klar, dass unser Batz-Kollege Marius Brülhart (UniLausanne) und Gebhard Kirchgässner (UniSG; auch Batz-Mitautor) nicht für die Steuerinitiative sind. Der Artikel von Marius kann hier nachgelesen werden.

Besten Dank an die Berner Zeitung. An die SP Schweiz geht der Trostpreis in Form eines Batz-Abo in Grosschrift, damit sich die Leser und Leserinnen nicht mehr verlesen.

Doch noch Zwischentöne…

Die NZZ hat die Kolumne zur Vermögensverteilung doch noch zum Steuerwettbewerb gelinkt. Und dann noch, was mich besonders freut, mit dem Originaltitel: „Vermögen ist Vorsorge“. Der unsägliche Titel „Die Vermögensverteilung ist im Sozialstaat nicht gerechter“ stammt nämlich nicht von mir. Ich habe mich gehütet das Wort „gerecht“ auch nur einmal im Text zu erwähnen. Denn jede(r) versteht wieder etwas anderes unter gerecht.

Vielleicht ist ja deshalb die Debatte um die Steuerinitiative der SP so gehässig.