ZKB wohin?

Urs Birchler

Die ZKB renoviert. Gemäss Medienmitteilung sollen nicht weniger als neun Erlasse und Reglemente geändert werden (Übersichtiliche Zusammenstellung im Factsheet). Dies ist kein Totalumbau, aber mehr als eine Pinselrenovation.

Die wichtigste Änderung ist die Erweiterung des Geschäftsbereichs, gefolgt von einer Kapitalerhöhung.

  • Der Geschäftsbereich soll über die Kantonsgrenzen hinaus (in andere Kantone und ins Ausland) ausgedehnt werden, was eine Änderung des Kantonalbankgesetzes erfordert.
  • Die ZKB will gemäss ihr Dotationskapital um 2 Mrd. Fr. auf 4,5 Mrd. Fr. erhöhen. Ferner soll das Dotationskapital nicht mehr fest, sondern via Gewinnausschüttung abgelten.

Dann gibt es aber auch die wichtigste Nicht-Änderung:

  • Die Staatsgarantie wird nicht angetastet (trägt also künftig auch Risiken der „geografischen Diversifikation“).

Hierzu ein paar Kommentare, basierend auf unseren bisherigen Beiträgen zur ZKB.

  1. Es scheint mir klar, dass es eine Bank für die finanziell Unkundigen braucht.
  2. Für die ZKB ist die Staatsgarantie besonders wertvoll: siehe batz.ch
  3. Die Staatsgarantie ist eine gefährliche Einrichtung, wie wir hier dargelegt und hier präzisiert haben.
  4. Die ZKB geniesst neben der gesetzlichen Staatsgarantie (die erst im Konkurs zum Tragen kommt) eine faktische Staatsgarantie, da der Kanton seine Bank nicht vor die Hunde gehen lassen kann. Dies haben wir in einem wichtigen Beitrag (gestützt auf eine Referat von Regierungsrätin Frau Ursula Gut) näher erläutert. Pro memoria: Privatisierungen von Banken mit faktischer Staatgarantie machen das Problemnoch grösser.
  5. Das einzige echte (noch vor dem Zürcher Steuersubstrat) risikotragende Substanz ist daher die nachrangige Wandelanleihe.
  6. „Kapitalerhöhungen“ durch den Kanton bedeuten, dass der Kanton Geld vom rechten in den linken Hosensack legt. Das einzige was er dadurch erreicht: Die Leine der ZKB wird länger.
  7. Die FINMA vertritt die Einleger, nicht den Kanton Zürich. Daher ist ihr vermutlich egal, ob Kapitalerhöhungen der ZKB vom Markt oder aus der Zürcher Staatskasse finanziert werden.
  8. Im Ausland hat die ZKB die Zürcher Unternehmen zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie (mit der Staatsgarantie im Sack), wie hier behauptet, im Ausland eigentlich wenig verloren, aber viel zu verlieren.

Einstweiliges Fazit: Wenn die geografische Diversifikation als notwendig erachtet wird, dann ist diese voll zu finanzieren mit nachrangigen Anleihen, die verfallen, wenn die Eigenmittel der Bank unter eine bestimmte Grenze fallen. Alles andere liegt nicht im Interesse von Herrn und Frau Zürcher.

Braucht die ZKB ein Auslandgeschäft?

Urs Birchler

Armin Müller von der Handelszeitung fragt mich auf Twitter: „Trotzdem: Gibt es eigentlich einen überzeugenden Grund für das Auslandgeschäft einer Kantonalbank?“ Er will mich offenkundig provozieren. Er weiss natürlich auch, dass die Aufgaben der ZKB im Kantonalbankgesetz umschrieben sind:

Paragraph 2

1 Die Bank hat den Zweck, zur Lösung der volkswirtschaftlichen und sozialen Aufgaben im Kanton beizutragen. Sie unterstützt eine umweltverträgliche Entwicklung im Kanton.
2 Sie befriedigt die Anlage- und Finanzierungsbedürfnisse durch eine auf Kontinuität ausgerichtete Geschäftspolitik. Dabei berücksichtigt sie insbesondere die Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmungen, der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer, der Landwirtschaft und der öffentlichrechtlichen Körperschaften. Sie fördert das Wohneigentum und den preisgünstigen Wohnungsbau.

Ein Auslandgeschäft läst sich durchaus rechtfertigen, wenn dieses den Bedürfnissen der — ziemlich weltoffenen — Zürcher Wirtschaft entgegenkommt. Ob im vorliegenden Fall Vermögensverwaltung in Österreich dazugehört, wage ich nicht zu beurteilen; vielleicht sind die Kunden ja alle Auslandzürcher.

Ferner könnte man sagen: Internationaler Erfolg ist ein Zeichen dafür, dass eine Bank effizient arbeitet. Das Auslandgeschäft wäre dann als Fitness-Test notwendig. Dies scheint (bei wohlwollender Interpretation) gemeint mit der Spitze der ZKB-Zielpramide aus ihrem nachstehend abgebildeten Konzernleitbild:

ZKBvision

Einen eigenständigen Grund zu einer Auslandtätigkeit, beispielsweise als Ertragsquelle, finde ich im Aftrag der ZKB nirgends. Die Auslandtätigkeit ist ihr aber nicht explizit verboten. Hier wären die Grenzen bei einer Revision eventuell schärfer zu ziehen. Das Kostet Ertrag? Richtig. Drum würde ich gleichzeitig bei den anderen, potentiell teuren Pflichten ausholzen: Soziale Aufgaben? Ja, aber nicht über die Bank! Die Umwelt? Ja, aber nicht über die Bank! Gemeinnütziger Wohnungsbau? Velleicht, aber nicht über die Bank! Landwirtschaft? Nicht über die Bank! Die Universität? Ach, die ist gar nicht erwähnt…

Mein ungehobelter Vorschlag für den Zweckartikel:

1 Die Bank hat den Zweck, einerseits der Bevölkerung des Kantons liquide und sichere Anlagemäglichkeiten zu bieten und andererseits die Kreditversorgung der Zürcher Wirtschaft, namentlich der kleinen und mittleren Unternehmungen, sicherzustellen.
2 Sie handelt nach Treu und Glauben als verlässliche Partnerin. Sie strebt nach einem der Geschäftstätigkeit entsprechenden Gewinn, ohne Informationsnachteile der Kunden auszunützen.

Vielleicht hat Armin Müller einen Gegenvorschlag.

Das ZKB-Vertrauensbarometer

Urs Birchler

Die Anklageerhebung gegen ZKB-Vertreter in den USA hat die Investoren anscheinend kaum beeindruckt. Der beste Indikator für das Vertrauen in unsere Staatsbank ist der Kurs der im vergangenen Januar begangenen nachrangigen ewigen Anleihe. Diese absorbiert nämlich Verluste, noch bevor der Staat haften muss. Wie es in der Medienmitteilung der ZKB vom 13. Januar 2012 heisst: „Fällt die Kernkapitalquote unter 7% oder stellt die FINMA eine drohende Insolvenz fest, kommt es zu einem automatischen Forderungsverzicht. Der Investor erleidet in diesem Fall einen vollständigen oder teilweisen Verlust seiner Forderung.“ Der Kurs dieses Papiers müsste also sehr empfindlich auf Ängste bezüglich ZKB reagieren.

Hier dürfen wir beruhigt melden, dass der Markt heute nur knapp mit der Wimper gezuckt hat. Der Kurs ist bei konstantem Handelsvolumen um ein halbes Prozent zurückgegangen, wie die nebenstehende Grafik zeigt (Quelle: SIX-Swiss-Exchange).

LIBOR: Hand auf’s Herz

Urs Birchler

Nachdem wir jetzt bis hin zur Bundespräsidentin (Interview) alle unser Entsetzen geäussert haben, scheint es Zeit zum Gegenschnitt. Ich habe gestern in 10vor10 auf die enorme Versuchung hingewiesen: Zwei Händler können mit ein paar E-Mails oder Telefongesprächen zu einem Eigenheim kommen, für das der Normalbürger (mindestens) ein Leben lang schuftet. Libor-Manipulation ist einfacher als ein Ladendiebstahl. Ohne die Fehlbaren zu entschuldigen — hätten wir so einfach widerstehen können?

Kickbacks

Urs Birchler

Das Bundesgericht hat entschieden (BGE 132 III 460), dass (vereinfacht gesagt) sogenannte Retrozessionen (etwa Rabatte für den Abschluss von Börsengeschäften; vulgo: Kickbacks) innerhalb von Vermögensverwaltungsaufträgen nicht dem Vermögensverwalter, bzw. der Bank, sondern dem Kunden gehören. Die Presse hat über die möglichen Implikationen und erste Prozessvorhaben berichtet.

Gleichzeitig, oder kurz vorher, berichteten die Medien, beispielsweise der Tagesanzeiger, über gewisse Hemmungen der Ärzteschaft, ihre Kickbacks, namentlich Rabatte und Vergünstigungen seitens der Pharmaindustrie, an die Kunden, sprich: Patienten und Krankenkassen, weiterzugeben. Anders als in der Vermögensverwaltung sind geldwerte Vorteile für die Mediziner im Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Art. 33) längst geregelt (mich dünkt: verboten). Das Bundesgericht scheint aber die Ärzte lieber zu haben als die Bankiers: Mit einem Entscheid vom 12. April 2012 wurde die Rechtsgrundlage der von Swissmedic ausgeübten Kontrolle in diesem Bereich bestritten.

Als Nicht-Jurist muss ich auf die Weisheit des Bundesgerichts blind vertrauen. Als Ökonom seien mir einige Bemerkungen erlaubt:

  • Banken und Ärzte stehen beide in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Kunden und unterstehen deshalb einem auch strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnis; hinsichtlich finanzieller Hygiene scheint der Medizinsektor jedoch ins Hintertreffen zu geraten;
  • Die Medizin scheint, wenn der Tages-Anzeiger recht hat, mindestens für den Laien, dem Bankgeschäft sogar voraus in der Entdeckung von Umgehungsmöglichkeiten und Schlupflöchern.
  • Bei den Banken sind die Retrozessionen insofern ein Teil des Geschäftsmodells, als ihr Wegfall durch andere — transparentere — Gebühren ersetzt werden muss; verschiedene Kunden sind durchaus mit Kickbacks einverstanden. Bei den Ärzten sind Vergütungen der Pharmaindustrie kaum ein Teil eines akzeptierten Geschäftsmodells.

Die Bankiers sind in letzter Zeit oft gescholten worden. Drum wichtig, sich daran zu erinnern, dass sie nicht von Heiligen umgeben sind.

Die Familienkiste

Urs Birchler

Die Familienkiste ist nicht nur ein Begriff aus der Familientherapie (wie etwa hier). Vielmehr handelt es sich um ein Finanzinstrument. Ich habe zum ersten Mal davon gelesen in der unlängst erschienenen Geschichte der Familie von Graffenried Notabeln, Bürger, Patrizier von Hans Braun.

Die Familienkiste (S. 147ff.) war in Berner Patrizierfamilien ein Vermögen, das durch Einschüsse der (männlichen) Familienmitglieder geäufnet wurde, um aus dessen Erträgen die Ausbildung minderbemittelter (männlicher) Kinder der Familie zu unterstützen. Die Familie von Graffenried gründete ihre Familienkiste im Jahr 1723. Eine Zeitlang gab es eine separate „Weiberkiste“: Töchter erhielten einen Zustupf zur Heirat oder zur Pension im Welschland. Daneben gab es eine Offizierskiste.

Einen Kistenverwalter, unterstützt durch den Kistenrat, gibt noch heute, und vermutlich [Rechtsbelehrung willkommen!] gilt sogar noch das Gesetz über die Familienkisten und Stiftungen von 1837. Mitglieder der Familienkiste von Graffenried (und vielleicht solche, die es werden wollen) können sich übrigens hier melden.

Die Rolle der Familienkiste zwischen Ausbildungsfinanzierer, Sozialversicherung und Optimierung der Erbschaftssteuer wäre noch ein Thema für eine Bachelor- oder Masterarbeit. Am besten finanziert von der Kiste.

Keine Antidepressiva für Griechen mehr

Urs Birchler

Bei griechischen Apotheken gibt es für Kassenpatienten keine Medikamente mehr (NZZ von heute, S. 21). Die Kassen sind staatlich, und dem Staat fehlt es an Geld. In solchen Fällen erreicht die Krise eine neue Qualität: Menschliche Grundbedürfnisse (elementare medizinische Versorgung) können nicht mehr garantiert werden. Der griechische Staat verletzt damit die Menschenrechte.

Die menschenrechtliche Dimension der Krise haben Helen Keller und mich veranlasst einen (bereits vergangene Woche erschienenen) Artikel in Die Zeit zu schreiben. Was mir wichtig war (und dem „Sparprogramm“ der Redaktion teilweise zum Opfer fiel): Im Konkurs einer Privatperson oder einer Unternehmung gibt es eine Rangfolge des Verzichts: zuerst werden die vorrangigen Guthaben (z.B. Alimenten; Publikumseinlagen bei Banken) ausbezahlt, erst nachher werden die weiteren Ansprüche soweit möglich befriedigt. Im Staatskonkurs fehlt ein Konkursrecht und damit eine Prioritätenliste. Der Stärkste kommt zuerst — auf der Strecke bleiben die theoretisch privilegierten Ansprüche, im Staat: Die Menschenrechte. Ein bisher kaum diskutiertes Problem der von EU und IMF geforderten Sparprogramme sind deshalb die fehlenden menschenrechtlichen Auflagen. Der Europäische Menschnrechtsgerichtshof wird hingegen noch ein Wort mitreden — wenn nicht vorher alles in Flammen aufgeht.

Liquidation von Lehman Brothers Finance: Was wird hier gespielt?

Urs Birchler

Seit einiger Zeit werde ich immer wieder konfrontiert mit Vorwürfen gegenüber der Schweiz, bzw. der FINMA: Es gehe bei der Liquidation von Lehman Brothers Finance SA, dem Schweizer Ableger des im September 2008 gescheiterten Konzerns Lehman Brothers, einfach nicht vorwärts. In allen Ländern komme die Liquidation voran, nur in der Schweiz würde Vorschläge zur Einigung systematisch abgelehnt. Inke Nyborg hat dazu bei Dow Jones einen (leider passwortgeschützten) Artikel vom 2. März 2012 gefunden, der über eine Gerichtsverhandlung in New York berichtet. Richter Peck habe an die Adresse der Liquidatorin PricewaterhouseCoopers (PwC) beklagt, dass von allen 80 Niederlassungen allein die schweizerische in der Liquidation hinterherhinke.

Vorwürfe an die Behörden sind grundsätzlich ernst zu nehmen, zumal zu den Lehman-Geschädigten nicht nur professionelle Grossanleger zählen (die selber schuld sind), sondern auch viele Kleinanleger, die nicht einmal bewusst Gläubiger von Lehman ber. Doch was ist daran wahr?

Zunächst ist die Liquidation von Lehman Brothers eine verzwickte Angelegenheit. Die Struktur des Lehman-Konzerns war ausgerichtet auf steuerliche und regulatorische Arbitrage. Geschäfte wurden jeweils in jenes Land verschoben, wo sie am günstigsten waren. Innerhalb des Konzerns bestanden deshalb regelmässig grosse gegenseitige Guthaben und Verpflichtungen zwischen Konzernteilen. Dabei spielen Derivatbeziehungen eine wichtige Rolle. Über die Schweizer Niederlassung beispielsweise wuden Aktien- und Aktienindexderivate abgewickelt. Nicht bei allen Lehman-Derivatkonstrukten ist klar, was diese genau beinhalteten. Rechtsfälle dazu sind mindestens bei sechs Gerichten in drei Ländern hängig. Auch im neuesten Bericht des Konkursverwalters finden sich keine klaren Hinweise auf Unterschiede zwischen dem Schweizer Verfahren und den Schwesterverfahren in den USA, dem UK, Japan und Deutschland.

Es wäre grundsätzlich möglich, dass die Liquidatorin (PwC) und/oder die FINMA besonders gewissenhaft und daher langsam vorgehen. Vielleicht sogar zu Recht: Bei einer Liquidation zählt (anders als bei einer Sanierung) nicht in erster Linie die Geschwindigkeit, sondern die korrekte Behandlung aller Beteiligten. Drei Jahre — solang dauert die Liquidation bereits — sind ein kurze Zeitspanne in diesem Gewerbe: Die Liquidation der Spar+Leihkasse Thun nahm über zehn Jahre in Anspruch. Ferner hat die FINMA das Mandat, für die Gläubiger von Lehman Brothers Finance zu agiern, nicht für den Gesamtkonzern.

Doch — etwas macht mich stutzig. Ich bin von verschiedener Seite mit denselben offenkundig falschen Argumenten konfrontiert worden. Zuletzt an einer Veranstaltung in Zürich von Robert Shapiro, der sogar ein Beratungsmandat beim IWF ausübt. Shapiro argumentiert, wie andere Kritiker bereits vor ihm, mit der Attraktivität des Standortes Schweiz: Wenn die Liquidation einer gescheiterten Bank (bzw. Finanzgesellschaft) so lange dauert, kommen keine Banken mehr in unser Land. Das ist einfühlsam von einem amerikanischen Beobachter, hat aber weder Hand noch Fuss. Das Insolvenzrecht ist zwar tatsächlich ein Teil der Standortqualität. Wichtig ist aber vor allem das Sanierungsrecht; eine Bank muss im Insolvenzfall flott gehalten und notfallmässig rekapitalisiert werden können. Und genau in dieser Hinsicht ist das (revidierte) Schweizer Recht zwar nicht perfekt, aber international führend. Die schonungsvolle und schnelle Liquidation ist demgegenüber völlig nebensächlich als Standortfaktor. Keine Bank wählt ihren Standort im Hinblick auf ihre mögliche Konkursliquidation. Und die Schweiz betreibt sicher keinen Sterbetourismus für Banken.

Provisorisches Fazit: Wenn mir von verschiedener Seite dieselben fadenscheiningen Argumente vorgetragen werden, bin ich als geborener Skeptiker vorsichtig. Meine vorläufige Interpretation (auch als Warnung an die Medienvertreter): Hier versucht jemand, PwC und die FINMA unter Druck zu setzen, weil er auf dem ordentlichen Weg nicht zu seinem Geld kommt. Pro memoria: Die Gläubiger des Mutterhauses (darunter grosse Hedge-Funds und Turnaround-Manager) können mit einer Konkursdividende von 15% rechnen, während die Gläubiger der einzelnen Tächter auf über 50% kommen könnten.

Aber ich lasse mich gerne belehren.

Too late to fail?

Urs Birchler

Der 1. März, ist immer ein besonderer Tag. An Chalanda Marz zieht nämlich mein Vornamensvetter, der Schellenursli, mit der grossen Kuhglocke durchs Dorf. Dieses Jahr ist der 1. März aber ganz besonders: Heute tritt nämlich die Änderung des Bankengesetzes „Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail“ in Kraft (
von der Presse vor zwei Wochen kurz angekündigt, sieh z.B. NZZ). Damit findet man die neuen Bestimmungen endlich auch in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts [am 1.3.2012, 06:00, allerdings noch nicht aufgeschaltet].

Wird jetzt nie mehr eine Schweizer Bank mit Staatshilfe gerettet? Müssen jetzt immer die Aktionäre bluten? Einiges ist tatsächlich besser geworden, doch so klar ist es leider nicht, wie ich in einem NZZ-Artikel und im Gutachten für das Liberale Institut argumentiert habe. Und leider sind die Verordnungen zum Gesetz noch nicht unter Dach, sondern erst im Entwurf zur Vernehmlassung. Also zu früh, um mit der grossen Glocke durchs Dorf zu marschieren.

Menschenrecht auf Rendite?

Urs Birchler

Hedge-Fonds wollen Griechenland beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg einklagen, wenn es seine Schulden nicht voll zahlt. Dies berichtet Radio DRS4 heute morgen mit einem Kommentar des Berner Völkerrechtsprofessors Walter Kälin.

Es wäre einfach — und falsch — dies mit „ja, die bösen gierigen Hedgefonds“ abzutun. Das Thema Insolvenz und Menschenrechte ist nämlich komplex. Wie würden wir urteilen im Falle, wo AHV und Pensionskassen ihre Rentenverpflichtungen nicht mehr erfüllen? Haben nicht die Rentner unfreiwillig einbezahlt in einen Topf, der nach strengen Regeln verwaltet wurde? Ist es deshalb nicht ein Menschenrecht, im Alter auf diesen Sparstrumpf zurückgreifen zu können? Aber wo genau liegt der Unterschied zu den Hedge-Fonds? Ist es die Freiwilligkeit der Kreditvergabe? Haben die Hedge-Fonds die Notlage Griechenlands ausgenützt? Oder haben sie dem Lande mit zusätzlichen Krediten geholfen, als sich sonst niemand mehr getraute? Und ist Griechenland wirklich zahlungsunfähig oder bloss zahlungsunwillig?

Wenn wir den Hedge-Fonds entgegenhalten: Ihr habt doch gewusst, dass Griechenland nicht zahlen wird!, dann müssten sich diesem Vorwurf auch die kommenden Renter stellen. Es ist seit Jahren klar, dass die Rentenansprüche — auch in der Schweiz — in 20 Jahren nicht mehr erfüllbar sind. In Strassburg klagen können sie einstweilen nicht: Die Schweiz hat das Zusatzprotokoll, in welchem das Eigentum behandelt wird, (zusammen mit Russland und Andorra) nicht ratifiziert .