Die Familienkiste

Urs Birchler

Die Familienkiste ist nicht nur ein Begriff aus der Familientherapie (wie etwa hier). Vielmehr handelt es sich um ein Finanzinstrument. Ich habe zum ersten Mal davon gelesen in der unlängst erschienenen Geschichte der Familie von Graffenried Notabeln, Bürger, Patrizier von Hans Braun.

Die Familienkiste (S. 147ff.) war in Berner Patrizierfamilien ein Vermögen, das durch Einschüsse der (männlichen) Familienmitglieder geäufnet wurde, um aus dessen Erträgen die Ausbildung minderbemittelter (männlicher) Kinder der Familie zu unterstützen. Die Familie von Graffenried gründete ihre Familienkiste im Jahr 1723. Eine Zeitlang gab es eine separate „Weiberkiste“: Töchter erhielten einen Zustupf zur Heirat oder zur Pension im Welschland. Daneben gab es eine Offizierskiste.

Einen Kistenverwalter, unterstützt durch den Kistenrat, gibt noch heute, und vermutlich [Rechtsbelehrung willkommen!] gilt sogar noch das Gesetz über die Familienkisten und Stiftungen von 1837. Mitglieder der Familienkiste von Graffenried (und vielleicht solche, die es werden wollen) können sich übrigens hier melden.

Die Rolle der Familienkiste zwischen Ausbildungsfinanzierer, Sozialversicherung und Optimierung der Erbschaftssteuer wäre noch ein Thema für eine Bachelor- oder Masterarbeit. Am besten finanziert von der Kiste.