Buchpreisbindung: Nachlese(n)

Monika Bütler

Die Buchpreisbindung ist nun definitiv passé. Niemand verbietet allerdings den Verlagen, unverbindliche Preisempfehlungen zu machen. Die Frage ist nur, was diese bewirken würden.

Mein HSG-Kollege Stefan Bühler ging zusammen mit Dennis Gärtner der Frage nach, weshalb Hersteller den Händlern Endverkaufspreise empfehlen, wenn diese jederzeit von der Empfehlung abweichen können. Interessanterweise gibt es  auch für viele andere Produkte unverbindliche Preisempfehlungen (Retail-Price Recommendations, RPR). Eine überzeugende Erklärung, warum solche Empfehlungen gemacht werden fehlte bis heute.

Die Arbeit von Bühler und Gärtner zeigt, dass unverbindliche Preisempfehlungen als Kommunikationsinstrument in langfristigen vertikalen Vertriebsbeziehungen dienen können. Eine Annahme ist, dass die Hersteller (in unserem Falle die Verlage) private Information über die Produktionskosten und die Nachfrage nach den Produkten haben. Eine andere, dass der relationale Vertrag zwischen Hersteller und Händler so ausgestaltet ist, dass der Gewinn des (Buch-)Händlers unabhängig von den Produktionskosten ist.  Unter diesen Annahmen erlauben es unverbindliche Preisempfehlungen, den gewinnmaximierenden Endverkaufspreis zu implementieren. Interessant ist der Fall, bei dem eine Preisempfehlung direkt die Nachfrage beeinflusst (normalerweise gehen die Ökonomen davon aus, dass der Preis die Nachfrage bestimmt, nicht aber die Preisempfehlung per se): Mit einer geeigneten Preisempfehlung können die Verlage die maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten abschöpfen. Was wiederum heissen würde, dass unverbindliche Preisempfehlungen sogar zu höheren Gewinnen (für die Verlage) führen als eine vertikale Preisbindung („Buchpreisbindung“).

Nach der Lektüre des Aufsatzes frage ich mich allerdings, weshalb sich die Verlage so stark für die Buchpreisbindung eingesetzt haben, wenn eine unverbindliche Preisempfehlung für sie sogar noch „besser“ sein kann? Ich bin gespannt auf Antworten – und die nächste Forschungsarbeit meiner Kollegen.

PS 1: Im Gegensatz zu anderen Ländern wurden in der Schweiz die Buchpreise nicht durch ein staatliches Gesetz vorgeschrieben, sondern durch eine privatrechtliche Vereinbarung der Verlage und Buchhändler (sogenannte Sammelrevers). Nach Einschätzung der Wettbewerbskommission stand diese Vereinbarung im Widerspruch zum Kartellgesetz. Der Bundesrat lehnte eine Ausnahme für ein Kartell ab, nachdem das Bundesgericht die Beurteilung der Buchpreisbindung durch die Wettbewerbskommission stützte.

PS 2: Der Aufsatz „Making Sense of Non-Binding Retail-Price Recommendations” wird in der American Economic Review erscheinen.

Liquidation von Lehman Brothers Finance: Was wird hier gespielt?

Urs Birchler

Seit einiger Zeit werde ich immer wieder konfrontiert mit Vorwürfen gegenüber der Schweiz, bzw. der FINMA: Es gehe bei der Liquidation von Lehman Brothers Finance SA, dem Schweizer Ableger des im September 2008 gescheiterten Konzerns Lehman Brothers, einfach nicht vorwärts. In allen Ländern komme die Liquidation voran, nur in der Schweiz würde Vorschläge zur Einigung systematisch abgelehnt. Inke Nyborg hat dazu bei Dow Jones einen (leider passwortgeschützten) Artikel vom 2. März 2012 gefunden, der über eine Gerichtsverhandlung in New York berichtet. Richter Peck habe an die Adresse der Liquidatorin PricewaterhouseCoopers (PwC) beklagt, dass von allen 80 Niederlassungen allein die schweizerische in der Liquidation hinterherhinke.

Vorwürfe an die Behörden sind grundsätzlich ernst zu nehmen, zumal zu den Lehman-Geschädigten nicht nur professionelle Grossanleger zählen (die selber schuld sind), sondern auch viele Kleinanleger, die nicht einmal bewusst Gläubiger von Lehman ber. Doch was ist daran wahr?

Zunächst ist die Liquidation von Lehman Brothers eine verzwickte Angelegenheit. Die Struktur des Lehman-Konzerns war ausgerichtet auf steuerliche und regulatorische Arbitrage. Geschäfte wurden jeweils in jenes Land verschoben, wo sie am günstigsten waren. Innerhalb des Konzerns bestanden deshalb regelmässig grosse gegenseitige Guthaben und Verpflichtungen zwischen Konzernteilen. Dabei spielen Derivatbeziehungen eine wichtige Rolle. Über die Schweizer Niederlassung beispielsweise wuden Aktien- und Aktienindexderivate abgewickelt. Nicht bei allen Lehman-Derivatkonstrukten ist klar, was diese genau beinhalteten. Rechtsfälle dazu sind mindestens bei sechs Gerichten in drei Ländern hängig. Auch im neuesten Bericht des Konkursverwalters finden sich keine klaren Hinweise auf Unterschiede zwischen dem Schweizer Verfahren und den Schwesterverfahren in den USA, dem UK, Japan und Deutschland.

Es wäre grundsätzlich möglich, dass die Liquidatorin (PwC) und/oder die FINMA besonders gewissenhaft und daher langsam vorgehen. Vielleicht sogar zu Recht: Bei einer Liquidation zählt (anders als bei einer Sanierung) nicht in erster Linie die Geschwindigkeit, sondern die korrekte Behandlung aller Beteiligten. Drei Jahre — solang dauert die Liquidation bereits — sind ein kurze Zeitspanne in diesem Gewerbe: Die Liquidation der Spar+Leihkasse Thun nahm über zehn Jahre in Anspruch. Ferner hat die FINMA das Mandat, für die Gläubiger von Lehman Brothers Finance zu agiern, nicht für den Gesamtkonzern.

Doch — etwas macht mich stutzig. Ich bin von verschiedener Seite mit denselben offenkundig falschen Argumenten konfrontiert worden. Zuletzt an einer Veranstaltung in Zürich von Robert Shapiro, der sogar ein Beratungsmandat beim IWF ausübt. Shapiro argumentiert, wie andere Kritiker bereits vor ihm, mit der Attraktivität des Standortes Schweiz: Wenn die Liquidation einer gescheiterten Bank (bzw. Finanzgesellschaft) so lange dauert, kommen keine Banken mehr in unser Land. Das ist einfühlsam von einem amerikanischen Beobachter, hat aber weder Hand noch Fuss. Das Insolvenzrecht ist zwar tatsächlich ein Teil der Standortqualität. Wichtig ist aber vor allem das Sanierungsrecht; eine Bank muss im Insolvenzfall flott gehalten und notfallmässig rekapitalisiert werden können. Und genau in dieser Hinsicht ist das (revidierte) Schweizer Recht zwar nicht perfekt, aber international führend. Die schonungsvolle und schnelle Liquidation ist demgegenüber völlig nebensächlich als Standortfaktor. Keine Bank wählt ihren Standort im Hinblick auf ihre mögliche Konkursliquidation. Und die Schweiz betreibt sicher keinen Sterbetourismus für Banken.

Provisorisches Fazit: Wenn mir von verschiedener Seite dieselben fadenscheiningen Argumente vorgetragen werden, bin ich als geborener Skeptiker vorsichtig. Meine vorläufige Interpretation (auch als Warnung an die Medienvertreter): Hier versucht jemand, PwC und die FINMA unter Druck zu setzen, weil er auf dem ordentlichen Weg nicht zu seinem Geld kommt. Pro memoria: Die Gläubiger des Mutterhauses (darunter grosse Hedge-Funds und Turnaround-Manager) können mit einer Konkursdividende von 15% rechnen, während die Gläubiger der einzelnen Tächter auf über 50% kommen könnten.

Aber ich lasse mich gerne belehren.

Ein E-Wort an Balthasar Glättli

Monika Bütler & Urs Birchler

Vor einiger Zeit stand im batz.ch (Autor Urs Birchler), dass sich sowohl Industrie als auch Politik in der Energiediskussion vor dem P-Wort fürchteten. Man spricht lieber von Bedarf statt von Preisen. Bei dieser Gelegenheit erhielt auch der heutige grüne Nationalrat Balthasar Glättli einen kräftigen Tritt ans Bein. Umso mehr freute es uns, als der von uns Gescholtene in der Arena zum Bausparen von einer Regulierung des Energieverbrauchs über den Preis sprach.
Wir möchten uns daher bei Balthasar Glättli für den Tritt entschuldigen. Ohne Wenn und Aber: Immerhin ist das E-Wort heute genau so selten anzutreffen wie das P-Wort.

Verkaufstraining für den Liberalismus

Monika Bütler

Gleich zwei Einladungen zur Krise der Liberalen landeten heute bei mir auf dem Pult. Das Liberale Institut lädt am 26. März ein zu einer Veranstaltung „Wie Liberale den Kampf der Ideen wieder gewinnen“. Die Progress Foundation doppelt am 18. April nach mit einer Konferenz zum Thema „Warum sich der Liberalismus so schlecht verkauft“.
Solange allerdings selbst die FDP.Die Liberalen fröhlich zwitschern: „fürs Bausparen, weil es dem Bedürfnis nach eigenen vier Wänden entspricht“, solange dürfte selbst ein intensives Verkaufstraining aussichtslos sein. Da hätte man ja ebenso gut zwitschern können „für 6 Wochen Ferien, weil es dem Bedürfnis nach mehr Freizeit entspricht“.

Bauförderung zu Lasten des Mittelstandes

Monika Bütler

Dieser Text erschien als Kolumne in der NZZ am Sonntag vom 26. Februar 2012 under dem Titel „Staatliche Bauförderung geht zu Lasten des Mittelstandes“.
Bevor ich in die Neidecke gedrängt werde: Wir besitzen ein nicht optimal Energie-saniertes Haus und würden somit durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Ersparnissen zugusten der Energiesanierung ebenfalls profitieren.

Hier also die Kolumne:

Beton heisst auf Englisch «concrete». Ganz konkret in diesem Sinn ist Bausparförderung sicht- und greifbar in steuergünstigen Kantonen wie Zug und Schwyz. Tiefe Steuern haben hier das Wohnen und Bauen attraktiv gemacht. Sie haben Bauzonen in die Breite und die Immobilienpreise in die Höhe getrieben. Je tiefer die Steuern, desto teurer Immobilienpreise und Mieten gilt auch für Gemeinden innerhalb desselben Kantons.
Das ist nicht weiter schlimm. Wenn der Finanzausgleich zwischen den Kantonen und Gemeinden funktioniert, bringt der Steuerwettbewerb dem ganzen Land mehr Vor- als Nachteile. Aber eines zeigt ein Blick auf die Schweizer Tiefsteuerkantone glasklar: Dass Steuervorteile den Erwerb von Wohneigentum für den Mittelstand nicht erleichtern, sondern erschweren: Vergünstigungen bei Steuern oder andere Subventionen des Bausparens verpuffen letztlich in Preiserhöhungen. Nur für die relativ reichen Käufer geht die Rechnung «Subvention minus höhere Preise» auf; für den Mittelstand hingegen wird das Eigenheim unter dem Strich teurer.
Es ist wie mit Subventionen für bäuerlichen Erzeugnisse: Diese führen auch nicht zu tieferen Konsumentenpreisen, sondern zu höheren Produzentenpreisen. Nur wissen das bei der Landwirtschaft alle. Wenn nun auf dem Land statt dem Mais der Beton wächst, soll die ökonomische Logik plötzlich nicht mehr gelten.
Die Befürworter der Bausparinitiativen ahnen die Logik: «Bausparen fördert die Baunachfrage», steht auf ihrer Internetseite. Was hingegen nicht steht: Die geförderte Nachfrage erhöht die Preise; für Neubauten und für Sanierungen gleichermassen. Mit dem vorgeschlagenen maximalen Steuerabzug von 30 000 Franken spart ein Ehepaar mit einem steuerbaren Einkommen von 200 000 Franken rund 7000 Franken pro Jahr (Stadt Zürich), ein Ehepaar mit einem steuerbaren Einkommen von 50 000 Franken dagegen nur 3000 Franken. Damit wird der Mittelstand mit den Preissteigerungen kaum mithalten können. Gefördert werden – wie es früher noch hiess – die oberen Zehntausend. Die mit Haus. Gewöhnliche Sparer, ob arm oder reich, gehen nämlich leer aus.
Zu den konkreten Nachteilen der Bausparförderung kommen die versteckten. Erstens müssen die Subventionen an die besser Gestellten und die Bauwirtschaft irgendwie finanziert werden. Zweitens verzerren sie die privaten Entscheidungen: Letztlich werden sich viele Mittelstandshaushalte auch zum Bausparen oder zum Energiesanierungs-Sparen veranlasst sehen, auch solche, die lieber (und gescheiter) für die Ausbildung der Kinder oder die Finanzierung der Pflege im Alter vorsorgen würden. Als Folge sinkt, drittens, die Mobilität. Wie in den Niederlanden, wo sich jeden Morgen und jeden Abend die Pendler stundenlang auf den überlasteten Strassen stauen. Die Kosten eines Umzugs für Hausbesitzer sind viel zu teuer.
Ist das steuerliche Bausparen denn einfach eine falsche Lösung für eine gute Absicht, wie es oft heisst? Auch wenn Wohneigentümer die besseren Schweizer wären: Nein. Nicht einmal staatliche Initiativen, die auf den ersten Blick optimal konstruiert scheinen, erreichen ihr Ziel. Den besten Beweis dafür liefert Australien. Das Land hat verschiedentlich mit sogenannten «home-owner-grants» versucht, den Erstkäufern unter die Arme zu greifen. Dabei beschränkten die Australier die Zahlungen sogar auf den Mittelstand und gewährten die Zuschüsse nur bis zu einer Obergrenze des Hauspreises. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Preise im subventionierten Segment stiegen stark an, das Angebot an erschwinglichem Wohnraum versiegte. So sehr, dass Finanzberater interessierten Käufern den Rat gaben, mit dem Kauf zuzuwarten, bis die staatlichen Zuschüsse auslaufen.
Das müsste eigentlich den vielen Liberalen, die Subventionen ausgerechnet zum Erwerb von Wohneigentum unterstützen, zu denken geben.

Freunde der ZKB: Bitte Ruhe!

Urs Birchler

Ich habe ein faules Ei gelegt! Mein provokativer Titel „Die ZKB-Todesspirale“ hat ungewollt Zweifel an der Solvenz der ZKB geweckt. Dies hat mehrere Leser (und Medienvertreter) erschreckt.

Deshalb ist eine Klarstellung am Platz. Eine Aussage zur Stabilität der ZKB war nicht gemeint. In der Zwischenzeit habe ich nachgeschaut: Die von den USA der UBS auferlegte Busse betrug damals 780 Mio. Dollar (NZZ, TA). Die ZKB mit einem vergleichsweise viel geringeren Volumen an Geldern amerikanischer Kunden verfügt aber über 8 Mrd. Fr. Eigenmitteln. Ein gutes Ruhekissen für Kunden und Steuerzahler.

Es sollte aber nicht zum Ruhekissen für Bankräte werden. Daher meine (zu) provokative Formulierung der „Todesspirale“. Mit der Spirale war ein Mechanismus gemeint, der theoretisch, im „worst case“, zu einem Teufelskreis führen kann. Die Moral: Auch wenn man Staatsgarantie hat, muss man rechtzeitig aufpassen. Das war die Idee (und sie betrifft nicht in erster Linie die ZKB, die zwar die grösste Kantonalbank ist, aber im Verhältnis zur Finanzkraft des Kantons nur im Mittelfeld steht). Die Reputation einer Bank zu schädigen, war keineswegs meine Absicht. Vielleicht hoffte ich auf ein klärendes Wort der Bankleitung. Doch hätte ich wissen müssen: Sie dürfen gar nicht. Auch im Rechtsstreit mit den amerikanischen Behörden gilt die Devise der Navy: „Lose lips sink ships.“

Bei allen ZKB-Kunden und Steuerzahlern, die meinetwegen schlaflose Nächte hatten, möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen.

Weihnachtsgeschenke rezikliert

Monika Bütler

Wie die alte Fasnacht kommt jedes Jahr, aber auch wirklich jedes Jahr, die alte Leier: Weihnachtsgeschenke seien eine ökonomische Verschwendung (siehe z.Bsp. hier).

Ich hätte wohl meinen Beitrag vom letzten Jahr unverändert hochladen können – und niemand hätte es bemerkt.

Daher auf die reziklierten Beiträge hier eine reziklierte Replik.

Die Tücken der Selbstversorgung – Fortsetzung

Monika Bütler

Vor knapp einem halben Jahr habe ich hier im Batz über die Bananenknappheit und die damit zusammenhängenden exorbitanten Bananenpreise in Australien geschrieben. Aus aktuellem Anlass hier der Link auf den Beitrag.

Lesehilfe:
– „Australien“ durch „Norwegen“ ersetzen
– „Bananen“ durch „Butter“ ersetzen
– „katastrophale Überschwemmungen“ durch „katastrophales Missmanagement des Monopolisten“ ersetzen

 

EFTA gegen Island

Urs Birchler

Ein Kollege aus Island schickt mir soeben eine Nachricht, wonach die EFTA Surveillance Authority ihr Mitgliedland Island vor Gericht ziehen will. Island hat die britischen und niederländischen Gläubiger der konkursiten isländischen Banken noch nicht entschädigt. Die EFTA, einst stolze Konkurrenz zur EWG (der späteren EU), hat noch vier Mitglieder: Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz (die ersteren drei sind auch Teil des Europäischen Wirtschaftsraums EEA).

Von der EFTA hatte ich zur eigenen Schande seit langem nichts gehört. Und dann plötzlich die Nachricht, dass sie zugunsten zweier EU-Länder gegen ein eigenes Mitgliedland vorgehen will. Wäre ich bloss Jurist geworden!