Adventskalender 21

Diana Festl-Pell

Heute vor 10 Jahren erhielt ich von meinen Grosseltern ein sogenanntes „Überlebenspaket“ ins Nicht-Euro-Ausland geschickt. Mit in diesem Päckchen war ein Euro-Starterkit (Näheres dazu findet sich hier) mit frisch geprägten Euro-Münzen im Wert von 20 DM in einem Plastiksäckchen. Diese Starterkits konnte man in vielen Euroländern zwischen Mitte und Ende Dezember 2001 erwerben, um sich mit der neuen Währung vertraut zu machen.

Als ich jetzt, 10 Jahre später, das noch geschlossene Plastiktütchen vor mir habe, wollte ich doch noch einmal nachsehen, welche Währung denn meine Grosseltern im Alter von knapp 20 Jahren in ihren Händen hielten. Von meiner Grossmutter wusste ich bereits, dass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg der meiste Handel ohne Geld lief und man am besten Zigaretten oder Kaffee als wertvollste Tauschgüter feilbot.

Daneben gab es jedoch ebenfalls eine Einheitswährung – die Alliierte Militärmark, die zwischen 1944 und 1948 im Umlauf war. Diese galt als gesetzliches Zahlungsmittel für die Bezahlung von Markschulden aller Art. Niemand durfte die Alliierte Militärmark und die auf Mark lautenden gesetzlichen Banknoten unterschiedlich behandeln. Amerikanische Soldaten durften die Militärmark in US-Dollar umtauschen. Auch den sowjetischen Verbündeten übergab das US-Schatzamt Druckplatten. Rotarmisten durften ihre Militärmark nicht in Rubel umtauschen. Dies führte zu einem schwunghaften Schwarzhandel der alliierten Soldaten untereinander. Allein im Juli 1945 wurden 3 Millionen US-Dollar in die Heimat überwiesen, obschon nur 1 Million an Sold an die Soldaten ausbezahlt wurde.

Der Gesamtverlust für das US-Schatzamt betrug 530 Millionen US-Dollar. Also damals bereits eine Verlustgeschichte, die Einheitswährung.

 

Euros nach Madrid

Urs Birchler

Die EZB bietet den Banken für die nächsten drei Jahre unlimitiertes Geld zum Referenzsatz von 1 Prozent an (bei gleichzeitiger Lockerung der Bedingungen für zulässige Pfandsicherheiten). Was erreicht sie dadurch?

Beim Kaffee zeigen mir meine Kollegen Alexandre Ziegler und Per Östberg einen Artikel aus Bloomberg, der die Antwort enthält: Spanien nahm heute 5.6 Mrd. Euro auf drei, bzw. sechs Monate auf. Beide Tranchen wurden massiv überzeichnet und gingen weg mit Zinssätzen von 1.735 Prozent, bzw. 2.435 Prozent. Am 22. November hatte Spanien für dieselben Laufzeiten noch 5.11 Prozent, bzw. 5.23 Prozent bieten müssen. Mit andern Worten: Die EZB gibt billiges Geld an die Banken, die es postwendend in höher rentierende Regierungspapiere investieren.

Kurz und schlecht: Die EZB schafft Geld, leiht dieses den Banken in der Hoffnung, dass diese es an den finanziell maroden Staat weiterleihen. Das ist sozusagen TBTF im Rückwärtsgang (die Banken retten den Staat) plus Monetisierung durch die EZB — „Quantitative Easing“ auf europäisch.

Die Tücken der Selbstversorgung – Fortsetzung

Monika Bütler

Vor knapp einem halben Jahr habe ich hier im Batz über die Bananenknappheit und die damit zusammenhängenden exorbitanten Bananenpreise in Australien geschrieben. Aus aktuellem Anlass hier der Link auf den Beitrag.

Lesehilfe:
– „Australien“ durch „Norwegen“ ersetzen
– „Bananen“ durch „Butter“ ersetzen
– „katastrophale Überschwemmungen“ durch „katastrophales Missmanagement des Monopolisten“ ersetzen

 

Adventskalender 20

René Hegglin

In wenigen Tagen ist Weihnachten und die Strassen sind gefüllt mit Leuten, welche – vielleicht wie ich – die letzten Geschenke für ihre Liebsten suchen. Hier eine Liste für alle Verzweifelten, welche noch ein Geschenk für eine Ökonomin/einen Ökonomen suchen:

Spiele:

  • Die Siedler von Catan: ein erweiterbares Strategiespiel (auch) für Erwachsene mit dem Ziel innert kurzer Zeit mittels taktischer Kooperation möglichst viel Siedlungen aufzubauen.
  • Backgammon: ist – auch wenn man es mit Würfeln spielt – kein reines Glücksspiel.

Abos:

  • Economist: nicht ganz günstiges Geschenk; wortgewandtes Wochenmagazin für Nachrichten aus Politik und Wirtschaft der ganzen Welt.
  • NZZ: noch teurer ist die wohl beste Wirtschaftszeitung der Deutschschweiz. Je nach Digitalisierungsgrad des Beschenkten lohnt sich auch die E-Paper only Variante.

Film:

  • The Inside Job: kritischer Dokumentarfilm zur Finanz- und Schuldenkrise, Sieger eines Oscars, klinisch trocken gesprochen von Matt Damon.
  • A Beautiful Mind: Hollywood’scher Spielfilm als Biografie von John Nash (Nobelpreisträger und Begründer des Nash Gleichgewichts)

Buch:

Gratis:

  • RSS-Feed für Batz: vielseitige und aktuelle Artikel zur Wirtschaftspolitik der Schweiz.

Adventskalender 19

Inke Nyborg

Am 19.Dezember 1843 veröffentlichte der englische Autor Charles Dickens seinen Roman A Christmas Carol.

Das Buch entstand aus Goldnot. Dickens hatte bereits seit einiger Zeit den Plan zu der Erzählung, als er schließlich 1843 in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Um die Sache noch schlimmer zu machen, hatte sein Verleger nicht die nötigen Mittel, das Buch herauszubringen, und so bezahlte Dickens schliesslich den Druck selbst. Allerdings gab es zu jener Zeit in England keinen Urheberschutz, und so konnte das Buch, welches schnell erfolgreich wurde, ungehindert als Raubdruck vertrieben werden. Dickens zog zwar gegen die Verantwortlichen vor Gericht, jedoch kostete ihn das am Ende so viel, wie er mit dem Buch selbst eingenommen hatte.

Die Hauptperson des Buches ist Ebenezer Scrooge. In dem Roman wandelt sich der herzlose Geschäftemacher Scrooge zu einem gütigen, lindernden alten Herren. Am Heiligen Abend erscheinen Scrooge drei Geister. Ihm erscheint der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Marley, der zu Lebzeiten noch geiziger als Scrooge war, und dieser prophezeit Scrooge ein düsteres Ende für den Fall, dass er sein Leben nicht grundlegend ändere. Danach zeigt sich der Geist der vergangenen Weihnacht, welcher Scrooge in seine Kindheit zurückversetzt, gefolgt vom Geist der gegenwärtigen Weihnacht, der ihn ins Haus seines ärmlich lebenden Schreibers und dessen Familie sowie in das Haus seines Neffen geleitet. Nach diesen Ereignissen verändert Scrooge’s Persönlichkeit sich für immer, und er kann sich auf Weihnachten freuen: “I am as light as a feather, I am as happy as an angel, I am as merry as a school-boy. I am as giddy as a drunken man. A merry Christmas to everybody!”

Adventskalender 18

Monika Bütler

Zum 4. Advent zwar kein Weihnachtslied, aber wenigstens eins mit Bätzeli — leider kenne ich weder den Ursprung des Liedes noch die Kaufkraft eines Batzens zu jener Zeit.

Schuehmächerli, Schuehmächerli, was choschted mini Schueh?
Drü Bätzeli, drü Bätzeli, und d’Negeli dezue.

Drü Bätzeli, drü Bätzeli, das isch mer wärli z’tüür,
do laufi lieber barfuess, dörs Wasser und dörs Füür!

Schuemächerli, Schuemächerli, wo flicksch du dyni Schue
Im Chämmerli, im Chämmerli, tue sTörli weder zue.

Schuemächerli, Schuemächerli, was machsch du au för Lärm
I hämmere, i hämmere, das mach i ebe gern.

und hier eine neue Version des Lieds von den Helik-Jungs – voll krass.

Adventskalender 17

Urs Birchler

„Der Streit um die Batzen“ — so betitelt Julius Cahn ein Kapitel seines Buches Der Rappenmünzbund von 1901. Worum ging es?

Im Jahre 1342 schlossen sich die Städte Zürich und Basel mit dem Basler Bischof und dem Herzog von Österreich zusammen unter dem Namen „Rappenmünzbund“, um eine einheitliche Währung einzuführen. Zu seinen besten Zeiten umfasste der Rappenmünzbund etwa achtzig Teilnehmer (z.B. Städte vom Oberrhein, der Nordwestschweiz und Vorderösterreichs).

Wie alle Währungsunionen zwischen souveränen Staaten vor und nach dem Rappenmünzbund litt dieser an inneren Spannungen. Namentlich störte der Zustrom von Batzen-Münzen. Zunächst versuchte es Basel mit einer Wechselkursgrenze: Für die Batzen durften nicht mehr als 9 Rappen bezahlt werden. Es folgte ein Zustrom billig geprägter Batzen. Bis im August 1820 war dieser so angeschwollen, dass Basel einen Krisengipfel einberufen musste. Dieser beschloss in der Tat, die Batzen hätten bis Weihnachten von der Bildfläche zu verschwinden. Dies taten sie nicht. Österreich stieg deshalb aus, indem es sich weigerte, genug Münzen zu prägen, um die Batzen wieder zu verdrängen. Schliesslich wurde der Rappenmünzbund 1584 aufgelöst.

Die Abbildung zeigt je einen Rappen aus Basel (Bischofsstab) und Zürich (Äbtissin des Fraumünsterklosters, die Zürcher Münzherrin).

Adventskalender 16

René Hegglin

Am 2. Dezember forderten wir die Leser des Batz auf, in einer Schätzfrage eine Zahl von 0 bis 100 zu schätzen und dabei möglichst nahe an 2/3 des Mittelwerts aller Schätzungen zu kommen. Die Teilnahme ist hoch ausgefallen: es haben insgesamt 53 Leser an dem Experiment teilgenommen und eine Schätzung abgegeben.

Die Aufgabe (eine Zahl innerhalb 0-100 zu schätzen) mag einfach klingen, ist sie jedoch nicht. Die Schwierigkeit der Aufgabe ist, die Rationalität seiner Gegenspieler einzuschätzen. Die perfekt rationale Lösung wäre nämlich 0. Doch warum ist sie 0? Hier die Anleitung: Angenommen alle Spieler würden nicht-strategisch spielen, d.h. kein Spieler zieht die Aktionen seiner Mitspieler in Betracht und wählt die Zahl zufällig zwischen 0 und 100. Der Mittelwert wäre somit bei 50 und gewinnen würde man mit einer Schätzung von 33.3 (=2/3 * 50). Alle Spieler möchten gewinnen und wählen also einen Wert von 33.3. Jedoch wenn alle Spieler 33.3 schätzen würden, dann reduziert sich der Mittelwert von 50 auf 33.3 und die neue Gewinnerzahl wäre 22.2. Alle Spieler sollten somit 22.2 schätzen. Dieses Spiel ginge in analoger Form weiter mit 11.1, 7.4, … bis man letztlich approximativ bei 0 landet.

Trotzdem ist es kaum eine gute Strategie 0 zu wählen und längst nicht alle Spieler tippen auf 0. An der Universität Konstanz spielte man dieses Spiel mit 127 Universitätsprofessoren und die Gewinnerzahl lag bei 19.537. Am Begrüssungstag der Wirtschafts-Masterstudierenden an der Universität Zürich lag die Gewinnerzahl für alle Schätzungen bei 8.43. Warum nicht bei 0? Die Erklärung ist Teil experimenteller Forschung, erstmals untersucht von Rosemarie Nagel im Jahr 1995. Unterschiede entstehen einerseits in der individuellen Tiefe des Gedankengangs (von 50 auf 33.3, auf 22.2, auf 11.1, …) und andererseits in der Einschätzung der Tiefe des Gedankengangs der Mitspieler. Während eine Schätzung von 0 zwar auf einen tiefen Gedankengang hinweist, so ist die Schätzung trotzdem etwas überoptimistisch bezüglich der Denkweise aller Mitspieler. Im Mittelwert lagen die Schätzungen vom 2. Dezember bei 17.73 und die Gewinnerzahl somit bei 11.82. Die Batz-Leser bewegen sich somit im Mittelfeld zwischen Wirtschafts-Masterstudierenden und Universitätsprofessoren.

Gewonnen haben das Spiel zwei anonyme Spieler, welche auf 12 tippten. Auf dem zweiten Platz folgen Lukas, Patrick und eine weitere anonyme Teilnahme mit jeweils einer Schätzung von 11. Herzlichen Glückwunsch!

EFTA gegen Island

Urs Birchler

Ein Kollege aus Island schickt mir soeben eine Nachricht, wonach die EFTA Surveillance Authority ihr Mitgliedland Island vor Gericht ziehen will. Island hat die britischen und niederländischen Gläubiger der konkursiten isländischen Banken noch nicht entschädigt. Die EFTA, einst stolze Konkurrenz zur EWG (der späteren EU), hat noch vier Mitglieder: Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz (die ersteren drei sind auch Teil des Europäischen Wirtschaftsraums EEA).

Von der EFTA hatte ich zur eigenen Schande seit langem nichts gehört. Und dann plötzlich die Nachricht, dass sie zugunsten zweier EU-Länder gegen ein eigenes Mitgliedland vorgehen will. Wäre ich bloss Jurist geworden!