Freunde der ZKB: Bitte Ruhe!

Urs Birchler

Ich habe ein faules Ei gelegt! Mein provokativer Titel „Die ZKB-Todesspirale“ hat ungewollt Zweifel an der Solvenz der ZKB geweckt. Dies hat mehrere Leser (und Medienvertreter) erschreckt.

Deshalb ist eine Klarstellung am Platz. Eine Aussage zur Stabilität der ZKB war nicht gemeint. In der Zwischenzeit habe ich nachgeschaut: Die von den USA der UBS auferlegte Busse betrug damals 780 Mio. Dollar (NZZ, TA). Die ZKB mit einem vergleichsweise viel geringeren Volumen an Geldern amerikanischer Kunden verfügt aber über 8 Mrd. Fr. Eigenmitteln. Ein gutes Ruhekissen für Kunden und Steuerzahler.

Es sollte aber nicht zum Ruhekissen für Bankräte werden. Daher meine (zu) provokative Formulierung der „Todesspirale“. Mit der Spirale war ein Mechanismus gemeint, der theoretisch, im „worst case“, zu einem Teufelskreis führen kann. Die Moral: Auch wenn man Staatsgarantie hat, muss man rechtzeitig aufpassen. Das war die Idee (und sie betrifft nicht in erster Linie die ZKB, die zwar die grösste Kantonalbank ist, aber im Verhältnis zur Finanzkraft des Kantons nur im Mittelfeld steht). Die Reputation einer Bank zu schädigen, war keineswegs meine Absicht. Vielleicht hoffte ich auf ein klärendes Wort der Bankleitung. Doch hätte ich wissen müssen: Sie dürfen gar nicht. Auch im Rechtsstreit mit den amerikanischen Behörden gilt die Devise der Navy: „Lose lips sink ships.“

Bei allen ZKB-Kunden und Steuerzahlern, die meinetwegen schlaflose Nächte hatten, möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen.

Staatsgarantie der ZKB

Urs Birchler

Jetzt bekomme ich Anfragen: Was bedeutet die Staatsgarantie der ZKB eigentlich?

Die Antwort hat zwei Teile. Erstens gibt es die im Kantonalbankgesetz festgelegte Staatsgarantie. Konkret:

§ 6.
1 Der Staat haftet für alle Verbindlichkeiten der Bank, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen.
2 Die Haftung erfasst nachrangige Verbindlichkeiten und das Partizipationskapital nicht.

Zweitens: Die ZKB geniesst eine faktische Staatsgarantie, die über die gesetzliche hinausgeht. Die gesetzliche Staatsgarantie kommt erst zum Tragen im Rahmen eines Konkursverfahrens. Ein solches vernichtet jedoch einen grossen Teil der Substanz einer Bank. Der Kanton Zürich würde also sehr wohl überlegen, ob er nicht lieber die Bank als Ganze retten würde, wie die Zürcher Finanzdirektorin, Frau Regierungsrätin Ursula Gut, in einem sehr lesenswerten Referat glasklar dargelegt hat.

Auch für nachrangige Forderungen haftet also faktisch der Kanton. Als einzige Verbindlichkeit nicht von der faktischen Staatsgarantie gedeckt ist die eben erst begebene nachrangige Tier-1 Anleihe. („Tier-1“ bezeichnet sogenanntes Kernkapital, hat als nichts mit dem Zoo-Sponsoring der ZKB zu tun.) Die Anleihe verfällt, wenn die Kernkapitalquote der ZKB unter 7% fällt oder wenn die FINMA eine drohende Insolvenz feststellt.

ZKB: Die Zürcher Kommunikations-Bank

Urs Birchler

Ich habe ein neues Lieblingswort.

Vor drei Tagen habe ich in diesem Blog einen bösen Kommentar zum Schweigen der ZKB abgegeben. Jetzt hat ein Bankrat das Schweigen in einem Interview mit dem Tagesanzeiger gebrochen. Man höre und staune:

„Es ist vielleicht eine heikle Situation für jene Banken, die in solche Geschichten involviert sind. Aber sicher nicht für mich persönlich.“

„Man macht sich immer Sorgen. Es ist aber auch schwierig, abzuschätzen, was auf die ZKB zukommen kann.“

Das ist alles sehr beruhigend — aber sicher nicht für mich persönlich.

Zurück zur Arbeit – diesmal geht es wirklich um die Bausparinitiativen…

Monika Bütler

Ein gewichtiges Argument gegen die Subventionierung von Wohneigentum kam bis heute in den Diskussionen zu kurz (nicht aber im batz.ch) Bausparen führt tendentiell zu einer Erhöhung der Immobilienpreise (und somit auch zu einer Erhöhung der Mieten der Nicht-Bausparer). Die Steuererleichterung wird nämlich in den Preisen berücksichtigt: Was die Haushalte mit dem Bausparen an Steuern einsparen, legen sie (mindestens) wieder drauf durch den gestiegenen Kaufpreis der Immobilie. Die Subventionen kommen der Baubranche, den bisherigen Eigentümern und möglicherweise den Banken zu Gute.

Graue Theorie? Nein! Eigentlich genügte schon ein Blick auf die Schweiz. Ähnliche Gemeinden mit unterschiedlichen Steuerbelastungen zeigen auch sehr unterschiedliche Immobilienpreise: Je tiefer die Steuersätze, desto höher die Preise. Dabei profitieren die Reicheren, weil die tieferen Steuern die höheren Immobilienpreise mehr als kompensieren. Für den Mittelstand ist es genau umgekehrt: die Steuerersparnisse sind viel kleiner als die Differenz in den Immobilienpreisen.

Direkte Evidenz kommt aus Australien. Das Land hat verschiedentlich mit „Home-owner-grants“ versucht, den Erstkäufern unter die Arme zu greifen. Dabei haben die Australier sogar noch versucht, die Subventionen auf den Mittelstand zu beschränken und die Zuschüsse nur bis zu einer Obergrenze des Hauspreises zu gewähren. Das Resultat ist durchschlagend: Die Preise im subventionierten Segment stiegen stark an. Mit der Zeit verkleinerte sich das Angebot immer mehr. So sehr, dass Finanzberater interessierten Käufern den Rat auf den Weg gaben, mit dem Kauf zuzuwarten, bis die staatlichen Zuschüsse auslaufen. Mein Kollege Benjamin Avanzi hat mir dazu zwei sehr lesbare Links auf die Australische Medien geschickt: Link 1, Link 2.

batz.ch ungefragt in den Schaffhauser Nachrichten (Fortsetzung)

Monika Bütler

In den letzen Stunden wurde ich von Anfragen überrannt. Hauptfrage war, wie denn die Schaffhauser Nachrichten, respektive Herr Neininger, auf den Vorwurf reagierten.

Das müsste man eigentlich Herr Neininger selber fragen.

Aus meiner Sicht hier das Wichtigste in Kürze: Ich habe die Auseinandersetzung mit den Schaffhauser Nachrichten nicht gesucht und habe daher auch mit der Veröffentlichung des Falls zugewartet. Tatsächlich habe ich „besseres zu tun, als einen Prozess anzustrengen“, wie mir der Chefredaktor der Zeitung, Norbert Neininger, treffend schrieb. Der Versuch einer gütlichen Einigung mit ihm scheiterte allerdings. Bereits am 29. Januar schrieb ich eine email an Herrn Neininger, in der ich ihn auf die Verletzung des Urheberrechts aufmerksam machte und ihm vorschlug, unserem Forschungsinstitut (also nicht mir!) eine Kompensation von 2500 Franken zu zahlen. Wahrscheinlich hat ihn diese Forderung etwas erzürnt.

In seiner Antwort vom 30. Januar verneinte Herr Neininger eine Verletzung des Urheberrechts aus folgenden Gründen:

–       der Aufsatz “Ausstieg aus der ökonomischen Vernunft” ist auf der Website des Mieterverbandes und anderen Websites verlinkt

–       der Beitrag ist auf dem Blog schrankenlos zugänglich. Der Blog wird zudem in den Social Media Plattformen annonciert.

–       auf dem Blog www.batz.ch selber finden sich keine Hinweis, dass die Beiträge urheberrechtlich geschützt sind.

–       Es heisst dort im Gegenteil unter “Zielsetzung”: “batz.ch soll der Schweizer Öffentlichkeit zeigen, was Schweizer Wirtschaftsprofessoren zu aktuellen Themen der Wirtschaftspolitik denken. Die Initiatoren hoffen, mit dieser Plattform den Graben zwischen akademischer Forschung und öffentlicher Meinung zu verringern“.

Herr Neininger meinte, dass die Redaktion der Schaffhauser Nachrichten einfach dieser Aufforderung nachgekommen sei und durch die Publikation des Blogbeitrags der Schaffhauser Öffentlichkeit gezeigt habe, was ich zu einem aktuellen Thema der Wirtschaftspolitik denken würde.

In einer weiteren email weist mich Herr Neininger darauf hin, dass es sogar im Editorial des batz.ch hiesse: “Die Leser sind eingeladen … einen Bissen oder zwei zu naschen”. Er meint wörtlich (email vom 31. Januar 2012):

„Es ist durchaus üblich, dass dergestalt präsentierte Blogtexte geteilt und anderweitig verbreitet werden; wir konnten in guten Treuen davon ausgehen, dass stimmt, was dort sonst noch steht: Dass es um die “Verringerung des Grabens zwischen akademischer Forschung und öffentlicher Meinung” ginge.“

Mein Vergleich mit seinen Aufsätzen zum Urheberrecht lässt er ohnehin nicht gelten. Wörtlich (email vom 31. Januar 2012):

„Sie berufen sich im übrigen auf meine Verteidigung des Urheberrechts. Es geht hier aber nicht um eine Verletzung des Urheberrechts – der Blog ist frei zugänglich und seine Beiträge sollen offensichtlich die öffentliche Debatte bereichern. Das Geschäftsmodell der Zeitung hingegen beruht auf völlig anderen Grundlage – die Inhalte sind eben nicht frei zugänglich.“

Herr Neiningers Vorschlag einer gütlichen Einigung nach mehreren email Wechseln war dann folgender (ebenfalls am 31. Januar 2012):

„Da ich davon ausgehe, dass auch Sie besseres zu tun haben als einen Prozess anzustrengen, der wohl grosse Beachtung fände aber kaum zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann, schlage ich Ihnen folgende gütliche Einigung vor:

Wir publizieren eine Notiz, in der wir klarstellen, dass Sie diesen Text auf dem Blog www.batz.ch veröffentlicht und nicht exklusiv für uns geschrieben haben. Wenn Sie darauf Wert legen, veröffentlichen wir auch Ihren Originaltext – gerne aber, wenn es Ihnen recht ist, ohne die orthografischen Fehler, die unsere Korrekturabteilung bereits ausgemerzt hatte.

Bitte teilen Sie mit, ob die Sache für Sie damit erledigt ist und Sie auf weitere Forderungen ausdrücklich verzichten“.

 

batz.ch ungefragt in den Schaffhauser Nachrichten

Monika Bütler

„Vielen herzlichen Dank für Ihren Beitrag in der gestrigen Ausgabe der Schaffhauser Nachrichten“, schrieb mir eine Leserin der Schaffhauser Nachrichten vor rund 10 Tagen. Drei weitere ähnliche emails folgten. Dumm war nur, dass ich mich nicht an einen solchen Beitrag in den Schaffhauser Nachrichten (nach eigenen Angaben: Schaffhauser Intelligenzblatt) erinnern konnte. So vergesslich bin ich doch gar nicht.

Des Rätsels Lösung: In der Ausgabe vom 26. Januar 2012 druckten die Schaffhauser Nachrichten – ohne mein Wissen, geschweige denn Einverständnis – einen Beitrag ab, der im Juni 2011 im www.batz.ch erschienen ist.

Es wäre so einfach gewesen, zu fragen. Und vor allem anständig. Doch die Schaffhauser Nachrichten informierte mich auch später nicht. Auf ein Belegexemplar warte ich noch heute. Ich musste mir den Text via Argus und über das kostenpflichtige (!) Archiv der Schaffhauser Nachrichten selber besorgen. Wären die Leser nicht gewesen – ich wüsste noch heute nichts davon.

Die Zeitung publizierte den Beitrag unter meinem Namen („von Monika Bütler“) und der üblichen Bezeichnung („Monika Bütler ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen“). Also genau so, wie es für eingeladene Texte üblich ist. Den Lesern wurde suggeriert, ich hätte den Aufsatz explizit für die Schaffhauser Nachrichten verfasst – was diese auch so verstanden. Mein Beitrag wurde zudem innerhalb einer Pro- und Contra Debatte zur Initiative des HEV verwendet. (Ob Hans Egloff – mein fiktives Gegenüber – wohl etwas davon wusste?). Unter diesen Bedingungen ist es auch klar, dass die Zeitung den batz.ch als Quelle nicht nennt.

Die von den Schaffhauser Nachrichten publizierte Version unterscheidet sich von meinem ursprünglichen Text im Titel (Keinerlei ökonomische Vernunft) und dem ersten Satz, der dem Beitrag eine andere Stossrichtung und Tonalität gab. Im ursprünglichen Text drückte ich mein Unverständnis für die Unterstützung des Bausparens durch die zwei Kammern des Parlaments aus und nicht ein Unverständnis für die Initiativen. Selbstverständlich finde ich die Initiativen nicht toll, aber in einer Demokratie dürfen auch Partikularinteressen vertreten werden. Hingegen erwarte ich vom Parlament, dass sie das Gesamtwohl des Landes im Auge behalten.
Erster Satz des batz-Beitrags: Das Bausparen soll nach dem Willen der beiden Kammern subventioniert werden.
Erster Satz des Beitrags auf ShN: Das Bausparen soll mit der Initiative subventioniert werden.

Die Schaffhauser Nachrichten hat sich dann zwar die Mühe gemacht, Tippfehler und die in ihren Augen – nicht meinen! – ungerechtfertigten Anführungszeichen bei vernünftig zu eliminieren. Den nun nicht mehr passenden Schluss hat sie belassen. Der letzte Satz, „Offenbar ist diese Gruppe im Parlament besonders gut vertreten“, steht nun ganz alleine und verlassen da.

Mein ursprünglicher batz.ch-Artikel ist – wie alle anderen Beiträge in diesem Blog – ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetztes URG. Dessen Abdruck (a) nicht autorisiert, (b) mit substantiellen Änderungen am Text (insbesondere auch Titel und erster Satz, wodurch sowohl die Stossrichtung wie auch die Tonalität ändern), sowie (c) in einem anderen Zusammenhang verletzen Art. 25 und 11 URG. In der Schweiz ist ein Werk urheberrechtlich geschützt sobald es geschaffen wurde. Es braucht dazu keinen expliziten Hinweis auf ein Copyright.

Doch viel ärgerlicher ist etwas anderes: Der Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten, Norbert Neininger, will nichts von einer Verletzung meiner Rechte wissen. Gleichzeitig verteidigt er das Urheberrecht entschieden: Im Internet dürfe man nicht Inhalte aus der Zeitung übernehmen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass dies in der Gegenrichtung nicht gelten soll.

Den zweiten Abschnitt des Aufsatzes von Norbert Neininger (NZZ, 17. August 2010:“Verlage haben Anrecht auf besseren Schutz“)  möchte ich unseren Lesern nicht vorenthalten:

„Programme, Texte, Bilder, Musikstücke, Filme — all das stand plötzlich weltweit zur Verfügung, und es kostete nichts. Und während jeder Turnverein, der seinen Unterhaltungsabend mit Musik untermalte, Urheberrechtsgebühren entrichten musste, gewöhnten sich die (jungen) Menschen daran, dass weder Recht noch Ordnung im Netz gelten. Das Aussergewöhnliche hielten alle für selbstverständlich, und wer darauf hinwies, galt als Ewiggestriger.“

 

Die ZKB-Todesspirale

Nachtrag vom 9. Feb. 2012: Aufgrund des (zu) provokativen Titels und besorgten Leseranfragen, habe ich die Aussagen hier präzisiert.

Urs Birchler

Letzte Woche musste ich bei der ZKB in der Schlange anstehen (wegen Umbauarbeiten). Ein Blick auf meine Mit-Ansteher genügte, mich erneut zu überzeugen: Es braucht eine Bank, der Herr und Frau Zürcher blind vertrauen können, ohne übervorteilt oder in Spekulationen hineingezogen zu werden.

Dann lese ich die Presseberichte zur Anwerbung von US-(und ex UBS-)Kunden durch unser Staatsinstitut. Und da wird mir als Zürcher Steuerzahler, Kantonsangestellter, und Eigenheimbesitzer gschmuch. Über die Staatsgarantie hänge ich letztlich in dieser Steuergeschichte nicht nur voll mit drin. Mehr noch: Wenn die Staatsgarantie zum Tragen kommt, wenn also die Steuern erhöht werden müssen, ziehen Gutverdienende weg, die Steuern müssen noch mehr steigen. Häuser im Kanton Zürich verlieren an Wert. Die Pfänder der ZKB-Hypotheken genügen nicht mehr, der ZKB geht es noch schlechter — potentiell eine Todesspirale für die ZKB und letztlich für den Kanton. (Der Kanton Appenzell AR hat dieses Schicksal 1995 knapp vermieden, indem seine bankrotte Kantonalbank von der UBS übernommen wurde. Der Kanton Bern musste nach 1993 zur Sanierung seine KB die Steuern erhöhen, kam aber mit dem blauen Auge davon, weil er es nicht mit den USA zu tun hatte.)

Können wir Zürcher noch ruhig schlafen? Unsere Bank schweigt. Die kantonale Aufsichtskommission über die wirtschaftlichen Unternehmen, gemäss Bilanz seit vergangenem September in Sachen ZKB tätig, hat ebenfalls Stillschweigen vereinbart.

Am lautesten aber schweigt der Bankrat der ZKB. Von den 13 Mitgliedern sind immerhin drei als Präsidium vollamtlich tätig. Bitte sagen Sie uns: Wie gross sind die Risiken? Was wäre der „worst case“? Wie will die Bank im Konflikt mit den USA vorgehen?

Als Stimmbürger und Steuerzahler möchte ich auch gerne wissen: Warum haben Sie der Übernahme hoch-problematischer Kunden zugestimmt? Und warum schliessen die Verhaltensregeln der ZKB die aktive, nicht aber die passiv-wissentliche Mithilfe zur Steuerhinterziehung ausdrücklich aus? Warum muss die ZKB gemäss ihrem Leitbild überhaupt „international erfolgreich“ sein? Im gesetzlichen Leistungsauftrag (Paragraph 2 des Kantonalbankgesetzes) ist von Internationalem jedenfalls nicht die Rede. Meine Vermutung: Die Autoren dieses Gesetzes (und der Zürcher Souverän, der es guthiess) hatten wohl dieselben Leute vor Augen, mit denen ich diese Woche in der Schlange stand.

Jedes Reglement hat auch seine Löcher

Monika Bütler

Fast alle Regeln lassen Möglichkeiten offen, sie gegen ihren Geist auszulegen. Mehr noch: Je genauer und spezifischer die Regeln, desto genauer umrissen sind für findige Köpfe auch die Löcher. Am besten weiss dies wohl das Steueramt.

Die untenstehende Kolumne – erschienen in der NZZ am Sonntag vom 29. Januar 2012 – hatte ich schon lange vor der Diskussion um die SNB Reglemente im Kopf, die Hälfte war bereits vor Monaten auf dem elektronischen Papier. Mein Kollege Jörg Baumberger hat mir dann noch den letzten Anstoss gegeben, die Kolumne auch wirklich fertig zu schreiben. Er hat mir nämlich eine der legendären Pepper… and Salt Cartoons des Wallstreet Journals zugesteckt. Ein frohlockender Lobbyist meint dort: „The great thing about regulations is more loopholes.“

Mein Dank geht an Jörg Baumberger, Silvio Borner und andere Kollegen, die mir in den letzten Wochen aufmunternd zur Seite gestanden sind. Und natürlich an meine Familie. Unsere Kinder haben nämlich bisher jedes noch so raffinierte Reglement, jeden vermeintlich „optimalen“ Anreizvertrag ausgehebelt. Noch am besten funktionieren unspezifische Verhaltensregeln (lieb und anständig sein).

————————————————————————-

Jedes Reglement hat auch seine Löcher

Schlaumeier nützen Lücken in den Vorschriften aus – was zu noch mehr Regeln führt

Roger Federer ist dafür. Rafael Nadal eher dagegen. Es geht um die Pflicht für Athleten, ihren Aufenthaltsort laufend der Internationalen Anti-Doping Agentur zu melden. Vollkommene Transparenz soll die Kontrolle darüber erleichtern, ob ein Athlet verbotene Substanzen verwendet. In einer langen Liste sind diese abschliessend aufgezählt. Man hat nicht einmal vergessen, den Alkohol aus dem Automobilrennsport zu verbannen.

Es gibt kaum ein extremeres Beispiel für Transparenzpflichten und ausdetaillierte Regeln. Da hat es sich Moses mit der saloppen Formel „Du sollst nicht ehebrechen“ doch einfach gemacht. Traurige Gemeinsamkeit: Weder die leistungssteigernde Medizin noch der Ehebruch sind bislang verschwunden.

Trotzdem wissen viele, wie Finanzgeschäfte eines Notenbankpräsidenten zu behandeln sind: Mit schärferen Regeln.

Vergessen geht dabei: Fast alle Regeln lassen Möglichkeiten offen, sie gegen ihren Geist auszulegen. Mehr noch: Je genauer und spezifischer die Regeln, desto genauer umrissen sind für findige Köpfe auch die Löcher (fragen Sie beim Steueramt nach). Der Emmentaler ist zwar klarer strukturiert als der Hüttenkäse, hat aber gerade darum auch duetlichere Löcher, durch die man den Finger stecken zu kann, ohne den Käse zu berühren. Das Wallstreet Journal brachte es vor vielen Jahren mit einem ihrer legendären Pepper…and Salt Cartoons auf den Punkt: „The great thing about regulations is more loopholes.“

Detaillierte Regeln können notwendig sein, um das Individuum zu schützen. Gleichzeitig bergen sie die Gefahr, dass ein dem Geist der Regeln entsprechendes Verhalten geahndet wird. Darum wissen Eltern: Das Versprechen: „Wenn Ihr lieb seid …“, ist meist besser verständlich und wirksamer als lange Verbots- oder Gebotslisten.

So wäre es nicht nur in der Kinderstube, sondern auch an der Uni. Die Spannung zwischen dem Geist eines Reglements und seinen konkreten Auswirkungen ist an den Hochschulen spür- und sichtbar. Der Studienbetrieb ist heute stark ver-reglementiert –  angefangen bei der Aufnahme, über Wahlmöglichkeiten, bis zur Anerkennung von Leistungen, und zu guter letzt den Noten. Nicht nur mit unerwünschten Folgen. Schlaumeiern gelingt es immer wieder, Lücken zu finden. Gleichzeitig bleiben oft gerade brillante und aussergewöhnliche Studierende an Vorschriften hängen. Sie können nicht zugelassen werden oder müssten unverhältnismässige und unzumutbare Extraleistungen bringen.

Wir schimpfen und vergessen, dass wir an dieser Entwicklung mitschuldig sind. Regelkonforme aber dem Geist der Hochschule widersprechende Verhalten von Schlaumeiern führen zu Forderungen nach mehr und klareren Regeln. Am Ende treffen die von uns gewünschten und von der selbstverständlich bösen Verwaltung umgesetzten Vorschriften die Falschen. Die Mehrheit der Student(inn)en und der Professor(inn)en hat den Überblick über die Reglemente ohnehin längst verloren und es ist reiner Zufall, dass sie die Vorschriften nicht verletzen. Unser Regelsystem gleicht immer mehr einem Parmesan, durch den es kein Durchkommen gibt, als einem Hüttenkäse wo sinnvolle Lösungen, die dem Geist der Uni entsprechen, noch möglich sind.

Ausgerechnet der vermeintliche Elfenbeinturm ist ein gutes Abbild des richtigen Lebens: Die Verrechtlichung nimmt überhand, der gesunde Menschenverstand wird verdrängt. Es sind nicht die unterbeschäftigten Bürokraten, die uns das Leben schwer machen. Wir sind es selber, indem wir bei jedem Problem dem „Lückenfüll-Reflex“ erliegen.

Den goldenen Mittelweg zu finden zwischen Vorschriften, die Missbrauch vernünftig einschränken, ohne gleichzeitig den Geist der Regulierung abzuwürgen, ist zugegebenermassen schwierig. Der Einsatz lohnt sich aber. Im Gegensatz zu den Erziehungsregeln, die nach einigen Jahren ohnehin obsolet werden, bleiben uns die meisten anderen Vorschriften oft sehr lange erhalten.

Menschenrecht auf Rendite?

Urs Birchler

Hedge-Fonds wollen Griechenland beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg einklagen, wenn es seine Schulden nicht voll zahlt. Dies berichtet Radio DRS4 heute morgen mit einem Kommentar des Berner Völkerrechtsprofessors Walter Kälin.

Es wäre einfach — und falsch — dies mit „ja, die bösen gierigen Hedgefonds“ abzutun. Das Thema Insolvenz und Menschenrechte ist nämlich komplex. Wie würden wir urteilen im Falle, wo AHV und Pensionskassen ihre Rentenverpflichtungen nicht mehr erfüllen? Haben nicht die Rentner unfreiwillig einbezahlt in einen Topf, der nach strengen Regeln verwaltet wurde? Ist es deshalb nicht ein Menschenrecht, im Alter auf diesen Sparstrumpf zurückgreifen zu können? Aber wo genau liegt der Unterschied zu den Hedge-Fonds? Ist es die Freiwilligkeit der Kreditvergabe? Haben die Hedge-Fonds die Notlage Griechenlands ausgenützt? Oder haben sie dem Lande mit zusätzlichen Krediten geholfen, als sich sonst niemand mehr getraute? Und ist Griechenland wirklich zahlungsunfähig oder bloss zahlungsunwillig?

Wenn wir den Hedge-Fonds entgegenhalten: Ihr habt doch gewusst, dass Griechenland nicht zahlen wird!, dann müssten sich diesem Vorwurf auch die kommenden Renter stellen. Es ist seit Jahren klar, dass die Rentenansprüche — auch in der Schweiz — in 20 Jahren nicht mehr erfüllbar sind. In Strassburg klagen können sie einstweilen nicht: Die Schweiz hat das Zusatzprotokoll, in welchem das Eigentum behandelt wird, (zusammen mit Russland und Andorra) nicht ratifiziert .

Mensch oder Maschine?

Urs Birchler

Von Alan Turing stammt die Idee, künstliche Intelligenz liege dann vor, wenn man nicht mehr unterscheiden könne, ob Antworten in einem Gespräch von einem Menschen oder einem Computer stammten. Den „Turing-Test“ auf Finanzmrkte ausgedehnt haben Jasmina Hasanhodzic, Andrew W. Lo und Emanuele Viola. In einem Online-Test sollen die Besucher herausfinden, welche von zwei Kurven tatsächlich aus einem Finanzmarkt stammt und welche der Computer zufällig erzeugt hat. Wenn man die „Efficient Market Hypothesis“ glaubt, ein unmögliches Unterfangen. Die Autoren behaupten jedoch in ihrer Auswertung, die Teilnehmer hätten überdurchschnittlich häufig richtig getippt, d.h. gerochen, wo der Mensch die Hand im Spiel hatte. Ich selber habe nach dreimal „WRONG!“ das Handtuch geworfen. Vielleicht habe ich doch den richtigen Job.