Sollen Versicherungen Gentests verwenden dürfen?

Publiziert in der NZZ am Sonntag vom 20. Mai 2012 (unter dem Titel: Wenn Versicherungen Gentests verlangen dürften)

Die Wirklichkeit war wieder einmal schneller. Vor zwei Jahren schlug ich in der NZZ am Sonntag höhere Renten für Dicke und Raucher vor. Damit wollte ich nur zeigen, was die Forderung nach risikogerechten Prämien für Renten und Krankenkassen bedeutet. Zu dieser Zeit wurden in England allerdings bereits Verträge über sogenannte „enhanced annuities“ (aufgebesserte Renten) angeboten. Regelmässige Raucher, Übergewichtige oder ehemalige Minenarbeiter – also Menschen mit einer kürzeren Lebenserwartung – erhalten damit eine substantielle Rentenaufbesserung.

Von Risikoselektion profitieren manchmal auch Benachteiligte. Dennoch beschäftigen uns eher die Fälle, in denen sie darunter leiden. Wen Gentests zum Hochrisiko stempeln, kann sich nur noch unter höheren Kosten versichern oder – meistens – gar nicht. Richtig Angst macht, wenn genetische Informationen sogar über Leben entscheiden können. Weil die Eltern behinderter Kinder nicht nur die Betreuung bewältigen müssen, sondern auch noch finanzielle Folgen befürchten.

Wie würden Menschen entscheiden, bevor sie wüssten ob sie reich oder arm, gesund oder krank, als Mann oder Frau geboren werden? Klar: sie würden sich für Versicherungen entscheiden, die nicht nach angeborenen Risiken unterscheiden. Der „Schleier der Ungewissheit“ taugt allerdings wenig in einer Welt, die vor Informationen nur so strotzt. Schon vor mehr als 40 Jahren bemerkte der Ökonom Jack Hirshleifer, dass mehr Informationen nicht immer zu mehr Wohlstand führen. Eben weil sie die Möglichkeit nehmen, sich gegen gewisse Schäden zu versichern.

Doch was tun wir mit immer mehr Informationen, immer billigeren und zuverlässigeren Tests? Verbieten? Gar nichts?

Gar nichts ist oft besser als regulatorischer Übereifer. Wir vergessen, dass dieselbe Information für eine Versicherung ein Vorteil, für eine andere ein Nachteil ist. Beispiel Geschlecht – etwas, was man den meisten ohne Gentests ansieht: Frauen sind für die lebenslange Rente ein schlechtes Risiko (weil sie länger leben), für die Lebensversicherung hingegen ein gutes (weil sie länger leben). Viele Diskriminierungen heben sich daher gegenseitig ungefähr auf. Leider nicht alle: Wenn sich Menschen nicht mehr gegen wichtige Lebensrisiken versichern können, taugt Laisser faire definitiv nichts.

Heikle Informationen lassen sich auch nicht verbieten. Wer über vorteilhafte Informationen verfügt, wird diese auch kommunizieren wollen, wenn bessere Bedingungen locken. Wer dies nicht kann oder nicht will, hat das Nachsehen. Zudem: Wir geben scheinbar harmlose Informationen preis, ohne zu merken, dass diese versicherungstechnisch heikel sind. Der Schulabschluss verrät die Lebenserwartung, die Schuhgrösse das Geschlecht. Versicherungen wissen daher oft mehr über uns als wir selber – und zwar nicht wegen der nun kritisierten Gentests.

Kann denn den Versicherungen wenigstens untersagt werden, genetische Informationen in ihren Verträgen zu berücksichtigen? Rechtlich schon, in der Praxis wird es teuer – für alle. Denn Versicherungen und Versicherte passen sich an. Gewisse Verträge werden nicht mehr angeboten, andere nur noch als Paket. Die guten Risiken versichern sich nicht mehr, was eine Versicherung der schlechten Risiken noch schwieriger macht. Auch Wahlmöglichkeiten für die Versicherten sind heikel – sogar in obligatorischen Versicherungen: Sie erlauben nämlich eine Selbstselektion der guten Risiken.

Das heisst nicht, dass wir Menschen mit versicherungstechnisch ungünstigen Genen und Eltern behinderter Kinder keine Sicherheiten bieten können. Wir müssen sorgen, dass wenigstens die Sozialversicherung die Schwächsten angemessen gegen die finanziellen Folgen von Krankheit, Erwerbslosigkeit und Alter schützen. Sozialversicherung müssen die Individuen auch versichern gegen das Risiko ein schlechtes Risiko zu sein. Ohne Wenn und Aber.

Mehr Skepsis beim Lesen von Statistiken (Kolumne NZZaS)

„Chabis!“, riefen die Bauern vor Jahren, als die Statistiker beim Gemüse eine hartnäckige Teuerung errechneten. Sie hatten Recht. Wenn eine Gurke im Sommer einen Franken, im Winter zwei, im folgenden Sommer wieder einen Franken kostet, hat sich im Endeffekt nichts geändert. Die im Durchschnitt von Sommer und Winter gemessene Teuerung beträgt gleichwohl 25 Prozent! Im Winter plus 100%, im Sommer minus 50% – gibt im Schnitt 50% durch 2.
Was die Bauern nicht gefressen haben, wird uns fast täglich von neuem aufgetischt: Statistische Basis-Tricks. Der Magier lenkt unseren Blick auf den Zähler, um davon abzulenken, dass im Nenner etwas faul ist. Beispiel: Der Reingewinn der Migros „brach um über 20 Prozent ein“. Dass die arme Migros 2011 immer noch 650 Millionen verdiente und damit den Rekordgewinn vom Vorjahr zu mehr als drei Vierteln erreichte, bleibt dem Leser verborgen. Der Trick gelingt hier gleich in doppelter Ausführung: Der Gewinn als Bezugsgrösse (im Nenner) ist selbst schon eine Differenz. Das Resultat (der Gewinnrückgang im Zähler) scheint damit gross und ist im Jahr nach einem Rekordgewinn zwangsläufig eine negative Zahl.
Statistische Basistricks gehören zum Werkzeugkasten vieler Studien, insbesondere solcher mit politischen Zielen. Genauso wie Zuspitzungen, Ausblendungen und schräge (internationale) Quervergleiche. Die mitgelieferte Brille bestimmt mit, welche Aussagen wie wahrgenommen werden.
Auch die kürzlich erschienene Studie von economiesuisse wandte Basistricks an. Damit sollte eine massive steuerliche Entlastung niedrigerer Einkommen in den letzten 20 Jahren belegt werden. Die gewählte Prozent-von-Prozent-Brille vergrössert Veränderungen bei kleinen Einkommen stark. Wird ein Abzug um 1000 Franken erhöht (z.Bsp. für Krankenversicherungen) so sinkt die prozentuale Steuerbelastung bei einem steuerbaren Einkommen von 30‘000 Franken um 8%, aber nur um 0.8% bei 200‘000 Franken. Profitieren am Ende doch die Kleinen von den Abzügen? In Frankenbeträgen sehen die Ersparnisse anders aus: 100 Franken für die Kleinen, 350 Franken für die Grossen.
Die politische Gegenseite ist allerdings auch nicht zimperlich. Für die Berechnung der schweizerischen Vermögensverteilung blieben die für den Mittelstand anteilsmässig gewichtigen Pensionskassenvermögen unberücksichtigt. Die so gemessene Vermögensverteilung der Schweiz ist damit ähnlich „ungleich“ wie in Namibia. Nicht in den Studien erwähnt wurde, dass dies auch für Schweden gilt. Sowohl in der Schweiz wie in Schweden sorgen ausgebaute Sozialversicherungen dafür, dass der Mittelstand auch ohne zusätzliche Vorsorge gut abgesichert ist.
Schade – die Diskussion um die richtige Wirtschafts- und Sozialpolitik ist wichtig. Leider ist das Echo auf objektivere Beiträge gering. Mein Kollege Marius Brülhart zeigte, dass sich die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen und Vermögen in den Jahren vor der Finanzkrise in der Schweiz zwar leicht öffnete. Trotzdem sind die Verteilungen heute gleichmässiger als in den 1970er Jahren, die Veränderungen sind weit geringer als in anderen Ländern. Das zunehmende Wohlstandgefälle der Linken gehört also ins selbe Märchenland wie die grosse Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen von economiesuisse.
Dass verschiedene (Interessen-)Gruppen die Zuspitzung oder Ausblendung für ihre Zwecke verwenden, ist ja nichts Neues. Viele Täuschungsmanöver beruhen aber auf dem Basis-Trick und wären deshalb ebenso leicht zu erkennen, wie der Wolf an seiner schwarzen Pfote. Nur leider scheint es attraktiver, eine statistische Legende zu erfinden oder zu verbreiten als eine zu entlarven. So geistert das Bild der Schweiz als Drittweltland in bezug auf die Vermögensverteilung noch immer herum. Ist Skepsis zu langweilig? Oder liegt es daran, dass die meisten von uns keine Bauern mehr sind, die noch merken: Chabis!

Zählen wir das, was zählt?

Erschienen in der NZZ am Sonntag vom 25. März unter dem Titel „Zählen und erzählen wir das, was wirklich zählt?“ ( Untertitel: Einschaltquoten und «Impact»-Statistiken führen zunehmend in die Irre)

„Wi taari säge?“ soll früher die höfliche St. Galler Metzgerin gefragt haben, wenn ein Kunde den Laden betrat, den sie als Doktor oder Professor verdächtigte. Auch der Wiener Musikverein will beim Online-Verkauf für Konzertkarten niemanden falsch anreden. Die Käuferin hat die Wahl zwischen nicht weniger als 76 Anreden – vom „Amtsrat“ über die „Kammersängerin“ bis zum „Univ.-Prof. Dr.“

Die Titelliste des Musikvereins amüsant, aber eigentlich völlig unwichtig. Dennoch stürmte sie die Hitparade: unter den 400 Einträgen in unserem Blog zu aktuellen Themen der Wirtschaftspolitik landete sie gleich auf Platz Drei – gemessen an der Anzahl Kommentare, den ausgelösten Tweets und den Erwähnungen in anderen (Online‑) Medien. Übertroffen wurde die Titelliste nur noch von zwei nebensächlichen Einträgen zu Urheberrechtsverletzungen. Erst auf dem vierten Platz folgt der erste Beitrag, der im weiteren Sinne etwas mit der Zielsetzung des Blogs zu tun hat: Ein Quiz zur Vermögensverteilung in verschiedenen Ländern. Noch weiter hinten dann die teilweise unter beträchtlichem Forschungsaufwand verfassten „seriösen“ Texte. 

Es soll uns zwar nicht besser gehen als anderen Informationsanbietern. Die früher unter „Unglücksfälle und Verbrechen“ zusammengefassten Meldungen sind nun einmal attraktiver als fundiert recherchierte Hintergrundartikel. Die Erfahrungen aus dem eigenen Blog bereiten mir dennoch Bauchweh. Aus einer Innensicht, weil das Ranglisten-Fieber letztlich auch die Art der Öffentlichkeitsarbeit von Forschern beeinflusst. Aus einer Aussensicht, weil die wirtschaftspolitische Debatte nicht nur im Blog, sondern auch in der „richtigen“  Politik mehr und mehr durch den Reiz medialer Strohfeuer (ab)gelenkt wird.

Zum ersten. Ich wäre die Letzte, die sich innerhalb der Hochschulen gegen eine Berücksichtigung der Öffentlichkeitsarbeit bei der Evaluation von Forschern wehrt. Es ist nicht nur jammerschade, wenn gute Forschung im Elfenbeinturm verdorrt. Es wäre auch ein Witz, wenn staatlich besoldete Wissenschaftler ausgerechnet wegen eines Diensts am Steuerzahler – der Aufbereitung von Forschungsresultaten für eine breitere Öffentlichkeit –  büssen müssten. Denn Medienarbeit kostet; Forschungszeit nämlich. Verständlich auch, dass die öffentliche Wirkung an messbaren Grössen abgelesen werden soll. Doch die leicht verfügbaren Indikatoren messen die Wirkung der Arbeit noch schlechter als bei der Forschung. Wer eine parlamentarische Kommission von einer ineffizienten Massnahme abhalten kann, spart dem Land vielleicht Millionen von Franken. Eine grosse Anzahl Zitationen, Kommentare, Tweets erhält er dadurch nicht. Wer messbaren Impact haben will, sorgt besser für moderaten Klamauk als für Aufklärung.

Zum zweiten. Unsere Erfahrungen im Blog finden sich in der politischen Debatte wieder. Gerade in den letzten Monaten dominierten die medial begleiteten und deshalb attraktiven Diskussionen aus der chronique scandaleuse. Die wirklichen Herausforderungen der Zukunft blieben hingegen liegen. Ein aktuelles Beispiel: Der kurz vor Weihnachten publizierte Bericht des Bundesrates zur Zukunft der zweiten Säule schien bis vor kurzem kaum jemanden zu interessieren. Dabei steckt in den 160 Seiten nicht nur viel Brisantes, die zweite Säule betrifft auch alle Bewohner der Schweiz direkt oder indirekt über Steuern und Immobilienpreise. Zudem zeigen uns die südeuropäischen Länder zur Genüge, was passiert, wenn man sich bei der Alterssicherung Illusionen hingibt. Dennoch: Wir debattieren in Presse und Politik lieber über die erzwungene Frühpensionierung der drei Schweizer Delphine als über die fehlenden Mittel zur Pensionierung der vie Millionen Arbeitenden im Lande. Als könnte die St. Galler Metzgerin dann schon jedem „eidg. dipl. Säule-2-Geschädigten“ täglich einen Zipfel Bratwurst zustecken.

Jedes Reglement hat auch seine Löcher

Monika Bütler

Fast alle Regeln lassen Möglichkeiten offen, sie gegen ihren Geist auszulegen. Mehr noch: Je genauer und spezifischer die Regeln, desto genauer umrissen sind für findige Köpfe auch die Löcher. Am besten weiss dies wohl das Steueramt.

Die untenstehende Kolumne – erschienen in der NZZ am Sonntag vom 29. Januar 2012 – hatte ich schon lange vor der Diskussion um die SNB Reglemente im Kopf, die Hälfte war bereits vor Monaten auf dem elektronischen Papier. Mein Kollege Jörg Baumberger hat mir dann noch den letzten Anstoss gegeben, die Kolumne auch wirklich fertig zu schreiben. Er hat mir nämlich eine der legendären Pepper… and Salt Cartoons des Wallstreet Journals zugesteckt. Ein frohlockender Lobbyist meint dort: „The great thing about regulations is more loopholes.“

Mein Dank geht an Jörg Baumberger, Silvio Borner und andere Kollegen, die mir in den letzten Wochen aufmunternd zur Seite gestanden sind. Und natürlich an meine Familie. Unsere Kinder haben nämlich bisher jedes noch so raffinierte Reglement, jeden vermeintlich „optimalen“ Anreizvertrag ausgehebelt. Noch am besten funktionieren unspezifische Verhaltensregeln (lieb und anständig sein).

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Jedes Reglement hat auch seine Löcher

Schlaumeier nützen Lücken in den Vorschriften aus – was zu noch mehr Regeln führt

Roger Federer ist dafür. Rafael Nadal eher dagegen. Es geht um die Pflicht für Athleten, ihren Aufenthaltsort laufend der Internationalen Anti-Doping Agentur zu melden. Vollkommene Transparenz soll die Kontrolle darüber erleichtern, ob ein Athlet verbotene Substanzen verwendet. In einer langen Liste sind diese abschliessend aufgezählt. Man hat nicht einmal vergessen, den Alkohol aus dem Automobilrennsport zu verbannen.

Es gibt kaum ein extremeres Beispiel für Transparenzpflichten und ausdetaillierte Regeln. Da hat es sich Moses mit der saloppen Formel „Du sollst nicht ehebrechen“ doch einfach gemacht. Traurige Gemeinsamkeit: Weder die leistungssteigernde Medizin noch der Ehebruch sind bislang verschwunden.

Trotzdem wissen viele, wie Finanzgeschäfte eines Notenbankpräsidenten zu behandeln sind: Mit schärferen Regeln.

Vergessen geht dabei: Fast alle Regeln lassen Möglichkeiten offen, sie gegen ihren Geist auszulegen. Mehr noch: Je genauer und spezifischer die Regeln, desto genauer umrissen sind für findige Köpfe auch die Löcher (fragen Sie beim Steueramt nach). Der Emmentaler ist zwar klarer strukturiert als der Hüttenkäse, hat aber gerade darum auch duetlichere Löcher, durch die man den Finger stecken zu kann, ohne den Käse zu berühren. Das Wallstreet Journal brachte es vor vielen Jahren mit einem ihrer legendären Pepper…and Salt Cartoons auf den Punkt: „The great thing about regulations is more loopholes.“

Detaillierte Regeln können notwendig sein, um das Individuum zu schützen. Gleichzeitig bergen sie die Gefahr, dass ein dem Geist der Regeln entsprechendes Verhalten geahndet wird. Darum wissen Eltern: Das Versprechen: „Wenn Ihr lieb seid …“, ist meist besser verständlich und wirksamer als lange Verbots- oder Gebotslisten.

So wäre es nicht nur in der Kinderstube, sondern auch an der Uni. Die Spannung zwischen dem Geist eines Reglements und seinen konkreten Auswirkungen ist an den Hochschulen spür- und sichtbar. Der Studienbetrieb ist heute stark ver-reglementiert –  angefangen bei der Aufnahme, über Wahlmöglichkeiten, bis zur Anerkennung von Leistungen, und zu guter letzt den Noten. Nicht nur mit unerwünschten Folgen. Schlaumeiern gelingt es immer wieder, Lücken zu finden. Gleichzeitig bleiben oft gerade brillante und aussergewöhnliche Studierende an Vorschriften hängen. Sie können nicht zugelassen werden oder müssten unverhältnismässige und unzumutbare Extraleistungen bringen.

Wir schimpfen und vergessen, dass wir an dieser Entwicklung mitschuldig sind. Regelkonforme aber dem Geist der Hochschule widersprechende Verhalten von Schlaumeiern führen zu Forderungen nach mehr und klareren Regeln. Am Ende treffen die von uns gewünschten und von der selbstverständlich bösen Verwaltung umgesetzten Vorschriften die Falschen. Die Mehrheit der Student(inn)en und der Professor(inn)en hat den Überblick über die Reglemente ohnehin längst verloren und es ist reiner Zufall, dass sie die Vorschriften nicht verletzen. Unser Regelsystem gleicht immer mehr einem Parmesan, durch den es kein Durchkommen gibt, als einem Hüttenkäse wo sinnvolle Lösungen, die dem Geist der Uni entsprechen, noch möglich sind.

Ausgerechnet der vermeintliche Elfenbeinturm ist ein gutes Abbild des richtigen Lebens: Die Verrechtlichung nimmt überhand, der gesunde Menschenverstand wird verdrängt. Es sind nicht die unterbeschäftigten Bürokraten, die uns das Leben schwer machen. Wir sind es selber, indem wir bei jedem Problem dem „Lückenfüll-Reflex“ erliegen.

Den goldenen Mittelweg zu finden zwischen Vorschriften, die Missbrauch vernünftig einschränken, ohne gleichzeitig den Geist der Regulierung abzuwürgen, ist zugegebenermassen schwierig. Der Einsatz lohnt sich aber. Im Gegensatz zu den Erziehungsregeln, die nach einigen Jahren ohnehin obsolet werden, bleiben uns die meisten anderen Vorschriften oft sehr lange erhalten.

Yes, we must!

Monika Bütler

Hätte der US Präsident Obama die Neujahrsansprachen der Bundespräsident(inn)en auf einen Nenner bringen müssen, er hätte es wohl mit “Yes, we must” gemacht. Meine Neujahrskolumne in der NZZaS (leicht erweitert) vom 1. Januar ist etwas länger.
Der verspätete Neujahrsgruss gibt mir die Gelegenheit für eine Richtigstellung. Andreas Kley ist nicht Theologe sondern Staatsrechtler an der Universität Zürich. Leider ist bei der letzten Kürzung der Kolumne der Hinweis auf die Quelle des Zitats «eine Macht der andern Ordnung (sei), die ohne Gewalt mitreissen und ohne Überredung überzeugen kann» (Rousseau) zum Opfer gefallen. Die oben verlinkte Fassung enthält die etwas längere, korrekte Fassung. Der zugrunde liegende Artikel für den zweitletzten Abschnitt ist das Vortragsmanuskript „Und der Herrgott, Herr Bundespräsident?“. Bei Andreas Kley möchte ich mich für diesen Faux-Pas entschuldigen, bei Bernhard Ehrenzeller für den Hinweis bedanken.

Volksabstimmungen über das Wetter

Monika Bütler

Erschienen in der NZZaS, 4. Dezember 2011

Vor einigen Wochen wollte der damalige griechische Premierminister Papandreu über den Schuldenschnitt für griechische Staatsanleihen abstimmen lassen. Ebenso hätte man ber ein herannahendes Unwetter an der Urne befinden können: Das Unheil lässt sich damit nicht aufhalten. Im Gegenteil: Die Abstimmung führt höchstens zu grösseren Schäden.

Viele Schweizer belächelten die Griechen – und vergassen dabei, dass sie unlängst etwas ähnliches nicht nur planten. Sie stimmten mit grossem Ernst über den Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge ab. Eine Senkung dieses Satzes (welcher festlegt, wie viel Rente der Versicherte pro angesparten Franken erhält) ist nichts anderes als ein Schuldenschnitt, eine Reduktion künftiger Verpflichtungen der Pensionskassen. Das richtige Ausmass der Schuldenreduktion ist erst noch viel einfacher zu bestimmen als bei Staatsschulden. Es folgt direkt aus der gestiegenen Lebenserwartung und tieferen Marktzinsen. Am Schweizer Umwandlungssatz hängt nicht noch das Schicksal anderer Staaten oder gar des europäischen Bankensystems.

Was schadet schon eine rhetorische Abstimmung? Abstimmungen über Wetter oder Marktergebnisse scheinen so harmlos wie ein Plastic-Lenkrad am Kindersitz. Sie vermitteln das schöne Gefühl mitzuentscheiden, ohne zu schaden. Dies täuscht. Rhetorische Abstimmungen kosten mehr als nur den Gang zur Urne.

Jede Verzögerung einer nicht vermeidbaren Reform erhöht deren Kosten. Ein Arbeitnehmer, der erst kurz vor der Pensionierung merkt, dass die „Natur“ seinen Umwandlungssatz gesenkt hat, indem schlicht nicht mehr genug da ist, kann nicht mehr reagieren. Dazu kommt – selbst bei gleichbleibendem Kuchen – die Umverteilung der Lasten. In der schweizerischen beruflichen Vorsorge profitieren von einem zu hohen Umwandlungssatz in erster Linie gut verdienende verheiratete Männer ab 50. Die nach 1970 geborenen hingegen werden bei gleichbleibendem Umwandlungssatz vor leeren Kassen stehen.

Die Wahl des Umwandlungssatzes an der Urne und unabhängig vom Markt ist eine Illusion. Doch auch das „liberale“ Gegenstück der politisch ungestörten Marktlösung – in Form des oft gepriesenen Allheilmittels der freien Pensionskassenwahl – hat Tücken. Sie würde dazu führen, dass die Versicherungen für die Umwandlung den jeweils aktuellen Kapitalmarktsatz anwenden. Wer in Tiefzinsperioden pensioniert würde, müsste mit einer mageren Rente vorlieb nehmen. Grosse Rentenunterschiede bei fast gleich alten Rentnern haben aber mit einer optimalen Versicherung wenig zu tun. Gesucht ist daher ein Automatismus zur Anpassung für den Umwandlungssatz, der – gegeben die Lebens- und Renditeerwartungen – das langfristig Mögliche anerkennt, aber gegen die kurzfristigen Launen des Kapitalmarkts versichert.

Ein Automatismus würde zudem eine andere Form des Rentenklaus verhindern, die aus unerfindlichen Gründen kaum als solche wahrgenommen wird: die (ungleiche) Verteilung von Überschüssen. Eine Verzinsung weit unter dem Marktzins, eine eingeschränkte Freizügigkeit bei Stellenwechsel und vor allem Beitragsferien sorgten bereits in den 80er und 90er Jahren für Umverteilungen im grossen Stil. Das Aussetzen von Beiträgen (auch jener der Arbeitgeber) war nichts anderes als eine Lohnkürzung auf Zeit. Wer dank Beitragsferien 100 Franken mehr im Portemonnaie hatte, dem fehlten später mindestens 200 Franken – er zahlte also einen „Zins“ von 100%. Was anderswo als Wucher gelten würde, weckte bei den Versicherten Begeisterung.

Hoffnung besteht jedoch: Colette Nova, Mutter der Initiative „Flexibles AHV Alter für alle“ meinte noch vor gut drei Jahren „Die Behauptete Umverteilung ist eine Mär. Als Vizedirektorin beim Bundesamt für Sozialversicherung setzt sie sich heute für eine schnelle Senkung des Umwandlungssatzes ein. Zur Erinnerung: Noch im März 2010 stimmten 73% der Schweizer(innen) dagegen.

Höhere Renten für Dicke!

Monika Bütler

Der Bundesrat hat beschlossen, die Pensionskassen zu ermächtigen, Umwandlungssätze in der beruflichen Vorsorge nach Risikoverhalten abzustufen. Normalgewichtige  tragen mit ihrer Lebensweise massgeblich zur Explosion der Rentenkosten bei der AHV und den Pensionskassen bei. Dieses Risikoverhalten der Dünnen soll künftig durch eine Reduktion der BVG-Altersrenten um bis zu 15 Prozent kompensiert werden.

Natürlich stimmt diese Meldung nicht. Nicht ganz, respektive. Doch seit eine mehr als fragwürdige Studie einer 53% Mehrheit der Schweizer(innen) ein zu grosser Bauchumfang attestierte, geistert das Gespenst der risikogerechten Prämie in der Krankenversicherung wieder herum. Logisch zu Ende gedacht, müsste daher den (angeblich) Dicken nicht nur höhere Krankenkassenprämien in Rechnung gestellt werden. Nein, sie müssten im Gegenzug von der tieferen Lebenserwartung „profitieren“, das heisst für den kürzeren Ruhestand höhere Renten erhalten.

Risikogerechte Prämien in den obligatorischen Sozialversicherungen führen nicht nur zu bürokratischen Leerläufen sondern auch zu verteilungspolitische unerwünschten Resultaten.

Ärmere Menschen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, übergewichtig zu sein. Beim Gewicht kann noch mit «Selbstverschulden» argumentiert werden. Doch die Grenze zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Risikofaktoren ist fliessend. Ebenso wichtig scheint mir eine andere Auswirkung von immer komplizierteren Versicherungsverträgen. Die Teilzeit arbeitende Städterin, die regelmässig das Fitnessstudio aufsucht, wird eher Zeit und den Zugang zu relevanten Informationen haben, den für sie günstigsten Vertrag in der «risikogerechten» obligatorischen Krankenversicherung zu suchen, als die ebenfalls schlanke Bergbäuerin.

Die beiden kursiv gedruckten Paragraphen stammen (leicht abgeändert) aus einer NZZaS Kolumne von mir (ich habe mich damals schon über die Forderung nach risikogerechten Krankenkassenprämien für Raucher und Dicke geärgert). Der ganze Text kann hier nachgelesen werden.

Der Zirkus um Hort, Schule und Mittagstisch

Monika Bütler, Kolumne NZZ am Sonntag, 6. November 2011

Die Tagesstrukturen an unseren Schulen sind nicht kindergerecht.

Die für Bildung zuständige Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli hat ein ernstes Problem: Internationale (private) Schulen sind zu populär.  Konsequenterweise wird der Zugang für nicht belegbar internationale Kinder eingeschränkt. Über diesen Blödsinn lohnt sich eigentlich gar nicht zu schreiben. Wenn da nicht noch ein anderer Grund wäre, weshalb Eltern ihre Kinder unter hohen Kosten an internationale oder zweisprachige Institute schicken: Die Tagesschulstruktur.

Das neue Volksschulgesetz schreibt den Gemeinden zwar vor, eine Tagesbetreuung für die Kinder zu gewährleisten. Diese sieht dann aber so aus: Vorschulbetreuung im Hort mit Gruppe A, Unterricht in der Klasse im Schulhaus ennet der Strasse, Mittagstisch mit Gruppe B, Unterricht in der Klasse im Schulhaus, Nachmittagsbetreuung im Hort mit Gruppe C. Vier Wechsel, vier verschiedene Gruppen, zwei bis drei unterschiedliche Lokalitäten, mehrere Bezugspersonen. Kein Wunder konnten unsere damaligen australischen Nachbarn kaum glauben, dass wir dies in der Schweiz unserem Nachwuchs zumuten.

Oder eben nicht zumuten: Viele Eltern ersparen ihren Kindern die zerhackte Tagesstruktur und schicken sie lieber an private (internationale) Tagesschulen. Öffentliche Tagesschulen haben – Volksschulgesetz und Nachfrage hin oder her – in der Politpraxis keine Chance. Kaum packt eine Partei das Thema an, kommen die ABERs im Multipack. Erstens: Die Kinder litten unter der Tagesschule. Dafür gibt es zwar keine Belege, aber eigentlich spräche auch nichts dagegen, den Eltern die Wahl zu lassen. Ein Teilübergang zu Tagesschulen geht dann aber, zweitens, auch nicht, da Kinder in Tagesschulen Vorteile hätten. Eben dachten wir noch, dass die bedauernswerten Kinder unter Tagesschulen litten.

Kinder wollen, drittens, lieber zu Hause essen. Natürlich ist es daheim gemütlicher, vor allem wenn es keine Tagesschule gibt – und daher ein Elternteil da sein muss. Die Mütter organisieren sich lieber selber, statt die Kleinen dem Hort-Schule-Mittagstisch-Schule-Hort Karussell zu überlassen.

Viertens sei es den Kinder nicht zuzumuten, die Betreuungszeit im Schulhaus zu verbringen und die Mahlzeit im Schulzimmer einzunehmen. Das mitgebrachte Sandwich oder eine vorbereitete Mahlzeit im Tupperware ist natürlich viel zu ungesund. In der Schule gekochtes Essen wiederum bleibt an Hygiene- und Bauvorschriften hängen. Zum Beispiel weil es unmöglich ist, ein (vielleicht nicht einmal ordnungsgemäss gewaschenes) Salatblatt in regelkonformem Abstand an der WC-Tür vorbeizulotsen.

Es werde, fünftens, den Kindern im heutigen System viel geboten. Doch weshalb senden dann gerade gut ausgebildete Eltern ihre Kinder auf private Tagesschulen? Dort erhalten sie für das Doppelte der ziellosen Hort-Mittagstisch-Betreuung nicht nur eine Tagesschule aus einem Guss plus Fremdsprache; die Tageschule leistet auch erfolgreich Integration.

In Zeiten knappen Wohnraums leisten wir uns zudem eine unglaubliche Verschwendung von Platz. Eines der Gebäude, Hort oder Schulhaus, steht immer leer. Kein Wunder sind die Vollkosten der Tagesbetreuung mit 60 Franken pro Tag horrend. Die Kostenbeteiligung der Eltern von nur 20% dürfte gerade den Verwaltungsaufwand decken. Würde der Hort-Schul-Mittagstisch-Zirkus zu kostendeckenden Preisen kalkuliert, Tagesschulen wären wohl auch finanziell schnell zumutbar.

Es geht nicht darum, Mütter von Ihren Kindern zu trennen. Die Kinder nicht berufstätiger Mütter verbringen nämlich an Tagesschulen kaum mehr Stunden als im herkömmlichen Schulbetrieb. Alle anderen Kinder aber leiden heute unter einer perfektionistischen und gleichzeitig planlosen „Strategie“. Höchste Zeit, mit der ungeeigneten Tagesstruktur und der damit verbundenen Verschwendung von Steuergeldern aufzuräumen und Platz zu machen für richtige Tagesschulen – auch für nicht internationale Familien.

Ist eine drei in Mathe wirklich cool?

Monika Bütler

Wie alle Teenager wollte ich ab und zu meine Eltern ärgern. Dies gelang mit einem einfachen Rezept. Ich sagte ihnen abwechselnd, dass ich Ethnologie oder Japanologie oder Psychologie studieren möchte. Für meine Eltern war die akademische Welt schon weit genug weg, aber wenn schon unbedingt studieren, dann etwas „nützlicheres“. Mein Interesse an den drei genannten Fächern blieb auch im Mathematik- und Physikstudium. Japanologie hätte ich sogar als zweites Nebenfach abgeschlossen, wäre ich nicht an der damals noch existierenden Lateinhürde gescheitert.

Mit meinem Interesse auch für Geistes- und Sozialwissenschaften bin ich wohl eine ziemlich normale Vertreterin der Natur- und Ingenieurwissenschaften, auch wenn ich später in die Wirtschaftswissenschaften gewechselt bin. Umso mehr ärgert es mich, welch schlechten Ruf die Absolventen naturwissenschaftlicher und technischer Studienrichtungen haben: Fachidioten, Nerds, usw. Die heutige Kolumne in der NZZ am Sonntag trug ich daher schon lange in Gedanken (und in einigen Notizen) mit mir rum. Letztlich hat mir der Aufsatz von Michael Furger in der NZZaS vom 18. September den notwendigen Tritt gegeben, diese Kolumne endlich aufzuschreiben.

Hier also die Kolumne:

„Wer nur „Nützliches“ studiert, bleibt ein armer Tropf“, stand vor drei Wochen in dieser Zeitung. Stimmt genau, dachte ich mir. Nicht ganz aus demselben Grund wie der Autor jenes Artikels, Michael Furger.

Und tatsächlich: Wer eine technische oder naturwissenschaftliche Ausbildung wählt, muss sich ab und zu als Trottel fühlen. Das Studium ist anspruchsvoll und zeitraubend. Auf dem Arbeitsmarkt ist der Ingenieur zwar hoch begehrt, aber nur mittelmässig bezahlt. Und wenn dies nicht schon genug wäre: Die Mathematikerin und der Naturwissenschaftler gelten auch noch als weltfremd, asozial und unattraktiv, der Informatiker als Berufs-Autist. Auf gut neudeutsch: als Fachidioten ohne Reflexions- und kulturelle Kompetenz.

Kein Wunder tun sich dies viele nicht mehr an. Weshalb sollten sie: Die Nützlichkeit des Fachs klebt Ihnen doch wie Dreck an den Fingern. Die aristokratische Verachtung nützlicher Tätigkeiten gegenüber der Kontemplation fasst auch in der republikanischen Schweiz Fuss. Eine Firma, die aus Mangel an Ingenieuren ins Ausland abwandert, erregt die Gemüter kaum. Dies paradoxerweise in einem Land, dessen wichtigste Rohstoffe Ausbildung und Forschung sind, und das in Naturwissenschaft und Technik zur internationalen Spitzengruppe gehört.

Wo steckt der Wurm? Wer sich etwas umhört merkt schnell: In breiten Kreisen gilt als cool, wer in Mathematik schlechte Noten hatte. Kein Mathematiker käme hingegen auf die Idee, sich mit ungenügenden Sprachkenntnissen zu brüsten.

Technische Fähigkeiten stehen schon in der Schule hinten an. Das Mathematik-Übungsblatt ist nur auf den zweiten Blick als solches zu erkennen. Addieren und Multiplizieren alleine geht nicht, die Rechnungen werden in Geschichten verpackt. Dagegen hätte ich grundsätzlich nichts, wären neben der sprachlich angereicherten Mathematik nicht ohnehin eine Mehrheit der Prüfungsleistungen in sprachlichen Fächern abzulegen. Einseitig mathematisch begabte Kinder haben es schwerer als einseitig sprachbegabte.

Dass die bedauernswerten Tröpfe mit nützlichen Studien kein zweckfreies Wissen besässen, ist natürlich Unfug. Dazu müssten sie nicht nur während der gesamten Gymnasialzeit tief geschlafen haben, sondern auch nachher. Die ETH verlangt von allen Student(inn)en Leistungen in Sozial- und Geisteswissenschaften. An der HSG müssen sogar 25% der Credits im (mehrheitlich geisteswissenschaftlichen) Kontextstudium absolviert werden, nicht zuletzt auf Kosten der technischeren Methodenfächer. Von den Phil-I Fakultäten wären mir entsprechende Anforderungen in technischen Disziplinen hingegen nicht bekannt.

Der Ruf nach ganzheitlicher Bildung ist deshalb eine Einbahnstrasse geblieben. Der Eindruck, dass Naturwissenschaften und Technik, aber auch Wirtschaftswissenschaften im humanistischen Bildungsideal zweitklassige Wissenschaften sind, schlägt sich in den Köpfen nieder. Dabei spielt es keine Rolle, dass es ohne Physiker beispielsweise weder Computer noch andere elektronische Geräte gäbe.

Niemand wünscht sich eine Welt, in der nur direkt nutzbares Wissen Platz hat. Das Nachdenken über die Folgen der heutigen Entwicklung, deren historische und sozialpolitische Einordnung ist wichtig. Nur müssen wir aufpassen, dass uns vor lauter Reflexion nicht genau die Leute ausgehen, welche die Grundlage für diese Reflexionen erst schaffen. Immerhin ist bis heute noch keine Firma aus Mangel an Sozial- und Geisteswissenschaftlern ins Ausland abgewandert.

Nach einem halben Jahrhundert darf man sich zum Geburtstag etwas Utopisches wünschen. So wünsche ich mir heute mehr gesellschaftliche Anerkennung für Naturwissenschaft und Technik. Den Menschen, die sich damit befassen, verdanken wir nicht nur unseren Wohlstand. Denn – Hand aufs Herz – von wem, wenn nicht von Atomphysikern, Biochemikern und anderen, haben wir denn unser Weltverständnis?