Warum Deutsche weniger vermögend sind als Griechen

Monika Bütler

(Kolumne NZZ am Sonntag, 21. April 2013)

Wohlgenährte deutsche Häuslebauer, bedürftige Griechen – an die Bilder haben wir uns gewöhnt. Nun werden sie gestört: Die vor kurzem veröffentlichten Statistiken der Europäische Zentralbank wollen so gar nicht passen zu den armen Südeuropäern, die von den knausrigen Deutschen kurz gehalten werden. Deutsche Haushalte sind im Mittel weniger vermögend als die Haushalte in Italien, Spanien, Griechenland und Zypern.

Eine Sensation, würde man meinen. Anders als viele Studien, die es in die Schlagzeilen schaffen, stammen die Zahlen aus einer langjährigen und wissenschaftlich seriös durchgeführten Datenerhebung. Also: europaweit grosse Zeitungsartikel? Weit gefehlt: Die Resultate werden nur verschämt präsentiert. Selbst in Deutschland üben sich Medien und Politik nur ein einem: dem verzweifelten Versuch, Deutschland reich zu rechnen.

Viele Gründe werden angeführt, weshalb den Statistiken nicht zu trauen sei. Die Haushalte seien unterschiedlich gross. Die Hauseigentümer-Quoten und die Entwicklung der Immobilienpreise seien von Land zu Land sehr verschieden. Das stimmt alles. Nur: Die Lektüre des Berichts samt Methodenteil haben sich die Kommentatoren offenbar erspart: Da steht nämlich alles schon drin. Also auch, dass Haushaltgrösse und Immobilienpreise nicht reichen, um das Bild umzukehren. Wie man es auch immer dreht und wendet: Südliche Haushalte haben nicht weniger Vermögen als die nördlichen. Dabei behauptet niemand, Deutschland sei arm. Die Suche nach dem richtigen Trick, Deutschland doch noch reich aussehen zu lassen, ist ohnehin müssig. Viel gescheiter wäre es, zu fragen, weshalb die deutschen Haushalte im Vergleich zu den südlichen so arm an Vermögen sind. Oder mindestens so aussehen.

Mein Versuch einer Erklärung: Die Deutschen können, müssen und wollen weniger sparen.

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Vermögen in der Eurozone korrigiert?

Monika Bütler

In einem sehr lesenswerten Aufsatz in der NZZ vom 13. April weist Claudia Aebersold Szalay zurecht darauf hin, dass die Hauspreisentwicklung eine wichtige Komponente bei den Haushaltsvermögen ist. Die sehr ungleiche Entwicklung der Immobilienpreise bereitete den Forschern der Umfage (siehe Beitrag von gestern) Sorgen und dürfte einer der Gründe für die Verzögerung der Publikation gewesen sein.

Ich habe in meinem Beitrag von gestern daher vor allem auf die Vermögen der Haushalte ohne Hausbesitz hingewiesen. Diese Auswahl hat narürlich ihre Tücken, da in den EU Ländern die Verteilung des Immobilienbesitzes sehr ungleich ist: In Deutschland und Österreich hat die Mehrheit der Haushalte kein Haus, während beispielsweise in der Slowakei fast jeder Haushalt (90%) ein Haus besitzt (Spanien 83%, Zypern 77%). Da die Hausbesitzer tendentiell reicher sind, überschätzt ein Vergleich der Vermögen der Nichthausbesitzer die Vermögen in Deutschland und Österreich gegenüber den südlichen Ländern. 

Genau am gleichen Problem – sogar noch verstärkt – leidet die von Claudia Aebersold Szalay in der NZZ präsentierte Korrektur der Vermögenswerte. In dieser Korrektur wurde zwar die unterschiedliche Hauspreisentwicklung herausgerechnet, dafür aber nur Hausbesitzer miteinander verglichen. Die beiden Graphiken in der NZZ vergleiche somit nicht die gleichen Haushalte miteinander. Für Deutschland und Österreich ist der Unterschied ganz entscheidend: Der Medianhaushalt aller Haushalte ist einer OHNE Haus. Der Medianhaushalt in der korrigierten Auswahl hingegen einer MIT Haus: Der mittlere von den nur 44% (D), resp. 48% (Ö) Hausbesitzern. Kein Mensch würde wohl behaupten, der mittlere Hausbesitzer in der Schweiz sei repräsentativ für die Vermögenssituation in der Schweiz.

Ärgerlich ist, dass der „richtige“ korrigierte Vergleich aller Haushalte in der Originalstudie aufgeführt ist (Paper 02, Graphik 4.6, Seite 83). Und siehe da: Wenn man die unterschiedliche Preisentwicklung (die Housing Bubbles) herausrechnet, verkleinern sich die Unterschiede zwar ein wenig, das Bild bleibt aber: Von einem reichen Norden und einem armen Süden kann nicht die Rede sein.

MedianNetWealthEval2002

Deutsch reich?

Monika Bütler und Urs Birchler

Der Deutschen Bundesbank ist der Geduldsfaden offenbar gerissen. Seit geraumer Zeit werkelt die EZB an der Auswertung einer neuen Erhebung (alles dazu auf einer speziellen Internetseite). Gegenstand: die Haushaltsvermögen in Europa. Ländervergleichend. Normalerweise werden die Ergebnisse solcher Grossuntersuchungen mit gebührendem Pomp vorgestellt. Diesmal ganz anders: Die EZB traut sich anscheinend nicht. Deshalb erfahren wir die Ergebnisse (zum Teil) aus einer eher verschämten Pressemeldung der Deutschen Bundesbank (die auch ein Arbeitspapier zur Methodologie hat.).

Und die Resultate zu den Haushaltsvermögen sind — gelinde gesagt — interessant: „Durchschnitt in Deutschland nicht weit unter den anderen großen Ländern“, steht unter der nachstehenden Tabelle aus der Pressenotiz zur „vorauseilenden Beschwichtigung“ der Leser.

Haushaltsvermoegen2

Deutschland ärmer als Spanien? Das wird zu reden geben, und als erstes wird man die Zahlen relativieren. Aber der Europahymne „Deutschland soll zahlen!“ geben die Zahlen bestimmt keinen Auftrieb!

Kapitalverkehrskontrollen und die Schweiz

Urs Birchler

Mit dem auf heute abend erwarteten Rettungspaket für die zypriotischen Banken wird voraussichtlich eine weitere tragende Wand des EU-Gebäudes eingerissen, nämlich die Freiheit des Kapitalverkehrs.

Artikel 63 EU-Vertrag
(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Damit ist ein Euro in Zypern nicht mehr gleich einem Euro in Frankfurt, wie die FT schreibt. Gleichzeitig entsteht im EU-Raum ein neues Delikt Kapitalflucht. In der Schweiz ist Kapitalflucht kein Strafdelikt, ebensowenig wie Majestätsbeleidigung oder Steuerhinterziehung. Damit haben wir gleich nochmals dasselbe Problem wie mit der Steuerhinterziehung: Die Schweiz darf Zypern keine Rechtshilfe leisten, wenn Geld aus zypriotischen Banken oder Matratzen in die Schweiz gelangt. Friktionen sind vorgespurt. Aber Zypern bleibt ja ein Einzelfall…

Zypern

Urs Birchler

Einer unserer Leser schreibt: „Da kochen doch gröbere Geschichten hoch in EU-Land … und Batz schweigt?“ Recht hat er, nur: Erstens wollen Vorlesungen vorbereitet sein. Und zweitens: Nachdem sich schon Paul Krugman und Vladimir Putin einig sind, was können wir noch beitragen?

Daher ultra-kurz meine Einschätzung:

  1. Eine Bankensanierung mittels Gläubigerschnitt wäre grundsätzlich die bessere Alternative zur Rettung auf Staatskosten. Ein solcher Schnitt muss aber im voraus gesetzlich oder vertraglich festgelegt, nicht nachträglich verordnet werden.
  2. Die EU-Richtlinie zum Einlegerschutz verlangt von den Mitgliedländern eine Sicherung von Fr. 100’000 pro Einleger. Guthaben unter 100’000 anzutasten, widerspricht Treu und Glauben.
  3. Ein Abschlag auf gesicherte Einlagen zerstört das Vertrauen in die Einlagensicherung auch in anderen EU Ländern.
  4. Die EU-Einlagensicherung ist weitgehend Fassade. Die versicherten Einlagen sind lediglich zu rund 1,5 Prozent gedeckt, und die Sicherungsträger haben (anders als in USA, Schweiz u.a.) kein Konkursprivileg, das ihnen vorrangigen Zugriff auf das Bankvermögen garantiert.
  5. Die EU hat es versäumt, nach der Finanzkrise ein brauchbares Insolvenzrecht für Banken zu erlassen, daher kann sie erneut nur improvisieren.

Sehr durchdacht kommt mir das Rettungspaket insgesamt nicht vor.

Ähnliche Einschätzungen in Der Spiegel, bei FT-Alphaville oder bei Charles Wyplosz.

Wie tot ist der Euro?

Urs Birchler

In der gegenwärtigen Multi-Krise ist es immer gut, die Stimme eines umsichtigen (Wirtschafts-)Historikers zu hören. Albrecht Ritschl von der London School of Economics (mit zahlreichen Publikationen) spricht am kommenden Donnerstag (8. Nov.) im Money Forum Zürich über „Der Euro ist tot. Es lebe der Euro“.

Gemäss Homepage ist die Veranstaltung ausgebucht, aber: Money Forum hat drei Plätze für Leser von batz.ch reserviert (bei der Anmeldung batz.ch erwähnen!).

Preisrätsel

Urs Birchler

Dieser Tage ist ein Sonderheft von GeoLino zum Thema Geld erschienen. Es erklärt den (vorwiegend jungen) Lesern und Leserinnen verschiedene Aspekte des Geldes recht gut und ist attraktiv gemacht. Mittendrin hat es sogar ein Monopoly zum Selber(fertig-)machen. Zum Heft gibt es auch eine interessante homepage (leider mit Reklame-Pop-ups).

Ein Rätsel, das ich nicht lösen konnte, ist die Preisliste nach Ländern. Das Heft kostet (in Euro):

  • Deutschland: 6.50
  • Österreich: 7.40
  • Benelux: 7.70
  • Italien: 8.70
  • Spanien: 9.30
  • Schweiz: 10.67 (Fr. 12.80)

Zinsspreads und SNB-Devisenbestände

Alexandre Ziegler

Warum schwanken die Devisenreserven der SNB parallel zu den Risikoprämien auf italienischen und spanischen Staatsanleihen? Das Misstrauen gegenüber den südeuropäischen EURO-Ländern manifestiert sich gleichzeitig in steigenden Spreads auf Staatspapieren und der Flucht in den Franken (welche die SNB zur Verteidigung der Kursuntergrenze zu Devisenkäufen zwingt).

Quellen: Europäische Zentralbank; Schweizerische Nationalbank; eigene Berechnungen

Praktische Anleitung zum Euro-Austritt

Urs Birchler und Inke Nyborg

Der mit 250’000 Pfund dotierte Wolfson Economic Prize ging an das Team von Roger Bootle von Capital Economics für eine Arbeit die zeigt, dass der Austritt eines Landes aus dem Euro durchaus möglich wäre. Die von Politikern und sogar einzelnen Forschern wie Barry Eichengreen heraufbeschworenen Weltuntergangsszenarien sind in erster Linie Panikmache.