Devisenmarktinterventionen, eine Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro, Kapitalverkehrskontrollen, Exportsubventionen: diese Medikamente gegen den starken Franken kennen wir schon – ihre Nebenwirkungen ebenfalls. Mit einer besonders kreativen Lösung wartet nun der Verband der Pharmabranche Interpharma auf: Ein Verbot, relevante Informationen für die Preissetzung zu verwenden. Konkret fordert Interpharma eine Aussetzung des Auslandspreisvergleichs bei der Preisfestsetzung verschreibungspflichtiger Medikamente.
Preise verschreibungspflichtiger Medikamente sind staatlich festgelegt. Sie basieren auf einem therapeutischen Quer- und einem Auslandsvergleich (Länderkorb: Deutschland, Frankreich, Österreich, Niederlande, Dänemark und England) und werden seit 2009 alle drei Jahre überprüft. Der relevante Wechselkurs basiert auf dem Durchschnitt der letzten 12 Monate. Eine anhaltende Aufwertung des Schweizer Frankens müsste daher zu einer Preissenkung führen. Interpharma will selbstverständlich nicht primär die Informationen verschleiern, sondern die damit verbundenen Preissenkungen verhindern. Das Ganze garniert – wie könnte es anders sein – mit der Drohung Stellenabbau.
Interpharma scheut den Preisvergleich mit dem Ausland wie der Teufel das Weihwasser. Die jüngsten Kostensenkungen im Medikamentenbereich beruhen vor allem auf zwei Massnahmen. Der Länderkorb für den Auslandsvergleich wurde mit Frankreich und Österreich ergänzt, zwei Ländern mit relativ tiefen Medikamentenpreisen. Im Jahr 2009 wurde zudem eine ausserordentlichen Preisüberprüfung (u.a. mit dem Ausland) aller Medikamente durchgeführt, die zwischen 1955 und 2006 zugelassen worden sind.
Es gibt keine vernünftigen Gründe, die für das von Interpharma vorgeschlagene Informationsmoratorium sprechen, aber viele dagegen. Erstens wäre es eine einseitige Anwendung der Regeln: Ein schwacher Franken führt jeweils zu einer Preiserhöhung hiesiger Medikamente. Zweitens sind die Schweizer Medikamentenpreise im internationalen Vergleich noch immer hoch. Durch die Massnahme würde, drittens, eine bestimmte Branche staatlich privilegiert. Und viertens ist die Pharmaindustrie als innovativer und hochspezialisierter Sektor vergleichsweise wenig vom starken Franken betroffen.
Als Medikament gegen die Folgen des starken Frankens hilft das Informationsmoratorium lediglich der Pharmabranche selbst – die Nebenwirkungen tragen die Konsumenten.
Archiv des Autors: Lukas Schwank
Wie sieht ein ideales Steuersystem aus?
Am 27. Mai findet in Zürich eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Ideales Steuersystem“ statt: Ökonomen diskutieren die Vorschläge des Mirrlees-Berichts für ein kohärentes Steuer- und Transfersystem (im Rahmen der CEPR-Konferenz der Finanzwissenschaft). Sie sind herzlich eingeladen.
Anlässlich dieser Konferenz hat mein Kollege Prof. Christian Keuschnigg auf dem Blog Ökonomenstimme einen Artikel über die ideale Mehrwertsteuer und einen über Kapitaleinkommenssteuern nach dem Mirrlees-Bericht geschrieben. Wir zeigen in einem weiteren Beitrag auf, welche Schlussfolgerungen aus dem Mirrlees-Bericht für das Steuer-und Transfersystem in der Schweiz gezogen werden können.
Zur Wahlschlappe der FDP
Unsere Kernkompetenz liegt nicht in der Wahlanalyse. Das Resultat der Suche nach „FDP“ in unseren bisherigen batz-Beiträgen liest sich dennoch ein wenig wie eine vorweggenommene Analyse der Gründe für das schlechte Abschneiden der FDP in den Zürcher Wahlen:
– Dänk für ein Porno us em Internet, Teil 2 (Monika Bütler, September 2010)
– Überlegungen zu FDP – la liberté cacophonique (Lukas Schwank, August 2010)
– Frohsinn und Steuerwettbewerb (Marius Brülhart, Juli 2010)
– Nachts sind alle Batzen grau (Monika Bütler & Urs Birchler, März 2010)
– Exzellenzförderung? (Monika Bütler, Januar 2010)
Zum Ausklang des Jahres
Vor 55 Jahren schrieb der Autor Erich Kästner eine Sammlung von Gedichten, für jeden Monat des Jahres eins. Kästner schrieb, um sich zu besinnen. „Denn man kann die Besinnung verlieren, aber man muss sie wiederfinden.“ Schwindelig wird einem auch bei der Vorstellung, dass Google Buchsuche dieses Jahr bekannt gab, über 15 Millionen Bücher durch Digitalisierung verfügbar gemacht zu machen. Das sind 12% aller jemals publizierten Bücher. Kästner’s Buch „Die 13 Monate“ ist mittlererweile auch ein Google Buch, allerdings aus urheberrechlichten Gründen nur „in eingeschränkter Vorschau“.
Das Gedicht zum Monat Dezember möchten wir Ihnen zum Abschluss des Jahres ans Herz legen. Es sei denn, Sie möchten lieber an den dreizehnten Monat glauben? „Wie säh er aus, wenn er sich wünschen liesse? Schaltmonat wäre? Vielleicht Elfember hiesse?“ Wir wünschen allen unseren Lesern einen besinnlichen Ausklang des alten Jahres und ein frohes neues 2011.
Der Dezember (Erich Kästner)
Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.
Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, daß man’s versteht.
Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.
Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.
Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
»Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.«
Steuergerechtigkeitsinitiative: Zwischentöne unerwünscht
Um es vorwegzunehmen: Aus meiner ganz persönlichen Warte ist die Steuergerechtigkeitsinitiative der falsche Weg, ein gerechteres Steuersystem zu erreichen. Mit festgelegten Steuersätzen wird der Steuerwettbewerb nicht gerechter. Zumal in diesem Fall die Steueruntergrenze für Reiche aus Abstimmungstaktischen Gründen so gewählt wurde, dass der Kanton Zürich gerade nicht mehr betroffen würde. Viel gescheiter wäre es, die Mängel direkt durch eine Anpassung des Neuen Finanzausgleichs zu beheben – beispielsweise mittels einer stärkeren Gewichtung hoher Einkommen (wie im batz Beitrag von Marius Brülhart begründet ist).
Selbst wenn der Mittelstand wegen höheren Steuern für Reiche substantiell weniger Einkommenssteuern bezahlen müsste (was ich selber für unwahrscheinlich halte ): Die Schweiz bliebe für den arbeitenden Mittelstand – insbesondere für Familien – steuerlich unattraktiv. „Dank“ einkommensabhängiger Gebühren und Preisen ist die effektive Steuerbelastung für den unteren und mittleren Mittelstand nämlich oft höher als für die Reichen. Daran ändert die Initiative gar nichts.
Inhaltliche Argumente für oder gegen die Initiative hört man allerdings immer seltener. Dass die Befürworter in schriller Manier klassenkämpferisch für ihre Initiative werben, ist ihnen nicht zu verargen. Weshalb es ihnen viele Gegner der Initiative gleich tun und ohne Zwischentöne argumentieren, ist mir hingegen schleierhaft. Ab und zu hört man noch Gründe, weshalb der Mittelstand von der Initiative nicht profitiert. Doch auch diese bleiben meist vage; von den Nöten des Mittelstands mit dem heutigen Steuer- und Transfersystem redet niemand. Und was sollen denn die Stimmbürger mit der Aussage „der Föderalismus ist in Gefahr“ und den zahlreichen Neid-Vorwürfen anfangen?
Schlimmer noch: Die Argumente haben einer Kriegs- und Jagdrhetorik Platz gemacht. Patrons und ihre Organisationen erklären ihren Standpunkt nicht mehr, sondern drohen. Und statt zu diskutieren, welche Vor- und Nachteile der heutige Steuerwettbewerb hat und wie sich der Wettbewerb zu Gunsten der breiten Bevölkerung allenfalls verbessern liesse, dominiert eine „Wettbewerb ist immer und überall gut“ Ideologie. Die Angst vor Zwischentönen ist so gross, dass sich die NZZ beispielsweise nicht traute, meine NZZaS Kolumne über die Begründung der ungleichen Vermögensverteilung in der Schweiz – wie sonst eigentlich üblich – mit der aktuellen Diskussion zu verlinken: Wahrscheinlich ist das in der Kolumne einmal erwähnte Wort „Erbschaftssteuer“ im NZZ Setzkasten nicht vorhanden.
So hoffe ich, dass wir am Schluss nicht einer verpassten Chance nachweinen müssen. Auch wenn die Initiative der falsche Weg ist; es ist Zeit, über den Steuerwettbewerb vertieft nachzudenken.
Zu Selbstbeteiligungen in der Krankenversicherung
Moralisches Risiko wird oft als einer der Gründe für die hohen Gesundheitsausgaben genannt. Moralisches Risiko ist der Fachausdruck, dass die Leute mehr Gesundheitsleistungen konsumieren, desto tiefer der Preis ist – sprich je höher die Versicherungsabdeckung. Bis zu einem gewissen Grad ist moralisches Risiko erwünscht: Erst eine Versicherung ermöglicht den Patienten Behandlungen, die ihre finanziellen Mittel übersteigen würden (siehe hier). Problematisch ist es, wenn unnötige Gesundheitsleistungen nachgefragt werden („ich bezahl ja nichts, also mach ich doch auch noch ein MRI“). Dann führt moralisches Risiko zur „Ausbeutung der Krankenversicherung durch ihre eigenen Mitglieder“ (Jürg Sommer). Selbstbeteiligungen sollen moralisches Risiko eindämmen. Ein optimaler Krankenversicherungsvertrag muss abwägen zwischen möglichst hoher Risikoübernahme und den Verlusten aufgrund von exzessiver Nachfrage (Verschwendung).
Sind höhere Selbstbeteiligungen das Wundermittel, um Kosten zu sparen? Ich zweifle ernsthaft daran, d.h. allerdings überhaupt nicht, dass sie unwichtig sind. Im Zentrum aber sollte die Angebotsseite stehen. Hier meine Argumente: Lesen Sie bitte hier weiter
Sommerlektüre von Krugman
Im Beitrag zur Sommerlektüre habe ich Koo’s „The Holy Grail of Macroeconomics“ vorgeschlagen. Paul Krugman hat das nun aufgenommen und eine Rezension dazu geschrieben ;-). Krugman lobt Koo, dass er als einer der wenigen Vorschläge zur Bewältigung von Finanzkrisen macht. Sein Konzept der Bilanzsummen-Rezession sei durchdacht (es existieren Parallelen zwischen Firmenschulden in Japan und Haushaltsverschuldung in den USA). Er kritisiert Koo’s Meinung, dass einzig Fiskalpolitik wirksam sei. Mich würde interessieren, was Krugman bei seinem „multi-book review“ sonst noch liest.
Nobelpreisträger Krugman ist ein profunder Kenner von Japan’s Situation. Von ihm stammt der Gedanke, dass Japan in den 1990ern in einer Liquiditätsfalle steckte.
Wie trostlos sind wir?
Ein Artikel in der Financial Times diskutiert die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Wie lautet das Anforderungsprofil für den neuen Zentralbankchef? Braucht es einen Ökonomen mit akademischem Hintergrund wie FED-Chef Ben Bernanke, jemand Fachfremdes (Mathematiker oder Physiker) oder einen Praktiker vertraut mit den politischen Mechanismen?
Interessant sind die Leserbriefe, die auf den Artikel folgten. Einer schlägt vor, dass die Volkswirtschaftslehre von der Physik übernommen werden sollte. Ein zweiter sagt, der Ausdruck „dismal science“ sei ein Oxymoron. Unser Fach sei zwar „dismal“ (trostlos), aber keine (exakte) Wissenschaft. Ein (aristotelischer) Philosoph soll die Volkswirtschaftslehre leiten. Der Letzte antwortet: Wir Ökonomen bräuchten weder einen Physiker noch einen Philosophen, sondern einen …Psychiater: „…he would not only bring a much needed knowledge of human behaviour to the dismal science but also be able to provide ongoing care to those who inhabit it.”
Dazu ein Buch mit dem Titel „The Dismal Science – How Thinking Like an Economist Undermines Community”.
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Rankings waren noch nie so beliebt wie heute. Welche ist die beste Universität? Das beste Spital? Das leckerste Restaurant?
Das Handelsblatt und die Financial Times erküren im Herbst das beste Wirtschaftsbuch. Die Shortlists finden Sie hier und hier. Bei den deutschen Titeln habe ich das Gefühl, dass die Verleger um den doofsten Buchtitel kämpfen („Weltkrieg der Währungen“ vs. „King of Oil“) – einzig „Schuld ohne Sühne“ sticht positiv heraus (hier das „Original“; ich empfehle allerdings diese Übersetzung).
Ein interessanter Beitrag zu Rankings von Universitäten findet sich bei Becker & Posner (ganz unten): Eine Universitätsausbildung ist ein „Vetrauensgut“, d.h. ein Gut, dessen Qualität vor dem „Konsum“ nur schwer beurteilt werden kann. Sie wird auch nur einmal „gegessen“. Dies begründet den Nutzen von Rankings. Sie senken die Informationskosten von Bewerbern. Institutionen aber „game the measure“ und die Ranglisten sind hochaggregiert aus verschiedenen Kriterien – deren Gewichte oft unklar sind, aber gleichzeitig einen grossen Einfluss auf die Reihenfolge haben. Bemerkenswert ist, dass es bei den Ranking-Erstellern fast keinen Wettbewerb gibt, obwohl ein Ranking ein gutes Mittel ist, um sein eigentliches Produkt bekanntzumachen – siehe Handelsblatt (eine Erklärung ist, dass die Qualität eines Rankings schwer zu vermitteln ist).
Heutige Universitäten versuchen, die klugsten Köpfe anzuziehen und viele Studenten fühlen sich als Konsumenten. Eigentlich aber sind Absolventen das „Produkt“ der Universität. Allen, die sich an Business Schools bewerben, empfehle ich das Buch „Ahead of the Curve“.
Eine Frage bleibt noch: Wer „rankt“ die Ranking-Ersteller? (die Finanzkrise hat aufgezeigt, dass es bei den Rating-Agenturen ein ähnliches Problem gibt).
PS: Haben Sie die Anzahl Kommentare bei Becker & Posner gesehen? Wir freuen uns über jeden Kommentar!
Überlegungen zur FDP – la liberté cacophonique
Die FDP hat bekanntgegeben, dass sie mit einer Volksinitiative gegen „staatliche Bürokratie“ in den Wahlkampf 2011 einziehen will. Vor vier Jahren fungierte die „Easy Swiss Tax“ als Steigbügelhalter. Nachdem die FDP aber bei den Wahlen 2007 (erneut) Federn lassen musste, verschwand die Idee einer Vereinfachung des Steuersystems in der Schublade: Die Webseite der „Easy Swiss Tax“ wurde letztmals im Jahr 2008 aktualisiert (allerdings liegt mittlerweile eine nationale Standesinitiative vor). Die „Easy Swiss Tax“ soll bei den nächsten Wahlen nicht thematisiert werden.
Ich habe die Befürchtung, dass der Bürokratiebekämpfung ein ähnliches Schicksal blühen wird. Ich fand keinen Medienbericht – das muss allerdings nichts heissen -, in welchem die FDP konkret aufzeigt, wo und wie sie die Verwaltung effizienter gestalten möchte. Ein ähnliches Projekt im Kanton Zürich ist noch immer nicht umgesetzt und die Stellenprozente, die für das Auffinden von staatlichen Ineffizienzen geschaffen werden sollten, wurden auf einen Antrag aus dem Kreis der Lancierer wieder gestrichen – bevor die Arbeit überhaupt aufgenommen worden ist. Die Verleihung des „Gahts-No!-Priis“ für das absurdeste Beispiel staatlicher Verschwendung wurde von März auf November verschoben. Die freisinnigen Staatsrechtler Rhinow und Müller halten die Initiative für nicht umsetzbar. Die FDP bewies schon mit der Verbandsbeschwerde-Initiative kein gutes Händchen. Lesen Sie bitte hier weiter