Hellblaues Auge für die SNB

Urs Birchler

Heute vor genau einem Quartal beschloss die SNB die Kursuntergrenze von 1.20 CHF für den Euro. Ebenfalls heute hat sie die neuesten Zahlen für den IMF publiziert. Diese geben einen groben Anhaltspunkt für die Veränderung der Devisenreserven. Wir haben bereits früher festgestellt, die SNB sei bis Ende September mit einem hellblauen Auge davongekommen. Die Zahlen für Oktober-November sehen eher noch günstiger aus. Die SNB scheint sogar Fremdwährungsbestände abgebaut zu haben (wieviel davon in Euro wissen wir leider nicht).

Fremdwährungsreserven der SNB (in Mio CHF):

229’278 Nov 2011
245’036 Oct 2011
282’352 Sep 2011
253’351 Aug 2011

Dies meine ich nicht als Aufforderung, übermütig zu werden und die Kursgrenze hochzuschraben. Der Euro ist noch nicht über den Berg. Oder verstehen Sie, was Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wirklich beschlossen haben (und was davon eine Chance hat, umgesetzt zu werden)?

Adventskalender 6

Monika Bütler

Am 6. Dezember war gemäss katholischer Liturgie das Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25:14-30; Lukas 19,12-27) zu lesen: Drei Knechten wurden Geldstücke entsprechend ihrer Fähigkeiten anvertraut. Nach der Rückkehr ihres Herrn musste jeder Rechenschaft ablegen, was er mit dem Geld gemacht hatte. Die ersten beiden hatten ihr Kapital vermehrt und wurden entsprechend belohnt. Der Dritte hatte das Kapital im Versteck bewahrt. Die ersten beiden wurden von ihrem Herrn belohnt, der dritte wurde getadelt: „Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.“ (Matthäus 25:27): Ihm wurde sein Talent wieder weggenommen und dem Erfolgreichsten gegeben mit der Begründung: „Wer hat, dem wird gegeben werden; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ (Lukas 19:27)

Auf diese Geschichte geht der Brauch zurück, wonach der Heilige Nikolaus vor der Bescherung die Kinder befragt, ob sie denn auch brav und fromm gewesen seien. Kein Wunder werden in vielen Unternehmen zu der Zeit Lohnerhöhungen und Beförderungen bekanntgegeben.

Der Merkozy-Plan

Urs Birchler

In der Annahme, dass heute nachmittag die Staatschefs von Frankreich und Deutschland einen Plan bekanntgeben werden, hier zwei Bemerkungen pro memoria als Lesehilfe:

  • Eine Lösung des Schuldenproblems (z.B. ein Schuldenschnitt einiger europäischer Länder) löst nicht das Problem der divergierenden Konkurrenzfähigkeit der EURO-Länder. Sie rettet daher den Euro nicht.
  • Eine Rettung des Euro (z.B. durch Austritt schwacher Mitglieder) löst weder das Schuldenproblem noch das Problem der divergierenden Entwicklung der Mitgliedländer.

In einer Stunde wissen wir mehr …

Adventskalender 5

Inke Nyborg

Der Batzen, von seinem ersten Erscheinen im 16. Jahrhundert an, war ursprünglich eine Silbermünze, und ab dem 17. Jahrhundert aus Billon, eine Legierung aus Kupfer und Silber. Der Batzen war nie eine Goldmünze und es ist deswegen eine besondere Ehre, heute die französischen Goldmünzen zu beglückwünschen. Am 5. Dezember 1360 wurden nämlich in Frankreich die ersten Goldmünzen (Francs) eingeführt. Sie trugen ein Bildnis des Königs Johann II, König der Franken, deswegen ihr Name.

Nicht überraschend waren in der Geschichte Goldmünzen beim Volk begehrter als Silbermünzen. Goldmünzen waren feiner, leichter zu handhaben und weniger schwer im Sack. Ein Nachteil war jedoch, dass Gold ein sehr weiches Metall ist, und deswegen schon beim Schütteln oder Transport sich Goldstaub absetzen würde (”sweating of gold”). Der Banker Claudius Buchanan Patten (1828-1886) beschrieb dieses Phänomen in seinem Buch The Methods and Machinery of Practical Banking: ”Thus in weighing gold, in simply pouring it from the bag and pouring it back, quite an amount of gold dust can be detected upon the bottom of the scale dish.” Deswegen war das Verpacken und Transportieren von Goldmünzen eine Kunst. „Space must be left between the string and the gold so that the coins may have a chance to swim around loosely whenever the bag is moved. If tied closely the coins will cut and wear each other and also strain harder upon the bag. The simple tying of a bag of gold is an art. They are to be opened whenever they pass into new hands, and Paying-Tellers look for a particular, handy knot in the string, which can easily be untied without cutting, and the absence of such assures them that some green hand has last had the bag.“

Wer sich weiter über Batzen und Goldmünzen informieren möchte, dem sei ein Besuch in das Money Museum in Zürich an das Herz gelegt.

Volksabstimmungen über das Wetter

Monika Bütler

Erschienen in der NZZaS, 4. Dezember 2011

Vor einigen Wochen wollte der damalige griechische Premierminister Papandreu über den Schuldenschnitt für griechische Staatsanleihen abstimmen lassen. Ebenso hätte man ber ein herannahendes Unwetter an der Urne befinden können: Das Unheil lässt sich damit nicht aufhalten. Im Gegenteil: Die Abstimmung führt höchstens zu grösseren Schäden.

Viele Schweizer belächelten die Griechen – und vergassen dabei, dass sie unlängst etwas ähnliches nicht nur planten. Sie stimmten mit grossem Ernst über den Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge ab. Eine Senkung dieses Satzes (welcher festlegt, wie viel Rente der Versicherte pro angesparten Franken erhält) ist nichts anderes als ein Schuldenschnitt, eine Reduktion künftiger Verpflichtungen der Pensionskassen. Das richtige Ausmass der Schuldenreduktion ist erst noch viel einfacher zu bestimmen als bei Staatsschulden. Es folgt direkt aus der gestiegenen Lebenserwartung und tieferen Marktzinsen. Am Schweizer Umwandlungssatz hängt nicht noch das Schicksal anderer Staaten oder gar des europäischen Bankensystems.

Was schadet schon eine rhetorische Abstimmung? Abstimmungen über Wetter oder Marktergebnisse scheinen so harmlos wie ein Plastic-Lenkrad am Kindersitz. Sie vermitteln das schöne Gefühl mitzuentscheiden, ohne zu schaden. Dies täuscht. Rhetorische Abstimmungen kosten mehr als nur den Gang zur Urne.

Jede Verzögerung einer nicht vermeidbaren Reform erhöht deren Kosten. Ein Arbeitnehmer, der erst kurz vor der Pensionierung merkt, dass die „Natur“ seinen Umwandlungssatz gesenkt hat, indem schlicht nicht mehr genug da ist, kann nicht mehr reagieren. Dazu kommt – selbst bei gleichbleibendem Kuchen – die Umverteilung der Lasten. In der schweizerischen beruflichen Vorsorge profitieren von einem zu hohen Umwandlungssatz in erster Linie gut verdienende verheiratete Männer ab 50. Die nach 1970 geborenen hingegen werden bei gleichbleibendem Umwandlungssatz vor leeren Kassen stehen.

Die Wahl des Umwandlungssatzes an der Urne und unabhängig vom Markt ist eine Illusion. Doch auch das „liberale“ Gegenstück der politisch ungestörten Marktlösung – in Form des oft gepriesenen Allheilmittels der freien Pensionskassenwahl – hat Tücken. Sie würde dazu führen, dass die Versicherungen für die Umwandlung den jeweils aktuellen Kapitalmarktsatz anwenden. Wer in Tiefzinsperioden pensioniert würde, müsste mit einer mageren Rente vorlieb nehmen. Grosse Rentenunterschiede bei fast gleich alten Rentnern haben aber mit einer optimalen Versicherung wenig zu tun. Gesucht ist daher ein Automatismus zur Anpassung für den Umwandlungssatz, der – gegeben die Lebens- und Renditeerwartungen – das langfristig Mögliche anerkennt, aber gegen die kurzfristigen Launen des Kapitalmarkts versichert.

Ein Automatismus würde zudem eine andere Form des Rentenklaus verhindern, die aus unerfindlichen Gründen kaum als solche wahrgenommen wird: die (ungleiche) Verteilung von Überschüssen. Eine Verzinsung weit unter dem Marktzins, eine eingeschränkte Freizügigkeit bei Stellenwechsel und vor allem Beitragsferien sorgten bereits in den 80er und 90er Jahren für Umverteilungen im grossen Stil. Das Aussetzen von Beiträgen (auch jener der Arbeitgeber) war nichts anderes als eine Lohnkürzung auf Zeit. Wer dank Beitragsferien 100 Franken mehr im Portemonnaie hatte, dem fehlten später mindestens 200 Franken – er zahlte also einen „Zins“ von 100%. Was anderswo als Wucher gelten würde, weckte bei den Versicherten Begeisterung.

Hoffnung besteht jedoch: Colette Nova, Mutter der Initiative „Flexibles AHV Alter für alle“ meinte noch vor gut drei Jahren „Die Behauptete Umverteilung ist eine Mär. Als Vizedirektorin beim Bundesamt für Sozialversicherung setzt sie sich heute für eine schnelle Senkung des Umwandlungssatzes ein. Zur Erinnerung: Noch im März 2010 stimmten 73% der Schweizer(innen) dagegen.

Adventskalender 4

Urs Birchler

Astronomisch und heuer auch meteorologisch liegt der Advent fast ganz im Herbst. Deshalb scheint es erlaubt, Franz Hohlers Herbschtgedicht zu zitieren.

Dusse goht der Wind
E Flöige putzt der Grind
De Schpatze glänze d Schnäbel
E Chue seicht dure Näbel
Me gseht se eignig Schnuuf
S Benzin schloht wider uf

Das Gedicht stammt aus dem Band Das Kurze. Das Einfache. Das Kindliche. Dort erzählt der Autor auch, dass sein Gedicht ins Japanische übersetzt wurde, und gibt eine Rückübersetzung ins Deutsche.

Ich weiss nicht, ob das Gedicht aus der Zeit der Erdölkrisen der 1970er Jahre stammt oder aus dem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, in dem Aufschläge beim Benzinpreis so verlässlich waren wie die Herbstnebel.

Occupy truth

Urs Birchler

Eine Kandidatin fürs Guiness Book of Records in der Kategorie „Höchster beanspruchter Hilfskredit pro Mitarbeiter“ ist die im Oktober 2009 verstaatlichte deutsche Hypo Real Estate. Gemäss der Auswertung der dem Fed abgerungenen Zahlen (siehe auch unseren kürzlichen Beitrag) durch Bloomberg bezog die Bank vom Fed in der Spitzenzeit — mucksmäuschenstill — 28.7 Mrd USD — zusätzlich zu Kreditgarantien der Bundesregierung von 142 Mrd Euro (206 Mrd USD). Die Fed-Hilfe belief sich damit auf 21 Mio USD pro Mitarbeiter.

Die Deutsche Bank stand beim Fed mit maximal 66 Mrd USD in der Kreide. Darüber verlor sie nie ein Wort, weder im November 2008 (Josef Ackermann: Deutschland könne stolz sein, eine Bank zu haben, die in diesen schwierigen Zeiten einen Gewinn erwirtschafte), noch als er am 22. Nov. 2011 vor der Occupy-Bewegung die gesellschaftliche Verantwortung der Banken betonte („Jeder Steuerzahler und Politiker sollte froh darüber sein, wenn Unternehmen ohne Staatshilfe auskommen“).

Bonds oder Brot?

Kjell Nyborg

Kunden der deutschen Bäckerei-Kette Wiener Feinbäcker Heberer haben jetzt die Wahl: Zusätzlich zum gewohnten Brotsortiment bietet der Bäcker auch Schuldverschreibungen an. Die Kette mit ihren 350 Niederlassungen sucht 12 Mio Euro für ihre weitere Expansion.

Der Kommentar der Financial Times vom 2. Dezember: „When a thriving business with profits growing at 30 per cent a year resorts to this kind of financing, it is a pretty sure sign that banks are not fulfilling their role.“

Haben die Banken ihr Verfalldatum überschritten? Oder die Brötchen?

Die Brötchen-Bonds (mit Rückzahlungsdatum am 31. Juli 2016) bieten einen jährlichen Zinssatz von 7 Prozent.

Adventskalender 3

Diana Festl-Pell

Gerade zur Adventszeit flattern praktisch täglich Spendenaufrufe von diversen gemeinnützigen Organisationen ins Haus. Diese Art der Adhoc-Spende aus schlechtem Gewissen zum Fest der Nächstenliebe war für mich aber irgendwie immer unbefriedigend. Umso glücklicher war ich, als mir ein ehemaliger Klassenkamerad, heute Völkerrechtler, von seiner Hilfsorganisation in Liberia erzählte.

Seit drei Jahren bin ich nun stolze Patin von Patience Chea, die mittlerweile in die 3. Klasse der neuerbauten Waisenhausschule geht. Gestern habe ich Post von ihr erhalten. Sie hat von der Friedensnobelpreis-Auszeichnung für ihre Präsidentin, Ellen Johnson Sirleaf, und für die Politikerin Leymah Roberta Gbowee erfahren.

Ganz begeistert schreibt sie, dass sie jetzt neben Ärztin noch zwei weitere Berufswünsche habe: Sie möchte nun auch Menschenrechtlerin und nächste Präsidentin werden! Ich bin überzeugt, dass sie das schaffen kann.

Adventskalender 2

René Hegglin

Als heutigen Beitrag gibt es ein interaktives Spiel, welches seit einiger Zeit als Bestandteil experimenteller Wirtschaftsforschung untersucht wird.

Aufgabe ist es, eine Zahl von 0 bis 100 zu schätzen, welche am nähesten an 2/3 vom Durchschnitt aller Schätzungen kommt. Als Beispiel: wenn der Durchschnitt aller Schätzungen 60 ist, so würde die Schätzung, die am nähesten bei 40 (=2/3*60) liegt, gewinnen.

Also: Welche ganze Zahl von 0 bis 100 liegt am nächsten bei 2/3 vom Durchschnitt aller Eingaben der Batz-Leser?

Die Lösung folgt in zwei Wochen.