Bailout für Banken: nie mehr?

Urs Birchler

Heute hat das Liberale Institut eine Studie von mir zum Thema Besseres Konkursrecht statt Bailouts? veröffentlicht. Fazit: Das revidierte Bankinsolvenzrecht hat noch ernste Mängel; diese bergen die Gefahr, dass der Staat bei einem Bankenproblem wiederum als Retter einspringen muss (siehe auch die Medienmitteilung).

Gleichzeitig publizierte die FINMA heute ihren Vernehmlassungsentwurf zu einer Bankinsolvenzverordnung.

Fazit: Die FINMA muss am Detail arbeiten, obwohl der Gesetzgeber die Architektur noch nicht ganz im Griff hat.

Zeit für Vernunft

Urs Birchler

Was habe ich dieser Tage gelitten. An der mangelnden Sensibilität des Nationalbankpräsidenten gegenüber im Grunde völlig unnötigen Transaktionen, aber noch mehr an den zum Teil abstrusen Kommentaren, Spekulationen und Schuldzuweisungen von allen Seiten. Dabei kümmerte sich niemand um das Offenkundige. Beispiel 1: In seiner Rücktrittsrede begann Philipp Hildebrand mit einem Dank an alle — ausser an den Bankrat. Es dauerte aber ewig, bis jemand den Reim darauf machte. Beispiel 2: Ebenfalls in der Rücktrittsrede findet sich die Behauptung, die Nationalbank könne den Dollarkurs nicht beeinflussen — kein einziger Journalist hat zurückgefragt, wie dann die Nationalbank den Eurokurs fixieren könne.

Wie eine Wohltat erscheint mir daher der Artikel von Ralph Pöner in der heutigen Ausgabe der deutschen Wochenzeitung Die Zeit: sachlich, einen Schritt auf Distanz und mit dem Blick auf das wirklich Wichtige, die Rolle der Notenbank im Staatsgefüge.

[Nachtrag: Auch die Handelszeitung vom 12. Jan. hat einige durchdachte Beiträge, beispielsweise von René Rhinow (S. 7; nicht im Internet verfügbar).]

Nummernkonti

Urs Birchler

Haben Sie nicht gewusst, dass ich für Nummernkonti bin? Ich auch nicht. Aber die neuesten Eregnisse haben eines gezeigt: Die Arbeitsteilung innerhalb einer Bank — gestützt durch die Informatik — bedingt, dass ein Dutzend Personen Zugriff zu einem Kundenkonto haben. Damit ist die Gefahr eines Lecks stets gegeben. Die geradlinige Lösung (wenn man das Bankgeheimnis nicht abschaffen will) wäre das Nummernkonto: Der Bank (d.h. 1-2 Mitarbeitern) ist der Kontoinhaber, bzw. wirtschaftlich Berechtigte, mit allen notwendigen Zusatzinformationen bekannt. Intern ist er aber nur eine Nummer. Näheres dazu im heutigen Echo der Zeit von Radio DRS.

Yes, we must!

Monika Bütler

Hätte der US Präsident Obama die Neujahrsansprachen der Bundespräsident(inn)en auf einen Nenner bringen müssen, er hätte es wohl mit “Yes, we must” gemacht. Meine Neujahrskolumne in der NZZaS (leicht erweitert) vom 1. Januar ist etwas länger.
Der verspätete Neujahrsgruss gibt mir die Gelegenheit für eine Richtigstellung. Andreas Kley ist nicht Theologe sondern Staatsrechtler an der Universität Zürich. Leider ist bei der letzten Kürzung der Kolumne der Hinweis auf die Quelle des Zitats «eine Macht der andern Ordnung (sei), die ohne Gewalt mitreissen und ohne Überredung überzeugen kann» (Rousseau) zum Opfer gefallen. Die oben verlinkte Fassung enthält die etwas längere, korrekte Fassung. Der zugrunde liegende Artikel für den zweitletzten Abschnitt ist das Vortragsmanuskript „Und der Herrgott, Herr Bundespräsident?“. Bei Andreas Kley möchte ich mich für diesen Faux-Pas entschuldigen, bei Bernhard Ehrenzeller für den Hinweis bedanken.

Adventskalender 24

Urs Birchler

Vorgestern, früher Abend. Regen, Pfützen voller Lichtreklamen, hupende Autos, Verspätungsmeldungen aus den Lautsprechern der Tramhaltestellen. Nicht einmal der kleine Chor der Heilsarmee hat heute Zeit, sich dem Strom der eiligen Fussgänger entgegenzustellen.

Drinnen, in der Lebensmittelabteilung des Warenhauses duftet es nach Luxus und nach Weihnachtsabend. Mein einziger Kauf: Ein Döschen Kaviar. Ich habe noch nie im Leben Kaviar gekauft, wusste daher nur, dass er teuer ist. Aber so teuer?! Beschämt über meinen Geiz – es soll ja ein Geschenk werden – und gleichzeitig über meinen Hang zur Verschwendung entscheide ich mich schliesslich für ein Döschen (das mittlere).

Angesichts meines scheinbar mageren Einkaufs bietet mir an der Kasse eine Kundin den Vortritt an. Ich nehme gerne an, auch Zeit ist kostbar. Beim Bezahlen sehe ich eine dicke Brieftasche daliegen und erwische die rechtmässige Besitzerin gerade noch bei der Rolltreppe. Stolz über die gute Tat gebe ich meinen Kreditkarten-Pin ein und achte darauf, die eigene Brieftasche auch wirklich einzustecken. Ich danke der freundlichen Dame hinter mir nochmals fürs Vorlassen und stürze mich wieder ins Getümmel der Einkaufstaschen und Lichter.

Kaum wieder im Regen durchfährt mich der Blitz: Der Kaviar!!! Manteltaschen, Plasticsack — nichts. Ich habe, fixiert auf meine Brieftasche, das Döschen liegenlassen. Keine Zeit, mich einen Idioten zu schimpfen; zurück, Rolltreppe runtergerannt, zur Einpackzone hinter der Kasse. Noch einen Blick vor der Wahrheit steht alles still: mein Atem, mein Herz, die Zeit. Auch die Menschen. Man hat mich erwartet. Drei Gesichter — die geduldige Dame, die Kassierin und ein Kunde von der Kasse daneben — lächeln mir zu, milde wie die drei Könige dem Kinde. In ihrer Mitte liegt glänzend wie ein Geschenk mein kostbares Döschen für mich bereit. Weihnachten.

Weihnachtsgeschenke rezikliert

Monika Bütler

Wie die alte Fasnacht kommt jedes Jahr, aber auch wirklich jedes Jahr, die alte Leier: Weihnachtsgeschenke seien eine ökonomische Verschwendung (siehe z.Bsp. hier).

Ich hätte wohl meinen Beitrag vom letzten Jahr unverändert hochladen können – und niemand hätte es bemerkt.

Daher auf die reziklierten Beiträge hier eine reziklierte Replik.

Adventskalender 23

Diana Festl-Pell

Vor 60 Jahren, im Dezember 1951, wurde Erich Kästner zum Präsidenten des westdeutschen PEN (Poets, Essayists, Novelists)-Clubs gewählt. Obwohl er ab 1933 zu den verbotenen Autoren gehörte, und die meisten seiner Schriftstellerfreunde ins Exil (unter anderem die Schweiz) gingen, blieb er in Deutschland. Dass Erich Kästner niemals ein Blatt vor den Mund nahm, führt auch das folgende Weihnachtsgedicht aus dem Jahr 1928 wunderbar vor Augen.

Weihnachtslied, chemisch gereinigt

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Strassen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch!

Tannengrün mit Osrambirnen –
lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reisst die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht –
weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Adventskalender 22

Inke Nyborg

Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann hatte eine besonders enge Beziehung zu der Schweiz. Bereits 1905 führte ihn seine Hochzeitsreise nach Zürich. Ein halbes Jahrhundert später starb er in Kilchberg. Sein literarischer Nachlass, die Bibliothek, Teile des Mobiliars und die Ausstattung seines Arbeitszimmers befinden sich heute im Thomas-Mann-Archiv, das im zweiten Stock des Bodmerhauses auf dem Gelände der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich untergebracht ist. Thomas Mann besuchte seine Heimatstadt Lübeck zum letzen Mal im Jahr 1955. Lübeck war Schauplatz für einen seiner bekanntesten Romane, Buddenbrooks: Verfall einer Familie. Der Roman beschreibt das Schicksal der Kaufmannsfamilie Buddenbrook in der Hansestadt Lübeck im neunzehnten Jahrhundert. Der geschäftliche Grundsatz der Familie zu Beginn ihrer Blütezeit kann mit den folgenden Worten umrissen werden: „Sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bei Nacht ruhig schlafen können.“ Doch dann schwinden von Generation zu Generation Unternehmensgeist, Kaufmannsmentalität und Gesundheit. Die Familie verfällt.

Beim Erscheinen des Werkes 1901 waren die Lübecker empört. Versteckte Anspielungen auf die Stadt, ihre Bürger und die Familiengeschichte der Manns waren eindeutig. Die meisten Porträtierten waren wegen der ironisierenden Darstellung nicht begeistert, sich im Buch wiederzufinden. Angeblich kursierte eine Schlüsselliste, die die lebenden Vorbilder identifizierte und die eine Lübecker Buchhandlung ihrer Kundschaft auslieh. Doch heute soll es um das nahende Weihnachtsfest gehen, ein besonders festliches und glanzvolles Ereignis bei der wohlhabenden Kaufmannsfamilie. In den Worten von Thomas Mann hat es bei den Buddenbrooks 1869 so ausgesehen: „Der ganze Saal, erfüllt von dem Dufte angesengter Tannenzweige, leuchtete und glitzerte von unzähligen kleinen Flammen, und das Himmelblau der Tapete mit ihren weißen Götterstatuen ließ den großen Raum noch heller erscheinen. Die Flämmchen der Kerzen, die dort hinten zwischen den dunkelrot verhängten Fenstern den gewaltigen Tannenbaum bedeckten, welcher, geschmückt mit Silberflittern und großen, weißen Lilien, einen schimmernden Engel an seiner Spitze und ein plastisches Krippenarrangement zu seinen Füßen, fast bis zur Decke emporragte, flimmerten in der allgemeinen Lichtflut wie ferne Sterne.“