Ein E-Wort an Balthasar Glättli

Monika Bütler & Urs Birchler

Vor einiger Zeit stand im batz.ch (Autor Urs Birchler), dass sich sowohl Industrie als auch Politik in der Energiediskussion vor dem P-Wort fürchteten. Man spricht lieber von Bedarf statt von Preisen. Bei dieser Gelegenheit erhielt auch der heutige grüne Nationalrat Balthasar Glättli einen kräftigen Tritt ans Bein. Umso mehr freute es uns, als der von uns Gescholtene in der Arena zum Bausparen von einer Regulierung des Energieverbrauchs über den Preis sprach.
Wir möchten uns daher bei Balthasar Glättli für den Tritt entschuldigen. Ohne Wenn und Aber: Immerhin ist das E-Wort heute genau so selten anzutreffen wie das P-Wort.

Verkaufstraining für den Liberalismus

Monika Bütler

Gleich zwei Einladungen zur Krise der Liberalen landeten heute bei mir auf dem Pult. Das Liberale Institut lädt am 26. März ein zu einer Veranstaltung „Wie Liberale den Kampf der Ideen wieder gewinnen“. Die Progress Foundation doppelt am 18. April nach mit einer Konferenz zum Thema „Warum sich der Liberalismus so schlecht verkauft“.
Solange allerdings selbst die FDP.Die Liberalen fröhlich zwitschern: „fürs Bausparen, weil es dem Bedürfnis nach eigenen vier Wänden entspricht“, solange dürfte selbst ein intensives Verkaufstraining aussichtslos sein. Da hätte man ja ebenso gut zwitschern können „für 6 Wochen Ferien, weil es dem Bedürfnis nach mehr Freizeit entspricht“.

Too late to fail?

Urs Birchler

Der 1. März, ist immer ein besonderer Tag. An Chalanda Marz zieht nämlich mein Vornamensvetter, der Schellenursli, mit der grossen Kuhglocke durchs Dorf. Dieses Jahr ist der 1. März aber ganz besonders: Heute tritt nämlich die Änderung des Bankengesetzes „Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail“ in Kraft (
von der Presse vor zwei Wochen kurz angekündigt, sieh z.B. NZZ). Damit findet man die neuen Bestimmungen endlich auch in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts [am 1.3.2012, 06:00, allerdings noch nicht aufgeschaltet].

Wird jetzt nie mehr eine Schweizer Bank mit Staatshilfe gerettet? Müssen jetzt immer die Aktionäre bluten? Einiges ist tatsächlich besser geworden, doch so klar ist es leider nicht, wie ich in einem NZZ-Artikel und im Gutachten für das Liberale Institut argumentiert habe. Und leider sind die Verordnungen zum Gesetz noch nicht unter Dach, sondern erst im Entwurf zur Vernehmlassung. Also zu früh, um mit der grossen Glocke durchs Dorf zu marschieren.

Bauförderung zu Lasten des Mittelstandes

Monika Bütler

Dieser Text erschien als Kolumne in der NZZ am Sonntag vom 26. Februar 2012 under dem Titel „Staatliche Bauförderung geht zu Lasten des Mittelstandes“.
Bevor ich in die Neidecke gedrängt werde: Wir besitzen ein nicht optimal Energie-saniertes Haus und würden somit durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Ersparnissen zugusten der Energiesanierung ebenfalls profitieren.

Hier also die Kolumne:

Beton heisst auf Englisch «concrete». Ganz konkret in diesem Sinn ist Bausparförderung sicht- und greifbar in steuergünstigen Kantonen wie Zug und Schwyz. Tiefe Steuern haben hier das Wohnen und Bauen attraktiv gemacht. Sie haben Bauzonen in die Breite und die Immobilienpreise in die Höhe getrieben. Je tiefer die Steuern, desto teurer Immobilienpreise und Mieten gilt auch für Gemeinden innerhalb desselben Kantons.
Das ist nicht weiter schlimm. Wenn der Finanzausgleich zwischen den Kantonen und Gemeinden funktioniert, bringt der Steuerwettbewerb dem ganzen Land mehr Vor- als Nachteile. Aber eines zeigt ein Blick auf die Schweizer Tiefsteuerkantone glasklar: Dass Steuervorteile den Erwerb von Wohneigentum für den Mittelstand nicht erleichtern, sondern erschweren: Vergünstigungen bei Steuern oder andere Subventionen des Bausparens verpuffen letztlich in Preiserhöhungen. Nur für die relativ reichen Käufer geht die Rechnung «Subvention minus höhere Preise» auf; für den Mittelstand hingegen wird das Eigenheim unter dem Strich teurer.
Es ist wie mit Subventionen für bäuerlichen Erzeugnisse: Diese führen auch nicht zu tieferen Konsumentenpreisen, sondern zu höheren Produzentenpreisen. Nur wissen das bei der Landwirtschaft alle. Wenn nun auf dem Land statt dem Mais der Beton wächst, soll die ökonomische Logik plötzlich nicht mehr gelten.
Die Befürworter der Bausparinitiativen ahnen die Logik: «Bausparen fördert die Baunachfrage», steht auf ihrer Internetseite. Was hingegen nicht steht: Die geförderte Nachfrage erhöht die Preise; für Neubauten und für Sanierungen gleichermassen. Mit dem vorgeschlagenen maximalen Steuerabzug von 30 000 Franken spart ein Ehepaar mit einem steuerbaren Einkommen von 200 000 Franken rund 7000 Franken pro Jahr (Stadt Zürich), ein Ehepaar mit einem steuerbaren Einkommen von 50 000 Franken dagegen nur 3000 Franken. Damit wird der Mittelstand mit den Preissteigerungen kaum mithalten können. Gefördert werden – wie es früher noch hiess – die oberen Zehntausend. Die mit Haus. Gewöhnliche Sparer, ob arm oder reich, gehen nämlich leer aus.
Zu den konkreten Nachteilen der Bausparförderung kommen die versteckten. Erstens müssen die Subventionen an die besser Gestellten und die Bauwirtschaft irgendwie finanziert werden. Zweitens verzerren sie die privaten Entscheidungen: Letztlich werden sich viele Mittelstandshaushalte auch zum Bausparen oder zum Energiesanierungs-Sparen veranlasst sehen, auch solche, die lieber (und gescheiter) für die Ausbildung der Kinder oder die Finanzierung der Pflege im Alter vorsorgen würden. Als Folge sinkt, drittens, die Mobilität. Wie in den Niederlanden, wo sich jeden Morgen und jeden Abend die Pendler stundenlang auf den überlasteten Strassen stauen. Die Kosten eines Umzugs für Hausbesitzer sind viel zu teuer.
Ist das steuerliche Bausparen denn einfach eine falsche Lösung für eine gute Absicht, wie es oft heisst? Auch wenn Wohneigentümer die besseren Schweizer wären: Nein. Nicht einmal staatliche Initiativen, die auf den ersten Blick optimal konstruiert scheinen, erreichen ihr Ziel. Den besten Beweis dafür liefert Australien. Das Land hat verschiedentlich mit sogenannten «home-owner-grants» versucht, den Erstkäufern unter die Arme zu greifen. Dabei beschränkten die Australier die Zahlungen sogar auf den Mittelstand und gewährten die Zuschüsse nur bis zu einer Obergrenze des Hauspreises. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Preise im subventionierten Segment stiegen stark an, das Angebot an erschwinglichem Wohnraum versiegte. So sehr, dass Finanzberater interessierten Käufern den Rat gaben, mit dem Kauf zuzuwarten, bis die staatlichen Zuschüsse auslaufen.
Das müsste eigentlich den vielen Liberalen, die Subventionen ausgerechnet zum Erwerb von Wohneigentum unterstützen, zu denken geben.

Gütliche Einigung mit den Schaffhauser Nachrichten

Monika Bütler

Die "Schaffhauser Nachrichten" haben am 26. Januar den Text von
Frau Dr. Monika Bütler "Ausstieg aus der ökonomischen Vernunft" vom
www.batz.ch  übernommen, weil sie irrtümlich annahmen, die
Stellungnahme von Frau Prof. Monika Bütler sei im Rahmen der
Diskussion über die Bausparinitiative frei verwendbar und nicht
urheberrechtlich geschützt. Monika Bütler und die “Schaffhauser
Nachrichten” haben sich in dieser Sache gütlich geeinigt.

Erfolgsgeschichte Obwalden?

Marius Brülhart

Bereits sechs Jahre sind ins Land gestrichen, seit der Kanton Obwalden seine Steuersenkungsstrategie lanciert hat. Am 1. Januar 2006 reduzierten die Obwaldner ihren Gewinnsteuersatz um mehr als die Hälfte auf die damals schweizweit rekordtiefe Marke von 6,6%. Im 2008 doppelten sie nach mit dem Übergang zu einer Flat-Tax-Einkommenssteuer. Gemäss offizieller Obwaldner Lesart ist das Experiment geglückt: Der Aufschwung wurde eingeleitet. Tatsächlich haben sich seit der Steuerreform offensichtlich viele Unternehmen und betuchte Steuerzahler in Obwalden niedergelassen.

Doch haben sich die Steuersenkungen für den Obwaldner Fiskus per Saldo auch wirklich gelohnt? Den Stimmbürgern wurde das seinerzeit in Aussicht gestellt: „Mittelfristig soll der Steuerertrag durch den Zuzug finanzkräftiger Personen und Unternehmen gesteigert werden“, stand zuvorderst im Abstimmungsbüchlein.

Den Zusatzeinnahmen durch neu angesiedelte Steuerzahler sind wie immer bei solchen Berechnungen die Steuerausfälle bei den eh ansässigen Steuerzahlern gegenüberzustellen. Die untenstehende Grafik deutet darauf hin, dass letzterer Effekt überwog: Die kantonalen Unternehmenssteuereinnahmen sind 2006 deutlich eingebrochen und zeigen seither keinen klaren Aufwärtstrend. Gegenüber seinen Innerschweizer Nachbarkantonen scheint Obwalden nach der Reform kaum Boden gut gemacht zu haben – notabene nachdem Obwalden in den Jahren vor der Steuerreform ein überdurchschnittliches Einnahmenwachstum erlebt hatte. Auch wenn man die gesamten Steuereinnahmen betrachtet (d.h. Unternehmenssteuern plus Steuern auf natürliche Personen), ist bislang keine positive Wirkung der Reformen auszumachen.

Steuersenkungen, die das Wirtschaftsaufkommen so stark ankurbeln, dass die Steuereinnahmen letztlich steigen, sind bislang auch in Obwalden eine finanzpolitische Wunschvorstellung geblieben.

 

Weshalb nicht Ausbildungssparen?

Monika Bütler

Sparen soll sich wieder lohnen, fordern die Befürworter der Bausparinitiative. Doch weshalb soll sich nur Sparen fürs Eigenheim lohnen? Wer 30‘000 Franken fürs Eigenheim spart, erhält im Falle einer Annahme der Initiative implizit Subventionen von einigen Tausend Franken. Pro Jahr, nota bene. Wer denselben Betrag für die Ausbildung seiner Kinder spart, erhält hingegen nichts. Aufgrund dieser Preisverzerrung müsste man erwarten, dass die Haushalte tendenziell zuviel fürs Haus und zuwenig für die Ausbildung sparen.

In einem Diskussionspapier „Does Home Ownership Crowd Out Investment in Children’s Human Capital?“ zeigen die drei italienischen Ökonominnen Elsa Fornero, Agnese Romiti und Mariacristina Rossi, dass dies nicht einfach graue Theorie sein muss. Aufgrund sehr detailierter Haushaltdaten der Banca d’Italia zeigen die Forscherinnen, dass Hausbesitzer in sonst gleichen wirtschaftlichen Bedingungen (Einkommen, Vermögen, Ausbildungsniveau der Eltern) weniger in die Ausbildung ihrer Kinder investieren als Nicht-Hausbesitzer. Natürlich muss man bei der Interpretation der Resultate immer vorsichtig sein. Immerhin ist für die Autorinnen klar, dass die Förderung des Wohneigentums kritisch hinterfragt werden muss. Sie folgern: “Our results point out to strong policy implications, suggesting the importance of rebalancing policies favouring investment in housing towards the ones fostering investment in children’s human capital.”

Wer nun denkt, er hätte den Namen Elsa Fornero schon mal gehört: Ja, Elsa Fornero ist die Ministerin für Arbeit und Soziales der neuen italienischen Regierung Monti.

Tagi — wir bleiben dran!

Urs Birchler

Über die Wirtschaftsberichterstattung des Tagesanzeiger nerve ich mich so oft, dass ich nicht jedesmal reagieren mag.
Aber heute (Montagmorgen!) ist’s mir wieder mal zuviel: Die Bildlegende spricht vom Regierungsgebäude, während auf dem Bild in grossen Lettern (auch für nicht griechisch Sprechende wie mich) zu sehen ist, dass es sich um die Bank von Griechenland handelt. Regierung ist nicht gleich Notenbank. Auch nicht in Griechenland.

[Nachtrag: Der Fehler wurde bereits im Laufe des Tages behoben. Die Demonstranten sind jetzt „in der Innenstadt“. Das trifft immerhin zu. Genauer wäre: vor der Bank von Griechenland (Eleftheriou Venizelou 21, Athen 10564).]

Steuerabzüge für Familien, die ihre Kinder selber betreuen?

Monika Bütler

Braucht es nicht. Der Verheiratetentarif sowie die Sozialversicherungen basieren bereits auf der traditionellen Vorstellung, dass eine Familie von einem einzigen Einkommen lebt. Mehr dazu im Interview mit der Neuen Luzerner Zeitung von heute.

Abgesehen davon: Wir betreuen unsere Kinder ebenfalls hauptsächlich selber: Von den wöchentlichen 168 Stunden verbringen die Buben (wenigstens in den 39 Schulwochen) rund 36 Stunden in der Schule, auf dem Schulweg oder in der Betreuung. An weiteren rund 8 Stunden die Wochen hilft uns eine Babysitterin. Es bleiben somit noch mindestens 124 Stunden Eigenbetreuung. Hätten wir Anspruch auf drei Viertel der Abzüge? Oder gar noch mehr? Schliesslich gehen auch die Kinder von traditionellen Familien zur Schule.

Man kann natürlich einwenden, dass die Kinder rund 70 Stunden pro Woche schlafen, in denen sie nicht aktiv betreut werden müssen. Doch auch in diesem Fall stünde uns in der Logik der Familieninitiative http://www.familieninitiative.ch/ noch mindestens die Hälfte der Steuerabzüge zu.

 

 

SNB bleibt glaubwürdig

Urs Birchler

Verschiedene Pressestimmen warnten nach dem Rücktritt von Präsident Philipp Hildebrand am 9. Januar 2012 vor einem Angriff der Spekulanten auf die Wechselkursgrenze von einem Euro zu 1.20 Franken. Schon vor einer Woche publizierte die SNB die Januar-Zahlen unter dem IMF Data Dissemination Standard. Und siehe da: Die Nationalbank musste (netto) offenbar überhaupt nicht intervenieren. Ihre Devisenreserven gingen sogar markant zurück und fielen auf deas Niveau vom vergangenen November. Fazit: Die „Spekulanten“ folgten den Spekulationen der Journalisten nicht. Es wäre zu teuer gewesen. Ist dieses „Nicht-Ereignis“ eine Zeitungsmeldung wert?

Fremdwährungsreserven der SNB (in Mio CHF):

227’212 Jan 2012
254’254 Dez 2011
229’278 Nov 2011
245’036 Oct 2011
282’352 Sep 2011
253’351 Aug 2011