Sichere Banken — ein Lehrfilm der CS

Angriff ist die beste Verteidigung. Die CS hat erkannt: Too-big-to-fail ist kein Geschäftsmodell (mehr). Der Steuerzahler will Banken nicht mehr subventionieren. Die CS stellt sich deshalb voll hinter den Bericht der Expertenkommission des Bundes. Vor allem aber hat die CS das Konzept verfilmt. Mit Vereinfachungen, versteht sich, aber dafür allgemein verständlich. Danke CS!

Banken=Staat=Banken

Wir haben es mehr als einmal gesagt (z.B. in der Antrittsvorlesung vom 12. April und im Gutachten für die SP Schweiz vom 8. Juli): Der Fluchtpunkt der impliziten Staatsgarantie ist die Verschmelzung von Banken und Staat. Nun folgt, wie die Irish Times berichtet, die Bestätigung durch die Rating-Agentur Standard&Poor’s: „The fate of the Government and the fate of Ireland’s banking system are really one and the same“ (Frank Gill, Irland-Analyst S&P). Damit sind die Banken verstaatlicht oder der Staat „verbankt“. Da die irischen Banken „too big a problem for this country“ sind (Finanzminister Lenihan, diesen Montag) geht das Spiel auf der nächst höheren Ebene (jener der EU) weiter …

Regulator’s Dilemma

Die irische Krise wirft auch ein grelles Licht auf die zweischneidige Rolle der Bankaufseher. Das Wall Street Journal erinnert daran, dass die irischen Banken im Juli, bevor sie das Land ins Verderben rissen, die behördlichen Stress-Tests noch brav bestanden.

Doch nicht nur die Stress-Tests sehen schlecht aus. Auch die Basler Eigenmittelempfehlungen hinken hinter der Realität hinterher. Staatsschulden gehen mit Gewicht null in die Berechnung der „Risikogewichteten Anlagen“ ein, solange sie ein AA-Rating haben. Irland ist zwar aus dem AA-Klub ausgeschieden und erhält jetzt wie Italien oder Portugal ein Gewicht von 20% (Griechenland: 100%).

Die nationalen Aufsichtsbehörden dürfen aber für Verpflichtungen ihrer Regierungen gegenüber einheimischen Banken tiefere Werte vorsehen. Wen wundert’s, dass gemäss Financial Times in der EU plötzlich der Anteil der Staatsschulden gegenüber Ausländern zurückgeht und derjenige gegenüber Inländern (wohl vor allem der Banken) ansteigt?

Die Bankaufsichtsbehörden helfen also ihren Banken, den höheren Eigenmittelanforderungen ausweichen. Dass die Banken dabei auf schlechten Papieren sitzen bleiben, stört sie wenig. Im Gegenteil — der Anreiz für die Banken, die Schrottpapiere der eigenen Regierung zu kaufen, wird noch zunehmen, wenn die in Basel geschneiderten verschärften Liquiditätsanforderungen in Kraft treten sollten. Denn selbstverständlich gelten Obligationen der eigenen Regierung als liquid.

Nur die irische Regierung hat (gemäss dem auf vier Jahre angelegten National Recovery Plan) eine noch bessere Mülltonne für ihre Schulden gefunden: Den nationalen Pensionsfonds. Wer’s auch fast nicht glaubt, lese den Blog der Financial Times.

Expertenbericht TBTF

Der Schuss ist raus: die Expertenkommission des Bundes zur „Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen“ (Too big to fail, TBTF) hat ihren Schlussbericht publik gemacht. Eine erste Durchsicht zeigt Gutes und Schlechtes.

Zuerst die gute Nachricht: Der Bericht nennt das Kind beim Namen: Die faktische Staatsgarantie ist eine Subvention mit hohen Kosten und Risiken für die Steuerzahler. Der Bericht schlägt vier Kernmassnahmen vor (Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung, Organisation). Der eigentliche Kern sind jedoch die Vorschläge zum Thema Eigenmittel. Hier übernimmt der Bericht im wesentlichen die Vorschläge unseres Gutachtens vom Juli 2010: Es braucht deutlich mehr haftende Substanz, bestehend aus Eigenmitteln und aus Schulden, die im Krisenfall gekürzt oder in Eigenmittel verwandelt werden können. Die gesamten Anforderungen müssen über Basel 3 hinausgehen. Ebenfalls übernommen wurde der von der Grösse (Bilanzsumme, Marktanteil) abhängige Eigenmittelzuschlag. Ein Teil der geforderten Eigenmittel soll als „contingent convertible bonds“ (bedingte Pflichtwandelanleihen), kurz: CoCos, emittiert werden können.

Leider gibt es auch schlechte Nachrichten. Erstens bemessen sich die Eigenmittelanforderungen an den risikogewichteten Assets, genau wie bei Basel 3. Wenn aber die Finanzkrise eines gezeigt hat, dann dass die Risikomessung im entscheidenden Moment versagt. Krisen kommen oft oder meist aus dem toten Winkel. Risikomessung ist sogar dann unzuverlässig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen wurde. Aber erst recht gefährlich wird sie, wenn die Banker ein Interesse haben, geringe Risiken auszuweisen (zum Beispiel damit Boni fliessen). Sie beherrschen die Kunst, die gemessenen Risiken abzubauen, aber die effektiven Risiken zu erhöhen.

Zweite schlechte Nachricht. Auf den Eigenmittelzuschlag für Grösse, den mutigsten Teil der Vorschläge, gibt es einen Rabatt. Je besser die Bank glaubhaft machen kann, sich durch ihre Organisation im Krisenfall aufteilbar gemacht zu haben, desto grösser der Rabatt. Leider funktionieren diese Aufteilungspläne nur in behördlichen Wunschträumen.

Ein grundsätzlich richtiges Konzept wird also an zwei nicht tragfähigen Nägeln aufgehängt: Der Messbarkeit der Risiken durch die Banken selbst und der Organisierbarkeit der Aufteilung im Krisenfall.

Drittens schliesslich sind die vorgesehenen Eigenmittelanforderungen zwar strenger als Basel 3, aber nicht streng genug, um das TBTF-Problem zu lösen. Die Anforderungen wurden kalibriert auf die schweizerischen Erfahrungen aus der Finanzkrise. Dabei geht vergessen, dass die Finanzkrise für die Schweiz und die UBS, als Hauptbetroffene, trotz allem eigentlich glimpflich ablief, gemessen an früheren Krisen und an ausländischen Erfahrungen. In der Krise der frühen 1990er Jahre („Regionalbankenkrise“) verloren die Grossbanken 12,5 Prozent des Kreditvolumens. Dies wären heute rund 75 Milliarden Franken. Die von der Expertengruppe geforderten (bei heutigen Zahlen) 19 Prozent der risikogewichteten Assets beträgt gerade etwa so viel. Dabei ist aber nicht eingerechnet, dass die Banken ihre Bilanzen an das neue Konzept anpassen werden; auch nicht eingerechnet ist, dass die Banken die vorgesehenen Grössenpuffer wesentlich abbauen werden, indem sie den Organisationsrabatt abholen.

Dass die Arbeitsgruppe überhaupt soweit gekommen ist, ist namentlich den Behördenvertretern hoch anzurechnen. Die Banken und ihre Verbündeten haben massiv Druck gemacht, mit Abwanderung, Kreditklemme und der Pest gedroht. Sie haben sogar hart auf den Mann gespielt. Nur eines haben sie nicht: Ein einziges vernünftiges Argument gebracht, weshalb mehr Eigenmittel anstelle hoher Fremdfinanzierung teuer sein soll. Eigenmittel sind nur teuer für TBTF-Banken und für Manager, die ihre Boni nicht gerne mit den Aktionären teilen. Jeder, der diese Botschaft im Bundesrat und im Parlament verbreitet, tut etwas zur Lösung des TBTF-Problems und zur Erhaltung der Schweiz als Wirtschaftsstandort.

Link zum Bericht der Expertenkommission des Bundesrates
Link zur Studie Faktische Staatsgarantie für Grossbanken

Zitat des Tages I

“Morally, we are all communists; practically, we are capitalists.”

“You have to try everything when you are desparate.” (für Wissenschaftler)

Frei nach Iván Werning (am Doktorandenkurs in Gerzensee). Die Zeitschrift „Economist“ zählt Werning zu den acht jungen aufstrebenden Ökonomen (neben „Clarks Medal“-Gewinnerin Esther Duflo, Jesse Shapiro, Roland Fryer, Amy Finkelstein, Raj Chetty, Xavier Gabaix, Marc Melitz). Der MIT-Professor ist ein Makro-Theoretiker und beschäftigt sich mit der optimalen Ausgestaltung von Steuersystemen (in dynamischen Modellen: „New Dynamic Public Finance“).

In seinem neusten Artikel schlägt der Argentinier Werning altersabhängige Einkommenssteuern vor (Steuer nimmt mit dem Alter zu). Umverteilung über Steuern ist eine Art Versicherung – hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ oder bei Unsicherheit über die Zukunft. Junge Erwerbstätige wissen nicht – oder nur mit grosser Unsicherheit -, wie hoch ihr Lebenseinkommen sein wird. Entscheidungen zu Beginn des Erwerbslebens haben weitreichende Folgen für das zukünftige Wohlergehen (wo und wieviel arbeite ich? Wie begabt bin ich? Wie schnell werde ich befördert? Wie viel verdiene ich?). Mit steigendem Alter nimmt die Bedeutung von Ereignissen am Arbeitsplatz ab und das Lebenseinkommen kann präziser geschätzt werden (Unsicherheit über die Zukunft nimmt ab). Entscheidend für Werning’s Resultat ist, dass das Einkommen ein „random walk“ ist (siehe Grafik): Persistente Produktivitätsschocks (z.B. Beförderung aufgrund guter Leistungen) zu Beginn des Erwerbslebens haben einen viel grösseren Einfluss auf die Höhe des Lebenseinkommens als spätere. Die Steuer ist eine „Versicherung“ in dem Sinne, dass sie den Effekt solcher Schocks auf die Nettoeinkommen verringert. Die Steuer nimmt mit dem Alter zu und der Steueranstieg ist proportional zur Kovarianz zwischen dem Konsumwachstum und der Produktivität (positiv aufgrund von Arbeitsanreizen). Für altersabhängige Steuern spricht auch die Tatsache, dass die Streuung der Einkommensverteilung mit dem Alter zunimmt.

Werning ist bekannt für kontraintuitive Resultate. In „Liquidity and Insurance for the Unemployed” schlussfolgert der Sohn eines Mathematikers (zusammen mit Robert Shimer), dass die Arbeitslosenunterstützung nicht nach einer gewissen Zeit enden sollte.

Frohsinn und Steuerwettbewerb

Der Tages-Anzeiger hat einigen Parlamentariern Kommentare entlockt über meinen jüngsten Batz-Beitrag. Zu zwei dieser Kommentare kann ich mir ein paar Bemerkungen nicht verkneifen.

Nationalrätin Brigitte Häberli (CVP) sagte Folgendes zur im Beitrag dargestellten Studie: „Das Hauptargument für den Steuerwettbewerb widerlegt sie nicht: Er führt dazu, dass die Kantone nur so wenig Geld wie nötig einnehmen.“

Mit ihrem ersten Satz hat Frau Häberli 100% recht: Es ging in unserer Arbeit nicht darum, herauszufinden, ob die ökonomischen Vorteile oder Nachteile des Steuerwettbewerbs überwiegen. Eine solche Einschätzung ist viel komplizierter, als es unsere errechneten Korrelationen zwischen Steuersätzen, Wanderungsbewegungen und Steuereinnahmen zulassen würden.

Gerade deshalb steht Frau Häberli mit ihrer zweiten Aussage auf wackligerem Grund. Es ist nämlich offen, ob die Kantone dank Steuerwettbewerb gerade einmal „so wenig Geld wie nötig“ einnehmen oder nicht. Der Steuerwettbewerb könnte auch dazu führen, dass weniger Geld als nötig in die Kasse fliesst, oder aber, dass der Staat trotz allem mehr Geld als nötig abschöpft. In ersterem Fall spricht man von „race-to-the-bottom“ Steuerwettbewerb, durch den der Staat an der Finanzierung eigentlich gewünschter Leistungen gehindert wird. Im zweiten Szenario hingegen vermag die disziplinierende Kraft des Steuerwettbewerbs dem staatlichen Aufblähungstrieb nicht genügend Einhalt zu gebieten.

Wo liegt die Wahrheit? Eine umfassende wissenschaftliche Antwort auf diese Frage ist äusserst schwierig, denn es gilt, subjektive Annahmen insbesondere in der Festlegung der ökonomisch optimalen Steuerlast irgendwie objektiv zu fassen. In einer Arbeit mit Mario Jametti habe ich kürzlich aufgezeigt, dass der interkantonale Steuerwettbewerb unter gewissen präzisen Bedingungen per Saldo positiv zu Buche schlägt. Dieses Resultat wie auch ähnliche Ergebnisse anderer Forscher, sind Indizien für die Vorzüge des Steuerwettbewerbs. Eine umfassende Beurteilung übersteigt jedoch weiterhin die Möglichkeiten der formalen Wissenschaft und bleibt somit weitgehend Meinungssache.

Weniger Subtilität erfordert eine Reaktion auf den Kommentar von FDP-Nationalrätin Gabi Huber. Frau Huber äusserte sich befriedigt über die Abschaffungswelle der kantonale Erbschaftssteuern: „Die vielen Erben sind aber sicher froh, dass sie weniger Steuern bezahlen mussten.“ Welch ein Kriterium! Spinnen wir diesen logischen Faden etwas weiter: Die vielen Erben wären doch sicher auch froh, wenn ihnen der Staat pro geerbtem Franken noch ein Füfzgi zuschiessen würde. So lanciere man eine parlamentarische Initiative zur Subventionierung von Erben! Ob dies der meritokratischen Gründerideologie der FDP entspricht, gälte es vorgängig abzuklären. (Falls die Partei nicht mitziehen würde, könnte man auch Steuersenkungen für höhere Staatsangestellte in Betracht ziehen: Die vielen Uniprofessoren wären sicher froh.)

TBTF: Der grosse Tag

Auf diesen Tag hat sich unser Team gefreut: Unser Gutachten zuhanden der SP Schweiz erblickte an der Pressekonferenz von heute morgen das Licht dieser Welt. Inke Nyborg, Diana Festl-Pell, René Hegglin und ich haben seit Wochen nur noch TBTF verstanden. Jetzt freuen wir uns auf Reaktionen.

Das Gutachten kann heruntergeladen werden von der Homepage der SP Schweiz (samt Pressematerial) oder bei unserem Institut als PDF.

Zur Steuermoral der SchweizerInnen

Eine Umfrage des Kassensturzes zur Steuermoral zeigt regionale und geschlechtliche Unterschiede betreffend Steuerhinterziehung. Hohe Boni trotz staatlichen Bankensanierungen führen zu einer geringeren Bereitschaft, Steuern zu bezahlen. Eine Erbschaftssteuer ist unpopulärer als die Einkommenssteuer. Gebhard Kirchgässner interpretiert die Ergebnisse hier.

Der Fünfer und das Weggli: Zur Reform der Besteuerung des privat genutzten Wohneigentums

Nachdem das Volk entsprechende Vorstösse zweimal, am 7. Februar 1999 die Initiative „Wohneigentum für alle“ und am 16. Mai 2004 im Rahmen der Vorlage zur Reform der Ehe- und Familienbesteuerung sowie der Wohneigentumsbesteuerung, deutlich abgelehnt hat, versucht der Hauseigentümerverband ein drittes Mal über die Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“ für seine Mitglieder zusätzliche Subventionen zu erhalten.

Die derzeitige Regelung ist ökonomisch sinnvoll und fair. Das (selbstgenutzte) Wohnhaus ist – ökonomisch betrachtet – eine unter vielen Anlageformen für die privaten Ersparnisse, wie z.B. Sparguthaben, Aktien oder Obligationen. Die heutige Regelung macht dazwischen keinen Unterschied: Sie behandelt denjenigen, der sein Geld in seinem Haus investiert und sich damit die Miete spart, genauso wie jenen, der sein Geld auf dem Kapitalmarkt anlegt, dafür Zinsen erhält und zur Miete wohnt. Damit werden unterschiedliche Anlageformen gleich behandelt. So wie derjenige, der Zinsen erhält, davon Steuern zahlen muss, muss der Eigenheimbesitzer die Miete, die er implizit an sich selbst zahlt, versteuern. Dafür darf er Renovationsarbeiten genauso wie Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen absetzen. Tatsächlich wird der Eigenheimbesitzer heute sogar subventioniert, soweit bei der Steuer nicht der volle Verkehrswert angesetzt wird.

Das Eigenheim wird hier als Investitionsobjekt betrachtet. Man kann es auch als Konsumgut ansehen, wie z.B. ein Auto. Dann macht die Besteuerung des Eigenmietwerts keinen Sinn, aber es gibt auch keinen Grund, Renovationskosten vom steuerbaren Einkommen abzusetzen. Schliesslich kann ich dies bei meiner Autoreparatur auch nicht. Zudem gibt es dann keine Rechtfertigung dafür, Schuldzinsen steuerlich zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn man den Schuldzinsenabzug in der Höhe begrenzen will.

Beim Systemwechsel ergibt sich freilich ein Problem mit den Mietwohnungen von Privateigentümern. Sollen hier die Mieteinnahmen weiterhin steuerpflichtig sein (wie Zinsen und Dividenden bei anderen Anlageformen), wofür sicher einiges spricht, sollten hier Schuldzinsen und Renovationskosten konsequenterweise weiterhin abzugsfähig sein. Steuersystematisch ist es zwar nicht elegant, bei privaten Eigentümern eigengenutztes Wohneigentum als Konsumgut und fremdgenutztes als Investitionsgut zu betrachten. Dennoch aber wäre es beim Systemwechsel erforderlich, um nicht neue Ungerechtigkeiten aufkommen zu lassen.

Man mag sich darüber streiten, welche der beiden Regelungen sinnvoller ist: die heutige oder eine Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung. Im Prinzip ist es sinnvoller, Ausgaben für ein Wohnhaus als Investition zu betrachten; deshalb besteht eigentlich kein Änderungsbedarf. Andererseits ist nicht zu bestreiten, dass beide Regelungen Vor- und Nachteile haben und dass man deshalb für beide eintreten kann. Die Initiative des Hauseigentümerverbands möchte jedoch den Fünfer und das Weggli: Beim möglichen Wechsel zum System ohne Eigenmietwertbesteuerung, der freilich erst nach Erreichen des AHV-Alters möglich sein soll, sollen Unterhaltskosten bis zum Betrag von 4000 Franken nach wie vor abzugsfähig sein. Hier wird für eine spezielle Gruppe eine Subvention gefordert, die sich kaum rechtfertigen lässt. Es ist, wie wenn man fordern würde, dass beim privat genutzten PKW, der ja auch ein ‚Investitionsobjekt‘ ist, die Kosten für den Service steuerlich geltend gemacht werden können.

Es ist zu hoffen, dass das Volk auch diesem Vorstoss wieder eine Abfuhr erteilen wird.

(Eine ausführliche Diskussion der Eigenmietwertbesteuerung findet sich in: G. Kirchgässner, Eine moderne Steuer- und Abgabenordnung für die Schweiz: Vorüberlegungen und Grundzüge, Rüegger, Chur/Zürich 1999, S. 73ff.)

Tobin Tax zum Frühstück

Gute Zeiten für die empirische Finanzmarktforschung. Wie die Presse meldet, hat die EU beschlossen, eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen. Das wird, im Jargon der Forscher, ein „natürliches Experiment“, das endlich eine breite Datenbasis zur umstrittenen Idee einer Transaktionssteuer (Tobin Tax) liefern wird.

Des Forschers Freud‘, des Bürgers Leid? Erhöht ein Transaktionssteuer die Markteffizienz und damit die Wohlfahrt oder setzt sie sie herab? Nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand, musste ich zur eigenen Schande auf Wikipedia zurückgreifen, wo ich ein anregendes Frühstücksmüesli vorfand. Am besten mundete mir der kritische Aufsatz von Charles Goodhart. Der emiritierte Professor der London School of Economics regt an, wenn schon eine Steuer, dann eher eine auf Spam (dieser nützt nämlich im Gegensatz zum Devisenhandel gar nichts)!

Die Idee der Tobin Tax hat lange geschwelt. Frühe Versuche in Schweden und in England verliefen eher enttäuschend (siehe die empirische Auswertung durch Campbell und Froot (1994). Die politische Wende kam nach der Finanzkrise, als der Internationale Währungsfonds (IWF) letzten Winter auf Druck der grossen europäischen Länder von Ablehnung auf Unterstützung schwenkte. Diejenigen Staaten, die einst durch die Globalisierung stark wurden, nehmen jetzt zu einem Rezept der Globalisierungsgegner Zuflucht.

Gespannt bin ich auf die praktische Ausgestaltung. Der geistige Vater der Idee, Nobelpreisträger James Tobin, propagierte die Steuer lediglich auf Kassengeschäfte im Devisenmarkt. Ob im europäischen Vorschlag die besonders ungeliebten Termingeschäfte ungeschoren davonkommen werden?

Nachtrag: Zwei Kommentare von Monika Bütler gehören eigentlich in den Text:

Eine interessante Ergänzung zur Empirie einer möglichen Transaktionsteuer: Harald Hau von der INSEAD findet aufgrund von Variationen der “tick size” (das ist die minimale Kursänderung, die an der Börse angegeben wird), dass eine Transaktionssteuer die Volatilität auf den Finanzmärkten eher noch vergrössert. Also genau das Gegenteil von dem, was die Tobin Tax verspricht. Das Papier, veröffentlicht im Journal of the European Economic Association ist hier. Wem das Original-Papier von Harald Hau zu technisch ist, liest den viel kürzeren und verständlicheren Kommentar von Christian Upper (Deutsche Bundesbank): hier.