1 Euro = 50 Rappen ?

Die Presse von heute will wissen, der Präsident des Direktoriums der SNB, Philipp Hildebrand, habe im Bundesrat die Möglichkeit eines Falls des Euro auf 50 Rappen erörtert. Ich war nicht dabei, möchte aber doch eines klarstellen. Was Philipp Hildebrand immer gesagt haben mag: Diese 50 Rappen sind sicher keine Prognose. Bitte also keine Panik im Devisenhandel. Eine Regierung muss sich natürlich auch auf Extremszenarien gefasst machen; in diesem Sinne ist die Frage „Was tun wir, wenn der Euro auf X fällt?“ wichtig. Der Bundesrat muss eine Antwort haben. Die Frage sollte aber nicht Anlass sein, den Euro auch gleich mit X zu bewerten.

Bekanntlich bin ich kein Euro-Romantiker und habe den Euro sogar einmal als „langfristig unhaltbar“ bezeichnet. Gemeint war, dass der Währungsverbund mit den heutigen Mitgliedländern irgendwann reissen wird oder aber den Frieden und/oder Demokratie in Europa zerstört (Ungarn beispielsweise ist auf bestem Weg). Dazu stehe ich nach wie vor. Bloss bedeutet ein Auseinanderbrechen der Währungsunion nicht unbedingt eine Schwächung des Euro. Wenn die schwachen Länder ausscheiden, kann der Euro sogar härter werden.

Also nochmals: 50 Rappen sind ein Szenario unter vielen, keine Prognose.

Adventskalender 6

Im Heimatland muss beginnen, was leuchten soll in Europa. Unser Chlausrätsel versucht deshalb, die Leser für die Eurodebatte mit einigen Testfragen über unsere eigene Währung, den Schweizer Franken, zu stählen. Viel Spass!

  1. Wann erhielt die Schweiz zum ersten Mal eine einheitliche nationale Währung?
    (a) 1291, (b) 1798, (c) 1848, (d) 1907.
  2. Seit wann ist der Schweizer Franken offiziell Landeswährung?
    (a) 1848, (b) 1907, (c) 1918, (d) 1936.
  3. War die Schweiz früher einmal Teil einer Währungsunion?
    (a) ab 1815, (b) ab 1848, (c) ab 1865, (d) nie.
  4. Ist die Schweiz heute Teil einer Währungsunion?
    (a)  seit 1881, (b) seit 1924, (c) seit 1980, (d) nein.
  5. Seit wann hat die Schweiz einheitliche Banknoten?
    (a) 1848, (b) 1881, (c) 1907, (d) 1936.
  6. Die Banknoten der Schweizerischen Nationalbank müssen in der Schweiz als Zahlungsmittel angenommen werden. Seit wann ist dies ordentliches Recht?
    (a) 1881, (b) 1936, (c) 1954, (d) 2000.
  7. Die gesetzliche Golddeckung des Schweizer Frankens galt
    (a) bis 1936, (b) bis 1973, (c) bis 2000, (d) sie gilt bis heute.
  8. Seit wann kann die Schweizerische Nationalbank die von ihr ausgegebene Geldmenge de facto kontrollieren?
    (a) seit 1907, (b) seit 1936, (c) seit 1973, (d) seit 2000.

Die Lösung besteht aus acht Buchstaben (von a bis d). Wen dürfen wir als Einsender(in) der ersten richtigen Lösung (an: birchler@isb.uzh.ch) feiern?

Der SNB StabFund (Das Innenleben einer „bad bank“)

Ein Teil des Rettungspakets für das Schweizer Finanzsystems vom 16. Otober 2008 war die Errichtung eines Auffangbeckens für bedrohte Anlage der UBS durch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Der zu diesem Zweck errichtete StabFund ist ein Beispiel einer „bad bank“, deren Trennung von den gesunden Teilen die „good bank“ retten soll. Für die SNB war der kühne Schritt mit grossen Risiken verbunden. Zwei Ökonomen der SNB, Marcel Zimmermann und Szoltan Szelyes, beschreiben in einer neuen Publikation den StabFund und seine Entwicklung von innen. Damit erhält die Offentlickeit Einblick in einen bisher weitgehend geheimen oder zumindest wenig bekannten Teil der Notenbankpolitik. Der Bericht ist auch ein Lehrstück für alle künftigen Finanzkrisen-Manager.

Expertenbericht TBTF

Der Schuss ist raus: die Expertenkommission des Bundes zur „Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen“ (Too big to fail, TBTF) hat ihren Schlussbericht publik gemacht. Eine erste Durchsicht zeigt Gutes und Schlechtes.

Zuerst die gute Nachricht: Der Bericht nennt das Kind beim Namen: Die faktische Staatsgarantie ist eine Subvention mit hohen Kosten und Risiken für die Steuerzahler. Der Bericht schlägt vier Kernmassnahmen vor (Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung, Organisation). Der eigentliche Kern sind jedoch die Vorschläge zum Thema Eigenmittel. Hier übernimmt der Bericht im wesentlichen die Vorschläge unseres Gutachtens vom Juli 2010: Es braucht deutlich mehr haftende Substanz, bestehend aus Eigenmitteln und aus Schulden, die im Krisenfall gekürzt oder in Eigenmittel verwandelt werden können. Die gesamten Anforderungen müssen über Basel 3 hinausgehen. Ebenfalls übernommen wurde der von der Grösse (Bilanzsumme, Marktanteil) abhängige Eigenmittelzuschlag. Ein Teil der geforderten Eigenmittel soll als „contingent convertible bonds“ (bedingte Pflichtwandelanleihen), kurz: CoCos, emittiert werden können.

Leider gibt es auch schlechte Nachrichten. Erstens bemessen sich die Eigenmittelanforderungen an den risikogewichteten Assets, genau wie bei Basel 3. Wenn aber die Finanzkrise eines gezeigt hat, dann dass die Risikomessung im entscheidenden Moment versagt. Krisen kommen oft oder meist aus dem toten Winkel. Risikomessung ist sogar dann unzuverlässig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen wurde. Aber erst recht gefährlich wird sie, wenn die Banker ein Interesse haben, geringe Risiken auszuweisen (zum Beispiel damit Boni fliessen). Sie beherrschen die Kunst, die gemessenen Risiken abzubauen, aber die effektiven Risiken zu erhöhen.

Zweite schlechte Nachricht. Auf den Eigenmittelzuschlag für Grösse, den mutigsten Teil der Vorschläge, gibt es einen Rabatt. Je besser die Bank glaubhaft machen kann, sich durch ihre Organisation im Krisenfall aufteilbar gemacht zu haben, desto grösser der Rabatt. Leider funktionieren diese Aufteilungspläne nur in behördlichen Wunschträumen.

Ein grundsätzlich richtiges Konzept wird also an zwei nicht tragfähigen Nägeln aufgehängt: Der Messbarkeit der Risiken durch die Banken selbst und der Organisierbarkeit der Aufteilung im Krisenfall.

Drittens schliesslich sind die vorgesehenen Eigenmittelanforderungen zwar strenger als Basel 3, aber nicht streng genug, um das TBTF-Problem zu lösen. Die Anforderungen wurden kalibriert auf die schweizerischen Erfahrungen aus der Finanzkrise. Dabei geht vergessen, dass die Finanzkrise für die Schweiz und die UBS, als Hauptbetroffene, trotz allem eigentlich glimpflich ablief, gemessen an früheren Krisen und an ausländischen Erfahrungen. In der Krise der frühen 1990er Jahre („Regionalbankenkrise“) verloren die Grossbanken 12,5 Prozent des Kreditvolumens. Dies wären heute rund 75 Milliarden Franken. Die von der Expertengruppe geforderten (bei heutigen Zahlen) 19 Prozent der risikogewichteten Assets beträgt gerade etwa so viel. Dabei ist aber nicht eingerechnet, dass die Banken ihre Bilanzen an das neue Konzept anpassen werden; auch nicht eingerechnet ist, dass die Banken die vorgesehenen Grössenpuffer wesentlich abbauen werden, indem sie den Organisationsrabatt abholen.

Dass die Arbeitsgruppe überhaupt soweit gekommen ist, ist namentlich den Behördenvertretern hoch anzurechnen. Die Banken und ihre Verbündeten haben massiv Druck gemacht, mit Abwanderung, Kreditklemme und der Pest gedroht. Sie haben sogar hart auf den Mann gespielt. Nur eines haben sie nicht: Ein einziges vernünftiges Argument gebracht, weshalb mehr Eigenmittel anstelle hoher Fremdfinanzierung teuer sein soll. Eigenmittel sind nur teuer für TBTF-Banken und für Manager, die ihre Boni nicht gerne mit den Aktionären teilen. Jeder, der diese Botschaft im Bundesrat und im Parlament verbreitet, tut etwas zur Lösung des TBTF-Problems und zur Erhaltung der Schweiz als Wirtschaftsstandort.

Link zum Bericht der Expertenkommission des Bundesrates
Link zur Studie Faktische Staatsgarantie für Grossbanken

Konkurrenz

Mit der iconomix-Internetplattform will die Schweizerische Nationalbank SNB einen Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Grundbildung in der Bevölkerung leisten. Der zugehörige Blog liefert regelmässig Ideen für einen aktualitätsbezogenen Unterricht. Er enthält aus ökonomischem Blickwinkel aufbereitete kurze Hinweise und Denkanstösse zum aktuellen Geschehen aus Wirtschaft und Gesellschaft. Lehrpersonen erhalten dort interessante Informationsquellen und Materialien.

Flirts und Zwangsehen in der Geldpolitik

Peter Keller kommentiert in der heutigen Weltwoche den Flirt des IWF Chefökonomen Olivier Blanchard mit höheren Inflationsraten. Leider ist auch eine moderate Inflation nicht so harmlos wie sie scheint. Die Kosten tragen in erster Linie die sozial schwächeren, die Kleinsparer und Rentner, die sich nicht vor den Folgen der Inflation schützen können. Aber auch die ganze Volkswirtschaft, wie die historischen Beispiele zeigen. Ein Flirt mit moderaten Inflationsraten zum Zweck der Schuldensanierung führt leicht zu einer Zwangsheirat mit hoher Inflation und Instabilität. Letztlich ist auch eine Scheidung von der Inflation teuer. Und die Scheidungskosten tragen ebenfalls die Kleinen. Der Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank Philipp Hildebrand und der Präsident der Deutschen Bundesbank Axel Weber haben dem Vorschlag auch aus geldpolitischer Perspektive eine klare Absage erteilt. Die Argumente für eine höhere Inflation beruhten auf falschen Annahmen.

Woher das Wort „flirt“ kommt ist etymologisch nicht eindeutig geklärt.  Möglicherweise vom altfranzösischen fleureter, blumigen Unsinn schwatzen. Hoffentlich bleibt es diesmal beim Geschwätz. Lesetipp: Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Im Buch werden die dramatischen Folgen einer galoppierenden Inflation im Österreich der Zwischenkriegszeit beschrieben.

Rentenklau durch Inflation

Der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds IWF, der MIT-Professor Olivier Blanchard, schlägt eine Erhöhung des Inflationsziels auf circa 4% vor.

Erstaunlich am Vorschlag ist vor allem, wie wenig Echo er bisher ausgelöst hat. Er betrifft ja nicht nur die Geldpolitik, sondern auch den Staatshaushalt sowie die Einkommens- und Vermögensverteilung.  Das mögen abstrakte Grössen sein. Weniger abstrakt, aber offensichtlich unterschätzt ist, dass von höheren Inflationsraten auch Rentensysteme stark betroffen sind. So wird in der Schweiz momentan heftig über die vorgeschlagene sechsprozentige Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8% auf 6.4% gestritten. Eine Erhöhung der durchschnittlichen Inflationsrate von 1% auf 4% käme jedoch – über die ganze Rentendauer gesehen – einer Senkung des Umwandlungssatzes um bis zu 25% gleich. Ohne dass jemand etwas dazu sagen könnte.

Den stabilitätsgewohnten Schweizern dürfte gar nicht mehr klar sein, wie sehr schon eine relativ geringe Inflation die Kaufkraft der Renten schmälern kann. Im Alter von 75 Jahren – einem Alter, in dem fast 90% der Rentenbezüger oder deren rentenberechtigte Partner noch leben – ist bei einer nicht ausgeglichenen Inflation von 2% die Kaufkraft der Rente 18% tiefer als bei der Pensionierung, bei einer Inflation von 4% sind es bereits 34%. Bei einem zu hohen Umwandlungssatz dürfte auch der Passus im BVG, dass die „Pensionskassen die Teuerung der Altersrenten im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten ausgleichen“, ein frommer Wunsch bleiben.

Helden der Gegenwart

Im Mai 2009 erhielt ich eine Anfrage der Weltwoche zum Thema Helden der Gegenwart (wie ich in Erinnerung habe sozusagen als Gegengewicht zur damaligen(?!) Krisenstimmung).

Aus der email der Weltwoche: „Wir lassen von prominenten Schreibern je ihren Helden/ihre Heldin porträtieren. Die Fragestellung lautet: Welchen Schweizer, welche Schweizerin bewundern Sie? Warum? Was zeichnet die gewählte Person aus? Es geht ausschliesslich um Leute aus unserem Land. Die Texte sollten ein argumentierendes, begründendes Loblied sein, eine Hymne auf den bewunderten Menschen. Länge: 1500 Zeichen.“

Die Geschichte wurde nie publiziert. Weshalb weiss ich nicht. Auch die Namen der anderen Helden habe ich daher nie erfahren. Doch zum Glück ist mein damaliges Portrait von Jean Pierre Danthine immer noch hoch-aktuell. Wir drucken es hier ab zur Gratulation an Jean-Pierre Danthine zu seinem Amtsantritt bei der SNB.

Le voilà:

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Daumendrücken für Philipp Hildebrand

Die Pole-Position in diesem Wirtschaftsblog ist schnell vergeben. Für mich kommt kein anderer in Frage als Philipp Hildebrand, der neue Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. Zugegeben, ich bin voreingenommen. Philipp Hildebrand war während gut zwei Jahren mein Chef. Deshalb darf ich ihn auch nicht loben; dies würde nach indirektem Selbstlob riechen. Zudem haben es andere gesagt: Sein Pech, kaum 100 Tage vor dem Ausbruch der Finanzkrise das für die Finanzstabilität zuständige II. Departement der SNB zu  übernehmen, war unser Glück.

Wenn er nun in der Mitte der SNB-Kommandobrücke steht braucht Philipp Hildebrand selber Glück. Er steht nämlich vor einer für die SNB neuen Herausforderung. Bisher ging es darum, die Reputation in der Geldpolitik nicht aufs Spiel zu setzen mit einem Misserfolg in der Finanzmarktstabilität. In nächster Zukunft liegt die Sache genau umgekehrt. Die SNB darf sich keinen Fehler in der Geldpolitik leisten, um ihre Reputation in der Finanzmarktstabilität nicht zu gefährden.

Philipp Hildebrand hat sich nämlich auf die Fahne geschrieben, endlich die verhängnisvolle faktische Staatsgarantie für grosse oder anderweitig systemrelevante Banken abzubauen. Ohne das gegenwärtige Prestige der SNB und ihres neuen Präsidenten in der Finanzmarkt- und Bankenstabilität gelingt dieser Kraftakt nicht. Zu gross sind die Widerstände der betroffenen Banken, die ihr Privileg verteidigen — mit Angriff direkt auf den Mann: bereits liest man “von Ehrgeiz getriebener Aktivist”, “Regulator mit missionarischem Eifer” (NZZ am Sonntag). Auch verbal haben unsere Grossbanken einiges im Giftschrank.

Drum drücke ich Philipp Hildebrand beide Daumen. Möge er das das notwendige Quentchen Glück in der Geldpolitik haben, damit seine Gegner in der Diskussion zur Bankenregulierung wenigstens Sachargumente auspacken müssen. Diese möchte ich nämlich nach über zwei Jahrzehnten bei der Nationalbank endlich auch gerne kennen.