Franken drucken statt Blick kaufen

„Die Nationalbank muss statt Euros kaufen Franken drucken.“ Dies schreibt der Blick in der Online-Ausgabe von heute. Stammte der Artikel nicht aus der Hand des stellvertretenden Chefredaktors, man könnte verwundert darüber hinweggehen. Drum hier nochmals: Franken drucken macht nur Sinn, wenn diese Franken auch in den Umlauf gelangen. Bis hier ist es genau wie beim Blick, von der unterschiedlichen Druckqualität einmal abgesehen. Man kann das Druckerzeugnis verschenken (Gratisanzeiger) oder verkaufen. Blick und die SNB haben sich für die letztere Variante entschieden. Den Erlös muss man dann verwenden. Die SNB — hier trennen sich die Wege — braucht nur einen winzigen Bruchteil der Erträge für Löhne etc. Den Rest muss sie anlegen. Dabei hat sie im wesentlichen die Wahl zwischen Dollar und Euro. (Gelegentlich taucht in der Diskussion noch die Forderung auf: „Die Nationalbank muss inländische Obligationen oder Aktie kaufen, damit das Geld der inländischen Wirtschaft zugute kommt.“ Aber investieren Sie doch mal innerhalb von einigen Tagen ein paar Milliarden Franken in die Schweizer Wirtschaft, und zwar so, dass sich niemand benachteiligt vorkommt, und so, dass die Anlagen auch rasch wieder verkauft werden können.) Franken drucken ist also gleichbedeutend mit Euro (oder Dollars) kaufen.

Bedenklich ist, dass der stv. Chefredaktor der auflagenstärksten Schweizer Tageszeitung den Quatsch noch abgeschrieben hat. Die Devise „Franken drucken statt Euro kaufen“ wurde von Peter Bodenmann in Umlauf gesetzt. Hätte der Blick batz.ch gelesen, wo wir bereits protestiert haben (Eintrag vom 30. Juni), wär’s nicht passiert. Batz war dabei.

Paradoxes zur Geldpolitik

Dass Batz.ch ein Bollwerk gegen Dogmatismus sei, hofften wir von Anbeginn. Offiziell bestätigt hat es nun aber die Weltwoche von gestern. Enttäuscht über unbelehrbare „Hildebrand-Fans“ wie Urs Birchler und Monika Bütler (Mitglied des SNB-Bankrats) lobt Autor Pierre Heumann den Batz.ch für den Beitrag zu den Risiken der SNB von Alexandre Ziegler.

Entgangen ist dem Weltwoche-Autor, dass Batz.ch von Urs Birchler und Monika Bütler zusammen mit Marius Brülhart (Uni Lausanne) betrieben wird. Urs Birchler persönlich hat Alexandre Ziegler gebeten, seinen SNB-kritischen Beitrag auf Batz.ch zu veröffentlichen (Danke nochmals, Alexandre). Weil Batz.ch ein Denkprozess ist und nicht ein Dogma. (Alexandre Ziegler lehrt im übrigen an der Uni ZH, nicht mehr, wie in der Weltwoche fälschlich angegeben, in Lausanne.)

Das ginge ja noch. Der Weltwoche-Autor schwingt sich aber zu kreativen Höhen auf: Der Franken ist so stark, weil die Zinsen im Franken so tief sind! O-Ton: „Die Tiefzinspolitik der SNB macht den Franken noch interessanter, als er ohnehin schon ist.“

Das exakte Gegenteil vertritt in derselben Ausgabe Peter Bodenmann. Er wettert er gegen die Nationalbank: Weil sie Pfund, Dollar, Euro und schwedische Krone weiter in den Keller sinken lasse, gefährde die SNB den Werkplatz. Sie hätte Franken drucken, statt Euro kaufen sollen (Randbemerkung: Die SNB „druckt“ Franken, indem sie Devisen, d.h. Dollars oder Euro kauft.). Die Tiefzinspolitik war also nicht aggressiv genug.

Fazit: Die Nationalbank ist immer schuld. Sie ist gleichzeitig zu expansiv oder zu restriktiv. Der frühere Nationalbankpräsident Fritz Leutwyler (1924-97) war sich diese Form der paradoxen Kritik gewohnt. Er pflegte sich zurückzulehnen und zitierte Goethe: „Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten.“ Dann stand er auf und arbeitete unbeirrt weiter.

Scheindiversifikation in der SNB-Bilanz

Durch ihre nicht unumstrittenen Deviseninterventionen im Frühjahr 2010 ist die SNB erhebliche Risiken eingegangen, welche in der Öffentlichkeit deutlich unterschätzt werden.

Auf ihrer Webseite liefert die SNB Informationen über die derzeitige Struktur ihrer Aktiven (Anlagenstruktur und Währungsreserven). Eine Aufschlüsselung derselben in Gold und die verschiedenen Währungen liefert über die Zeit folgendes Bild (die nicht ausgewiesenen Währungen machten per Ende 2010 zusammen etwa 3% der Aktiven aus und ändern das Gesamtbild somit nicht):

Grafik 1

In der Periode 2000-2006 machten Euro, Dollar, Franken und Gold je zwischen 15 und 30% der Aktiven aus. Der Franken-Anteil wurde zwischen Ende 2007 und Ende 2008 deutlich erhöht und dann fast auf null reduziert. Der Euro-Anteil wurde ab Anfang 2009 drastisch erhöht und erreichte Ende 2010 etwa 45% des Aktivenbestandes.

Obwohl ein Anteil von etwa 45% in einer einzigen Fremdwährung wenig Diversifizierung signalisiert, unterschätzt die obige Grafik die in der SNB-Bilanz vorhandenen Risiken erheblich. Der Grund liegt darin, dass diese Aufschlüsselung die Passiven nicht berücksichtigt. In der Tat enthält die SNB-Bilanz grosse Passivpositionen in Franken. Ein Teil ist geldpolitisch bedingt (die Notenbankgeldmenge); der Grossteil besteht aber aus Schuldpapieren, welche die SNB emittiert hat, um die durch ihre Devisenmarktinterventionen verursachte Überschussliquidität in Franken abzuschöpfen.

Berechnet man die Netto-Position der SNB nach Währungen und dividiert man die (in Franken umgerechneten) Beträge durch die Eigenmittel, so erhält man folgende Grafik:

Grafik 2

Aus der Grafik ist ersichtlich, dass die SNB lange Zeit eine Short-Position in Franken von ungefähr 50% ihrer Eigenmittel hatte. Eine Short-Position in der eigenen Währung ist für eine Zentralbank zwar nicht zwingend (die Währung kann ja durch Kauf von Schuldpapieren in der eigenen Währung emittiert werden), aber auch nicht problematisch, solange sie nicht zu hoch wird.

Es zeigt sich jedoch, dass die Short-Position in Franken seit Anfang 2009 deutlich gestiegen ist, um im Jahre 2010 offenbar vollkommen ausser Kontrolle zu geraten. Per Ende 2010 erreichte sie etwa 500% der Eigenmittel. Dies bedeutet, dass jede Erhöhung des Frankenkurses um 1% gegen den Korb der Aktiven (also Fremdwährungen plus Gold) die Eigenmittel der SNB um rund 5% schmälert. Der Hebel in der Bilanz der SNB und die damit zusammenhängenden Risiken haben somit inzwischen ein besorgniserregendes Ausmass erreicht.

Die Ängste der Grossbanken

Leider ist der Kommentar von Ermes Gallarotti zur Bewertung der Too-Big-to-Fail Vorlage in der heutigen NZZ auf der Onlineplatform der NZZ viel zu schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Wer ihn nachlesen will, findet ihn hier.
Es ist schon erstaunlich, wie schnell vergessen wird, in welch kritischer Lage sich die UBS und mit ihr die Schweiz im Oktober 2008 befanden.  Dass die Kosten der Rettungsaktion für den Steuerzahler (bisher) relativ klein waren, darf nicht als Evidenz für Harmlosigkeit einer Grossbankenrettung interpretiert werden. Risiken müssen im voraus bewertet werden, nicht im nachhinein. Wer mit verbundenen Augen über die Strasse geht und dies ohne Schaden übersteht, darf daraus nicht schliessen, dass es ungefährlich sei, mit verbundenen Augen über die Strasse zu gehen.

Die Weltwoche zitiert – ohne Namen

Roger Köppel hat für seinen Artikel „Niemand kontrolliert die Notenbank“ alle Bankräte der SNB angeschrieben. Die Fragen betrafen die Arbeit des Bankrates. Kein Wunder also, dass sich hier keine(r) der Bankräte direkt äussern konnte und wollte. Aus den Rückmeldungen hat Roger Köppel dennoch eine Geschichte konstruiert, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Es ist Roger Köppels gutes Recht, die Nationalbank und den Bankrat zu kritisieren.

Die Debatte über die richtige (oder falsche) Notenbankpolitik darf und soll geführt werden. Weniger schätze ich allerdings, dass ich in der konstruierten Geschichte ohne Name zitiert werde: „Weder aus dem Wortlaut Ihrer Fragen noch aus der jüngeren Berichterstattung der Weltwoche zum Thema Nationalbank kann ich irgendein Bestreben nach sachlicher Information der Leserschaft erkennen.“ Geschrieben habe ich ihm nämlich auch „Was ich sagen will, unterschreibe ich auch.“ Das sei hiermit getan.

Unschön finde ich zudem, dass Roger Köppel den Satz aus einer persönlichen Bemerkung riss. Dann lieber der ganze Abschnitt: „Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Ich arbeite grundsätzlich gerne mit den Medien zusammen, weil ich es als sehr wichtig erachte, dass wir uns als Wissenschafter in der öffentlichen Debatte engagieren. Wie Sie wissen habe ich auch schon öfters Weltwoche Autoren detailliert Auskunft gegeben.

Wenn allerdings die Meinungen bereits derart verfestigt sind, dass ich keine Chance sehe, aufklärend mitzuwirken, sehe ich nicht ein, weshalb ich hier noch Stellung nehmen soll. Weder aus dem Wortlaut Ihrer Fragen noch aus der jüngeren Berichterstattung der Weltwoche zum Thema Nationalbank kann ich irgendein Bestreben nach sachlicher Information der Leserschaft erkennen.“

Im richtigen Film

Herr Karl Hugentobler schreibt in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag: „Setzen Sie sich doch als Ökonom mit der Substanz auseinander, anstatt sich als Schulmeister über Köppels Schreibstil zu entrüsten.“ Dann stellt er drei Fragen, die ich hier gerne beantworte (in Ergänzung meines Artikels in der NZZaS vom 9. Januar 2011):

Welche Bedeutung hat der Milliardenverlust der Zentralbank?
Wenn die Nationalbank Verlust macht, weil sie Euro verbrennt, erleidet die Schweiz einen volkswirtschaftlichen Verlust. Wenn die Nationalbank hingegen Verlust macht, weil der Euro gegenüber dem Franken verliert, ist die Schweiz wegen ihrer grösseren Kaufkraft im Ausland insgesamt reicher geworden; der Gewinn wird jedoch geringfügig geschmälert durch den Verlust in der Nationalbankbilanz.
Nach welchen Kriterien soll die Jahresrechnung und die Bilanz einer Zentralbank beurteilt werden?
Die Nationalbank soll überhaupt nicht an ihrer Jahresrechnung beurteilt werden, sondern an der Erfüllung ihres Auftrags der Preisstabilität. Der „Gewinn“ einer Notenbank ist ein Irrlicht. Ihren Gewinn maximiert eine Notenbank, indem sie bei der Notenpresse Vollgas gibt. Das möchten wir nicht.
Hat die erfolgte Vervielfachung/Erhöhung der Währungsreserven und Geldmenge negative Konsequenzen?
Ja, nämlich dann, wenn es der Nationalbank nicht gelingt, die Geldmenge rechtzeitig (bevor sie inflationäre Wirkung entfaltet), wieder abzuschöpfen. Dass die Geldmenge aufgebläht ist, ist eine direkte Folge der Bekämpfung der Finanzkrise. Die Normalisierung ist im heutigen internationalen Umfeld schwierig. Die Nationalbank hat eine Gratwanderung zu bestehen: Einerseits bedeutet eine Verringerung der Geldmenge einen Zinsanstieg; andererseits darf dadurch der Franken nicht zu stark werden. Es wird fast unmöglich sein, genau die Ideallinie zu fahren. Auch in der Vergangenheit, z.B. 1973 und 1978, gelang dies nicht ganz. Aber dies ist das Thema, das eine öffentliche Diskussion verdient — auch in der Weltwoche, falls ein sachkundiger und an der Sache interessierter Autor auffindbar ist.

P.S. Der ursprüngliche Eintrag enthielt einen nicht ganz unbedeutenden Schreibfehler („gewinnt“ anstatt „verliert“). Für den Hinweis danken wir Herrn Marc Meyer.

Jahrestag der flexiblen Wechselkurse

Inmitten der Währungsturbulenzen scheint es angebracht, heute des 23. Januars 1973 zu gedenken. An diesem Tag beschloss die Nationalbank nach Rücksprache mit dem Bundesrat, die Dollarkäufe zur Stützung der offiziellen Parität (Mittelkurs: CHF/USD = 3.84) vorübergehend einzustellen.

In Abwesenheit des erkrankten Präsidenten der Nationalbank kontaktierte der damalige Leiter des für den Devisenhandel zuständigen III. Departements (und spätere Präsident), Fritz Leutwyler, direkt den Finanzminister Nello Celio. (Für die Festlegung der Parität war der Bundesrat zuständig). Die beiden kamen überein, angesichts der angeschwollenen Kapitalzuflüsse und der damit verbundenen Ausdehnung der Geldmenge keine weiteren Dollars zu kaufen.

Aus der vorübergehenden Massnahme —  c’est le provisoire qui dure — wurde ein Dauerzustand. Dieser gibt der Nationalbank zwar die Kontrolle über die Geldmenge, nicht aber über die wirtschaftlichen Störungen aus dem Ausland. Sie ist daher seit 1973 zum Hochseilakt zwischen zu starkem Franken und zu grosser Geldschöpfung verurteilt.

SNB Gewinne verschüttet

Eigentlich wollte ich etwas über die Abhängigkeit der Kantone von der Ausschüttung der SNB Gewinne schreiben. Bei der Recherche bin ich auf einen Blog Beitrag von Markus Schneider gestossen, der die Geschichte der Ausschüttungen und die sich dadurch ergebenden Abhängigkeiten wunderbar beschreibt. Und da wir beim batz.ch nicht zu denen gehören, die bei anderen abschreiben (wie mit unseren Beiträgen schon geschehen), hier der Beitrag in voller Länge – Ehre, wem Ehre gebührt.

 Markus Schneiders Kommentar, mit dem passenden Titel „Robin Hoods Verrat“ ist übrigens schon über vier Jahre alt. Er wurde im Zusammenhang mit der KOSA Initiative geschrieben. Die damalige Forderung „Nationalbankgewinne für die AHV“ tönt aus heutiger Sicht ziemlich schräg. Waren damit auch negative Gewinne gemeint? Man stelle sich die Schlagzeile vor: Die AHV schiesst 30 Milliarden Franken in die SNB ein…

Ein Jahr Batz

Heute vor einem Jahr starteten wir batz.ch. Wir haben zahlreiche, zum Teil sehr treue Leser gewonnen. Sicher Grund zum Feiern. Aber auch ein Anlass, kurz Rückschau zu halten auf den ersten Batz-Eintrag. Am 3.1.2010 gratulierten wir Philipp Hildebrand zu seiner Wahl als Präsident des Direktoriums der SNB. Wir wagten auch die Prognose, dass er Erfolg in der Geldpolitik brauchen würde, um seinen Vorschlägen zur Bankenregulierung Nachdruck zu verschaffen. Dies hat sich — leider — nur zu sehr bestätigt. Die Gegner einer schärferen Linie gegen die implizite Staatsgarantie für Banken haben versucht, Philipp Hildebrand auszuhebeln mit der Kritik an geldpolitischen „Fehlern“. Dass die SNB in der Finanzkrise die Schweizer Wirtschaft und vor allem auch die Exportwirtschaft vor Schlimmerem bewahrt hat, ging dabei vergessen.

Wir wagen die Befürchtung, 2011 werde nicht einfacher. Die Nationalbank wird es nicht allen recht machen können. Die einen verteufeln jeden gekauften Euro, verlangen also indirekt, jedweden Wechselkurs wehrlos hinnehmen. Die andern fordern feste Wechselkurse — gleichbedeutend mit unbegrenzten Käufen von Euro und/oder Dollars.