Euro-Krise: Staatsanleihen besichern und Vorsichtsmargen anpassen!

Die Diskussion um die europäische Schuldenkrise und deren Tochter, die drohende Euro-Krise, übersah bisher den Beitrag des Instrumentariums der Europäischen Zentralbank EZB. Erstens belehnte die EZB die Schuldpapiere der Mitgliedländer grosszügig, d.h. mit geringen Vorsichtsmargen (“haircuts”). Zweitens sind die Papiere, die von der EZB im Rahmen ihrer Repos belehnt werden, nicht durch Pfand gesichert. Ein erster Schritt in die Richtung einer stabileren europäischen Währungsordnung wären (a) konservativere, oder wenigstens realistische Haircuts, verbunden mit (b) der Pfandsicherung von Staatsschulden. Die Verpfändung staatlichen Eigentums bedeutet zwar eine Einschränkung der Souveränität; diese ist aber viel geringer im Vergleich zu den von europäischen Politikern vorgeschlagene engere politische und fiskalische Union.

Den ganzen Artikel finden Sie hier.

Paradoxes zur Geldpolitik

Dass Batz.ch ein Bollwerk gegen Dogmatismus sei, hofften wir von Anbeginn. Offiziell bestätigt hat es nun aber die Weltwoche von gestern. Enttäuscht über unbelehrbare „Hildebrand-Fans“ wie Urs Birchler und Monika Bütler (Mitglied des SNB-Bankrats) lobt Autor Pierre Heumann den Batz.ch für den Beitrag zu den Risiken der SNB von Alexandre Ziegler.

Entgangen ist dem Weltwoche-Autor, dass Batz.ch von Urs Birchler und Monika Bütler zusammen mit Marius Brülhart (Uni Lausanne) betrieben wird. Urs Birchler persönlich hat Alexandre Ziegler gebeten, seinen SNB-kritischen Beitrag auf Batz.ch zu veröffentlichen (Danke nochmals, Alexandre). Weil Batz.ch ein Denkprozess ist und nicht ein Dogma. (Alexandre Ziegler lehrt im übrigen an der Uni ZH, nicht mehr, wie in der Weltwoche fälschlich angegeben, in Lausanne.)

Das ginge ja noch. Der Weltwoche-Autor schwingt sich aber zu kreativen Höhen auf: Der Franken ist so stark, weil die Zinsen im Franken so tief sind! O-Ton: „Die Tiefzinspolitik der SNB macht den Franken noch interessanter, als er ohnehin schon ist.“

Das exakte Gegenteil vertritt in derselben Ausgabe Peter Bodenmann. Er wettert er gegen die Nationalbank: Weil sie Pfund, Dollar, Euro und schwedische Krone weiter in den Keller sinken lasse, gefährde die SNB den Werkplatz. Sie hätte Franken drucken, statt Euro kaufen sollen (Randbemerkung: Die SNB „druckt“ Franken, indem sie Devisen, d.h. Dollars oder Euro kauft.). Die Tiefzinspolitik war also nicht aggressiv genug.

Fazit: Die Nationalbank ist immer schuld. Sie ist gleichzeitig zu expansiv oder zu restriktiv. Der frühere Nationalbankpräsident Fritz Leutwyler (1924-97) war sich diese Form der paradoxen Kritik gewohnt. Er pflegte sich zurückzulehnen und zitierte Goethe: „Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten.“ Dann stand er auf und arbeitete unbeirrt weiter.

Scheindiversifikation in der SNB-Bilanz

Durch ihre nicht unumstrittenen Deviseninterventionen im Frühjahr 2010 ist die SNB erhebliche Risiken eingegangen, welche in der Öffentlichkeit deutlich unterschätzt werden.

Auf ihrer Webseite liefert die SNB Informationen über die derzeitige Struktur ihrer Aktiven (Anlagenstruktur und Währungsreserven). Eine Aufschlüsselung derselben in Gold und die verschiedenen Währungen liefert über die Zeit folgendes Bild (die nicht ausgewiesenen Währungen machten per Ende 2010 zusammen etwa 3% der Aktiven aus und ändern das Gesamtbild somit nicht):

Grafik 1

In der Periode 2000-2006 machten Euro, Dollar, Franken und Gold je zwischen 15 und 30% der Aktiven aus. Der Franken-Anteil wurde zwischen Ende 2007 und Ende 2008 deutlich erhöht und dann fast auf null reduziert. Der Euro-Anteil wurde ab Anfang 2009 drastisch erhöht und erreichte Ende 2010 etwa 45% des Aktivenbestandes.

Obwohl ein Anteil von etwa 45% in einer einzigen Fremdwährung wenig Diversifizierung signalisiert, unterschätzt die obige Grafik die in der SNB-Bilanz vorhandenen Risiken erheblich. Der Grund liegt darin, dass diese Aufschlüsselung die Passiven nicht berücksichtigt. In der Tat enthält die SNB-Bilanz grosse Passivpositionen in Franken. Ein Teil ist geldpolitisch bedingt (die Notenbankgeldmenge); der Grossteil besteht aber aus Schuldpapieren, welche die SNB emittiert hat, um die durch ihre Devisenmarktinterventionen verursachte Überschussliquidität in Franken abzuschöpfen.

Berechnet man die Netto-Position der SNB nach Währungen und dividiert man die (in Franken umgerechneten) Beträge durch die Eigenmittel, so erhält man folgende Grafik:

Grafik 2

Aus der Grafik ist ersichtlich, dass die SNB lange Zeit eine Short-Position in Franken von ungefähr 50% ihrer Eigenmittel hatte. Eine Short-Position in der eigenen Währung ist für eine Zentralbank zwar nicht zwingend (die Währung kann ja durch Kauf von Schuldpapieren in der eigenen Währung emittiert werden), aber auch nicht problematisch, solange sie nicht zu hoch wird.

Es zeigt sich jedoch, dass die Short-Position in Franken seit Anfang 2009 deutlich gestiegen ist, um im Jahre 2010 offenbar vollkommen ausser Kontrolle zu geraten. Per Ende 2010 erreichte sie etwa 500% der Eigenmittel. Dies bedeutet, dass jede Erhöhung des Frankenkurses um 1% gegen den Korb der Aktiven (also Fremdwährungen plus Gold) die Eigenmittel der SNB um rund 5% schmälert. Der Hebel in der Bilanz der SNB und die damit zusammenhängenden Risiken haben somit inzwischen ein besorgniserregendes Ausmass erreicht.

Klaus Wellershoff zur Unabhängigkeit der Nationalbank

„Verwundert reibt man sich die Augen: Es herrscht also Preisstabilität, die Wirtschaft wächst und eine der grössten Krisen der Wirtschaftsgeschichte der Schweiz wurde im internationalen Vergleicht hervorragend bewältigt.“
Dies schreibt Klaus Wellershoff zum Leistungsausweis der Nationalbank in der Handelszeitung http://www.handelszeitung.ch vom 17. März. Der Artikel ist sehr informativ und sei allen Interessierten wärmstens empfohlen. http://www.wellershoff.ch/media/publications/pdf/Essay-Handelszeitung-2011-03.pdf

Im richtigen Film

Herr Karl Hugentobler schreibt in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag: „Setzen Sie sich doch als Ökonom mit der Substanz auseinander, anstatt sich als Schulmeister über Köppels Schreibstil zu entrüsten.“ Dann stellt er drei Fragen, die ich hier gerne beantworte (in Ergänzung meines Artikels in der NZZaS vom 9. Januar 2011):

Welche Bedeutung hat der Milliardenverlust der Zentralbank?
Wenn die Nationalbank Verlust macht, weil sie Euro verbrennt, erleidet die Schweiz einen volkswirtschaftlichen Verlust. Wenn die Nationalbank hingegen Verlust macht, weil der Euro gegenüber dem Franken verliert, ist die Schweiz wegen ihrer grösseren Kaufkraft im Ausland insgesamt reicher geworden; der Gewinn wird jedoch geringfügig geschmälert durch den Verlust in der Nationalbankbilanz.
Nach welchen Kriterien soll die Jahresrechnung und die Bilanz einer Zentralbank beurteilt werden?
Die Nationalbank soll überhaupt nicht an ihrer Jahresrechnung beurteilt werden, sondern an der Erfüllung ihres Auftrags der Preisstabilität. Der „Gewinn“ einer Notenbank ist ein Irrlicht. Ihren Gewinn maximiert eine Notenbank, indem sie bei der Notenpresse Vollgas gibt. Das möchten wir nicht.
Hat die erfolgte Vervielfachung/Erhöhung der Währungsreserven und Geldmenge negative Konsequenzen?
Ja, nämlich dann, wenn es der Nationalbank nicht gelingt, die Geldmenge rechtzeitig (bevor sie inflationäre Wirkung entfaltet), wieder abzuschöpfen. Dass die Geldmenge aufgebläht ist, ist eine direkte Folge der Bekämpfung der Finanzkrise. Die Normalisierung ist im heutigen internationalen Umfeld schwierig. Die Nationalbank hat eine Gratwanderung zu bestehen: Einerseits bedeutet eine Verringerung der Geldmenge einen Zinsanstieg; andererseits darf dadurch der Franken nicht zu stark werden. Es wird fast unmöglich sein, genau die Ideallinie zu fahren. Auch in der Vergangenheit, z.B. 1973 und 1978, gelang dies nicht ganz. Aber dies ist das Thema, das eine öffentliche Diskussion verdient — auch in der Weltwoche, falls ein sachkundiger und an der Sache interessierter Autor auffindbar ist.

P.S. Der ursprüngliche Eintrag enthielt einen nicht ganz unbedeutenden Schreibfehler („gewinnt“ anstatt „verliert“). Für den Hinweis danken wir Herrn Marc Meyer.

Im falschen Film

In der neuesten Ausgabe der Weltwoche erreicht die Hetze gegen die Nationalbank und ihren Präsidenten Philipp Hildebrand einen neuen, für mich bisher unvorstellbaren Höhepunkt. Kurzfassung: Chefredaktor Roger Köppel möchte den Präsidenten des Direktoriums absetzen. Der Artikel geht sogar so weit, Hildebrand zu vergleichen mit Jérôme Kerviel, der wegen unrechtmässig erzielter Verluste für seine Bank Société Générale zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde (in zweitletzter Instanz).

Es wäre verlockend, jetzt in den Nahkampf einzusteigen und im einzelnen zu zeigen, wie verdreht Köppels Vorwürfe allesamt sind. Sie sind es jedoch nicht wert, daher nur ein einziges Beispiel: Der Weltwoche ist es offenbar unwohl mit Ihrer Schlagzeile „La crise n’existe pas“, die sie wenige Tage vor der notwendigen Rettung der UBS durch Bund und Nationalbank publizierte. Sie will jetzt aber doch recht gehabt haben, da im Frühjahr 2010 alles schon wieder besser ausgesehen habe. Dass die Lichter in der Schweizer Wirtschaft aber nicht ausgegangen sind, liegt gerade daran, dass die Verantwortlichen bei Bund, FINMA und Nationalbank die Krise nicht geleugnet, sondern bekämpft haben. Zweimal falsch gleich richtig, rechnet die Weltwoche.

In der Schweiz darf man die Notenbank und ihre Exponenten ungestraft mit publizistischem Giftschlamm abspritzen. Die Unabhängigkeit der Presse ist ein hohes Gut. Ein ebenso hohes Gut ist die Unabhängigkeit der Nationalbank. Sonst würden nämlich Notenbankpräsidenten abgesetzt, weil sie der Politik oder der Presse nicht passen. So geschehen letztes Jahr in Argentinien, weil die Regierung kurzerhand dringend die Währungsreserven „brauchte“. Die Unabhängigkeit der Nationalbank hat uns über hundert Jahre eine Währung beschert, um die uns die Welt beneidet, und die den Grundstein unseres Finanzplatzes darstellt.

Gerade jetzt ist die Unabhängigkeit der Nationalbank besonders wichtig. Die Nationalbank hat an vorderster Front für eine Lösung des „Too big to fail“-Problems gekämpft. Nicht bei allen Bankvertretern ist dies populär. Daher die Angriffe unter allen Gürtellinien auf Präsident Hildebrand. „Er hat bewiesen, dass er es nicht kann“, zitiert die Weltwoche einen „der erfahrensten und intelligentesten Bankiers des Landes“. Anonym, selbstverständlich. Es gibt aber eine wachsende Zahl von Bankenvertretern, die verstehen, dass Staatshilfe den Finanzplatz langfristig untergräbt. Für sie wäre es höchste Zeit für ein „coming out“ — zugunsten der Unabhängigkeit der Nationalbank.

Jahrestag der flexiblen Wechselkurse

Inmitten der Währungsturbulenzen scheint es angebracht, heute des 23. Januars 1973 zu gedenken. An diesem Tag beschloss die Nationalbank nach Rücksprache mit dem Bundesrat, die Dollarkäufe zur Stützung der offiziellen Parität (Mittelkurs: CHF/USD = 3.84) vorübergehend einzustellen.

In Abwesenheit des erkrankten Präsidenten der Nationalbank kontaktierte der damalige Leiter des für den Devisenhandel zuständigen III. Departements (und spätere Präsident), Fritz Leutwyler, direkt den Finanzminister Nello Celio. (Für die Festlegung der Parität war der Bundesrat zuständig). Die beiden kamen überein, angesichts der angeschwollenen Kapitalzuflüsse und der damit verbundenen Ausdehnung der Geldmenge keine weiteren Dollars zu kaufen.

Aus der vorübergehenden Massnahme —  c’est le provisoire qui dure — wurde ein Dauerzustand. Dieser gibt der Nationalbank zwar die Kontrolle über die Geldmenge, nicht aber über die wirtschaftlichen Störungen aus dem Ausland. Sie ist daher seit 1973 zum Hochseilakt zwischen zu starkem Franken und zu grosser Geldschöpfung verurteilt.

SNB Gewinne verschüttet

Eigentlich wollte ich etwas über die Abhängigkeit der Kantone von der Ausschüttung der SNB Gewinne schreiben. Bei der Recherche bin ich auf einen Blog Beitrag von Markus Schneider gestossen, der die Geschichte der Ausschüttungen und die sich dadurch ergebenden Abhängigkeiten wunderbar beschreibt. Und da wir beim batz.ch nicht zu denen gehören, die bei anderen abschreiben (wie mit unseren Beiträgen schon geschehen), hier der Beitrag in voller Länge – Ehre, wem Ehre gebührt.

 Markus Schneiders Kommentar, mit dem passenden Titel „Robin Hoods Verrat“ ist übrigens schon über vier Jahre alt. Er wurde im Zusammenhang mit der KOSA Initiative geschrieben. Die damalige Forderung „Nationalbankgewinne für die AHV“ tönt aus heutiger Sicht ziemlich schräg. Waren damit auch negative Gewinne gemeint? Man stelle sich die Schlagzeile vor: Die AHV schiesst 30 Milliarden Franken in die SNB ein…

Ein Jahr Batz

Heute vor einem Jahr starteten wir batz.ch. Wir haben zahlreiche, zum Teil sehr treue Leser gewonnen. Sicher Grund zum Feiern. Aber auch ein Anlass, kurz Rückschau zu halten auf den ersten Batz-Eintrag. Am 3.1.2010 gratulierten wir Philipp Hildebrand zu seiner Wahl als Präsident des Direktoriums der SNB. Wir wagten auch die Prognose, dass er Erfolg in der Geldpolitik brauchen würde, um seinen Vorschlägen zur Bankenregulierung Nachdruck zu verschaffen. Dies hat sich — leider — nur zu sehr bestätigt. Die Gegner einer schärferen Linie gegen die implizite Staatsgarantie für Banken haben versucht, Philipp Hildebrand auszuhebeln mit der Kritik an geldpolitischen „Fehlern“. Dass die SNB in der Finanzkrise die Schweizer Wirtschaft und vor allem auch die Exportwirtschaft vor Schlimmerem bewahrt hat, ging dabei vergessen.

Wir wagen die Befürchtung, 2011 werde nicht einfacher. Die Nationalbank wird es nicht allen recht machen können. Die einen verteufeln jeden gekauften Euro, verlangen also indirekt, jedweden Wechselkurs wehrlos hinnehmen. Die andern fordern feste Wechselkurse — gleichbedeutend mit unbegrenzten Käufen von Euro und/oder Dollars.