„Staatsgeheimnis Bankenrettung“

Urs Birchler

Fast hätte ich’s verpasst: Sieben Tage Arte-Doku über die Rettung der Banken. Und wo ist das Geld gelandet? Viel Vergnügen.

Dank an Stefan Zacher für seinen Hinweis auf Twitter.

Nackte Bankiers

Urs Birchler

In der NZZ von heute (S. 25) schreibt Martin Lanz über die „vergebliche Suche nach der ’sicheren‘ Bank“. Doch vielleicht ist diese Suche gar nicht so vergeblich, wenn man sich einmal von ein paar gängigen Vorurteilen löst.

Gestern stellten Anat Admati und Martin Hellwig in den USA ihr in den nächsten Tagen erscheinendes Buch The Bankers‘ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do about It vor. Darin demontieren sie die gängigen Argumente der Banken, wonach Regulierung (namentlich höhere Eigenmittelanforderungen) kostspielig seien. Das schlimmste dieser Argumente: „Eigenmittelanforderunegn binden Kapital, das nachher in der Wirtschaft fehlt und verringern daher das Wachstum.“ Wer solches behauptet, steht nach Lektüre des Buches tatsächlich ziemlich nackt da.

Doch auch die Behörden werden gestrippt: „Glauben Sie denen nicht, die sagen, dass alles besser sei als vor der Finanzkrise von 2007-2009 und dass wir ein sichereres System hätten, das mit der Umsetzung der Reformen noch sicherer werde. Das heutige Bankensystem ist so gefährlich und zerbrechlich wie das System, das uns die Krise gebracht hat“, schreiben Admati und Hellwig (meine Übersetzung).

Admati und Hellwig sind jedoch keine Pessimisten. Ein sicheres oder zumindestens viel sichereres Finanzsystem ist möglich, und zwar ohne grosse Kosten für die Wirtschaft. Das Hauptinstrument sind höhere Eigenmittel. Auch Martin Lanz folgert: Es „führt wohl kein Weg an strengeren Eigenkapitalanforderungen vorbei“. Nur: Admati und Hellwig meinen viel höhere Eigenmittel. Wir dürfen gerne an 20-30 Prozent der Bilanzsumme denken, das ist ein Vielfaches der Anforderungen unter Basel III.

Die Autoren lassen aber auch kein gutes Haar an der Schizophrenie des Staates: Auf der einen Seite bestraft er die Finanzierung durch Eigenmittel, in dem deren Kosten steuerlich nicht abzugsfähig sind. Auf der anderen Seite zwingt er die Banken, Eigenmittel zu halten.

Daher schliessen Admati und Hellwig zutreffend: Wir können ein viel sicherers Bankensystem haben, und es würde wenig kosten. Nur eine einzige Zutat fehlt: „The critical ingredient—still missing—is political will.“

P.S.: Eine Reihe von Hintergrundpapers sind bereits verfügbar.

Island gerettet?

Urs Birchler

Wir haben uns von Anfang an auf die Seite Islands geschlagen: Bitte nichts zahlen! rieten wir Island im Streit mit seinen Gläubigern schon vor drei Jahren. Als dann die EFTA auf Drängen der britischen und niederländischen Gläubiger der gescheiterten isländischen Banken gegen Island vor Gericht zog, lagen unsere Sympathien im Konflikt EFTA gegen Island ebenfalls bei den Isländern.

Umso erfreulicher, dass heute der EFTA-Gerichtshof zugunsten von Island entschieden hat, dass ein kleines Land im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht bedingungslos für die Schulden seiner Einlagensicherung haftet. Näheres dazu im Beitrag Icesaved? von FT Alphaville.

Das Urteil ist auch aus Schweizer Sicht interessant, bzw. wäre, sollten wir dereinst dem EWR beitreten oder (nicht als politische Empfehlung gemeint) bilateral die EU-Einlegerschutzkonvention übernehmen (umgesetzt haben wir sie im wesentlichen bereits) .

Preisrätsel

Urs Birchler

Dieser Tage ist ein Sonderheft von GeoLino zum Thema Geld erschienen. Es erklärt den (vorwiegend jungen) Lesern und Leserinnen verschiedene Aspekte des Geldes recht gut und ist attraktiv gemacht. Mittendrin hat es sogar ein Monopoly zum Selber(fertig-)machen. Zum Heft gibt es auch eine interessante homepage (leider mit Reklame-Pop-ups).

Ein Rätsel, das ich nicht lösen konnte, ist die Preisliste nach Ländern. Das Heft kostet (in Euro):

  • Deutschland: 6.50
  • Österreich: 7.40
  • Benelux: 7.70
  • Italien: 8.70
  • Spanien: 9.30
  • Schweiz: 10.67 (Fr. 12.80)

Die UBS und ihre Aktienrendite

Urs Birchler und Alexander Wagner

Kürzlich gab Sergio Ermotti, CEO von UBS, ein Interview mit Finanz und Wirtschaft (15.9.2012). Daraus eine Frage und die (nicht allzu beruhigende) Antwort.

Sie haben das Ziel erwähnt, auf Gruppenebene 12 bis 17% Eigenkapitalrendite zu erreichen. Analysten schätzen die Kapitalkosten der UBS auf 11 bis 14%. Der neue CEO von Barclays hat als erste Amtshandlung erklärt, das Ziel der britischen Grossbank sei neu, mindestens die eigenen ­Kapitalkosten zu verdienen. Auf eine fixe Vorgabe des Return on Equity verzichtet er. Wieso halten Sie trotzdem an einem klar definierten RoE-Ziel fest?
Weil die Aktionäre ein Recht darauf haben, zu wissen, was wir mit ihrem Geld erreichen wollen. Die Aufgabe besteht darin, das Geschäftsmodell so auszurichten, dass die angestrebten 12 bis 17% Eigen­kapitalrendite zustande kommen. Als kotierte Bank wären wir unglaubwürdig, wenn wir nicht das Ziel hätten, mindestens unsere Kapitalkosten zu decken. Über den mehrjährigen Zyklus betrachtet darf der Aktionär zudem eine Prämie erwarten. Wenn wir ausserdem die Volatilität des Ertrags reduzieren, lassen sich mit der Zeit sogar die Kapitalkosten senken.

Was ist hier richtig und was nicht ganz?

  1. Richtig: Die Aussage, eine Unternehmung müsse ihre Kapitalkosten längerfristig decken können. Denn tatsächlich verschwindet sie sonst aus dem Markt.
  2. Irreführend: Die Annahme, die Kapitalkosten seien der Bank als exogenes Ziel für die Eigenmittelrendite (return on equity, ROE) vorgegeben. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: Die Kapitalkosten widerspiegeln die von der Bank beim Streben nach Eigenmittelrendite eingegangenen operativen und finanziellen Risiken, da die Investoren je nach Risiko eine entsprechende Risikoprämie verlangen. Der Versuch, eine hohe Eigenmittelrendite zu erzielen führt daher zu hohen Kapitalkosten — und nicht umgekehrt, wie behauptet.
  3. Richtig: Die Aussage, eine tiefere Volatilität der Erträge führe zu tieferen Kapitalkosten (wie gesagt: die Kapitalkosten sind die Folge, nicht die Ursache.) Dies gilt ceteris paribus, also zum Beispiel wenn die Marktvolatilität nicht noch stärker fällt.
  4. Falsch: Die Behauptung, über den mehrjährigen Zyklus dürfe der Aktionär eine Prämie (=Aktienrendite–Kapitalkosten) erwarten. Hier beisst sich die Katze in den Schwanz. In einem kompetitiven Markt gibt es keine Extra-Prämie, denn die Risikoprämie ist ja gerade die Quelle der Kapitalkosten.  Abweichungen gibt es nur, wenn zum Beispiel die Aktionäre systematisch die Risiken der Unternehmung unterschätzen oder mit Staatshilfe rechnen.
  5. Beunruhigend: Die Zielsetzung, zweistellige Zahlen für die Eigenmittelrendite anzustreben. Auch der angegebene Bereich von 12-17 Prozent ist noch hoch. Der Versuch, die Eigenmittelrendite im zweistelligen Bereich zu halten, kann kaum ohne entsprechende Risiken gelingen (zumal im gegenwärtigen Umfeld eines tiefen Zinsniveaus).

Die Problematik ist insofern brisant, als die Eigenmittelrendite die Mutter allen Unglücks im Bankensektor ist. Ein Ziel für den RoE ohne Berücksichtigung der Risiken haben wir in diesem Blog schon früher kritisiert.

P.S.: Unser Beitrag wurde zitiert im Tages-Anzeiger von heute (S. 16; ohne Hinweis auf batz.ch) und mit einer schönen Ergänzung von Mark Dittli (und Hinweis auf batz.ch) in der Finanz und Wirtschaft.

Gebrannte Kinder …

Urs Birchler

… fürchten das Feuer, sagt der Volksmund. Daher könnte man erwarten: Banken, die gerettet werden mussten, sind nachher besonders vorsichtig. Aber ist das so? Die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) in Basel hat dazu eine Studie von Michael Brei und Blaise Gadanecz veröffentlicht (Dank für den Hinweis an die Blick-Redaktion, die mit mir ein Interview geführt hat). Die Autoren vergleichen (am Beispiel des Markts für syndizierte Unternehmenskredite) das Verhalten der Banken, die in der Finanzkrise gerettet werden mussten, mit dem der Banken, die nicht gerettet werden mussten. Sie finden:

  • Sowohl die geretteten als auch die nicht-geretteten Banken reduzierten das Volumen der (syndizierten) Kredite nach der Finanzkrise von 2008.
  • Die geretteten Banken gingen nach der Rettung immer noch höhere Risiken ein als die anderen (wohl ebenfalls systemrelevanten) Banken.
  • Die geretteten Banken schlossen vor der Rettung riskantere Geschäfte ab als die später nicht geretteten Banken; sie scheinen auch eher schlecht bezahlte Risiken auf sich genommen zu haben.

Die Studie besagt allerdings nicht (1.) dass grosse (systemrelevante) Banken riskanter sind, da sie mit Rettung rechnen dürfen (alle Banken in der Untersuchung dürften systemrelevant sein) oder dass (2.) gerettete Banken eindeutig riskanter wären als nicht gerettete (nur der Sektor der syndizierten Anleihen wurde untersucht; ob dieser repräsentativ ist für das gesamte Bankgeschäft, bleibt offen).*

Dass die geretteten Banken nicht in Scham erstarrt sind und alle Risiken über Bord geworfen haben (zum Glück), überrascht nicht wirklich. Wichtig ist nicht, ob eine Bank gerettet wurde, sondern ob sie (bzw. ihre Geldgeber) beim nächsten Mal mit einer Rettung rechnen darf. Hierin dürften sich die geretteten und die nicht-geretteten kaum wesentlich unterscheiden. Was ich aber nie ganz verstanden habe: Weshalb die Retter (die Staaten) nicht viel kräftiger in die Risiokopolitik der geretteten Banken eingegriffen haben (und weshalb die Aktionäre der zu rettenden Banken immer wieder geschont werden).

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* Eine unterschiedliche Wirkung nach Grösse der Bank finden Lamont Black und Lieu Hazelwood in einem FED-paper bezüglich des amerikanischen TARP-Hilfsprogramms von 2008: TARP führte nicht zu der angestrebten Ausweitung des Kreditgeschäfts, aber zu einer unterschiedlichen Risikopolitik: Grosse Banken vergaben Kredite mit schlechterem Rating, kleine Banken solche mit besserem Rating.

Connecting Minds

Urs Birchler

Das Swiss Finance Institute zusammen mit NCCR/FinRisk hat unter dem Titel Connecting Minds ein neues Programm lanciert, das Praktiker und Forscher zusammenbringen will. Am Abend des 9. Oktober beispielsweise findet in Zürich eine kleine Konferenz mit illustren Namen statt (Jean-Charles Rochet, Claudio Borio, Barbara Ridpath, Hyun Song Shin, Markus Staub). Titel: „The post-crisis banking regulatory environment: A Swiss first-mover advantage?“ Die Schweiz wieder voraus? Da bin ich aber gespannt.

Staat–Banken–Wirtschaft

Urs Birchler

Am 5./6. September findet an der Universität Zurich das 30. SUERF Colloquium statt. Es trägt den Titel: „States, Banks, and the Financing of the Economy“.
Wichtige Referenten werden sich mit den wirtschaftlich-politischen Folgen der Finanz- und Schuldenkrise auseinandersetzen. SUERF (Société Européenne de Recherches Financierès) ist ein nicht gewinnorientiertes Netzwerk von Vertretern aus Universitäten, Notenbanken und Praxis. Das Colloquium ist öffentlich (Platzzahl beschränkt). Alles weitere: siehe Programm.

[Transparenzhinweis: Der Autor dieses Eintrags ist Präsident des Council of Management von SUERF. In dieser Funktion möchte er auch hier allen Sponsoren und anderen Beteiligten, die das Colloquium möglich machen, ganz herzlich danken.]