Finanzausgleich als Steuerwettbewerbs-Lusthemmer

Die erste Vierjahresperiode des neuen Finanzausgleichs (NFA) läuft Ende 2011 ab. Das Parlament ist derzeit daran, allfällige Systemänderungen für die Periode 2012-2015 zu diskutieren. In diesem Zusammenhang verlangt der Kanton Zug, dass Transfers künftig in den Fällen zu beschränken seien, wo die Steuerbelastung eines Nehmerkantons die durchschnittliche Steuerbelastung der Geberkantone unterschreitet (s. NFA Vernehmlassungsbericht, S. 18). Zug befürchtet, dass sich andere Kantone (sprich: Luzern) mittels Transferzahlungen aus dem NFA-Topf – und somit auf Zuger Kosten – aggressive Steuersenkungen finanzieren. Dieses Szenario, wonach der Finanzausgleich den Steuerwettbewerb anheizt statt ihn abzukühlen, scheint eher unrealistisch, wie im Batz bereits erläutert.

Nun kann ich dazu auch noch eine wie mir scheint aussagekräftige Grafik liefern: eine simple Überlagerung der Abbildungen 3 und 4 aus dem jüngsten NFA-Wirksamkeitsbericht. Die horizontale Achse stellt den Zuwachs des kantonalen Pro-Kopf-Steuersubstrats zwischen 2010 und 2011 dar (im Jargon: „standardisierter Steuerertrag pro Kopf“, SSE). Je höher diese Zahl, desto stärker ist die berechnete Zunahme des Steueraufkommens. Diesem Wachstum stellt die vertikale Achse den Betrag gegenüber, welcher entweder zusätzlich in den Finanzausgleich einbezahlt werden muss (orange Linie) oder weniger aus dem Finanzausgleich einkassiert werden kann (blaue Linie). Dargestellt sind nur die vier Kantone an den jeweiligen Endpunkten der zwei Linien für Geber- und Nehmerkantone, aber die übrigen Kantone liegen ziemlich präzis entlang der beiden Geraden.

Das Wichtigste an dieser Grafik sind die Steigungen der Geraden. Sie zeigen auf, wie viel Rappen pro zusätzlichem Steuerfranken via den Finanzausgleich wieder verloren gehen. Für die Geberkantone beträgt diese „Abschöpfungsrate“ 17%. Das heisst, pro zusätzlichem Steuerfranken kommen dem Kanton 17 Rappen durch höhere Einzahlungen in den NFA-Topf wieder abhanden. Die Abschöpfungsrate für die Nehmerkantone liegt mit 80% viel höher: pro zusätzlichem Steuerfranken verlieren diese Kantone 80 Rappen infolge tieferer Auszahlungen aus dem NFA-Topf.

Der Finanzausgleich schwächt somit die Anreize zum Steuerwettbewerb für alle Kantone, denn zusätzlich angelockte Steuerquellen ziehen höhere Einzahlungen oder tiefere Auszahlungen nach sich. Die Abschöpfung allfälliger Steuerwettbewerbsgewinne ist jedoch signifikant schärfer für die Nehmerkantone als für die Geberkantone. Somit hemmt der NFA die Lust zum Steuerwettbewerb für ressourcenschwache Kantone (wie Luzern) um einiges stärker als für ressourcenstarke Kantone (wie Zug). Zugs Einwand scheint also erst recht unbegründet.

Nun mag es verwundern, dass die meisten Kantone auch nach der Einführung des NFA im Jahr 2008 noch Steuersenkungen vorgenommen haben. Dies ist grösstenteils nicht wegen sondern trotz der Anreizwirkungen des Finanzausgleichs geschehen. Gute Konjunktur und Nationalbank-Manna machten es möglich. Damit dürfte vorderhand Schluss sein. Somit könnte sich auch der interkantonale Steuerwettbewerb etwas abkühlen.

Steuerbefreiung des Existenzminimums?

Wer zu einem kleinen Lohn arbeitet, hat oft weniger verfügbares Einkommen als ein Sozialhilfebezüger. In vielen Kantonen gibt es substantielle Schwelleneffekte beim Ausstieg aus der Sozialhilfe. Genau so wie dem Arbeiter mit bescheidenem Lohn, geht es einer Rentnerin mit einer kleinen BVG Rente. Unter Umständen bleibt ihr weniger als ihrer Kollegin, deren AHV Rente durch Ergänzungsleistungen aufgebessert wird. Grund ist in beiden Fällen, dass Arbeitseinkommen und Rente (aufgeschobenes Arbeitseinkommen sozusagen) besteuert werden, Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe jedoch nicht.

Die steuerliche Ungleichbehandlung lässt sich nicht rechtfertigen. Sie führt zudem zu krassen Fehlanreizen. Es lohnt sich im Falle von Sozialhilfe nicht, zu arbeiten. Die Rentnerin fährt besser, wenn sie sich ihr Alterskapital aus der beruflichen Vorsorge auszahlen lässt. Wenn es aufgebraucht ist, kann sie Ergänzungsleistungen beziehen (Mehr dazu hier).

Bedarfsleistungen dürften steuerlich nicht mehr privilegiert werden. Die Frage ist, wie dies in der Praxis umzusetzen wäre. Ein erster Vorschlag wäre, alle Einkommen – also insbesondere auch Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen genau gleich wie Erwerbseinkommen zu besteuern. In diesem Fall bleibt den Bedürftigen weniger. Gleichzeitig käme es wohl unweigerlich zu einem Druck, die Bedarfsleistungen als Kompensation zu erhöhen. Die zweite Idee ist eine weitgehende Befreiung des Existenzminimums von den Einkommenssteuern.

Gegen den zweiten Vorschlag – eine Steuerbefreiung des Existenzminimums – regt sich vor allem Widerstand aus bürgerlichen Kreisen. Auch das Bundesgericht meinte vor einiger Zeit: Aus Art. 4 BV (Existenzsicherung) könne nicht abgeleitet werden, dass „ein bestimmter Betrag in der Höhe eines irgendwie definierten Existenzminimums von vornherein steuerfrei belassen werden könnte.“ Die Besteuerung aller Einwohner sei wichtig, damit sich auch wirklich alle bewusst seien, dass die Leistungen des Staates nicht gratis zu haben seien. Oder wie es das Bundesgericht ausdrückt: „Aus dem aus Art. 4 BV hergeleiteten Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung kann auch gefolgert werden, dass alle Einwohner entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einen – wenn auch unter Umständen bloss symbolischen – Beitrag an die staatlichen Lasten zu leisten haben.“

Ich glaube dennoch, dass die weitgehende Steuerbefreiung des Existenzminimums aus folgenden Gründen richtig wäre:

1)   Bereits heute beteiligen sich über die Mehrwertsteuer und Gebühren auch die Ärmeren an den staatlichen Lasten.

2)   Das Argument, eine Einkommenssteuer auf geringen Einkommen erhöhe das Bewusstsein über die Kosten der staatlichen Leistungen, kaufe ich nicht. Es mag sein, dass den meisten die Beteiligung an den Kosten via Mehrwertsteuern und Gebühren nicht bewusst ist. Viel offensichtlicher ist dies, wenn man eine Steuerrechnung erhält, die aufs Mal bezahlt werden muss. Ob es allerdings gescheiter ist, Einkommensteuern auch auf sehr kleinen Einkommen zu erheben und diese dann in Form von Subventionen wieder zurückzuerstatten, sei dahingestellt. Das Bewusstsein, dass die staatlichen Leistungen etwas kosten, wächst so kaum. Meiner Meinung leidet dadurch eher das Ansehen des Staates.

3)   Eine weitgehende Steuerbefreiung des Existenzminimums erzeugt weniger negative Arbeits- und Sparanreize. Das Dickicht von Steuern und einkommensabhängigen Subventionen  bestraft heute diejenigen am meisten, die sich aus eigener Kraft aus der Armut befreien wollen.

PS1: Nationalrat Paul Rechsteiner (SP St. Gallen) hat mich mit seiner Frage zur Steuerbefreiung des Existenzminimums (anlässlich einer Anhörung der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates) zu diesem Batz-Eintrag angeregt.

PS2: Ein herzliches Dankeschön an meinen Mitarbeiter Lukas Schwank, der diesen Beitrag kritisch durchgelesen hat – er hätte wohl differenzierter argumentiert.

Die unangenehmen Folgen der Tiefsteuerpolitik

In einem Artikel im heutigen St. Galler Tagblatt argumentiert Professor Gebhard Kirchgässner von der Universität St. Gallen, dass die sich verschärfende Budgetsituation einiger Kantone die Folge einer Tiefsteuerpolitik ist. Die St. Galler Regierung hat jüngst ein Sparprogramm vorgelegt aufgrund eines prognostizierten Defizits. Dieses gründet wesentlich auf der letztjährigen Revision des Steuergesetzes.

Könnte sich eine schweizweite Abschaffung der Pauschalsteuer lohnen?

Bisher ging ich davon aus, dass sich die Pauschalsteuer für den Schweizer Fiskus bezahlt macht. Seit ich die ersten offiziellen Daten über die Wegzüge nach der Abschaffung dieser Steuer in Zürich gesehen habe, bin ich mir der Ergiebigkeit dieses Instrumentes nicht mehr ganz so sicher.

Von den 201 vor der Abstimmung von Februar 2009 in Zürich ansässigen Pauschalbesteuerten sind deren 92 bis Ende 2010 weggezogen. Das entspricht einer Abwanderungsquote von 46% (=92/201). Diese Zahl wiederspiegelt eine beträchtliche Mobilität der betroffenen Haushalte. Allerdings sind 54% der Ex-Pauschalbesteuerten nicht umgezogen und dürften nunmehr stärker zur Kasse gebeten werden. Unter dem Strich könnte der Zürcher Fiskus von der Abschaffung der Pauschalsteuer somit durchaus profitieren. Für eine negative Gesamtwirkung auf die Steuereinnahmen wäre gemäss meiner (zugegebenermassen groben) Schätzung nämlich eine Abwanderungsquote von mindestens zwei Dritteln notwendig.

Ähnlich interessant wie die Zahl der abgewanderten Steuerzahler ist deren Aufteilung nach Destinationen: Von den 92 Wegzüglern sind 26 ins Ausland gezogen, und 66 haben sich in anderen Kantonen angemeldet. Die Abwanderungsquote aus der Schweiz beträgt also lediglich 13% (=26/201). Stellen wir uns nun vor, die Pauschalsteuer wäre landesweit abgeschafft worden. Von den 66 in andere Kantone umgezogenen Steuerzahlern hätten sich in dem Fall wohl ebenfalls einige ins Ausland abgesetzt. Aber ziemlich sicher nicht alle – die Schweiz hat schliesslich auch noch andere Vorzüge. So liefern uns die in Zürich beobachteten Wegzüge eine Bandbreite für die zu erwartende Abwanderungsquote bei einer schweizweiten Abschaffung der Pauschalsteuer: Minimum 13%, Maximum 46%, Mittelwert 30%.

Gehen wir also davon aus, eine schweizweite Abschaffung der Pauschalsteuer würde unserem Land ein Drittel weniger derartige Steuerzahler bescheren. Gemäss meiner simplen Schätzung, wonach eine Abschaffung der Pauschalsteuer erst ab einer Abwanderungsquote von zwei Dritteln negativ zu Buche schlägt, würde sich eine generelle Abschaffung der Pauschalsteuer somit – zumindest aus Sicht der Steuereinnahmen – lohnen.

Diese Rechnung stellt die Einträglichkeit der Pauschalsteuer in Frage. Sie ist jedoch einer ganzen Reihe von Ungenauigkeiten unterworfen. So könnten die neuen Zahlen aus Zürich die wahre Abwanderungsquote entweder überschätzen (denn einige Wegzüger dürften aus anderen Motiven umgezogen sein) oder unterschätzen (falls gewisse Steuerzahler mit dem Wegzug noch abwarten). Meine Rechnung könnte den Nettozuwachs der Steuereinnahmen zudem aus drei Gründen überschätzen: erstens, da die Anreize zum Wegzug am stärksten sind für die Allerreichsten; zweitens, da die Erfassung der weltweiten Einkommen der verbleibenden Haushalte für die Steuerbehörden schwierig wird; und drittens, da potenzielle Zuzüger in der längeren Frist steuerempfindlicher sein dürften als potenzielle Wegzüger. Andererseits werden durch Wegzüge von Ex-Pauschalbesteuerten attraktive Wohnlagen frei für andere lukrative ausländische wie inländische Steuerzahler, was sich positiv auf die Steuereinnahmen auswirkt.

Es besteht also noch geraumes Unwissen. In ein paar Monaten dürfte der „Testfall Zürich“ jedoch zusätzliche Anhaltspunkte liefern. Zahlen über die Auswirkungen der Pauschalsteuerabschaffung auf die Steuereinnahmen (d.h. nicht nur auf die Anzahl der Wegzüge) werden nämlich vorliegen, sobald die Steuererklärungen fürs Jahr 2010 abschliessend behandelt sind. Ich bin weiterhin gespannt.

Adventskalender 9

Heute ist der Tag der heiligen Anna. Die Norweger beginnen an diesem Tag traditionellerweise mit der Zubereitung des Lutefisk, einer Fischspezialität für den heiligen Abend. Der Fisch wird in starke Lauge eingelegt (wo er zwischenzeitlich tödliche pH11 erreicht). Der Legende nach hat der Lutefisk die Norweger besonders stark gemacht.

Eine andere hierzulande wenig bekannte norwegische Spezialität, ebenfalls nicht nach jedermanns Gusto, ist die Skattelister: die Offenlegung der steuerbaren Vermögen und Einkommen der Bürger im Internet. Naiverweise dachte ich, Transparenz wäre ein Fressen für die Anhänger des Steuerwettbewerbs. Mein norwegischer Kollege warnt mich indessen: Die Gutverdienenden würden beneidet, die schlecht Verdienenden, bzw. deren Kinder, gemobbt. Ich hätte wahrscheinlich nachschauen können, was mein Kollege letztes Jahr (noch in Norwegen) versteuerte. Ich will ihn aber weder beneiden, noch bedauern. So liess ich’s denn bleiben.

Steuerwettbewerbspolitik nach dem 28. November

Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass es eng werden könnte für die „Steuergerechtigkeitsintiative“. Am interessantesten aus meiner Warte wäre eine knappe Ablehnung durch das Stimmvolk, möglicherweise gar in Form einer nationalen Ja-Mehrheit ohne das erforderliche Ständemehr. Unter einem solchen Szenario dürfte durchaus parlamentarischer Wille für die Errichtung zusätzlicher Steuerwettbewerbs-Leitplanken entstehen, und die Suche nach sinnvollen Lösungen ginge weiter.

Einige Politiker haben auf Anfrage von Journalisten bereits laut über eine solche Zukunft nachgedacht. Etwas überraschend muten dabei die kolportierten Lösungsansätze gewisser bürgerlicher Politiker an. Eine Gruppe von Nationalräten schlägt vor, dass die Kantone untereinander strengere Spielregeln aushandeln. Dies stände dem föderalistischen Staatsgedanken gewiss näher als per Bundesverfassung vorgeschriebene Mindeststeuersätze. Es ist allerdings nicht klar, wieso einzelne Kantone zu Konzessionen bereit sein sollten in einem ganz auf Freiwilligkeit beruhenden System. Zudem besteht eine vorgeschlagene Form solcher interkantonaler Abkommen aus Bandbreiten für die zulässigen Steuersätze. Ein solcher Ansatz wäre der vorliegenden SP-Initiative sehr ähnlich, denn er würde die materielle Steuerautonomie der Kantone beschneiden.

Die erstaunlichste Aussage stammt jedoch von Bundesrätin Widmer-Schlumpf. Sie schlägt vor, die Bundesbeiträge im Finanzausgleich aufzustocken. Eine solche Umschichtung der Geldflüsse liefe auf eine Verlagerung der Steuerabschöpfung von den Kantonen auf den Bund hinaus. Je stärker jedoch das fiskalische Gewicht des Bundes, und je schwächer das der Kantone und Gemeinden, desto weniger kann der inner-helvetische Steuerwettbewerb spielen.

Am sinnvollsten scheint mir weiterhin eine sanfte Reform des Finanzausgleichs mittels einer progressiveren Gewichtung der persönlichen Einkommen und Vermögen in der Berechnung des Ressourcenindexes. Der administrative Aufwand wäre äusserst gering, denn die Kantone übermitteln bereits im existierenden System Steuerdaten auf individueller Basis ans Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Und das EFD wendet schon jetzt eine leicht progressive Formel an, indem es steuerbare Einkommen bis zu einem Freibetrag von knapp 30’000 Franken aus der Berechnung des Ressourcenpotentials ausspart. Diese Null-Gewichtung im untersten Bereich könnte man nun ganz einfach um eine höhere Gewichtung im obersten Bereich ergänzen. Eine derart umgestaltete Index-Berechnung wäre durchaus mit einem unveränderten Gesamtvolumen der Ausgleichszahlungen vereinbar. Es entstände also keine Aufblähung der Umverteilung sondern bloss eine Umlagerung der Anreize für die kantonale Steuerpolitik vom allerobersten aufs obere, oder vom oberen aufs mittlere, Einkommenssegment – je nach genauer Ausgestaltung.

Steuerinitiative: SP, Batz, und Berner Zeitung

Die Berner Zeitung („Die SP annektiert Professoren“) stellt klar, dass unser Batz-Kollege Marius Brülhart (UniLausanne) und Gebhard Kirchgässner (UniSG; auch Batz-Mitautor) nicht für die Steuerinitiative sind. Der Artikel von Marius kann hier nachgelesen werden.

Besten Dank an die Berner Zeitung. An die SP Schweiz geht der Trostpreis in Form eines Batz-Abo in Grosschrift, damit sich die Leser und Leserinnen nicht mehr verlesen.

Doch noch Zwischentöne…

Die NZZ hat die Kolumne zur Vermögensverteilung doch noch zum Steuerwettbewerb gelinkt. Und dann noch, was mich besonders freut, mit dem Originaltitel: „Vermögen ist Vorsorge“. Der unsägliche Titel „Die Vermögensverteilung ist im Sozialstaat nicht gerechter“ stammt nämlich nicht von mir. Ich habe mich gehütet das Wort „gerecht“ auch nur einmal im Text zu erwähnen. Denn jede(r) versteht wieder etwas anderes unter gerecht.

Vielleicht ist ja deshalb die Debatte um die Steuerinitiative der SP so gehässig.

Steuergerechtigkeitsinitiative: Zwischentöne unerwünscht

Um es vorwegzunehmen: Aus meiner ganz persönlichen Warte ist die Steuergerechtigkeitsinitiative der falsche Weg, ein gerechteres Steuersystem zu erreichen. Mit festgelegten Steuersätzen wird der Steuerwettbewerb nicht gerechter. Zumal in diesem Fall die Steueruntergrenze für Reiche aus Abstimmungstaktischen Gründen so gewählt wurde, dass der Kanton Zürich gerade nicht mehr betroffen würde. Viel gescheiter wäre es, die Mängel direkt durch eine Anpassung des Neuen Finanzausgleichs zu beheben – beispielsweise mittels einer stärkeren Gewichtung hoher Einkommen (wie im batz Beitrag von Marius Brülhart begründet ist).

Selbst wenn der Mittelstand wegen höheren Steuern für Reiche substantiell weniger Einkommenssteuern bezahlen müsste (was ich selber für unwahrscheinlich halte ): Die Schweiz bliebe für den arbeitenden Mittelstand – insbesondere für Familien – steuerlich unattraktiv. „Dank“ einkommensabhängiger Gebühren und Preisen ist die effektive Steuerbelastung für den unteren und mittleren Mittelstand nämlich oft höher als für die Reichen. Daran ändert die Initiative gar nichts.

Inhaltliche Argumente für oder gegen die Initiative hört man allerdings immer seltener. Dass die Befürworter in schriller Manier klassenkämpferisch für ihre Initiative werben, ist ihnen nicht zu verargen. Weshalb es ihnen viele Gegner der Initiative gleich tun und ohne Zwischentöne argumentieren, ist mir hingegen schleierhaft. Ab und zu hört man noch Gründe, weshalb der Mittelstand von der Initiative nicht profitiert. Doch auch diese bleiben meist vage; von den Nöten des Mittelstands mit dem heutigen Steuer- und Transfersystem redet niemand. Und was sollen denn die Stimmbürger mit der Aussage „der Föderalismus ist in Gefahr“ und den zahlreichen Neid-Vorwürfen anfangen?

 Schlimmer noch: Die Argumente haben einer Kriegs- und Jagdrhetorik Platz gemacht. Patrons und ihre Organisationen erklären ihren Standpunkt nicht mehr, sondern drohen. Und statt zu diskutieren, welche Vor- und Nachteile der heutige Steuerwettbewerb hat und wie sich der Wettbewerb zu Gunsten der breiten Bevölkerung allenfalls verbessern liesse, dominiert eine „Wettbewerb ist immer und überall gut“ Ideologie. Die Angst vor Zwischentönen ist so gross, dass sich die NZZ beispielsweise nicht traute, meine NZZaS Kolumne über die Begründung der ungleichen Vermögensverteilung in der Schweiz – wie sonst eigentlich üblich – mit der aktuellen Diskussion zu verlinken: Wahrscheinlich ist das in der Kolumne einmal erwähnte Wort „Erbschaftssteuer“ im NZZ Setzkasten nicht vorhanden.

 So hoffe ich, dass wir am Schluss nicht einer verpassten Chance nachweinen müssen. Auch wenn die Initiative der falsche Weg ist; es ist Zeit, über den Steuerwettbewerb vertieft nachzudenken.