Abschaffung der Pauschalsteuer: Ein Eigentor?

Der 1.1.2010 war ein ökonomisch interessantes Datum — nicht allein weil dieser Blog damals aufgeschaltet wurde, sondern auch weil seit dann die Pauschalsteuer im Kanton Zürich abgeschafft ist. Nunmehr sind alle reichen Ausländer prinzipiell den gleichen Steuern unterworfen wie Schweizer. In verschiedenen anderen Kantonen sind Vorstösse hängig, es den Zürchern gleich zu tun.

Vor der Zürcher Abstimmung von Februar 2009 hatten die Gegner in erster Linie darauf hingewiesen, dass die Abschaffung der Pauschalsteuer zu einem Exodus von begüterten Ausländern führen, und damit den Staatsfinanzen schaden, würde. Diese Prognose scheint sich auf den ersten Blick gemäss einer Umfrage der NZZ zu bestätigen: Bereits jetzt haben ungefähr ein Drittel der Pauschalbesteuerten ihre Zelte abgebrochen. Ein fiskalisches Eigentor also, wie Kantonsrat Hans-Peter Portmann bereits im Herbst prognostizierte?

Nicht so schnell. Damit eine Steuererhöhung dem Staatshaushalt per Saldo abträglich ist, reicht es nicht aus, dass eine gewisse Anzahl Steuerzahler abwandern. Entscheidend ist die Differenz zwischen den Steuererträgen, welche durch die Mehrbelastung der verbleibenden Steuerzahler eingenommen werden, und den Steuererträgen, welche durch Abwanderung verloren gehen. Diese simple Rechnung wird in Diskussionen zum interkantonalen Steuerwettbewerb erstaunlich selten geliefert.

Die Rechnung ist an sich zwar einfach, aber an die dazu erforderlichen Daten ist oft schwer heranzukommen – und dies erst recht bei der geheimnisumwobenen Pauschalsteuer. Da eine grobe Schätzung immer noch besser ist als gar keine, hier ein Versuch.

Gemäss offizieller Statistik beherbergte Zürich im Jahr 2008 201 Pauschalbesteuerte. Diese lieferten 32.2 Millionen Franken an Steuern ab, also im Durchschnitt ca. 160’000 Franken. Da die Pauschalsteuer in der Regel auf das Fünffache der Wohnkosten berechnet wird, kann man schätzen, dass diese Pauschalbesteuerten im Durchschnitt ca. 80’000 Franken an Wohnkosten auswiesen. Wie hoch das Einkommen und Vermögen dieser Personen tatsächlich liegt, können wir nicht wissen. Gehen wir einmal davon aus (und dies ist die alles entscheidende Hypothese), dass die Wohnkosten der Pauschalbesteuerten im Durchschnitt 5 Prozent ihres Gesamteinkommens ausmachen. Dieser Anteil ist gemäss schweizerischer Haushaltsstatistiken für Einkommen über 400’000 Franken realistisch. Ignorieren wir gleichzeitig die Vermögensbesteuerung. Demgemäss würde der durchschnittliche Pauschalbesteuerte über ein Gesamteinkommen von 1.6 Millionen (=80’000/0.05) verfügen. Wenn er nun dieses Gesamteinkommen versteuert, zahlt er neu ca. 530’000 Franken, statt der bisherigen Pauschalsteuer von 160’000 Franken. Seine Steuerrechnung ist nun also 3.3 Mal höher. Wenn wir bloss die Gemeinde- und Kantonssteuern berücksichtigen, die weniger progressiv sind als die direkte Bundessteuer, dann liegt dieser Faktor immer noch bei 2.9.

Gemäss dieser Schätzung würde die Abschaffung der Pauschalsteuer in Zürich für den kantonalen Fiskus also dann negativ zu Buche schlagen, wenn mehr als zwei Drittel der Pauschalbesteuerten aufgrund der Abschaffung wegziehen würden. So stark ist die Abwanderung offenbar noch nicht.

Angesichts der hohen Mobilität dieser Personen sind weitere Wegzüge jedoch durchaus denkbar, und potenzielle Zuzüger werden sich anderswo umschauen. Das Zürcher Steueramt hat für Anfang 2011 eine fundierte statistische Analyse der Auswirkungen auf die Staatsfinanzen versprochen. Ich bin gespannt.

2 thoughts on “Abschaffung der Pauschalsteuer: Ein Eigentor?

  1. Besten Dank für die interessante, wenn auch auf Annahmen beruhende Berechnung! Da die Diskussion um die Abschaffung der Pauschalbesteuerung auch in anderen Kantonen angelaufen ist, sollte diese Berechnung in den Medien unbedingt aufgegriffen werden.

    Die Medienberichte von letzter Woche, dezufolge dem Kanton ZH ca. 20 Mio Steuern verloren gehen durch die Abwanderung von Pauschalbesteuerten, war unglaublich einseitig und reden den Gegnern der Abschaffung dieser ungerechten Reichensteuern den Mund – schade! Da dieser Blog nun aber schon nationale Aufmerksamkeit durch 10 vor 10 erfahren hat, ist zu hoffen, dass die Berechnungen doch noch einen grösseren Kreis von Aufmerksamen erreichen wird.

  2. Falscher Ansatz! Das Gesamteinkommen aus den Wohnkosten herzuleiten liefert völlig falsche Werte! Der Großteil der Pauschalsteuerzahler hat keine so hohen Einkommen sondern lebt in der Schweiz aus Kapitalvermögen. Ausländer mit solch hoch geschätzten Einkommen wandern dann sehr schnell in andere Länder ab, bzw. kommen gar nicht mehr. Bei Abschaffung der Pauschalsteuer bleiben die Kapitalvermögenden in Deutschland. Dort sind die Steuern dann effektiv günstiger!!!
    Allein die neidbehaftete Diskussion um die Abschaffung der Pauschalsteuer vergräzt viele Ausländer. Bis das bei den Bürgern und Politikern ankommt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und umziehwillige Steuerzahler verabschieden sich mental aus der steuerlich unkalkulierbaren Schweiz. Der Spruch sollte lauten: Lieber Pauschalsteuerzahler als keine Steuerzahler!

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