Wie weiter bei der ZKB?

Urs Birchler

Die Anträge der Zürcher Kantonalbank vom Januar 2013 sind in der vorberatenden Kommission des Kantonsrates (Spezialkommission ZKB) auf wenig Gegenliebe gestossen. Auch der Regierungsrat hat eher negativ reagiert. Als nächstes ist der Kantonsrat gefordert.

Leider haben die Kritiker weitgehend recht. Eine Studie des Zentrums für Finanzmarktregulierung der UZH kommt zum Schluss, dass die Argumente der ZKB nicht überzeugen.

Hier ein Management Summary:

  • Angesichts der Wachstumsstrategie der Geschäftsleitung ist zu bezweifeln, ob eine Erhöhung des Dotationskapitals zur Stärkung der Sicherheit der Bank und nicht zur Expansion verwendet wird.
  • Die angestrebte Diversifikation durch Wachstum über den Kanton hinaus führt nicht unbedingt zu geringeren Risiken.
  • Die ZKB verwirft die Aufnahme privaten Kapitals, namentlich von nachrangigen Schulden mit bedingtem Forderungsverzicht, mit untauglichen Argumenten.
  • Die vorgesehene Abgeltung der Staatsgarantie ist viel zu optimistisch berechnet.

Ich bin gespannt, wie der Kantonsrat die Argumente der ZKB beurteilen wird.

Gefängnis für Staatshilfe?

Urs Birchler

Der Bundesrat muss eine Strafnorm vorbereiten für Banken, die Staatshilfe in Anspruch nehmen. Dies hat gestern der Ständerat im Einverständnis mit dem Nationalrat beschlossen.

Wie viele Strafgelüste ist auch dieses verständlich. Staatshilfe an private Unternehmen ist ein Unding, und die Banken haben nicht immer in Form von Bescheidenheit reagiert. Zudem wären Konkursdelikte (Gläubigerschädigung und Misswirtschaft) bereits unter geltendem Recht strafbar (Art. 164-165 StGB). Bloss greifen sie eben erst im Konkurs, der durch Staatshilfe gerade abgewendet wird. Es läge daher nahe, die Sanierung mittels Staatshilfe dem Konkurs und den Steuerzahler dem geschädigten Gläubiger gleichzustellen.

Strafbar wären die Bank (die aber im konkreten Fall eben gerade kein Geld hat) sowie deren Organe, d.h. Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Revisionsstelle. An die rechtlichen Probleme im Dreieck zwischen Strafrecht, Banksanierungsrecht (Art. 25ff. BankG) und den revidierten Sanierungsbestimmungen im SchKG, will ich mich jedoch nicht heranwagen. (Für rechtliche Hinweise — ohne Verantwortung für meinen Text — danke ich Sabine Kilgus.)

Es gibt genug ökonomische Probleme. Aus ökonomischer Sicht ist die Lust, Bankiers für Staatshilfe zu bestrafen, kaum auf vernünftige Art und Weise zu befriedigen. Dem Bundesrat stellen sich verschiedene Knacknüsse:

  • Strafe für Staatshilfe schreckt nicht nur davon ab, Risiken für die Bank einzugehen, sondern in erster Linie davon, eine entsprechende Funktion bei einer Bank überhaupt anzunehmen. Man kann auch die Todesstrafe für gescheiterte Banker einführen, darf sich dann aber nicht wundern, in dem Gewerbe nur noch Phantasten und Kriminelle zu finden. Ein lesenswerter Aufsatz dazu stammt von Daniel Zuberbühler.
  • Staatshilfe findet innerhalb einer Sanierung statt. Eine Strafbarkeit kann deshalb zu einer Verschleierung der Probleme und einer Verzögerung der Sanierung führen, in der Hoffnung, es komme alles wieder gut. In dieser Zeit besteht ein grosser Anreiz für die Bank, Risiken einzugehen („gambling for resurrection“).
  • Staatshilfe wird oft nicht auf Ersuchen der Bank, sondern auf Druck der Behörden geleistet. Namentlich, wenn Staatshilfe zu Strafen führt, wird sich eine Bankleitung hüten, Hilfe anzufordern. Vielmehr wird sie nachträglich behaupten, die Hilfe wäre gar nicht notwendig gewesen. Einzelne Beobachter haben denn auch die (kaum zutreffende) Meinung geäussert, die UBS hätte im Oktober 2008 gar nicht gerettet werden müssen.
  • Der Tatbestand „Staatshilfe“ ist sehr vage. Die Notenbanken der wichtigsten Länder haben in der Finanzkrise eine Geldschwemme und ein tiefes Zinsniveau verursacht, wovon alle Banken profitierten. Das ist auch Staatshilfe. Ferner haben Bund und Nationalbank mit der Rettung der UBS indirekt auch andere Schweizer Banken gerettet. (Die Massnahmen hiessen nicht bloss euphemistisch „Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems“.)
  • Banken nehmen täglich Staatshilfe an in Form kurzfristiger Kredite der Nationalbank. Dies gehört zum normalen Funktionieren der schweizerischen Geldversorgung. Die Grenze zwischen Liquiditätsmanagement, Liquiditätshilfe und Solvenzhilfe ist jedoch fliessend. Sobald die Nationalbank die Anforderungen an Kreditsicherheiten lockert, besteht die Gefahr impliziter Staatshilfe.
  • Staatshilfe kann auch in Form von Vermittlerdiensten erfolgen. Bringt die Notenbank wichtige Gläubiger an einen Tisch oder findet die Aufsichtsbehörde eine übernehmende Bank (für die sie vorübergehend die Eigenmittelbestimmungen lockert) — ist das dann Staatshilfe?
  • Sind die Schuldigen nur die Banken? Warum strafen wir nicht Aufseher, die versagt haben, oder die Geldgeber, die einer Bank Geld im Vertrauen auf die implizite Staatsgarantie geliehen haben?
  • Und was machen wir mit den Bankenvertretern, die unrealistische, d.h. zu riskante Renditeziele anvisiert, aber Glück gehabt haben? Wir büssen Raser ja auch nicht bloss dann, wenn sie einen Unfall verursacht haben.

Kurz: Das Parlament hat nicht den Mut, die Banken mit genügend hohen Eigenmittelanforderungen oder — ultima ratio — mit Grössenbeschränkungen und Aufteilung weniger systemrelevant zu machen. Dafür versucht es, uns mit einer Strafbarkeitspille zu beruhigen.

Kantonalbanken und Wirtschaftskraft

Urs Birchler

Angesichts der Diskussion um die ZKB haben wir eine Grafik aus einem früheren Beitrag aktualisiert. Sie zeigt per Ende 2011 die absolute Grösse der Bilanzsummen der Kantonalbanken (rechte Skala) und deren Verhältnis zum jeweiligen kantonalen BIP/Jahr (linke Skala).

Offenkundig ist die ZKB absolut gesehen bei weitem die grösste Kantonalbank. Sie liegt aber bezüglich Grösse relativ zur kantonalen Wirtschaftskraft lediglich im Mittelfeld. In der Spitzengruppe finden sich die Institute aus zum Teil kleinen Kantonen, die an einem Grossverlust ihrer Kantonalbank arg zu beissen hätten.

KBBIP

Banken sind teure Polizisten

Urs Birchler

Liechtenstein will den Automatischen Informationsaustausch anbieten. Das scheint uns keine Überraschung. Eine „manuelle“ Weissgeldstrategie, innerhalb der die Banken selber die Steuerehrlichkeit ihrer Kunden prüfen, ist schlicht zu teuer. In unserer kürzlich erschienenen International Private Banking Study haben wir berichtet, dass Liechtenstein seit 2009 von allen Ländern die stärkste Verschlechterung der „cost/income-ratio“ (Grafik) im Private Banking erlebt hat (ausgehend von einem sehr komfortablen Niveau). Nachdem Liechtenstein in die „Spitzengruppe“ (im negativen Sinn) vorgestossen ist, lag ein Strategiewechsel in der Luft.

Liechtenstein

Ich bin auch eine Geldwäscherin

Monika Bütler

Als Vorbereitung für einen Forschungsaufenthalt im Ausland habe ich die Konti bei zwei Kreditkarten etwas gefüllt. Heute erhalte ich folgende Meldung:

Sehr geehrte Frau Bütler

Vielen Dank für Ihre Einkäufe mit der XYZ Card.

Bei einer internen Prüfung haben wir festgestellt, dass Sie ein Guthaben von CHF 3400.35 auf Ihrem Konto haben. Gemäss Vorgaben des Bundesgesetzes über Banken und Sparkassen sowie der Finanzmarktaufsicht (FINMA) dürfen keine Kundenguthaben > CHF 3000 verwaltet werden.

usw. Der nette Herr bei der XYZ Card hat mir dann am Telefon bestätigt, dass es sich um eine Massnahme zur Vermeidung von Geldwäscherei handelt. Und dass es für mich ja vorteilhalt sei, die Gelder zurückzuerhalten. Schliesslich würde XYZ Card keinen Zins bezahlen. Schon wieder etwas gelernt. Schön, dass sich die FINMA auch um die Kleinen kümmert. Mit den Zinserträgen der zurückbezahlten CHF 400.35 kann ich allerdings selbst im billigsten Land der Erde nichts kaufen.

Private Banking: Wer hat die profitabelsten Mitarbeiter?

Urs Birchler

Wieder einmal ein Quiz für unsere Leser: Die nachstehende Grafik zeigt den Bruttogewinn* pro Mitarbeiter im Private Banking je für die Jahre 2006/2009/2012 und neun Länder (alphabetisch: Austria, Benelux, France, Germany, Italy, Liechtenstein, Switzerland, UK, US). Nur — wir haben die Zeile mit den Namen der Länder geschwärzt.

Also das Quiz: Wer kann die Schweiz und Liechtenstein richtig zuordnen?

Die Auflösung folgt bereits morgen Mittwoch: Um 9h früh publiziert das Institut für Banking und Finance der UZH die International Private Banking Study 2013.

ProfitsPB

[Nachtrag:]

Hier die Lösung:
Loesung
Sie ist nachzulesen auf S. 29 der soeben erschienenen International Private Banking Study.

* Bruttogewinn = Betriebsertrag netto (Erfolg Zinsgeschäft, Kommissions- u. Dienstleistungsgeschäft, Handelsgeschäft, Übriger Ertrag) — Geschäftsaufwand (Personalaufwand, Sachaufwand); vor Sonderpositionen (Abschreibungen, Wertberichtigungen, Restrukturierungskosten, Steuern und ausserordentlichem Aufwand/Ertrag).

Arena: Grossbanken zerschlagen?

Urs Birchler

Vergangenen Freitag war ich als einer von zwei Experten in der SRF Arena zum Thema „UBS-Rettung: Genug gelernt?“ Heute früh fand ich im Veston meine Vorbereitungsnotizen (eine A4-Seite). Für diejenigen, die sich fragen; „Was geht in diesen Köpfen jeweils vor?“, tippe ich sie hier ab:

  • TBTF-Problem ungelöst.
    1. CH-Grossbanken: Bilanz immer noch 4-5 mal BIP (internationaler Spitzenwert).
    2. Eigenmittel von 3% der Bilanzsumme ungenügend (nicht höher als vor der Krise).
    3. Rating Agenturen bewerten faktische Staatsgarantie für GB fast so hoch wie Staatsgarantie der ZKB.
    4. UBS wurde mindestens 3 mal gerettet: Okt 2008; Datenlieferung USA Feb. 2009; Schonungsvolle Busse durch USA im Libor-Fall 2013 („too big to jail“)
  • Aufsicht versagt:
    1. Aufseher hat nur Karrierechance bei Bank oder (Banken-)Beratung.
    2. Aufsicht ist für Informationen von Bankbranche abhängig.
    3. Mentale Unterordnung gegenüber Grossverdienern und Verantwortlichen für Arbeitsplätze.
    4. Aufsicht verlässt sich selbst auch auf faktische Staatsgarantie für Banken.
  • Was tun?
    1. Internationale Konkurs/Sanierungs-Plattform für Banken (wird nie kommen…)
    2. Massiv höhere Eigenmittel für systemrelevante Banken.
    3. Schulden in EM wandelbar machen (im BankG bereits möglich; international helfen nur CoCos)
  • Was man nicht tun sollte (Schaden > Nutzen):
    1. Verbot Eigenhandel: Aufwand gross, Gewinn an Sicherheit gering.
    2. Trennbankensystem: Die klassische Systemkrise kommt aus dem Immobilienbereich (CH 1991; US: Savings&Loans 1980ff.; sogar US Subprime-Krise.)
    3. Verkleinerung der Banken (die dann gemeinsam fallieren; zudem: UBS müsste mindestens in 20 Banken aufgeteilt werden).

Was nicht auf dem Zettel steht, ist meine stille, manchmal schwindende Hoffnung, im Bankwesen könnten wir zur Marktwirtschaft zurückkehren: Verantwortung der Entscheidungsträger (Aktionäre und Grossgläubiger) ohne staatliche Eingriffe, die wir letztlich in ihren Folgen nicht durchschauen.

Teure Eigenmittel, billige Wissenschaft

Urs Birchler

Der unbedingte Glaube, Eigenmittel seien für die Banken teuer (im Vergleich zu Fremdmitteln, d.h. Schulden) kommt mehr und mehr ins Wanken. Das Buch The bankers‘ new clothes von Martin Hellwig und Anat Admati hat einem weiteren Leserkreis klar gemacht, dass es sich um einen Aberglauben handelt. In der Schweiz drängen SP und SVP denn auch auf strengere Eigenmittel-Anforderungen.

Jetzt bekommen die Banken Hilfe aus Wissenschaft und Presse. Schon im April lancierten Harry de Angelo und René Stulz ein Working Paper, in welchem sie die These von den teuren Eigenmitteln verteidigen. Das Argument: Bankeinlagen sind beim Publikum wegen ihrer Liquidität geschätzt, deshalb kosten sie die Banken weniger als Eigenmittel. Bereitwillig ist The Economist in der letzten Ausgabe unter dem Titel („Capital Punishment“) aufgesprungen und titelt: „Forcing banks to hold more capital may not always be wise“.

Die Bankenvertreter werden es mit Genuss gelesen haben. Sie hätten aber das Original-Papier lesen müssen. Dort passt nämlich einiges nicht zusammen. Beispiel: de Angelo und Stulz nehmen in ihrem Modell an, dass die Banken risikolose Portefeuilles halten. Wenn die Banken aber risikolos sind, so können sie sich natürlich problemlos zu 100% mit Fremdmitteln (Einlagen) finanzieren. Ein Schiff, das auf dem Trockenen steht, braucht auch keine Rettungsboote. Dass die Banken in Wirklichkeit nicht risikolos sind, müsste sich zwar herumgesprochen haben. Und, dass sie gerade dann, wenn sie wenig Eigenmittel haben, d.h. stark fremdfinanziert sind, gerne hohe Risiken eingehen, käme dann noch dazu.

Eine ausführlichere Kritik des Modells von de Angelo und Stulz muss ich meinen Fachkollegen überlassen. Aber soviel sei festgehalten: Offenbar ist es schwierig (wenn nicht unmöglich), ein solides Argument zugunsten der teuren Eigenmittel zu führen. Wenn es René Stulz nicht schafft (er ist einer der renommiertesten Finance-Professoren und war lange Herausgeber des Journal of Finance), wer dann?

Die Behauptung, Eigenmittel seien teuer, bleibt daher einstweilen, was sie war: eine — ziemlich leere — Behauptung.