Gefängnis für Staatshilfe?

Urs Birchler

Der Bundesrat muss eine Strafnorm vorbereiten für Banken, die Staatshilfe in Anspruch nehmen. Dies hat gestern der Ständerat im Einverständnis mit dem Nationalrat beschlossen.

Wie viele Strafgelüste ist auch dieses verständlich. Staatshilfe an private Unternehmen ist ein Unding, und die Banken haben nicht immer in Form von Bescheidenheit reagiert. Zudem wären Konkursdelikte (Gläubigerschädigung und Misswirtschaft) bereits unter geltendem Recht strafbar (Art. 164-165 StGB). Bloss greifen sie eben erst im Konkurs, der durch Staatshilfe gerade abgewendet wird. Es läge daher nahe, die Sanierung mittels Staatshilfe dem Konkurs und den Steuerzahler dem geschädigten Gläubiger gleichzustellen.

Strafbar wären die Bank (die aber im konkreten Fall eben gerade kein Geld hat) sowie deren Organe, d.h. Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Revisionsstelle. An die rechtlichen Probleme im Dreieck zwischen Strafrecht, Banksanierungsrecht (Art. 25ff. BankG) und den revidierten Sanierungsbestimmungen im SchKG, will ich mich jedoch nicht heranwagen. (Für rechtliche Hinweise — ohne Verantwortung für meinen Text — danke ich Sabine Kilgus.)

Es gibt genug ökonomische Probleme. Aus ökonomischer Sicht ist die Lust, Bankiers für Staatshilfe zu bestrafen, kaum auf vernünftige Art und Weise zu befriedigen. Dem Bundesrat stellen sich verschiedene Knacknüsse:

  • Strafe für Staatshilfe schreckt nicht nur davon ab, Risiken für die Bank einzugehen, sondern in erster Linie davon, eine entsprechende Funktion bei einer Bank überhaupt anzunehmen. Man kann auch die Todesstrafe für gescheiterte Banker einführen, darf sich dann aber nicht wundern, in dem Gewerbe nur noch Phantasten und Kriminelle zu finden. Ein lesenswerter Aufsatz dazu stammt von Daniel Zuberbühler.
  • Staatshilfe findet innerhalb einer Sanierung statt. Eine Strafbarkeit kann deshalb zu einer Verschleierung der Probleme und einer Verzögerung der Sanierung führen, in der Hoffnung, es komme alles wieder gut. In dieser Zeit besteht ein grosser Anreiz für die Bank, Risiken einzugehen („gambling for resurrection“).
  • Staatshilfe wird oft nicht auf Ersuchen der Bank, sondern auf Druck der Behörden geleistet. Namentlich, wenn Staatshilfe zu Strafen führt, wird sich eine Bankleitung hüten, Hilfe anzufordern. Vielmehr wird sie nachträglich behaupten, die Hilfe wäre gar nicht notwendig gewesen. Einzelne Beobachter haben denn auch die (kaum zutreffende) Meinung geäussert, die UBS hätte im Oktober 2008 gar nicht gerettet werden müssen.
  • Der Tatbestand „Staatshilfe“ ist sehr vage. Die Notenbanken der wichtigsten Länder haben in der Finanzkrise eine Geldschwemme und ein tiefes Zinsniveau verursacht, wovon alle Banken profitierten. Das ist auch Staatshilfe. Ferner haben Bund und Nationalbank mit der Rettung der UBS indirekt auch andere Schweizer Banken gerettet. (Die Massnahmen hiessen nicht bloss euphemistisch „Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems“.)
  • Banken nehmen täglich Staatshilfe an in Form kurzfristiger Kredite der Nationalbank. Dies gehört zum normalen Funktionieren der schweizerischen Geldversorgung. Die Grenze zwischen Liquiditätsmanagement, Liquiditätshilfe und Solvenzhilfe ist jedoch fliessend. Sobald die Nationalbank die Anforderungen an Kreditsicherheiten lockert, besteht die Gefahr impliziter Staatshilfe.
  • Staatshilfe kann auch in Form von Vermittlerdiensten erfolgen. Bringt die Notenbank wichtige Gläubiger an einen Tisch oder findet die Aufsichtsbehörde eine übernehmende Bank (für die sie vorübergehend die Eigenmittelbestimmungen lockert) — ist das dann Staatshilfe?
  • Sind die Schuldigen nur die Banken? Warum strafen wir nicht Aufseher, die versagt haben, oder die Geldgeber, die einer Bank Geld im Vertrauen auf die implizite Staatsgarantie geliehen haben?
  • Und was machen wir mit den Bankenvertretern, die unrealistische, d.h. zu riskante Renditeziele anvisiert, aber Glück gehabt haben? Wir büssen Raser ja auch nicht bloss dann, wenn sie einen Unfall verursacht haben.

Kurz: Das Parlament hat nicht den Mut, die Banken mit genügend hohen Eigenmittelanforderungen oder — ultima ratio — mit Grössenbeschränkungen und Aufteilung weniger systemrelevant zu machen. Dafür versucht es, uns mit einer Strafbarkeitspille zu beruhigen.

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