Die beste Familienpolitik ist … keine

Im März werden wir über den neuen Familienartikel abstimmen. Wer kann den schon gegen eine Besserstellung der Familien sein? Vermehrt melden sich nun auch kritische Stimmen, die eine Aufblähung des Sozialstaats und eine Einmischung des Staates in private Entscheidungen befürchten.

Ich habe vor zwei Jahren für die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften einen Aufsatz zur (Nicht-)Notwendigkeit einer speziellen Generationenpolitik verfasst. Er ist hier verlinkt. Meine Schlussfolgerung: Eine spezielle Generationenpolitik innerhalb der Fiskalpolitik braucht es nicht.

Obwohl ich an der damaligen Tagung fast die einzige war, die sich gegen eine spezielle Generationenpolitik aussprach, wählte mich die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) kurz darauf in den Vorstand. Das ist wahre Wissenschaft; die SAGW hätte ja auch vor mir warnen können.

Marktlogik — bis zum letzten Tropfen

Urs Birchler

Wir haben diese Woche den Film The Angel’s Share von Ken Loach gesehen. Im Film klaut eine Bande die letzten vier verfügbaren Flaschen eines legendären Whiskys. Nur leider schaffts der Trottel der Bande, zwei der Flaschen zu zerbrechen. „ist doch nicht schlimm“, tröstet er seine Kumpane, „wenn das wirklich so ein legendärer Whisky ist, dann sind die letzten zwei Flaschen doch sogar wertvoller als die letzten vier!“

Zuhause erzählte ich’s den Buben in der perversen Absicht, ihnen ein Gefühl für das Konzept der Nachfrage-Elastizität zu vermitteln. Entgegnet der Drittklässsler trocken: „Papa, wenn das wahr wäre, dann wäre der letzte Tropfen mehr wert als der ganze Rest.“

Fazit: Was ist der Unterschied zwischen einem Whisky und einem Ökonomen? Beim Whisky ist gewöhnlich der älteste der beste.

Hier noch eine Adventslektüre zur Herkunft des Begriffs Whisky („Lebenswasser“).

Der Umwandlungssatz im BVG hält – nicht.

… oder von der Senkung des Umwandlungssatzes durch die Hintertüre

Monika Bütler

publiziert in der NZZ am Sonntag, 2. Dezember 2012

 „Wenn ich sage, die Brücke hält, dann hält die Brücke!”  Man muss den Film Der General (1926) von und mit Buster Keaton gar nicht gesehen haben, um das Ende zu erahnen. Die Brücke hält nicht. Wir lachen über den unglücklichen Befehlshaber und sind ihm doch verwandt: Der Glaube, Markt- und Naturkräfte durch Willen auszuhebeln, ist offenbar angeboren.

Aktuelles Beispiel: Der Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge. Dieser beträgt noch immer 6.8%. Bei einem Zinssatz von 2% reicht das bis zur Pensionierung angesparte Vermögen (ohne Verwaltungskosten!) nur für weitere 17 Lebensjahre. Also allerhöchstens noch für unverheiratete Männer; die einzige Gruppe übrigens, die ihre Kosten selber deckt. Alle anderen – Frauen und verheiratete Männer – beziehen direkt oder indirekt über ihre Witwen im Schnitt zusätzlich 4-5 Jahre Rente.

Doch während sich weite Kreise gegen jede Senkung des Umwandlungssatzes wehren, beginnen Pensionskassen reihum, einschneidende Massnahmen zu treffen, die im Endeffekt genau diese Senkung vollziehen. Einfach durch die Hintertür.

Die Kassen können sich den überhöhten Satz nämlich schlicht nicht leisten und müssen ihn irgendwie senken. Verschiedene Wege stehen offen, alle ganz legal. Eine Möglichkeit ist die harte Sanierung. Ein typisches Paket: Zusätzliche 2%-Beiträge für Arbeitgeber und Versicherte plus Reduktion der Mindestverzinsung um 0.5% während 5 Jahren. Dies wirkt wie eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 auf 6.4%. Für jüngere Versicherte ist der Verlust wegen den Zinseffekten noch grösser; zudem müssen sie unter Umständen mehr als einmal eine Sanierung mitfinanzieren.

Sanfter ist die Reduktion über die Verwischung von Überobligatorium und Obligatorium.  Solange die gesetzlichen Leistungen erbracht werden, darf der Umwandlungssatz einer sogenannt umhüllenden Kasse (ohne explizite Trennung zwischen Obligatorium und Überobligatorium) nämlich tiefer sein als der gesetzliche Umwandlungssatz.

Zudem haben die Kassen einen Anreiz, bestimmte Vorsorgegelder (Zahlungen bei Stellenwechsel oder Deckung von Beitragslücken nach Scheidung und Arbeitslosigkeit) im für sie „billigeren“, für die Versicherten aber schlechteren Überobligatorium zu verbuchen. Je unrealistischer der gesetzliche Umwandlungssatz, desto grösser der entsprechende Druck auf die Kassen.

Zu guter Letzt besteht die Gefahr, dass die Kassen den Versicherten mindestens nicht ausreden, das angesparte Kapital bei der Pensionierung in bar zu beziehen. Damit fällt das Problem des richtigen Umwandlungssatz weg, allerdings auch die Versicherung der Langlebigkeit. Gehen den Versicherten im Alter die Mittel aus, zahlt die Allgemeinheit mit Ergänzungsleistungen.

Kurz: Wir können zwar befehlen „Der Satz hält!“, doch die demografische Schwerkraft ist stärker: Entweder wir senken den Satz, offiziell, transparent und regelgebunden. Oder –– wir halten an ihm fest. Dann sinkt er versteckt und unkontrolliert.

Im Sinne einer effizienten, gerechten und transparenten Vorsorge ist dies sicher nicht. Umso erfreulicher, dass unser Innenminister bei seinem Vorschlag zur Reform der Alterssicherung sowohl eine Senkung des Umwandlungssatzes wie auch mehr Transparenz fordert.

Buster Keaton verzichtete für die berühmte Brückenszene übrigens auf ein Modell. Der echte Zug, der die Brücke überqueren sollte, stürzte mit ihr in die Tiefe. Die Szene gilt als teuerste der ganzen Stummfilmzeit, das Zugswrack blieb während Jahrzehnten eine Touristenattraktion. Noch könnten wir in der beruflichen Vorsorge an einem Modell üben. Beharren wir aber auf dem heutigen Umwandlungssatz, nehmen wir den Absturz der echten Beruflichen Vorsorge in Kauf. Sie wird dann allerdings nicht zur Touristenattraktion, höchstens zu einer Fallstudie. Und zu einer Falle für die Jungen: Sie ist nämlich – im Gegensatz zu Buster Keatons Zug – bemannt.

Congratulations, Charles!

Urs Birchler

Heute morgen verlieh die Uni Basel die Ehrendoktorwürde an den amerikanischen Ökonom und Bankenhistoriker Charles Calomiris (Columbia).

Bekannt wurde Charles Calomiris für seinen mit Charles Kahn verfassten Aufsatz in der American Economic Review von 1991 zur disziplinierenden Wirkung der Gefahr von Bank Runs. Doch zuvor und seitdem publizierte er eine eindrückliche Reihe von Arbeiten, viele davon zu Themen der Bankenstabilität und -überwchung. Roter Faden in seinem Werk ist das Thema Anreize. Auch in seinem Referat an der Uni Basel von gestern abend: Bankenregulierung hat nur eine Chance, wenn sie zwei Bedingungen erfüllt:

  1. Sie muss berücksichtigen, dass die Überwachten stets Anreize zur Umgehung haben,
  2. Sie muss berücksichtigen, dass auch die Überwacher Anreizen ausgesetzt sind, die das Ziel der Überwachung gefährden können (beispielsweise, weil ihre berufliche Weiterentwicklung nur bei einer der überwachten Banken möglich ist).

Charles Calomiris ging es immer auch um die die praktische Anwendbarkeit seiner Forschung. Verschiedene Regierungen und Behörden, namentlich in Lateinamerika, haben ihn denn auch als Berater beihezogen. Die lange Liste seiner Arbeiten findet sich bei IDEAS oder auf seiner Homepage.

Wir wünschen Charles alles Gute und gratulieren auch der Uni Basel zur klugen Wahl.

Japan am Abgrund?

Urs Birchler

Vorab: Ich liebe Japan und seine freundlichen und fröhlichen Bewohner. Ich bin wie viele auch immer wieder beeindruckt vom Gemeinschaftssinn der Japaner. Nicht zufällig ist Japan auch das Land, das den Wohlfahrtsstaat erfunden hat.

Doch damit sind wir beim Problem. Der japanische Staat steckt in der Klemme. Auch die Presse (z.B. die NZZ) hat das Thema aufgenommen. Allerdings ist der Blick meist fixiert auf die bald erreichte Schuldenobergrenze und die politischen Ränkespiele um die Erhöhung oder Nichterhöhung dieser Grenze. Wird die Grenze nicht gelockert, droht die Zahlungsunfähigkeit. Dabei ist es im Grunde umgekehrt: Weil diese Grenzen (wie auch in den USA) immer wieder gelockert werden, wenn sie zu „beissen“ beginnen, ist der Staat am Ende nicht einfach technisch zahlungsunfähig, sondern fundamental bankrott.

Ist Japan soweit? Die Lage der japanischen Staatsfinanzen ist beschrieben im Länderbericht des IMF (2011). Daraus die Eckdaten:

  • Die Staatsschuld in prozenten der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) liegt gegenwärtig bei 250% (brutto), bzw. 125% (netto). Tendenz: steigend, v.a. wegen strukturell bedingter Wachstumsschwäche und der Alterung der Bevölkerung.
  • Das Pimärdefizit (ohne Zinskosten) liegt bei 10% pro Jahr.
  • Der private Sektor weist einen Sparüberschuss auf, der die Zunahme der öffentlichen Verschuldung kompensiert. Dabei verschiebt sich die Spartätigkeit von den Haushalten zu den Unternehmen.

Japan ist allerdings nicht Griechenland oder Spanien. Es gibt zwei grosse Unterschiede:

  1. Die Schulden des japanischen Staats werden zum grossen Teil von Inländern gehalten.
  2. Japan hat eine eigene Währung.

Auf den ersten Blick machen diese beiden Unterschiede die japanische Situation einfacher. Weil die Gläubiger Japans die Japaner selbst sind, wird Japan also nie eine „Troika“ einladen müssen. Dank der eigenen Währung kann die Bank of Japan notfalls Geld für den Staat drucken. Erst der zweite Blick zeigt, dass dies beiden „Vorteile“ in Wirklichkeit Nachteile sein können:

  1. Ein Staat mit Schulden gegenüber dem Ausland kann sich dieser im Notfall mit einem Schuldenschnitt entledigen — praktiziert in Dutzenden von Fällen; zuletzt in Griechenland. Wie aber verordnet man den Inländern (d.h. den Stimmbürgern) einen Verzicht auf ihre Guthaben? Die Verteilung bereits eingetretener Verluste ist notorisch schwierig und dürfte auch einen Staat mit opferbereiten Bürgern wie Japan überfordern.
  2. Die Notenpresse als Mittel zur Zuordnung der Verluste scheint elegant, beraubt jedoch ein Land seines monetären Koordinatensystems.

Dann liest man immer wieder: „Japan ist anders“, auch heute wieder bei TA online. Beispielsweise: Japan könne einfach die Mehrwertsteuern erhöhen, um die Staatsdefizite zu beseitigen. Nur: Steuererhöhungen haben (genau wie Sparprogramme) Nachfragewirkungen; sie könnten eine Rezession auslösen, die den Staatsfinanzen das Genick bricht. Wenn die Haushalte mehr Steuerern bezahlen müssen, haben sie auch weniger Geld, um die jährlich notwendige Dosis von Staatspapieren (immerhin rund 10% des BIP) zu kaufen (dies erinnert daran, dass Defizite und Steuern zwei Namen für dasselbe sind). Das Argument „Japan tickt anders“ klingt deshalb nach einer Variante von This Time is Different. In einem Punkt allerdings ist Japan anders: Es hat noch die grössere Last in Form einer alternden Bevölkerung zu tragen als die meisten anderen Länder.

Deshalb als provisorisches Fazit: Japan hat mit seinen Staatsschulden den „Point-of-no-return“ längst überschritten. Es ist kein auch nur halbwegs plausibles Szenario denkbar, unter dem die japanischen Staatsschulden noch lange refinanzierbar sind. Ob die Politik einen Schuldenschnitt (mit expliziter Zuordnung der Verluste) erreichen kann oder ob die Schulden monetisiert (und letztlich inflationiert) werden, ist schwer zu sagen. Real gerechnet sind japanische Staatsanleihen in beiden Fällen Hochrisikopapiere. Der Wert dieser Papiere scheint getragen vom Vertrauen, nicht in den japanischen Staat, sondern vom Vertrauen darauf, dass die anderen Anleger auch noch nicht verkaufen. Wann er zusammenbrechen wird, ist daher schwer zu prognostizieren. Das kann in fünf Jahren geschehen oder morgen. Eines aber ist bekannt: Ein an sich völlig unwesentliches Ereignis, wenn es nur genügend Signalwirkung hat, kann der Auslöser sein. Und es kann rasch gehen.

Heiratsstrafe in der AHV: Update

Monika Bütler

Herr Camenzind vom BSV hat mir freundlicherweise die neuesten Daten zur Debatte Heiratsstrafe oder Heiratsbonus in der AHV übermittelt. Vielen herzlichen Dank!

Gegenüber den alten Berechnungen ist der Bonus etwas kleiner geworden. Woran dies liegt, weiss ich nicht. Eine mögliche Ursache ist die höhere Lebenserwartung, vor allem die der Männer: Diese senkt den Wert der Witwenrente und vergrössert die Heiratsstrafe durch die Plafonierung. Es bleibt aber bei einem deutlichen Bonus.

Die Berechnungen des BSV enthalten allerdings eine wichtige Komponente des Heiratsbonus nicht: Durch das Splitting der AHV-Beiträge und der sehr progressiven Ausgestaltung der AHV löst ein einzelnes Erwerbseinkommen während der Ehe deutlich höhere Rentenzahlungen aus als dasselbe Einkommen eines/r Alleinstehenden. Dies, auch wenn die Ehepaarrente später plafoniert wird. Ein Alleinstehender mit einem massgeblichen Einkommen von 160’000 Franken erhält die AHV Maximalrente. Der verheiratete Einverdiener-Ehemann löst mit demselben Einkommen eine 1.5 mal höhere Rente aus – dies obwohl hier die maximale Plafonierung zum Einsatz kommt.

Klein- und Mittelverdiener sind im übrigen nicht von der Plafonierung betroffen. Die AHV ist dem V im Namen zum Trotz nur teilweise eine Versicherung. Sie enthält viele Solidaritäten/Umverteilungskomponenten deren Ziel es ist, Armut im Alter zu vermeiden. Und von der Armut im Alter sind Alleinstehende nachweislich viel häufiger betroffen als Ehepaare.

Maturandenquote und Jugendarbeitslosigkeit…

… oder weshalb Korrelation noch lange nicht Kausalität bedeutet.

Monika Bütler

Bundesrat Schneider-Ammann meinte heute in der NZZ am Sonntag: „In Ländern mit hoher Maturaquote ist auch die Arbeitslosigkeit höher. Die Kopflastigkeit der Bildung trug dort ihren Teil zur Deindustrialisierung bei“. Die erste Aussage von BR Schneider-Ammann ist offensichtlich richtig; zwischen der Maturandenquote und der Arbeitslosigkeit (vor allem der Jugendarbeitslosigkeit) gibt es eine deutliche, wenn auch nicht perfekte Korrelation. Mehr Mühe habe ich mit der zweiten Aussage: Damit wird eine kausale Verbindung zwischen der Maturandenquote und der Arbeitslosigkeit impliziert. Oder in anderen Worten: Die Maturandenquote ist schuld an der Arbeitslosigkeit.

Korrelation ist aber noch lange nicht Kausalität. Zeigen die Daten – wie im vorliegenden Fall – eine Korrelation zwischen Maturandenquote und Jugendarbeitslosigkeit, so können prinzipiell drei Ursache-Wirkungsketten unterschieden werden.

  1. Die Maturaquote ist ursächlich verantwortlich für die Arbeitslosenquote. Das ist die These, die BR Schneider-Ammann zumindest unterstellt wird. Das würde dann auch heissen, dass ein Land durch ein Absenken der Maturandenquote die Arbeitslosigkeit direkt senken könnte.
  2. Die Arbeitslosenquote ist ursächlich verantwortlich für Maturandenquote. Zum Beispiel weil die hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit die jungen Menschen dazu bringt, eine akademische Ausbildung anzustreben. Das heisst dann auch: wenn es gelingen würde, die ALQ zu senken würde die Maturandenqute automatisch sinken.
  3. Es gibt eine gemeinsame unterliegende Ursache, die sowohl die Arbeitslosigkeit wie auch die Maturandenquote beeinflusst. Kandidaten für solche unterliegende Ursachen sind eine verfehlte Bildungspolitik und ein überregulierter Arbeitsmarkt (der es den Unternehmen kaum möglich macht, Lehrlinge auszubilden) .

Es ist empirisch nicht ganz einfach, die richtige Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit zu identifizieren. Dennoch ist die Richtung der Ursache-Wirkungskette entscheidend für die richtige Wirtschaftspolitik. Aufgrund der Daten und Studien aus den verschiedenen Ländern komme ich zum Schluss, dass die dritte Möglichkeit die Wahrscheinlichste ist. Eine gute Bildungspolitik und ein liberaler Arbeitsmarkt (zu dem ich auch eine zuverlässige, effiziente und grosszügige Arbeitslosenversicherung zähle) gehören zu den Hauptgründen einer tiefen (Jugend-)Arbeitslosigkeit. Die Maturandenquote hat damit direkt gar nichts zu tun.

Kompliment dennoch an BR Schneider-Ammann: Der Berufsbildung einen hohen Stellenwert einzuräumen und ihr dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen scheint mir sehr sinnvoll.

UBS und Aktienrendite: Replik

Urs Birchler

Zum Eintrag Die UBS und ihre Aktienrendite hat uns Sergio P. Ermotti persönlich den folgenden Kommentar zugestellt.

Normalerweise reagiere ich nicht auf solche Forums-Beiträge, aber Ihre “richtig”- und “nicht richtig”-Analyse möchte ich doch nicht unkommentiert stehen lassen. Aus der Feder von Wirtschaftsprofessoren haben solche Zeilen Gewicht. Sie sollten daher einem akademischen Anspruch gerecht werden. Ich bin aus den folgenden Gründen überzeugt, dass sie dies nicht tun:

Zu 2) Ich habe in dem Artikel nicht behauptet, dass die Eigenkapitalkosten exogen gegeben sind. Eigenkapitalkosten, d.h. die von unseren Investoren am Markt geforderte Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals, reflektieren selbstverständlich Faktoren wie die Strategie von UBS oder das Risikoprofil. Diese Faktoren bestimmt das Management der Bank und somit beeinflussen wir auch die Eigenkapitalkosten. Ich habe am Investorentag von UBS die Strategie der Bank klar aufgezeigt. Auf dieser Basis ergibt sich im Markt eine geforderte Eigenkapitalverzinsung. Analysten schätzen für UBS, dass die Eigenkapitalkosten von UBS heute bei ca. 11 bis 14% liegen, dies unter Berücksichtung unserer Pläne, die Risiken weiter deutlich zu reduzieren und unser globales Vermögensverwaltungsgeschäft und die Universalbank in der Schweiz ins Zentrum zu stellen.

Zu 4) Hier erscheint mir die Argumentation doch sehr in einer idealisierten Welt gemacht zu werden. In einer Modellwelt, in der alle Spieler gleich sind, kann in einer Gleichgewichtssituation niemand eine Überschussrendite erzielen, da haben Sie Recht. In der Welt in der wir leben gibt es jedoch keine homogenen Unternehmen. Jedes Unternehmen muss den Anspruch haben, mindestens die geforderte Eigenkapitalverzinsung für seine Investoren zu erreichen. Einigen Unternehmen wird dies gelingen, da sie ein gutes Management, gute Prozesse und gute Risikokontrolle haben. Solche Unternehmen können bei gleichem Risiko einen Mehrwert für die Investoren schaffen. Anderen Unternehmen wird dies nicht gelingen und solche Unternehmen werden irgendwann vom Markt verdrängt.

Zu 5) Ich kann nicht nachvollziehen, auf welcher Basis Sie zu dem Schluss kommen, dass unsere angestrebte Eigenkapitalrendite von 12 bis 17% über einen Konjunkturzyklus hinweg für Beunruhigung sorgen sollte. Wie oben bereits erwähnt erwarten unsere Investoren von UBS nach Kenntnis unserer Strategie und unseres Risikoprofils eine Eigenkapitalverzinsung von ca. 11 bis 14%. Diese Rendite müssen und werden wir mit dem vorgestellten Risikoprofil erwirtschaften. Würden wir mehr Risiken eingehen, dann würde das in unserer Quartalsberichterstattung sichtbar werden und der Markt würde seine geforderte Risikoprämie erhöhen. Jedes Unternehmen, das nicht mindestens die geforderten Eigenkapitalkosten erwirtschaften kann, hat langfristig seine Existenzberechtigung verloren. Wenn das Marktumfeld insgesamt solche Renditen nicht für alle Spieler erreichbar macht, dann wird der Sektor konsolidieren. Genau in diesem Prozess sind wir: unrentable Geschäftsbereiche (insbesondere unter den neuen Basel III Regeln) werden geschlossen und die Kosten werden gesenkt.

Mir ist sehr an einer sachlichen Diskussion dieser Inhalte gelegen. Eine politisierende Sprache wie “irreführend” oder “beunruhigend” ist weder zielführend noch angemessen.

Sergio P. Ermotti

Anmerkung: Das Referat von Herrn Ermotti am Investorentag findet sich hier.

Achtung Professoren: Die Weltwoche warnt

Die Anfrage der Weltwoche klang harmlos. „Für einen kommenden Artikel über die Universitätslandschaft in der Schweiz suchen wir nach Portraits von Professoren. Im Falle der HSG wären das Professor Manfred Gärtner & Professor Rolf Wüstenhagen.“ Mehr dazu stand in der email Anfrage nicht. Unsere Pressestelle war besorgt.

Zu Unrecht. Was da in Philipp Guts Warnung vor Schweizer Professoren steht, ist teilweise falsch, vor allem aber belanglos und oberflächlich. Genauso harmlos wie die Anfrage eben.

Das fängt schon bei der Auswahl der Professoren an, vor denen gewarnt werden muss. Es sind die usual suspects der Weltwoche, unter anderem Andreas Fischlin (Systemökologie/Klima ETHZ), Philipp Sarasin (Geschichte UZH), Andrea Maihofer (Gender Forschung, Uni Basel), Kurt Imhof (Soziologie, UZH). Neue, nicht schon x-fach wiederholte Informationen zu diesen Personen und zu ihren furchterregenden Forschungsgebieten fanden sich im Artikel jedenfalls keine. Die Anzahl gefährlicher Professoren scheint auf jeden Fall ziemlich klein zu sein.

An der HSG lokalisierte Philipp Gut genau zwei der Professoren (Manfred Gärtner und Rolf Wüstenhagen), die schon früher in lokalen Medien politisch angegriffen wurden.  So nach dem Motto: Die Wissenschaft solle sich nicht in die Politik einmischen. Wenn es Grund zur Besorgnis gegeben hätte, dann wäre es dieser Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit gewesen. Ich kann mich auf jeden Fall nicht erinnern, dass in St.Gallen je von linker Seite gegen einzelne HSG Professoren Stimmung gemacht wurde.

Ich teile, wie andere HSG Kolleg(inn)en, längst nicht alle Meinungen von Manfred Gärtner und Rolf Wüstenhagen. Doch die Ökonomie ist keine genaue Wissenschaft und man kann – wissenschaftlich fundiert – zu unterschiedlichen Schlüssen gelangen. Letztlich ist es der wissenschaftliche Diskurs, welcher die Forschung und dadurch auch deren wirtschaftspolitische Anwendung weiterbringt.  Dazu tragen meine beiden Kollegen bei – zum Glück. Wären denn der Weltwoche weltfremde Modellschreiner im Elfenbeinturm lieber?

Philipp Guts Analyse zur makroökonomischen Lehre an der HSG ist zudem nachweislich falsch. Er schreibt: Dieses weitverbreitete Gedankengut (MB: gemeint ist der Keynesianismus) wäre auszuhalten, wenn es innerhalb der HSG ein Gegengewicht zu Gärtner gäbe. Das ist nicht der Fall“. Wie bitte? Hat Gut denn überhaupt meine anderen Kollegen und ihre Forschung angeschaut. Wer die Debatte nach der Finanzkrise auch nur halbwegs verfolgt hat, muss zum Schluss kommen, dass der Autor die letzten fünf Jahre im Tiefschlaf verbracht haben muss. Wenn der HSG von verschiedenen Seiten etwas vorgeworfen wurde, dann dass sie sich dem neoliberalen Gedankengut verpflichtet fühlte und die Finanzkrise durch die unkritische Ausbildung ihrer Studenten mitverursachte.

Zum Schluss gibt Gut noch ein bisschen Entwarnung, indem er den Studenten ein Kränzchen windet. Er schreibt: „Bildet die HSG also seit Gärtners Stellenantritt 1986 nur noch Unternehmer und Ökonomen aus, die von höheren Staatsschulden träumen und die Finanzmärkte als Problem betrachten? So schlimm steht es nicht: Unter Absolventen mit Finance-Hintergrund kursierten nach Gärtners Veröffentlichungen E-Mails mit dem Betreff: «Wer stoppt Manfred Gärtner?» „ Na also. Wenn Philipp Gut noch ein wenig mehr recherchiert hätte und ein bisschen über den Tellerrand geblickt hätte, wäre ihm eventuell etwas Entscheidendes aufgefallen: Die Forschung ist sich nämlich in einer Frage einig: Studenten lassen sich von ihren Professoren ideologisch gar nicht beeinflussen.

 

Libor: Klarstellung der CS

Urs Birchler

Kürzlich habe ich in der NZZaS geschrieben: „Die beiden Schweizer Grossbanken haben im Libor-Skandal eine weitere goldene Gelegenheit versäumt, sich als verlässliche, ehrliche Partner zu profilieren und sich von der internationalen Konkurrenz abzugrenzen.“

Darauf erreichte mich ein Schreiben von Urs Rohner, Präsident des VR der Credit Suisse Group AG: Es „sind uns nach eingehenden und vertieften internen und externen Untersuchungen und Abklärungen mit den Regulatoren keine Hinweise bekannt, wonach die Credit Suisse in diesem Zusammenhang irgendein materielles Problem hat.“

Ich danke Herrn Rohner für diese Klarstellung. Aufgrund der bis zum Erscheinen meines NZZaS-Artikels öffentlich zugänglichen Informationen schien eine Beteiligung der CS wahrscheinlich. Wenn dem nicht so ist, ist es hoch erfreulich. Einstweilen gilt also: Die CS hat die Gelegenheit genutzt, sich im Libor-Zusammenhang als ehrliche Bank zu profilieren.