Maturandenquote und Jugendarbeitslosigkeit…

… oder weshalb Korrelation noch lange nicht Kausalität bedeutet.

Monika Bütler

Bundesrat Schneider-Ammann meinte heute in der NZZ am Sonntag: „In Ländern mit hoher Maturaquote ist auch die Arbeitslosigkeit höher. Die Kopflastigkeit der Bildung trug dort ihren Teil zur Deindustrialisierung bei“. Die erste Aussage von BR Schneider-Ammann ist offensichtlich richtig; zwischen der Maturandenquote und der Arbeitslosigkeit (vor allem der Jugendarbeitslosigkeit) gibt es eine deutliche, wenn auch nicht perfekte Korrelation. Mehr Mühe habe ich mit der zweiten Aussage: Damit wird eine kausale Verbindung zwischen der Maturandenquote und der Arbeitslosigkeit impliziert. Oder in anderen Worten: Die Maturandenquote ist schuld an der Arbeitslosigkeit.

Korrelation ist aber noch lange nicht Kausalität. Zeigen die Daten – wie im vorliegenden Fall – eine Korrelation zwischen Maturandenquote und Jugendarbeitslosigkeit, so können prinzipiell drei Ursache-Wirkungsketten unterschieden werden.

  1. Die Maturaquote ist ursächlich verantwortlich für die Arbeitslosenquote. Das ist die These, die BR Schneider-Ammann zumindest unterstellt wird. Das würde dann auch heissen, dass ein Land durch ein Absenken der Maturandenquote die Arbeitslosigkeit direkt senken könnte.
  2. Die Arbeitslosenquote ist ursächlich verantwortlich für Maturandenquote. Zum Beispiel weil die hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit die jungen Menschen dazu bringt, eine akademische Ausbildung anzustreben. Das heisst dann auch: wenn es gelingen würde, die ALQ zu senken würde die Maturandenqute automatisch sinken.
  3. Es gibt eine gemeinsame unterliegende Ursache, die sowohl die Arbeitslosigkeit wie auch die Maturandenquote beeinflusst. Kandidaten für solche unterliegende Ursachen sind eine verfehlte Bildungspolitik und ein überregulierter Arbeitsmarkt (der es den Unternehmen kaum möglich macht, Lehrlinge auszubilden) .

Es ist empirisch nicht ganz einfach, die richtige Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit zu identifizieren. Dennoch ist die Richtung der Ursache-Wirkungskette entscheidend für die richtige Wirtschaftspolitik. Aufgrund der Daten und Studien aus den verschiedenen Ländern komme ich zum Schluss, dass die dritte Möglichkeit die Wahrscheinlichste ist. Eine gute Bildungspolitik und ein liberaler Arbeitsmarkt (zu dem ich auch eine zuverlässige, effiziente und grosszügige Arbeitslosenversicherung zähle) gehören zu den Hauptgründen einer tiefen (Jugend-)Arbeitslosigkeit. Die Maturandenquote hat damit direkt gar nichts zu tun.

Kompliment dennoch an BR Schneider-Ammann: Der Berufsbildung einen hohen Stellenwert einzuräumen und ihr dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen scheint mir sehr sinnvoll.

6 thoughts on “Maturandenquote und Jugendarbeitslosigkeit…

  1. Die Maturaquote ist auch bloss die eine Hälfte… Vorhandensein und Akzeptanz des Lehrbetrieb-Systems ist die andere Hälfte. Soweit ich weiss sind die Zahlen viel robuster bezüglich der Jugendarbeitslosigkeit, wenn man das deutschsprachige System (Schweiz, Deutschland und teils auch Österreich) mit starker Stellung des Lehrlingswesen mit den anderen Ländern vergleicht.
    Vielleicht ist der Zusammenhang aber auch im guten Brot zu suchen: In ‚richtigen‘ Brotländern (Schweiz, Deutschland & Österreich) findet man allgemein eine tiefere Jugendarbeitslosigkeit als in den ‚Weissbrotländern‘ ringsum!

  2. Das Huhn-Ei Problem stellt sich allerdings auch hier: 1) Haben wir eine tiefere Jugenarbeitslosigkeit weil wir dunkles Brot essen? 2) Oder essen wir dunkles Brot weil wir eine tiefe Jugendarbeitslosigkeit haben? 3) Oder ist am Ende das Germanentum sowohl für eine tiefe Jugendarbeitslosigkeit wie auch den Schwarzbrotkonsum verantwortlich? Wäre die erste Interpretation richtig, so könnte man den Spaniern einfach Schwarzbrot futtern, und das Problem löste sich von alleine…

  3. Mehr – wieder mehr – Anerkennung für das Lehrsystem wäre wichtig. Heute erleben viele Lehrabgänger auch bei guten Qualifikationen, dass ein deutscher Bachelor ohne Berufserfahrung mehr wert ist als ihre Berufserfahrung und sofortige Einsetzbarkeit. Die Schweiz hat mit der Übernahme des Bologna-Systems dem Lehrsystem wohl langfristig den Todesstoss versetzt. Das Bologna-System zwingt beispielsweise zu langjährigen Vollpensumsausbildungen, was nur jenen entgegenkommt, die sich das 1. leisten können und 2. vor lauter Langweile in der Schule nicht durchdrehen. Das Ergebnis wird eine Mischung aus unbrauchbaren Fachleuten à la USA und hoher Arbeitslosigkeit sein.

  4. @Danilo. Die Frage ist allerdings, weshalb ein deutscher Bachelor einem CH Lehrabgänger vorgezogen wird. Wenn letzterer besser ist, müssten dies die Firmen doch irgend einmal merken. Mit einer Stärkung und qualitativen Aufwertung der Berufslehre bin ich völlig einverstanden. Doch Anerkennung lässt sich nicht staatlich anordnen.

  5. Liebe Monika
    Danke dir für deinen fundierten Beitrag! Wollte mich bei der Gelegenheit als dein „Fan“ outen (auch deine Kolumnen in der NZZ am Sonntag lese ich gerne). Meinen Studierenden, die sich für das Unterrichten von VWL auf Sek II Stufe vorbereiten, empfehle ich immer euren Batz – als „modernes Unterrichtsmaterial“ sozusagen, um sich Anregungen für aktuelle Bezüge/ Diskussionen im Unterricht zu holen.
    Das Interview in der NZZ mit Schneider-Ammann hat mich selbst auch beschäftigt. Ich habe heute einen Blog-Post verfasst und gehofft, du hast auch einen Kommentar geschrieben und du hast mich nicht enttäuscht 😉 Habe auf deinen Blog-Beitrag verwiesen -> http://www.scil-blog.ch/
    Vielleicht sollten wir mal einen gemeinsamen Beitrag zum Thema überlegen?
    Herzlich, deine Kollegin Sabine Seufert

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