Adventskalender 9

Heute ist der Tag der heiligen Anna. Die Norweger beginnen an diesem Tag traditionellerweise mit der Zubereitung des Lutefisk, einer Fischspezialität für den heiligen Abend. Der Fisch wird in starke Lauge eingelegt (wo er zwischenzeitlich tödliche pH11 erreicht). Der Legende nach hat der Lutefisk die Norweger besonders stark gemacht.

Eine andere hierzulande wenig bekannte norwegische Spezialität, ebenfalls nicht nach jedermanns Gusto, ist die Skattelister: die Offenlegung der steuerbaren Vermögen und Einkommen der Bürger im Internet. Naiverweise dachte ich, Transparenz wäre ein Fressen für die Anhänger des Steuerwettbewerbs. Mein norwegischer Kollege warnt mich indessen: Die Gutverdienenden würden beneidet, die schlecht Verdienenden, bzw. deren Kinder, gemobbt. Ich hätte wahrscheinlich nachschauen können, was mein Kollege letztes Jahr (noch in Norwegen) versteuerte. Ich will ihn aber weder beneiden, noch bedauern. So liess ich’s denn bleiben.

Allein mit dem Vater

Die Blogleser(innen) sehen mir einen nicht-wirtschaftspolitischen Eintrag nach. Verschiedene Zeitungen, under anderem die NZZ online  und der Tagesanzeiger von heute melden den tragischen Sturz eines Mädchens von einem Balkon. Irritiert entnehme ich der Meldung, dass das Kind „allein mit dem Vater“ zu Hause war. Was heisst denn das?

Allein oder doch nicht allein? Dem Vater wird offensichtlich die Betreuung eines 5-jährigen Kindes nicht zugetraut.

Adventskalender 8

Heute vor 13 Jahren wurde den Aktionäre von UBS und Bankverein die Fusion der beiden Banken verkündigt. Vollzogen wurde sie im Juni folgenden Jahres. Unser Vorschlag: Heute abend im Kerzenschein ein bisschen conjectural history betreiben und darüber nachdenken: Wie wäre es  wohl gekommen ohne Fusion? Wie ginge es weiter? Wer lange genug in die Kerzenflamme schaut, sieht vielleicht den Schweizerischen Bankverein auferstehen …

Adventskalender 7

Zur Abwechslung wieder ein Eintrag mit nur loser Verbindung zur schweizerischen Wirtschaftspolitik. (Immerhin enthält die letzte Zeile eine durch und durch ökonomische Einsicht und lesen schadet ja ebenfalls nicht.)

Am letzten Freitag abend durften wir ein grossartiges Adventskonzert von Albrechtstrings  im Grossmünster geniessen – unser jüngerer Sohn durfte ebenfalls mitspielen. Der Mann von Eugens Geigenlehrerin und Konzertmeisterin Sandra Albrecht, Wieslaw Pulit, gab den Besuchern den folgenden irischen Segenspruch auf den Heimweg mit.

TAKE TIME
Take time to think – It is the source of all power
Take time to read – It is the foundation of all wisdom
Take time to play – It is the source of perpetual youth
Take time to be quiet – It is the opportunity to seek God
Take time to be aware – It is the opportunity to help others
Take time to love and be loved – It is God’s greatest gift
Take time to laugh – It is the music of the soul
Take time to be friendly – It is the road to happiness
Take time to dream – It is what the future is made of
Take time to pray – It is the greatest power on earth
Take time to give – It is too short a day to be selfish
Take time to work – It is the price of success

Adventskalender 6

Im Heimatland muss beginnen, was leuchten soll in Europa. Unser Chlausrätsel versucht deshalb, die Leser für die Eurodebatte mit einigen Testfragen über unsere eigene Währung, den Schweizer Franken, zu stählen. Viel Spass!

  1. Wann erhielt die Schweiz zum ersten Mal eine einheitliche nationale Währung?
    (a) 1291, (b) 1798, (c) 1848, (d) 1907.
  2. Seit wann ist der Schweizer Franken offiziell Landeswährung?
    (a) 1848, (b) 1907, (c) 1918, (d) 1936.
  3. War die Schweiz früher einmal Teil einer Währungsunion?
    (a) ab 1815, (b) ab 1848, (c) ab 1865, (d) nie.
  4. Ist die Schweiz heute Teil einer Währungsunion?
    (a)  seit 1881, (b) seit 1924, (c) seit 1980, (d) nein.
  5. Seit wann hat die Schweiz einheitliche Banknoten?
    (a) 1848, (b) 1881, (c) 1907, (d) 1936.
  6. Die Banknoten der Schweizerischen Nationalbank müssen in der Schweiz als Zahlungsmittel angenommen werden. Seit wann ist dies ordentliches Recht?
    (a) 1881, (b) 1936, (c) 1954, (d) 2000.
  7. Die gesetzliche Golddeckung des Schweizer Frankens galt
    (a) bis 1936, (b) bis 1973, (c) bis 2000, (d) sie gilt bis heute.
  8. Seit wann kann die Schweizerische Nationalbank die von ihr ausgegebene Geldmenge de facto kontrollieren?
    (a) seit 1907, (b) seit 1936, (c) seit 1973, (d) seit 2000.

Die Lösung besteht aus acht Buchstaben (von a bis d). Wen dürfen wir als Einsender(in) der ersten richtigen Lösung (an: birchler@isb.uzh.ch) feiern?

Wenn Geschenke reden können

Jedes Jahr vor Weihnachten ist sie wieder da: Die Diskussion um die volkswirtschaftliche Verschwendung des Geschenkemachens. Eigentlich erstaunlich wie sehr sich Journalisten und Leser immer wieder aufregen; es handelt sich doch um ganz private Entscheidungen, die – im Gegensatz zum Rauchen oder Rasen – niemandem weh tun. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass sich die meisten Kritiker von Geschenken auf eine Studie des amerikanischen Ökonomen Waldfogel stützen. Die Verschwendung wurde anhand einer Befragung von College Studenten an der Elite Universität Yale gemessen – nicht gerade eine offensichtlich repräsentative Gruppe.

Selber halte ich die Diskussion um die volkswirtschaftliche Verschwendung für Zeitverschwendung – wie der untenstehende Text zeigt. (Eine gekürzte Fassung des Aufsatzes erschien am 5. Januar 2010 als Kolumne in der NZZ am Sonntag)

Unser älterer Bub – er war damals gut zwei – erhielt in der Adventszeit vom Nonno einen Fünfliber. Peter musterte das Stück, nestelte am Rand herum, sagte etwas von „uufmache“ – und begann dann bitterlich zu weinen. Die Münze war falsch. Sie war nur aus Metall und nicht, wie Peter sich erhofft hatte, innen aus Schokolade.

Die Ökonomin diagnostiziert einen klaren Fall von Nettowohlfahrtsverlust (noch prägnanter auf englisch: deadweight loss): Das Geschenk kostet den Schenker mehr als es dem Beschenkten wert ist. Das kommt vor. Kein Wunder beschert uns die Weihnachtszeit deshalb jedes Jahr auch eine Diskussion über den Sinn von Weihnachtsgeschenken. Mit dem Samichlaus kommt ein prall gefüllter Sack mit gut gemeinten Ratschlägen: Dass es gescheiter wäre, Geld und Gutscheine zu verschenken. Oder Zeit.

Als Beweis der weihnachtlichen Verschwendung wird meist ein Aufsatz des amerikanischen Ökonomen Joel Waldfogel aus dem Jahre 1993 angeführt. Dieser stellte aufgrund von Befragungen fest, dass die Empfänger von Weihnachtsgeschenken im Durchschnitt weniger zu zahlen bereit gewesen wären, als die Geschenke tatsächlich gekostet hatten. Drum weiss heute jeder: Weihnachten vernichtet Wohlstand. Nur scheint leider kaum jemand die Studie wirklich gelesen zu haben. Sonst wäre vielleicht aufgefallen, dass der gefundene volkswirtschaftliche „Schaden“ erstaunlich klein ist. Nur 10-30% des Kaufpreise ist wenig für eine höchst unrepräsentative Gruppe von College Studenten, die –jung, unabhängig und unsentimental – tatsächlich viel weniger auf den nicht-monetären Wert von Geschenken achten als die Normalbevölkerung. Eine ebenfalls nicht-repräsentative Umfrage in meinem Bekanntenkreis zeigt, dass dies den meisten auch ohne wissenschaftliche Studie einleuchtet: Jugendliche und junge Erwachsene erhalten zu Weihnachten oft Geld. Kinder und ältere Erwachsenen hingegen lieben „richtige“ Geschenke.

Die Klagen über verschwenderische Weihnachtsgeschenke hallen dennoch wie ein jährliches Echo zurück. Sie stehen in den Zeitungen ausgerechnet dort, wo sonst die Ökonomisierung der Welt angeprangert wird. Doch ironischerweise ist die oft vorgeschlagene Lösung des Problems, Geld oder Gutscheine zu schenken an Stelle handgestrickter Socken oder eines Lehrbuchs zur Informationsökonomik, gerade das Sinnbild einer totalen Ökonomisierung, die unter Ökonomen selber längst passé ist.

Nicht nur für Peter ist Geld nicht gleich Glück, sprich: Schokolade. Der Wert eines Geschenkes ist weit mehr als der Preis, den ich als Beschenkte bereit gewesen wäre, dafür zu bezahlen. Ganz abgesehen davon, dass wir bei nüchternem Nachdenken wohl nicht nur für Weihnachtsgeschenke, sondern auch für selbstgetätigte Anschaffungen, weniger bezahlen würden als noch beim Kauf. Für Schuhe zum Beispiel.

Vergessen geht bei der doppelten Geschenk-Buchhaltung der sentimentale Wert eines Geschenks – sowohl die Freude des Empfängers als auch die Freude beim Schenker. Natürlich ist der sentimentale Wert am grössten bei Menschen, die uns nahe stehen. Doch selbst die teure Anti-Aging-Gesichtscreme, die ich letztes Jahr zu Weihnachten von einer Firma zugeschickt erhielt und die ich mir nie und nimmer selber gekauft hätte, hätte ich auch für den doppelten Ladenpreis nicht wieder hergegeben. Weil die Creme Wertschätzung enthält und die Botschaft, dass ich das jetzt einfach einmal darf.

Mit Geschenken werden eben auch Information ausgetauscht, die wir sonst nicht erhalten würden. Der Schenkende verrät ein Stück seines Wissens über Murano-Vasen oder über Wanderwege in Slowenien. Wer herzhaft schenkt, gibt auch ein Stück seiner selbst preis. Als Beschenkte, umgekehrt, lernen wir etwas über unsere eigenen Vorlieben – über Vorlieben, die uns selber verbogen bleiben, bis sie ein geschenkter Malkasten oder ein Kochbuch zum Leben erweckt. So ist Weihnachten eine Art Adventskalender: Jedes Geschenk öffnet ein Fensterchen auf eine andere, uns bisher verborgene Wirklichkeit.

Selbst als Nur-Ökonomin verstünde ich die Aufregung um die angebliche Verschwendung des Geschenkemachens nicht ganz. Es geht doch um ganz private Entscheidungen, die sonst niemandem weh tun. Passivschenken ist nicht das gleiche wie Passivrauchen. Es steht jedem frei, selbst oder mit anderen zusammen die Art und Anzahl der Geschenke zu regeln. Meine Eltern und ihre Geschwister mussten damals angesichts der riesigen Anzahl von Familienmitgliedern vereinbaren, dass wir Kinder nur von den Eltern und unseren Paten beschenkt wurden. Zeit schenken – dagegen hätte ich nichts.

Ich wünsche mir dieses Jahr zu Weihnachten Zeit. Am liebsten in Form eines monatlichen Schalt-Dienstags immer vor dem Abgabetermin meiner NZZaS-Kolumne.

Adventskalender 5

„Bezahlt wird einer dafür, … dass er endlich verschwindet“, stand bei Magnus Enzensberger im gestrigen Adventstürchen. In den meisten Fällen ist Bezahlung fürs Verschwinden gleichbedeutend mit einer lebenslangen Rente (auf englisch annuity). Doch lebenslange Renten haben mindestens für die Finanzierer ihre Tücken. So meinte Fanny Dashwood in Jane Austen’s (1775-1817) Sense & Sensibility (Kapitel 2):

„Certainly not; but if you observe, people always live for ever when there is an annuity to be paid them; and she is very stout and healthy, and hardly forty. An annuity is a very serious business; it comes over and over every year, and there is no getting rid of it. You are not aware of what you are doing. I have known a great deal of the trouble of annuities; for my mother was clogged with the payment of three to old superannuated servants by my father’s will, and it is amazing how disagreeable she found it. Twice every year these annuities were to be paid; and then there was the trouble of getting it to them; and then one of them was said to have died, and afterwards it turned out to be no such thing. My mother was quite sick of it. Her income was not her own, she said, with such perpetual claims on it; and it was the more unkind in my father, because, otherwise, the money would have been entirely at my mother’s disposal, without any restriction whatever. It has given me such an abhorrence of annuities, that I am sure I would not pin myself down to the payment of one for all the world.“

Adventskalender 4

Wirtschaftsleben

Hans Magnus Enzensberger (*1929)

Bezahlt wird einer dafür,
dass er die Richtlinien der Politik bestimmt,
dass er schlachtet,
dass er Kierkegaard deutet,
dass er sich ins Bett legt,
dass er Tasten drückt,
dass er seinen Samen spendet,
dass er endlich weiterkommt
bei der Lipotropin-Synthese,
dass er knüppelt, kocht,
bügelt, Tore schiesst,
dass er endlich verschwindet.

Adventskalender 3

Hinter dem dritten Türchen versteckt sich der Troubadour Mani Matter. Der leider viel zu früh verstorbene Liedermacher wusste die Gefühle und Sorgen der Menschen in wunderbare Verse zu kleiden. Und zeigte dabei in vielen Liedern eine grosse ökonomische und politische Weisheit. Wer könnte das Dilemma zwischen dem Streben nach Ausgleich und den Kosten der Umverteilung besser ausdrücken als Mani Matter im Lied „dene wos guet geit“:

                            dene wos guet geit

                            dene wos guet geit

                               giengs besser

                            giengs dene besser

                           wos weniger guet geit

                             was aber nid geit

                             ohni dass’s dene

                             weniger guet geit

                               wos guet geit

                              drum geit weni

                             für dass es dene

                                besser geit

                           wos weniger guet geit

                             und drum geits o

                              dene nid besser

                               wos guet geit

Die Nöte des Mittelstands: Schwelleneffekte und Subventionen

Vom Mittelstand war viel die Rede im Zusammenhang mit der Steuerinitiative.

Doch die Nöte des Mittelstands haben wenig mit den Einkommenssteuern zu tun. Viel wichtiger ist eine inkohärente Transferpolitik, die über eine grosse Zahl von einkommensabhängigen Subventionen und Tarifen zu teils grotesken Schwelleneffekten führt. Vor allem aber dazu, dass sich Arbeit und Vorsorge nicht mehr lohnen – eher schon die Maximierung der Subventionen.

10 vor 10 brachte gestern einen sehr anschaulichen Beitrag zu den Schwelleneffekten (wer mich nicht sehen will, konzentriere sich auf die ausgezeichneten graphischen Erläuterungen)

Dass es sich auch für den mittleren und oberen Mittelstand oft nicht lohnt zu arbeiten, zeigt der Beitrag „Wir Abzocker“ im Magazin vor einigen Jahren.

Für mich einer der besten Beiträge, die das Magazin je publiziert hat.