Marius Brülhart
Gemäss NZZ „hätte die Abschaffung der Pauschalsteuer einen wirtschaftlichen Preis“. Die Frage lautet demnach einzig, wie hoch dieser Preis zu stehen käme – oder anders ausgedrückt, wie viel Steuer- und BIP-Franken uns das zusätzliche Stück Steuergerechtigkeit kosten würde. Der Autor des Artikels drückt sich zwar vorsichtig aus, prognostiziert aber dennoch „eine Einbusse der jährlichen Wertschöpfung in Milliardenhöhe sowie ein Verlust von Arbeitsplätzen in vier- oder fünfstelliger Höhe“.
Ob eine Annahme der Initiative überhaupt volkswirtschaftliche Nettokosten verursachen würde, scheint kaum jemand zu bezweifeln. Doch können wir tatsächlich mit Gewissheit davon ausgehen, dass uns eine Annahme der Initiative per Saldo etwas kosten würde?
Die rote Null, welche die Pauschalsteuer-Abschaffung dem Zürcher Fiskus beschert hat, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, dass sich dieses Steuer-Instrument in fiskalischer Hinsicht nicht unbedingt lohnt.
Demgegenüber führt die NZZ zwei Bedenken ins Feld. Erstens generieren Pauschalbesteuerte durch ihren Konsum Wertschöpfung, welche wiederum Arbeitsplätze, Einkommen und damit verbundene zusätzliche Steuereinnahmen nach sich zieht. Und zweitens muss man nicht nur das Verhalten der existierenden Pauschalsteuerzahler betrachten sondern auch bedenken, wie sich eine Abschaffung dieser Steuer auf künftige Zuzüge reicher Ausländer niederschlagen würde.
Beide Aspekte sind absolut relevant, doch ihre Beurteilung ist nicht ganz so einfach, wie man meinen könnte.
Nehmen wir den Wegfall von Konsum durch Pauschalbesteuerte. Wäre dieser wirklich so gravierend, wenn ca. ein Drittel dieser Steuerzahler die Schweiz verlassen würde (eine angesichts der Zürcher Erfahrungen plausible Grössenordnung)? Auch hier hängt der Nettoeffekt nicht nur davon ab, wie viele wegziehen würden, sondern auch, wie die verbleibenden Ex-Pauschalbesteuerten reagieren würden. Ein oft übersehener Effekt der Pauschalbesteuerung ist nämlich, dass sie für die betroffenen Steuerzahler Anreize schafft, in der Schweiz auf relativ kleinem Fuss zu leben. Gerade nach ihren Ausgaben hierzulande richtet sich ja ihre Steuerrechnung. Somit liegt es im Interesse eines Pauschalbesteuerten, seine Steuerresidenz in der Schweiz relativ bescheiden zu halten, und die wirklich grossen Ausgaben irgendwo im Ausland zu tätigen. Dazu kommt, dass den Pauschalbesteuerten eine wirtschaftliche Tätigkeit in der Schweiz untersagt ist. Somit werden diese Ausländer davon abgehalten, ihr Kapital und unternehmerisches Talent in unserem Land einzusetzen – was beispielsweise in Vitznau zu reichlich bizarren Diskussionen führt.
Die nach einer Abschaffung verbleibenden Ex-Pauschalbesteuerten hätten also Anreize, sowohl ihren persönlichen Konsum wie auch ihre unternehmerische Tätigkeit zumindest teilweise vom Ausland in die Schweiz zu verlagern. Es ist durchaus vorstellbar, dass dieser Anreizeffekt die wegzugsbedingten Verluste teilweise oder ganz wettmachen könnte.
Was die künftigen Zuzüge reicher Ausländer betrifft, gilt dieselbe Logik wie bei den bereits hier niedergelassenen Pauschalbesteuerten: Dass es ohne Pauschalsteuer weniger wären, steht ausser Frage. Aber dass gar keine derartigen Personen mehr zuziehen würden, wie im Artikel implizit angenommen, ist absolut unrealistisch. Ein Teil der derzeit anwesenden Pauschalbesteuerten wäre auch ohne dieses Steuerprivileg in die Schweiz gezogen, und andere würden das auch ohne Pauschalsteuer in der Zukunft tun. Ihnen offeriert die Pauschalbesteuerung einen klassischen Mitnahmeeffekt – Steuerersparnisse, auf welche sie eigentlich zu verzichten bereit wären ohne der Schweiz den Rücken zu kehren.
Unter dem Strich schlüge eine Pauschalsteuer-Abschaffung daher sowohl in fiskalischer wie auch in gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht unbedingt negativ zu Buche. Möglicherweise verkaufen wir uns derzeit zu billig.