May the Farce be with you!

Urs Birchler

Nach der Premiere der neuen Folge von Star Wars, The Force Awakens, beleuchtet die Presse die Folgen einer Explosion des Todessterns auf die intergalaktische Wirtschaft. Inspiriert durch ein Arbeitspapier von Zachary Feinstein sind sowohl der Tagesanzeiger, als auch The Economist in den Sog der Erwachten Kraft geraten.

Weder Feinstein noch die beiden Medien zitieren jedoch den wahren Begründer der intergalaktischen Ökonomie: Dies ist kein Geringerer als Nobelpreisträger Paul Krugman. In „The Theory of Interstellar Trade“ (1978) Weiterlesen

Vollgeld: Louisiana 1842

Urs Birchler

Die Vollgeld-Idee wurde in der Praxis bereits einmal erprobt. Und das kam so: Die USA erlebten 1837 (nachdem die Charter für die Zentralbank, die Second Bank of the United States, nicht erneuert worden war) eine schwere Wirtschafts- und Bankenkrise. In der Folge zog sich der Bundesstaat aus der Bankenregulierung zurück, und die einzelnen Staaten gingen in der Gesetzgebung getrennte Wege. New York ging über zum Free Banking, einem im wesentlichen nicht-regulierten Bankwesen, samt Ausgabe von Banknoten durch die privaten Banken. Indiana erlaubte Bankgeschäfte nur einer Staatsbank. Texas und Iowa verboten Banken überhaupt.

Einen Mittelweg wählte Louisiana mit der Banking Act von 1842. Banken wurden verpflichtet, ihre ausgegebenen Banknoten plus Depositen voll zu unterlegen mit (a) Bargeld (mindestens zu 1/3) und (b) Papieren mit Laufzeit von maximal 90 Tagen (für die übrigen 2/3). Diese Papiere durften bei Fälligkeit auf keinen Fall erneuert werden, damit keine Kurzfristigkeit vorgegaukelt werden konnte. Der liquide Teil der Bilanz hiess Movement, der langfristige Teil Dead Weight.

Das System, das dem Vollgeld (mit Silber anstatt Guthaben bei einer Zentralbank) also recht nahe kam, wurde unter dem Namen seines Erfinders Edmund J. Forstall bekannt als Forstall-System. Näheres findet sich in einem Artikel des Bankenhistorikers Bray Hammond von 1942. Das System bewährte sich nicht schlecht: In der Krise von 1857 mussten die Banken in anderen Staaten ihre Schalter schliessen — nicht aber in Louisiana.

Wie sehr sich die Erfahrung mit dem Forstall-System verallgemeinern lässt, ist umstritten. Louisiana war mit dem weltweit viertgrössten Handelshafen New Orleans auch Umschlagplatz für mexikanisches Silber, wodurch die Banken ohnehin eher liquid waren. George D. Green weist in Finance and Economic Development in the Old South: Louisiana Banking, 1804-1861 von 1972 auf einen besonders interessanten Punkt hin: Louisiana blieb vom Bankenkrach vielleicht nicht in erster Linie deshalb verschont, weil das „Vollgeld“ in der Krise die Banken stärkte, sondern weil es die Banken (aufgrund der strengen Liquiditätspflicht) bereis im vorangegangenen Boom an übermässigem Kreditwachstum gehindert hatte.

Nach dem Bürgerkrieg inspirierte Louisiana auch die Bankengesetzgebung von New York und Massachussets; indirekt sogar die spätere Bankengesetzgebung auf Bundesebene und die Gesetzgebung bei der Errichtung des Fed.

Vollgeldinitiative für Anfänger

Urs Birchler

Am 1. Dezember werden die Initianten die Vollgeldinitiative mit den notwendigen 100’000+ Unterschriften einreichen. Damit steht der Souverän vor der wichtigsten Entscheidung über unsere Geldordnung seit langem, wahrscheinlich seit der Ablehnung der Freigeldinitiative im Jahre 1951. Höchste Zeit also, sich mit der Initiative auseinanderzusetzen. Hier ein erster Schritt. Er ist für Anfänger gedacht, zu denen ich mich einstweilen selber zählen muss. Es ist nämlich nicht immer ganz klar, was sich hinter dem Initiativtext genau verbirgt.

Die Initiative besteht, grob gesprochen, aus drei Teilen (Initiativtext):

  1. Monopol der SNB zur Geldschöpfung.
  2. Geldausgabe der Nationalbank direkt an Bund/Kantone oder an Bürgerinnen und Bürger.
  3. Übergangsbestimmungen.

Heute versuche ich, den ersten Punkt zu darzustellen. Die SNB hat bereits bisher die Aufgabe, Geld zu schaffen, konkret: Banknoten zu drucken und für die Banken Buchgeld-Konti (die sogenannten Giroguthaben) zu führen. Die Giroguthaben dienen den Banken als Zahlungsmittel im bargeldlosen Zahlungsverkehr untereinander und mit der übrigen Wirtschaft.

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Zusätzlich aber können bisher auch die Banken Geld schöpfen. Dies sei an einem einfachen Beispiel erläutert. Nehmen wir an, Bank A habe 160 Fr. investiert, davon 10 Fr. bei der SNB als SNB-Geld (Noten oder Giroguthaben) und 150 Fr. als Kredite an die Wirtschaft. Die gewährten Kredite haben die Schuldner ihrerseits einstweilen wieder bei Bank A angelegt: 100 Fr. als kurzfristige Einlagen, 50 Fr. langfristig, z. B. in einer 10-Jahres-Obligation der Bank.

Da kurzfristige Bankeinlagen von anderen Banken und in der übrigen Wirtschaft als Zahlungsmittel akzeptiert werden, stellen sie wirtschaftlich gesehen „Geld“ dar. Die Banken haben gleichsam „Geld geschaffen“. Sie könnten dies allerdings nicht ohne die Komplizenschaft (a) der Einleger, die solche Einlagen halten wollen und (b) der übrigen Wirtschaft, die eine Zahlung in Buchgeld einer Bank anstatt in SNB-Geld gelten lässt.

Die Bank versucht also einen Spagat zwischen Kreditnehmer und Einleger. Die Kreditnehmer erhalten längerfristiges Geld, die Einlager behalten eine kurzfristige Anlage, mit der sie sogar bezahlen können. Diese Leistung der Banken an die Wirtschaft ist aber gleichzeitig ihre Achillesferse.

Sobald die Depositen bei einer Bank nicht mehr als Zahlungsmittel angenommen werden oder sobald die Einleger der Bank nicht mehr vertrauen, kommt es zu Abzügen. Die Einleger wollen ihre Banknoten zurück. Bank A wäre aber nicht fähig, diese Wünsche zu erfüllen, da sie das bei der Annahme der Einlagen erhaltene Geld nicht in bar in der Kasse liegen hat, sondern eben an ihre Kreditnehmer ausgeliehen hat. Die Bank wäre bei geballten Rückzügen also illiquid; es käme zu einer Finanzkrise.

Bilanz_nachrher Hier setzt die Vollgeldinitiative an. Sie will den Banken die Geldschöpfung verbieten. Eine Bank müsste (nach meiner Interpretation des Initiativtextes) den Gegenwert ihrer Einlagen vollumfänglich in Form von SNB-Geld halten. Gleichzeitig müssten diese Einlagen und ihr Gegenposten in Form von SNB-Geld ausserhalb der Bilanz und der Konkursmasse der Bank geführt werden. Die Bank würde also (konzeptionell oder tatsächlich) zweigeteilt. Ein Teil wäre der im Diagramm grün umrandete Vollgeldteil. Der andere Teil wäre eine langfristig finanzierte Finanzgesellschaft mit Kreditvergabe.

(Die Bilanzen vorher und nachher sind so angepasst, dass die gesamtwirtschaftlich wichtigen Grössen, d.h. sowohl das Kreditvolumen als auch der Bestand an Einlagen, unverändert bleiben. Im Übergang müsste also die SNB 90 Fr. Geld schaffen, während der Kapitalmarkt der Bank zusätzlich 90 Fr. Kredit zur Verfügung stellen müsste.)

Nach der Umstrukturierung käme es nie mehr zu einem „Bank Run“. Die Einlagen können jederzeit bar ausgezahlt werden; die übrigen Schulden der Bank wären längerfristig und können nicht von den Gläubigern plötzlich geltend gemacht werden. Die Bank könnte immer noch bankrott gehen, wenn die Kreditnehmer ihre Schulden nicht zurückzahlen können, aber die Einleger kämen dadurch nicht zu Schaden. Die Initianten wollen damit die Wirtschaft vor systemischen Schäden durch Bankenkrisen schützen. Gleicheitig würden die Banken ihrer Elemantarfunktion beraubt, die Einleger einerseits gegen plötzlichen Geldbedarf zu versichern und andererseits am Zinsertrag des Kreditgeschäfts zu beteiligen.

Eine grosse Verantwortung käme auf die SNB zu. Sie müsste die Geldversorgung allein regeln. Bisher können Banken eine Geldknappheit oder ein Überangebot abfedern, indem sie pro 100 Fr. Einlagen weniger oder mehr als die 10 Fr. SNB-Geld in unserer Musterbilanz halten. Die Befürworten der Initiative glauben, die SNB könne den Geldumlauf besser dosieren als die Banken; die Gegner trauen eher dem kommerziellen Flair der Banken als dem gouvernementalen Ermessen der SNB.

 

Zürich Bern 0:2 im Streit um Finanzausgleich

Kurt Schmidheiny, Universität Basel

Nach der Kritik von Zug und Schwyz am Nationalen Finanzausgleich (NFA) findet nun auch Zürich die Transferzahlungen an den grössten Nehmerkanton Bern ungerecht (siehe Tages-Anzeiger vom 19. November).

Der Kanton Bern ist im schweizerischen Steuerwettbewerb in der denkbar schwierigsten Ausgangslage: Als grosser Kanton kann er sich nicht wie Zug oder Schwyz als Steuerhafen für Firmen und Haushalte etablieren. Und anders als grosse Wirtschaftsagglomeration wie Zürich, Genf oder Basel kann er sich nicht auf hohe Einnahmen aus Gewinnsteuern stützen.

Der Kanton Bern hat deshalb ein einschneidendes Sparprogramm gestemmt mit jährlichen Einsparungen zwischen 231 Mio. Franken im Jahr 2014 und 491 Mio. Franken im Jahr 2017 (siehe hier). Dieses Sparprogramm war sinnvoll und nötig, führte aber zu schmerzhaften Kürzungen öffentlicher Leistungen. Der verdiente Ertrag dieser Sparanstrengungen ist ein nachhaltig gesundes Budget.

0:1 für Bern.

Der Kanton Bern erliegt auch nicht der kurzsichtigen Versuchung, die aktuellen Überschüsse für Steuersenkungen zu verwenden. Denn er weiss aufgrund einer bei Urs Müller, Marius Brülhart, Dominik Egli und mir in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studie, dass dies die Finanzsituation des Kantons kurz- wie langfristig verschlechtern würde.

0:2 für Bern.

Der NFA gleicht die schwierige Ausgangslage des Nehmerkantons Bern mit seinem tiefen Ressourcenpotential teilweise aus. Dass der Kanton Bern mithilfe einer mustergültigen Finanzpolitik das Beste daraus macht, verdient nicht Schelte, sondern den Respekt der Geberkantone.

Der Kanton Zürich besteuert Haushalte und Firmen im Vergleich zum Kanton Bern deutlich tiefer (siehe die Abbildung unten) und hat deutlich höhere pro Kopf Ausgaben als der Kanton Bern. So betrug der Personalauwand pro Einwohner im Kanton Zürich und seine Gemeinden im Jahr 2013 rund 20% mehr als im Kanton Bern und seinen Gemeinden (5540 Franken gegenüber 4590 Franken). Die wenig erfreuliche Finanzlage des Kantons Zürich ist das Ergebnis der relativ tiefen Besteuerung seines hohen Ressourcenpotentials und der relativ grosszügigen Ausgabenpolitik. Mit einer moderaten Erhöhung der Steuern oder einer moderaten Sparrunde könnte der Kanton Zürich seine Finanzlage problemlos nachhaltig sanieren – und dies bei weiterhin deutlich tieferen Steuern und deutlich höheren öffentliche Ausgaben als der Kanton Bern.

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Abbildung: Steuerbelastung durch Kanton, Gemeinden und Kirchen im Jahr 2014 in Prozent des Reineinkommens für ein verheiratetes Paar ohne Kinder unter Berücksichtigung der üblichen Abzüge. Durchschnitt aller Gemeinden des Kantons gewichtet mit der Anzahl Steuerzahler. Zum Vergleich ist das Minimum, das unterste Viertel (25. Perzentil), der Durchschnitt, das oberste Viertel (75. Perzentil) und das Maximum aller Schweizer Kantone abgebildet. Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung, Steuerbelastung der Gemeinden. Aufbereitet im Rahmen des SNF Projektes Fiscal Federalism.

 

Versuchter Hammerschlag gegen US Fed

Urs Birchler

Am Donnerstag schlug das amerikanische Repräsentantenhaus (vergleichbar unserem Nationalrat) zu. Er entschied gemäss Bericht der New York Times, einen Reservefonds des Fed, d.h. der Notenbank, heranzuziehen zur Strassenfinanzierung. Aufgrund abweichender Haltung des Senats (unser „Stöckli“) geht das Geschäft an diesen zurück.

Heute hat der ehemalige Gouverneur des Fed, Ben Bernanke, auf der Homepage der Brookings Institution dazu Stellung genommen. Bernanke wehrt sich gegen den Eingriff in die Unabhängigkeit der Notenbankpolitik, weist aber vor allem auch auf dessen fiskalische Dummheit hin: Der Griff in die Kasse des Fed bringt nämlich nichts. Er führt zu einer geringeren Gewinnausschüttung an den Bund; entweder sofort (wenn der Kapitalfonds auf bisheriger Höhe gehalten werden muss) oder über die Zeit hinweg (da das Fed zur Finanzierung des Strassenbaus Bundesanleihen verkaufen muss und dadurch weniger jährliche Zinserträge erzielt).

Die Diskussion ist auch für die Schweiz wichtig. Sie zeigt erstens, wie fragil die Unabhängigkeit einer Notenbank ist. Es gibt immer ein ganz dringendes Anliegen, das (scheinbar) nicht anders finanziert werden kann als über die Notenbank (AHV, Krankenkassenprämie, Pflegeversicherung, Energiewende, x-te Röhre, …). Zweitens erinnert Bernanke daran, dass Notenbankgeld, bzw. die damit gekaufte Leistung nicht gratis ist. Drittens kann man sich zum Missbrauch der Notenbankvermögens den Umweg über einen Staatsfonds, wie er in der Schweiz von einigen gefordert wird, sparen.

Bei aller Sympathie für den amerikanischen Strassenbau: Lieber ein Schlagloch im Strassenbelag als eines in der Unabhängigkeit der Notenbank.

Freispruch für Bargeld

Urs Birchler [Warnung: Der Autor ist als Mitveranstalter nicht neutral.]

Der Prozess ist vorbei. Am Donnerstag stand (wie hier angekündigt) im Miller’s das Bargeld vor dem Richter. Die Anklage:

  1. Bargeld spielt eine entscheidende Rolle bei zahlreichen kriminellen Tätigkeiten.
  2. Bargeld ist ein ineffizientes (d.h. zu teures) Zahl ungsmittel.
  3. Bargeld behindert die Geldpolitik in Zeiten, in denen der optimale Zinssatz negativ ist.

Der Richter folgte weitgehend der Jury, die auf „unschuldig in allen Punkten“ erkannte. Zum Teil dürfte der Freispruch daran liegen, dass als Schuldkriterium die Latte mit „beyond reasonable doubt“ hoch gelegt war. Auch die meisten Zeugen und Experten — alles international renommierte Forscher — neigten auf die „pro cash“-Seite. Ihre Referate (Folien) sind bei SUERF abrufbar. Ausnahme Peter Sloterdijk, der gegen Schluss mit dem Besen (echt und philosophisch) die Bühne wischte und den tiefen Hang des Menschen zu Barem erklärte.

Für mich mindestens so wichtig wie das Ergebnis: Unser Format „Dramatische Konferenz“ (in der Ausschreibung noch versteckt hinter einem konventionell aufgesetzten Konferenz-Programm) hat funktioniert. Die Referenten blieben fokussiert, Befragungen waren intensiv, und das Publikum blieb gespannt bei der Sache. Radio SRF1 hat in einem längeren Beitrag, z.T. mit O-Ton, berichtet.

Nähere Auskünfte: Barbara Ellenberger (Ellenberger@millers-studio.ch) und Urs Birchler (urs.birchler@bf.uzh.ch).