Meine Studenten holen Medaillen!

Urs Birchler

Zu so schrägen Zeiten und so nervös sass ich seit langem nicht mehr vor dem Fernseher. Zwei Studenten, die beide bei mir je eine Arbeit geschrieben haben, sind auch an der Olympiade in Pyeongchang vertreten. Und — beide haben Medaillen geholt! Gestern Ramon Zenhäusern Silber im Slalom, heute Benoît Schwarz Bronze im Curling. Herzliche Gratulation an beide!!!

Gelernt habe ich in der Zusammenarbeit mit den beiden auch dies: Spitzensportler brauchen ein bisschen Flexibilität in Präsenz- und Terminfragen. Sie brauchen aber keine „Extrawurst“ bezüglich der universitären Qualitätskriterien. Die eiserne Disziplin, die der Erfolg im Sport voraussetzt, hilft auch im Studium. Beide haben mich diesbezüglich tief beeindruckt!

Ramon Zenhäusern („Individualsponsoring — Wofür zahlen Sponsoren?“) wird seine Forschungs-Ergebnisse jetzt im silbernen Rahmen überprüfen können. Das Thema von Benoît Schwarz („Die Vollgeldinititative“) kommt im Juni an die Urne. Ob er sich noch für Vollgeld interessiert, bezweifle ich allerdings; hat er doch jetzt die härteste Währung der Welt: Olympisches Metall.

Ich danke beiden für die Zeit, in der meine Nerven flatterten wie Slalomstangen und sich in meinem mein Kopf alles drehte wie Curling-Steine. und wünsche weiterhin alles Gute!!!

Lottomillionen oder Freiheit?

Urs Birchler

Die finanzielle Privatsphäre geniesst einen schlechten Ruf. Dabei geht oft vergessen, wie wichtig sie sein kann. Dies zeigt der (z.B. von Business Insider berichtete) Fall einer Frau aus New Hampshire, die in der Lotterie den „Powerball Jackpot“ gewonnen hat — umgerechnet rund 530 Mio. CHF. Gewonnen, aber nicht abgeholt. Die Frau hat nicht etwa den Lottozettel verloren. Vielmehr traut sie sich nicht, den Gewinn abzuholen, weil New Hampshire (zusammen mit wenigen anderen Bundesstaaten) ein Gesetz kennt, das Lottogewinner(innen) zur Preisgabe ihres Namens und Wohnorts zwingt. Was es bedeutet, wenn landauf, landab bekannt ist, dass Frau X eine halbe Milliarde gewonnen hat, wäre Stoff für einen Roman — kaum mit Happy End für die Gewinnerin. Im besten Fall noch könnte sie mit einer kleinen Privatarmee weiterleben.

Hätte die Frau — mittlerweile von den Medien Jane Doe getauft — einen Trust gegründet, bliebe sie anonym (es gibt also nicht nur böse Trusts). Dazu ist es wohl zu spät. Die Anwälte versuchen nun, das Gericht davon zu überzeugen, dass das Interesse der Gewinnerin an ihrer Anonymität schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der Kenntnis der Lotteriegewinner. In der Zwischenzeit liegt der Jackpot noch bei der Lottogesellschaft, und die Gewinnerin verliert pro Tag 12’000 Franken an Zinsen…

Voll Geld verdienen mit Vollgeld

Urs Birchler

Ein interessantes Business-Modell hat der Berner Doktorand Fabio Canetg entdeckt: Man kann ihn — gegen eine Pauschale — buchen für ein Referat zum Thema Die Vollgeld-Initiative aus neutraler Perspektive. Ein anderes Geschäftsmodell haben Jean-Charles Rochet und ich gewählt für unseren — ebenfalls neutralen — Leitfaden zur Vollgeldinitiative: Er steht gratis und franko im Internet zur Verfügung, auch als Kurzfassung in englisch.

Geld für die Katz

Urs Birchler

Der Zürcher Gemeinderat flirtet gemäss NZZ immer noch oder schon wieder mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Konkret: mit der Idee eines Pilotversuchs.

Man mag zum Grundeinkommen stehen wie man will und man mag „bedingungslos“ definieren, wie man will. Aber man darf nicht glauben, mit einem befristeten „Pilotversuch“ irgend etwas zu erfahren. Das Resultat wird sein: Die Empfänger hören nicht auf zu arbeiten. Natürlich nicht. Sie wissen, dass der Versuch befristet ist und dass sie nachher wieder einen Job brauchen. Daher sagt er nichts aus über ein definitiv eingeführtes Grundeinkommen.

Der Pilotversuch, so er denn je realisiert würde, wäre daher Steuergeld für die Katz. Dabei gäbe es, weiss Gott, Dutzende von interessanten Forschungsprojekten, die das Geld brauchen könnten, wenn es denn unbedingt ausgegeben werden muss. Gemeinderatsmitglieder, welche die Wissenschaft höher schätzen als Pilotversuchs-Folklore, dürfen sich gerne bei mir melden.

Das Edel-Subventionat

Urs Birchler

Eine Klasse, die Karl Marx nicht vorgesehen hatte, war jene, die man das Subventionat nennen könnte. Der Begriff ist nicht böse gemeint; wir haben ja fast alle eine (fast) kostenlose Ausbildung genossen oder sind über subventionierte Wiesen gewandert oder mit einem unrentablen Tram gefahren. Es gibt aber im engeren Sinn eine — wie mir scheint zunehmende — Anzahl von Gruppen, für welche Subventionen (Krankenkasse, Kinderkrippe, Genossenschaftswohnung) einerseits eine wichtige Rolle spielen, aber andererseits auch eher schwierig zu begründen sind. Immerhin galt bisher ein tiefes Einkommen meist als Bedingung. Dies scheint sich zu ändern.

Der Tages-Anzeiger. zitiert die Co-Präsidentin einer Stadt-Zürcher Partei wie folgt:

„Auch wer gut verdient, hat ein Recht auf eine bezahlbare Wohnung.“

Nimmt mich nur wunder, wer von den Gutverdienende dann die günstige Wohnung bekommt. Meine Vermutung: Diejenigen, die jetzt schon am längsten drin sind.

P.S.: Der Artikel ist nicht parteipolitisch gemeint. Es gibt ja auch eine Partei, die der Meinung ist, jedermann habe das Recht auf „bezahlbare“ städtische Parkplätze und darauf, zu Stau-Zeiten bezahlbar=gratis mit dem Auto in die Stadt fahren zu dürfen.

Die Euro-Hintertür

Urs Birchler

Die NZZ berichtet, dass im Euro-Zahlungssystem TARGET die Guthaben (Deutschlands) und die Schulden (v.a. Spaniens und Italiens) auf 880 Mrd. Euro angeschwollen sind. Diese Target-Salden werden seit längerem diskutiert und dank den Bemühungen von Hans-Werner Sinn auch als Problem anerkannt.

Die NZZ erwähnt den Lösungsvorschlag in Form einer Parallelwährung zum Euro wie die Moneta Fiscale. Dabei handelt es sich um staatlich ausgegebene Gutscheine, die zur Bezahlung von Steuern angerechnet werden. Der im Artikel erwähnte italienische Finanz-Ökonom Marco Cattaneo hat dazu verschiedene Beiträge in seinem Blog geschrieben und mit Ko-Autoren ein Buch veröffentlicht.

In aller Bescheidenheit sei nachgetragen, dass batz.ch bereits vor fünf Jahren in einem Beitrag zu Griechenland die Idee der Steuergutscheine beschrieben hat als Möglichkeit, aus dem Euro auszusteigen, ohne ihn offiziell zu verlassen. Als Empfehlung waren die staatlichen kouponi nicht gemeint, denn der Verkauf von Steuergutscheinen heute geht auf Kosten der Steuereinnahmen von morgen. Dannzumal wird der Schatzkanzler wie in Goethes Papiergeldszene klagen: „…und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.“

Sprachvergifterin NZZ

Urs Birchler

Was ist nur bei der NZZ los? Konkret: Im Feuilleton. Jetzt hat es anscheinend auch die Sprache (genauer: das Denken) erwischt. Man versuche, den Beitrag von Feuilleton-Chef René Scheu in der Ausgabe von gestern zu lesen. Ich sage: „versuche“, denn der Beitrag ist weithin kaum verständlich und dort, wo er verständlich ist, als NZZ-Artikel beängstigend.

Schon der Titel verrät die Haltung: „Die Barbaren, sie lauern überall“. Die Andersdenkenden sind Barbaren. Ein Trick, so alt, er gehörte ins Uno-Unkulturerbe. (Fussnote: Den Titel setzt meist nicht der Autor, sondern der Redaktor. Dies macht die Sache aber nur noch schlimmer; die Barbarisierung der Gegenseite hat sich offenbar schon in die Kultur der NZZ eingefressen.)

Im Untertitel verpflichtet sich Herr Scheu zwar der Aufklärung: „Wie Progressive das Erbe der Aufklärung verspielen.“ Aufklärerisch, im Sinne von erhellend, ist der Text dann eben gerade nicht. Eher verdunkelnd. Der Autor versteht partout nicht, dass sich eine Feministin für ein Recht auf Vollverschleierung „starkmachen“ (warum nicht einfach: „sich einsetzen“?) kann. Ist Toleranz nicht eine akzeptable — oder gar die einzig konsequente — Form von Liberalismus? Darauf folgt eine Irrfahrt durch verworrene Bruchstücke soziologischer Literatur mit (unklarer) Unterscheidung zwischen „rassistischem Antirassismus“ und „antirassistischem Rassismus“. Darauf aufgepfropft dann des Autors wahre Botschaft: Die Verunglimpfung der „Progressiven“, der „selbsternannten Träger von Toleranz und Offenheit“. Diese müssen sich „von ihrem Überlegenheitsgefühl verabschieden“. (Sagt ein Autor, der für die Aussage „Sartres Denkfehler liegt auf der Hand“ nicht zu scheu ist.) Die „Progressiven“, so lesen wir, sind eben nicht fähig, die „eigene Identität zu transzendieren“ (Hiiiilfe!).

Im Gegenzug transzendieren wir hier die eigene Identität von batz.ch als Wirtschaftsblog. Da Wirtschaft etwas mit Freiheit zu tun hat. Und Freiheit etwas mit Sprache. Und weil (aufklärerische) Sprache da ist, um zu klären, nicht um zu verunglimpfen und aufzuhetzen.

Aufhetzen? Sicher. Der Titel heisst nicht einfach „Überall Barbaren!“. Ein solcher Seufzer wäre mir an einem Mittelmeerstrand wohl auch schon entfahren. Er lautet: „Die Barbaren, sie lauern überall“. Mit der (französischen) Repetition des Subjekts wird dieses im Deutschen betont, der Titel zum Warnschrei. Sie sind nicht nur überall, sie lauern auch noch! Die Barbaren. Das heisst, die (in guter Absicht) anders Denkenden.

Familienstrafe am Flughafen

Urs Birchler

Stehen Sie auch immer in der falschen, d.h. langsamsten Schlange? Kürzlich bei der Immigration an einem ausländischen Flughafen gelang es uns sogar, zunächst am falschen, dann am richtigen Schalter in der jeweils zähesten Kolonne zu stehen. Dabei nervt nicht nur die verlorene Zeit, sondern auch die eigene Dummheit, auf’s lahmste Ross gesetzt zu haben. Nun, in der Fremde muss man mit derartigem rechnen. Umso grösser die Verblüffung bei der Rückreise ins geliebte Heimatland mit Ankunft am weltweit gemäss Handelsblatt-Ranking drittbesten und gemäss World Airport Awards achtbesten Flughafen der Welt.

Die Behörden in ZRH unterscheiden drei Erscheinungsformen des homo immigrans: (1) Erwachsene mit elektronischem Pass; (2) CH/EU-Bürger ohne elektronischen Pass oder unter 18 Jahren und (3) „All Passports“. Als Schweizer Familie mit Kindern landeten wir in Gruppe (2), da unsere Buben zwar elektronische Pässe haben, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. Soweit kein Problem. Nur: Für Erwachsene mit elektronischen Pässen stehen genügend Schalter zur Verfügung; deren Einreise verlief wie am Schnürchen. Ebenfalls mindestens sechs Schalter boten sich der sich bald verkleinernden Gruppe „All Passports“ an. Die Schweizer Familien, die das Schild CH/EU mit einem milden Inländervorrang verwechselten, brauchten hingegen Geduld. Für sie stand gerade ein einziger Schalter offen, und jeder Pass wurde so genau inspiziert, als ob jedes zweite Kind von seinen Eltern in die Schweiz entführt würde.

Was daran nervt: Es müsste den Zuständigen eigentlich bekannt sein, dass am letzten Sonntag der Herbstferien um morgens 6h ziemlich viele Flüge von ziemlich weit weg mit ziemlich vielen in der Schweiz ansässigen Familien ankommen. Mit teilweise müden Kindern (Dank übrigens an unsere bereits sehr gelassenen Buben).

Ich fragte mich: Hat der Grenzschutz Angst, man könnte ihm einen Inländer-(=Steuerzahler)-Vorrang vorwerfen? Oder müssen die Familien bloss eine Gedankenlosigkeit der Behörden ausbaden? Bevor mir eine Antwort einfiel, durften wir endlich selber die roten Büchli zeigen.

Vollgeld-Leitfaden

Urs Birchler

In ungefähr einem Jahr kommt die Vollgeld-Initiative (VGI) an die Urne. Sie zielt auf eine grundlegende Reform unserer Geldordnung. Die Argumente der Befürworter und Gegner klaffen entsprechend weit auseinander. Angesichts der polarisierten Diskussion und der teils technischen Materie haben Jean-Charles Rochet und ich versucht, einen sachlichen und auch für ein breiteres Publikum gut verständlichen Leitfaden zu schreiben. Ein paar kleinere Beiträge sind hier auf Batz.ch schon früher erschienen: 1, 2, 3, 4, 5, 6.

Hier nun also unser Beitrag:

Die Vollgeld-Initiative — ein Leitfaden für jedermann

Wir legen den Text schon als (fortgeschrittenen) Entwurf vor, damit er zeitgerecht zur Debatte im Nationalrat zur Verfügung steht (die WAK-NR tagt am 23. Oktober). Der Ständerat hat die Initiative bereits behandelt (Ablehnung ohne Gegenvorschlag).

Update 13.10.2017: Ergänzend haben wir eine Kurzversion auf englisch, die demnächst auch auf deutsch und französisch folgen soll:

Die Vollgeld-Initiative — a summary in english

Über Kommentare freuen wir uns.

Führt die Reform 2020 zu mehr Frühpension?

Rafael Lalive & Stefan Staubli

Die Reform der Altersvorsorge 2020 senkt die Kosten einer Frühpension. Im geltenden System kann eine Rente maximal zwei Jahre vorbezogen werden. Für jedes Jahr Vorbezug wird die Rente um 6.8 Prozent gekürzt. Vorbezug kostet, eine volle Rente von z.B. 2000 CHF schmilzt auf 1864 CHF, aber er kann sich auch lohnen, insbesondere für Personen, welche gesundheitlich geschwächt sind.

Die neue AHV ermöglicht einen Rentenvorbezug um bis zu drei Jahre bei tieferen Kürzungssätzen: 4.1 Prozent für ein Jahr Vorbezug, 7.9 Prozent für zwei Jahre Vorbezug und 11.4 Prozent für drei Jahre Vorbezug. Diese Abschläge sind deutlich geringer, die oben erwähnte Vollrente von 2000 CHF sinkt lediglich auf 1918 CHF bei einjährigem Vorbezug. Die neue AHV kürzt die Renten deutlich weniger als die alte, also sollten mehr Menschen von der Möglichkeit eines Vorbezugs Gebrauch machen.

Wir können die Auswirkungen der neuen AHV heute noch nicht messen. Die 1997 in Kraft getretene 10. AHV-Revision ermöglichte jedoch den Vorbezug zu einem noch geringeren Kürzungssatz. Frauen, die zwischen 1939 und 1947 geboren wurden, konnten ihre Altersrente zu einem Kürzungssatz von nur 3.4 Prozent für jedes Jahr Vorbezug vorbeziehen. Allerdings waren diese Frauen ebenfalls von der Erhöhung des ordentlichen Rentenalters auf zuerst 63 Jahre und dann 64 Jahre betroffen. Sehr viele der betroffenen Frauen sollten also einen Vorbezug tätigen, d.h. ihre Altersrente beim ordentlichen Rentenalter vor der Reform beziehen.

LaliveStaubliDie Grafik weist den Anteil aller Frauen der Jahrgänge 1938 und 1939 , die eine AHV oder IV Pension beziehen, aus. Im Jahrgang 1938, mit ordentlichem Rentenalter 62, beziehen rund 15 Prozent aller Frauen eine IV Pension vor 62 und alle Frauen eine AHV Pension im Alter von 62 Jahren. Im Jahrgang 1939, mit ordentlichem Rentenalter 63, treten mehr als zwei Drittel aller Frauen den Pensionsbeginn erst im Alter 63, beim neuen Rentenalter, anstatt die Rente mit 62 zu beziehen. Lediglich rund 18 Prozent allter Frauen des Jahrgangs 1939 tätigen den Vorbezug zum tiefen Kürzungssatz von 3.4 Prozent.

Vorbezug macht wenig Sinn für arbeitende Frauen, da der Bezug der Alterspension steuerlich unattraktiv ist. Viele Frauen arbeiten mit 61 Jahren jedoch nicht mehr und diese Frauen sollten eher den Vorbezug der Rente wählen. Aber auch diese nicht mehr arbeitenden Frauen schieben den Pensionsbezug auf, genau wie Frauen, welche mit 61 Jahren noch arbeiten. Eine deutliche Vergünstigung der Frühpension führt nur zu wenig Vorbezug. Weshalb?

Pensionsentscheide sind komplex, erfordern viel Information und basieren auf Annahmen über die Zukunft. Zudem wird in der Schweiz jedermanns Pension automatisch am Rentenalter berechnet, selbst wenn man sich nicht darum bemüht. Es gibt im wesentlichen zwei Arten mit Komplexität umzugehen. Aktive Menschen informieren sich und suchen den für sie besten Entscheid. Andere sind passiv, informieren sich wenig, und lassen geschehen, was das System für sie vorsieht. Wie viele Menschen die aktive oder die passive Strategie verfolgen ist schwer direkt erfragbar, aber trotzdem entscheidend dafür wie eine Reform die finanzielle Gesundheit der AHV beeinflusst.

Die 10. AHV-Revision bietet eine einmalige Gelegenheit, den Anteil der Menschen mit passiver Strategie abzuschätzen. Alle Menschen mit passiver Strategie sollten beim Rentenalter in Pension gehen, während die meisten Menschen mit aktiver Strategie die Rente früh beziehen sollten, weil ein Vorbezug sehr günstig war. Unsere Analysen zeigen, dass rund zwei Drittel aller von der 10. AHV-Revision Betroffenen ihren Pensionsentscheid aktiv gestaltet haben. Rund ein Drittel hat sich passiv verhalten und die Pension am ordentlichen Rentenalter bezogen.

Passives Pensionsverhalten verzerrt die Wirksamkeit von Pensionsreformen. Eine Erhöhung des Rentenalters verschiebt den Rentenantritt stärker als in einer Welt, in der alle Menschen aktiv sind. Finanzielle Anreise, wie das Reduzieren der Kosten einer Frühpension, wirken jedoch weniger stark, weil Menschen mit passiver Strategie diesen Anreizen einfach keine Beachtung schenken. Eine Pensionspolitik, welche nur auf das Erhöhen des Rentenalters mit einfachem Zugang zu einer Frühpension setzt, bürdet Menschen mit passiver Entscheidungsstrategie hohe Kosten auf. Diese warten länger auf eine Pension, obwohl eine Frühpension optimal wäre.

Diese Kosten können wir senken. Wir können Information zu den Konsequenzen von Pensionsentscheiden so zur Verfügung gestellt wird, dass auch Menschen mit passiver Pensionsstrategie sie wahrnehmen. Ein Vermögensauszug ähnlich dem aus der zweiten Säule, der alle Pensionsvermögen und Einkommen zu einem Gesamtvermögen verrechnet, könnte vielen Menschen helfen ihre Pensionsentscheide aktiv zu gestalten.

Zu den Autoren:
Rafael Lalive und Stefan Staubli sind Professoren der Wirtschaftswissenschaft in Lausanne und Calgary. Sie untersuchen die letzte Rentenreform im Rahmen eines Forschungsprogramms des National Bureau of Economic Research, das sich allen Fragen um Pensionsreformen widmet.