Paradoxes zur Geldpolitik

Dass Batz.ch ein Bollwerk gegen Dogmatismus sei, hofften wir von Anbeginn. Offiziell bestätigt hat es nun aber die Weltwoche von gestern. Enttäuscht über unbelehrbare „Hildebrand-Fans“ wie Urs Birchler und Monika Bütler (Mitglied des SNB-Bankrats) lobt Autor Pierre Heumann den Batz.ch für den Beitrag zu den Risiken der SNB von Alexandre Ziegler.

Entgangen ist dem Weltwoche-Autor, dass Batz.ch von Urs Birchler und Monika Bütler zusammen mit Marius Brülhart (Uni Lausanne) betrieben wird. Urs Birchler persönlich hat Alexandre Ziegler gebeten, seinen SNB-kritischen Beitrag auf Batz.ch zu veröffentlichen (Danke nochmals, Alexandre). Weil Batz.ch ein Denkprozess ist und nicht ein Dogma. (Alexandre Ziegler lehrt im übrigen an der Uni ZH, nicht mehr, wie in der Weltwoche fälschlich angegeben, in Lausanne.)

Das ginge ja noch. Der Weltwoche-Autor schwingt sich aber zu kreativen Höhen auf: Der Franken ist so stark, weil die Zinsen im Franken so tief sind! O-Ton: „Die Tiefzinspolitik der SNB macht den Franken noch interessanter, als er ohnehin schon ist.“

Das exakte Gegenteil vertritt in derselben Ausgabe Peter Bodenmann. Er wettert er gegen die Nationalbank: Weil sie Pfund, Dollar, Euro und schwedische Krone weiter in den Keller sinken lasse, gefährde die SNB den Werkplatz. Sie hätte Franken drucken, statt Euro kaufen sollen (Randbemerkung: Die SNB „druckt“ Franken, indem sie Devisen, d.h. Dollars oder Euro kauft.). Die Tiefzinspolitik war also nicht aggressiv genug.

Fazit: Die Nationalbank ist immer schuld. Sie ist gleichzeitig zu expansiv oder zu restriktiv. Der frühere Nationalbankpräsident Fritz Leutwyler (1924-97) war sich diese Form der paradoxen Kritik gewohnt. Er pflegte sich zurückzulehnen und zitierte Goethe: „Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten.“ Dann stand er auf und arbeitete unbeirrt weiter.

Scheindiversifikation in der SNB-Bilanz

Durch ihre nicht unumstrittenen Deviseninterventionen im Frühjahr 2010 ist die SNB erhebliche Risiken eingegangen, welche in der Öffentlichkeit deutlich unterschätzt werden.

Auf ihrer Webseite liefert die SNB Informationen über die derzeitige Struktur ihrer Aktiven (Anlagenstruktur und Währungsreserven). Eine Aufschlüsselung derselben in Gold und die verschiedenen Währungen liefert über die Zeit folgendes Bild (die nicht ausgewiesenen Währungen machten per Ende 2010 zusammen etwa 3% der Aktiven aus und ändern das Gesamtbild somit nicht):

Grafik 1

In der Periode 2000-2006 machten Euro, Dollar, Franken und Gold je zwischen 15 und 30% der Aktiven aus. Der Franken-Anteil wurde zwischen Ende 2007 und Ende 2008 deutlich erhöht und dann fast auf null reduziert. Der Euro-Anteil wurde ab Anfang 2009 drastisch erhöht und erreichte Ende 2010 etwa 45% des Aktivenbestandes.

Obwohl ein Anteil von etwa 45% in einer einzigen Fremdwährung wenig Diversifizierung signalisiert, unterschätzt die obige Grafik die in der SNB-Bilanz vorhandenen Risiken erheblich. Der Grund liegt darin, dass diese Aufschlüsselung die Passiven nicht berücksichtigt. In der Tat enthält die SNB-Bilanz grosse Passivpositionen in Franken. Ein Teil ist geldpolitisch bedingt (die Notenbankgeldmenge); der Grossteil besteht aber aus Schuldpapieren, welche die SNB emittiert hat, um die durch ihre Devisenmarktinterventionen verursachte Überschussliquidität in Franken abzuschöpfen.

Berechnet man die Netto-Position der SNB nach Währungen und dividiert man die (in Franken umgerechneten) Beträge durch die Eigenmittel, so erhält man folgende Grafik:

Grafik 2

Aus der Grafik ist ersichtlich, dass die SNB lange Zeit eine Short-Position in Franken von ungefähr 50% ihrer Eigenmittel hatte. Eine Short-Position in der eigenen Währung ist für eine Zentralbank zwar nicht zwingend (die Währung kann ja durch Kauf von Schuldpapieren in der eigenen Währung emittiert werden), aber auch nicht problematisch, solange sie nicht zu hoch wird.

Es zeigt sich jedoch, dass die Short-Position in Franken seit Anfang 2009 deutlich gestiegen ist, um im Jahre 2010 offenbar vollkommen ausser Kontrolle zu geraten. Per Ende 2010 erreichte sie etwa 500% der Eigenmittel. Dies bedeutet, dass jede Erhöhung des Frankenkurses um 1% gegen den Korb der Aktiven (also Fremdwährungen plus Gold) die Eigenmittel der SNB um rund 5% schmälert. Der Hebel in der Bilanz der SNB und die damit zusammenhängenden Risiken haben somit inzwischen ein besorgniserregendes Ausmass erreicht.

Griechisches Vexierbild

YdraNormalerweise prüfe ich Quittungen in Restaurants kaum. Schon gar nicht, wenn es um bloss einen Kaffee geht. Doch letzte Woche fand ich auf der Quittung der Hafenbar von Hydra etwas Sonderbares. Sehen Sie’s auch?

Richtig: Der Preis ist auch in Drachmen angegeben (Umrechnungskurs 340.75 Drachmen pro Euro), obwohl doch auch in Griechenland seit zehn Jahren unwiderruflich nur der Euro gilt. Sollen wir jetzt den Politikern glauben, die einen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Verbund für unmöglich halten, oder der leisen Botschaft auf der Quittung? Jedenfalls, meint der Kellner, ist mit dem Euro nur alles schlechter geworden. Die saugen uns doch aus!

Kellner haben vielleicht nicht immer recht, aber noch schwerer zu verstehen sind die Devisenmärkte. Wenn Griechenland „droht“, den Euro aufzugeben, fällt der Kurs des Euro gegenüber Franken und Dollar. Vereinfacht: Wenn der Schwächste aus der Mannschaft ausscheidet, spielt die Mannschaft schlechter!? Sicher habe ich etwas übersehen. Für sachdienliche Hinweise wird gedankt.