Glückwünsche im Multipack

Monika Bütler

Auf die Schnelle herzliche Gratulation an unsere wirtschaftspolitisch aktiven Kollegen:

  • Elsa Fornero (Universita die Torino) als Arbeits- und Sozialministerin in der neuen italienischen Regierung um Mario Monti.
  • Stefan Bühler (Universität St. Gallen) zur Wiederwahl als Vizepräsident der Wettberwerbskommision (WEKO).
  • Armin Schmutzler (Universität Zürich) und Winand Emonds(Universität Bern ) als neue Mitglieder der WEKO. 

     

 

Hopp, Yvan!

Urs Birchler

Unser Professorenkollege aus Basel und mein früherer Arbeitskollege bei der SNB, Yvan Lengwiler, ist in die FINMA berufen worden. Herzliche Gratulation nicht nur an Yvan, sondern auch an die Wahlbehörde. Mit Yvan Lengwiler ist ein trittfester Ökonom berufen worden, der sim Nebel der politischen Argumentation den ökonomischen Kompass stets zur Hand hat. In Aktion zu sehen ist er beispielsweise hier.

Lieber Yvan, wir wünschen Dir alles Gute!

P.S.: Gleichzeitig ist zu beklagen, dass meine Ko-Dozentin Sabine Kilgus aus der FINMA ausscheidet. Mitleid ist aber fehl am Platz; Sabine hat in der FINMA wohl alles erlebt, was ein Bankensystem an Aufsichtsproblemen zu bieten hat.

Die erstaunliche Volatilität der Euro-Inflation

Urs Birchler

Der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, leitet heute seine erste Ratssitzung. Er ist nicht zu beneiden. Die EZB ist die einzige Institution innerhalb der EU, die über die notwendigen Mittel verfügt und rasch handeln kann (ohne Volksabstimmung). Ohne sie ist die Krise nicht lösbar. Gleichzeitig ist Draghis grösstes Kapital sein Ruf, als Italiener der beste Deutsche zu sein, d.h. für monetäre Disziplin einzutreten.

Draghi steht damit vor einem fast unlösbaren Dilemma: Monetäre Disziplin mit dem Risiko des wirtschaftlichen Absturzes oder Blankocheck mit dem Risiko einer Inflation. Wie heikel die Lage ist, wird auch sichtbar an der Grafik der EURO-Inflationsrate. Zwar trifft es zu, dass der scheidende Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, das Inflationsziel von 2% pro Jahr im Durchschnitt recht gut getroffen hat. Doch hinter dem Durchschnitt verstecken sich zackige Ausschläge. Die Inflation kann — obwohl sie im Durchschnitt aus 17 Ländern berechnet wird — innert Jahresfrist um 4 Prozentpunkte fallen und in den folgenden beiden Jahren wieder ansteigen. Kurz: Monetäre Disziplin kann rasch in den Sog einer Deflation führen, Krisenbekämpfung über die Notenpresse rasch in eine Inflation münden. Povero Draghi!

Grafik: Inflationsrate im Euro-Raum

Paradoxes zur Geldpolitik

Dass Batz.ch ein Bollwerk gegen Dogmatismus sei, hofften wir von Anbeginn. Offiziell bestätigt hat es nun aber die Weltwoche von gestern. Enttäuscht über unbelehrbare „Hildebrand-Fans“ wie Urs Birchler und Monika Bütler (Mitglied des SNB-Bankrats) lobt Autor Pierre Heumann den Batz.ch für den Beitrag zu den Risiken der SNB von Alexandre Ziegler.

Entgangen ist dem Weltwoche-Autor, dass Batz.ch von Urs Birchler und Monika Bütler zusammen mit Marius Brülhart (Uni Lausanne) betrieben wird. Urs Birchler persönlich hat Alexandre Ziegler gebeten, seinen SNB-kritischen Beitrag auf Batz.ch zu veröffentlichen (Danke nochmals, Alexandre). Weil Batz.ch ein Denkprozess ist und nicht ein Dogma. (Alexandre Ziegler lehrt im übrigen an der Uni ZH, nicht mehr, wie in der Weltwoche fälschlich angegeben, in Lausanne.)

Das ginge ja noch. Der Weltwoche-Autor schwingt sich aber zu kreativen Höhen auf: Der Franken ist so stark, weil die Zinsen im Franken so tief sind! O-Ton: „Die Tiefzinspolitik der SNB macht den Franken noch interessanter, als er ohnehin schon ist.“

Das exakte Gegenteil vertritt in derselben Ausgabe Peter Bodenmann. Er wettert er gegen die Nationalbank: Weil sie Pfund, Dollar, Euro und schwedische Krone weiter in den Keller sinken lasse, gefährde die SNB den Werkplatz. Sie hätte Franken drucken, statt Euro kaufen sollen (Randbemerkung: Die SNB „druckt“ Franken, indem sie Devisen, d.h. Dollars oder Euro kauft.). Die Tiefzinspolitik war also nicht aggressiv genug.

Fazit: Die Nationalbank ist immer schuld. Sie ist gleichzeitig zu expansiv oder zu restriktiv. Der frühere Nationalbankpräsident Fritz Leutwyler (1924-97) war sich diese Form der paradoxen Kritik gewohnt. Er pflegte sich zurückzulehnen und zitierte Goethe: „Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten.“ Dann stand er auf und arbeitete unbeirrt weiter.

Chapeau!

Da ich die Weltwoche nicht abonniert habe, kommt mein Kompliment fast eine Woche zu spät. Aber: Es gibt noch gradlinig denkende Ökonomen in diesem Land. Mindestens einen, nämlich Kurt Schiltknecht. In der Ausgabe vom 1. Juni schreibt er Klartext: Die Grossbanken brauchen mehr Eigenmittel. Konkret rund 10 Prozent der Bilanzsumme. (Das ist ungefähr doppelt so viel wie die vom Bundesrat vorgeschlagenen 19 Prozent der risikogewichteten Aktiven.) Dass dies kaum die Haltung der Chefredaktion sein dürfte, war ihm wohl bekannt. Trotzdem steht Schiltknecht ohne Wenn und Aber zu seiner ökonomischen Überzeugung. Gratulation!

P.S.: Ebenfalls weist Schiltknecht auf die Unstimmigkeit hin, dass der Staat die Banken steuerlich für ihre Eigenmittel bestraft (ein Punkt, auf den wir im Gutachten für die SP Schweiz vom vergangenen Juli ebenfalls hingewiesen haben).

Frisst, schiesst und verschwindet

Rudolf Strahm hat den armen Peter Siegenthaler, Präsident des Kantonalbankenverbands und früherer Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, mit raffinierter Kommasetzung zur UBS befördert. In seinem heutigen Beitrag zum Thema TBTF im Tagesanzeiger (S. 11) schreibt er: „Die UBS tickt anders. Obwohl ihr Vertreter in der vorbereitenden Kommission, Peter Siegenthaler, der Stabilisierungsvorlage zugestimmt hatte …“. Das ist natürlich Mumpitz. Peter Siegenthaler vertrat nicht die UBS, sondern war Vorsitzender der Kommission Siegenthaler, ohne Komma dazwischen.

Wegen eines Kommafehlers ist auch schon ein Krieg ausgebrochen. Soweit wird es im vorliegenden Fall hoffentlich nicht kommen. Gleichwohl empfehlen wir allen Schreibenden, selber nachzulesen im Buch Eats, Shoots & Leaves: The Zero Tolerance Approach to Punctuation (2003) von Lynne Truss. Der Titel beruht auf einem Witz: Ein Panda kommt in ein Restaurant, isst eine Pizza, schiesst um sich und geht davon. Auf die Frage, was das soll, antwortet er, im Lexikon stehe unter „Panda“: „Black and white animal. Eats shoots and leaves.“

Martin Hellwig zur Schweizer Bankenregulierung

Bald endet die Vernehmlassungsfrist zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen gegen die faktische Staatsgarantie für Grossbanken (Revision des Bankengesetzes). All denen, die ihre Stellungnahme noch nicht abgegeben haben, sei dringend das Referat von Prof. Martin Hellwig vom kommenden Donnerstag in Bern empfohlen. Martin Hellwig ist einer der allerbesten Ökonomen im deutschsprachigen Raum und gehört auch weltweit zur Spitze. Wir kennen kaum einen Kollegen, der auch ausserhalb der Fachpublikationen derart präzise und klar denkt und spricht.

Im richtigen Film

Herr Karl Hugentobler schreibt in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag: „Setzen Sie sich doch als Ökonom mit der Substanz auseinander, anstatt sich als Schulmeister über Köppels Schreibstil zu entrüsten.“ Dann stellt er drei Fragen, die ich hier gerne beantworte (in Ergänzung meines Artikels in der NZZaS vom 9. Januar 2011):

Welche Bedeutung hat der Milliardenverlust der Zentralbank?
Wenn die Nationalbank Verlust macht, weil sie Euro verbrennt, erleidet die Schweiz einen volkswirtschaftlichen Verlust. Wenn die Nationalbank hingegen Verlust macht, weil der Euro gegenüber dem Franken verliert, ist die Schweiz wegen ihrer grösseren Kaufkraft im Ausland insgesamt reicher geworden; der Gewinn wird jedoch geringfügig geschmälert durch den Verlust in der Nationalbankbilanz.
Nach welchen Kriterien soll die Jahresrechnung und die Bilanz einer Zentralbank beurteilt werden?
Die Nationalbank soll überhaupt nicht an ihrer Jahresrechnung beurteilt werden, sondern an der Erfüllung ihres Auftrags der Preisstabilität. Der „Gewinn“ einer Notenbank ist ein Irrlicht. Ihren Gewinn maximiert eine Notenbank, indem sie bei der Notenpresse Vollgas gibt. Das möchten wir nicht.
Hat die erfolgte Vervielfachung/Erhöhung der Währungsreserven und Geldmenge negative Konsequenzen?
Ja, nämlich dann, wenn es der Nationalbank nicht gelingt, die Geldmenge rechtzeitig (bevor sie inflationäre Wirkung entfaltet), wieder abzuschöpfen. Dass die Geldmenge aufgebläht ist, ist eine direkte Folge der Bekämpfung der Finanzkrise. Die Normalisierung ist im heutigen internationalen Umfeld schwierig. Die Nationalbank hat eine Gratwanderung zu bestehen: Einerseits bedeutet eine Verringerung der Geldmenge einen Zinsanstieg; andererseits darf dadurch der Franken nicht zu stark werden. Es wird fast unmöglich sein, genau die Ideallinie zu fahren. Auch in der Vergangenheit, z.B. 1973 und 1978, gelang dies nicht ganz. Aber dies ist das Thema, das eine öffentliche Diskussion verdient — auch in der Weltwoche, falls ein sachkundiger und an der Sache interessierter Autor auffindbar ist.

P.S. Der ursprüngliche Eintrag enthielt einen nicht ganz unbedeutenden Schreibfehler („gewinnt“ anstatt „verliert“). Für den Hinweis danken wir Herrn Marc Meyer.

Im falschen Film

In der neuesten Ausgabe der Weltwoche erreicht die Hetze gegen die Nationalbank und ihren Präsidenten Philipp Hildebrand einen neuen, für mich bisher unvorstellbaren Höhepunkt. Kurzfassung: Chefredaktor Roger Köppel möchte den Präsidenten des Direktoriums absetzen. Der Artikel geht sogar so weit, Hildebrand zu vergleichen mit Jérôme Kerviel, der wegen unrechtmässig erzielter Verluste für seine Bank Société Générale zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde (in zweitletzter Instanz).

Es wäre verlockend, jetzt in den Nahkampf einzusteigen und im einzelnen zu zeigen, wie verdreht Köppels Vorwürfe allesamt sind. Sie sind es jedoch nicht wert, daher nur ein einziges Beispiel: Der Weltwoche ist es offenbar unwohl mit Ihrer Schlagzeile „La crise n’existe pas“, die sie wenige Tage vor der notwendigen Rettung der UBS durch Bund und Nationalbank publizierte. Sie will jetzt aber doch recht gehabt haben, da im Frühjahr 2010 alles schon wieder besser ausgesehen habe. Dass die Lichter in der Schweizer Wirtschaft aber nicht ausgegangen sind, liegt gerade daran, dass die Verantwortlichen bei Bund, FINMA und Nationalbank die Krise nicht geleugnet, sondern bekämpft haben. Zweimal falsch gleich richtig, rechnet die Weltwoche.

In der Schweiz darf man die Notenbank und ihre Exponenten ungestraft mit publizistischem Giftschlamm abspritzen. Die Unabhängigkeit der Presse ist ein hohes Gut. Ein ebenso hohes Gut ist die Unabhängigkeit der Nationalbank. Sonst würden nämlich Notenbankpräsidenten abgesetzt, weil sie der Politik oder der Presse nicht passen. So geschehen letztes Jahr in Argentinien, weil die Regierung kurzerhand dringend die Währungsreserven „brauchte“. Die Unabhängigkeit der Nationalbank hat uns über hundert Jahre eine Währung beschert, um die uns die Welt beneidet, und die den Grundstein unseres Finanzplatzes darstellt.

Gerade jetzt ist die Unabhängigkeit der Nationalbank besonders wichtig. Die Nationalbank hat an vorderster Front für eine Lösung des „Too big to fail“-Problems gekämpft. Nicht bei allen Bankvertretern ist dies populär. Daher die Angriffe unter allen Gürtellinien auf Präsident Hildebrand. „Er hat bewiesen, dass er es nicht kann“, zitiert die Weltwoche einen „der erfahrensten und intelligentesten Bankiers des Landes“. Anonym, selbstverständlich. Es gibt aber eine wachsende Zahl von Bankenvertretern, die verstehen, dass Staatshilfe den Finanzplatz langfristig untergräbt. Für sie wäre es höchste Zeit für ein „coming out“ — zugunsten der Unabhängigkeit der Nationalbank.