Endspiel Griechenland: Achtung Profis am Tisch!

Urs Birchler

In der neuen griechische Regierung sitzen mehrere Minister, die als Beruf „Ökonom“ und/oder „Mathematiker“ angeben könnten. Allen voran der neue Finanzminister Yanis Varoufakis. Varoufakis Spezialgebiet ist Spieltheorie (die Theorie strategischen Verhaltens); er hat u.a. zwei Lehrbücher dazu mitverfasst (siehe unten).

Dies verheisst den Gegenparteien wie EU, EZB oder IMF im Verhandlungspoker kein leichtes Spiel. Aber es erlaubt eine Vermutung, wie es kommen könnte, wenn alle Seiten rational spielen. Varoufakis hat seine Sicht bereits in einem Aufsatz vom Februar 2012 offengelegt: „Greek default does NOT equal Greek exit“. Er skizziert darin einen „dritten Weg“ zwischen Austerität Austritt aus der Euro-Zone. Im Klartext: „Greece must default within the eurozone!“

Strategisch geht das dann so: Griechenland ist nahe an einem Primärüberschuss. Die alten Schulden sind aber zu hoch. Diese sind zu kürzen (was in der Zwischenzeit auch bereits geschah). Das einzige Problem, das dann verbleibt, sind die griechischen Banken; sie sind weiterhin auf Unterstützung durch die EZB angewiesen. Es liegt aber gar nicht im Interesse der EU und der EZB, die griechischen Banken fallen zu lassen: „the ECB will not knowingly take steps which will destroy the eurozone“. Im Gegenteil: „Europe’s optimal strategy is to let Greece default, to allow the Greek government to find ways to live within its tax take for the next year or so and, at the same time, work out the Overall Solution to the euro crisis that was promised last year and never delivered.“

Der GREFAULT ist also das Resultat, wenn sowohl Griechenland als auch die EU je ihrer optimalen Strategie folgen. Das nennt man ein Nash-Gleichgewicht, und es liegt nahe, dieses als Prognose des Kommmenden zu verwenden.

Die EZB hat sich bereits selbst zu fesseln versucht mit dem Hinweis darauf, dass ihr ein Schuldenerlass gesetzlich untersagt sei. Der IMF seinerseits wird auf dem Vorrang seiner Guthaben bestehen. Verschiedene Politiker aus der EU haben einen Austritt Griechenlands als verkraftbar bezeichnet. Was aber, wenn Varoufakis‘ Poker aufgeht, und die EU (wie schon 2012) einen GREXIT letztlich eben doch nicht will, bzw. ihn sich nicht leisten kann?

Dann bleibt — spieltheoretisch — wohl nur ein dritter Weg innerhalb des dritten Wegs: Ein versteckter GREFAULT, bei dem die griechischen Schulden so umgemischelt werden, dass Griechenland lange nichts zahlen muss, aber die Gläubiger im Moment keine Abschreiber verbuchen müssen.

Studenten und Studentinnen sind herzlich eingeladen, den genauen Spielbaum zu zeichnen und Fehler in meiner Argumentation zu melden!

Yanis Varoufakis zur Spieltheorie:

  1. Rational Conflict, Oxford: Blackwell, 1991.
  2. Game Theory: A Critical Introduction (mit Shaun P. Hargreaves Heap), London, Routledge, 1995.
  3. Game Theory: A Critical Text (with Shaun Hargreaves-Heap), London and New York: Routledge, 2004.

Bankenrettung ohne Staat?

Urs Birchler

Der portugiesische Banco Espírito Santo muss (trotz Werbung durch Cristiano Ronaldo) gerettet werden. „Ohne Staatsgeld“, lügen die Verantwortlichen. Die Elemente der Rettung:

  1. Die Bank wird aufgespaltet in eine „bad bank“ und eine gute namens Novo Banco.
  2. Der Novo Banco erhält eine Finanzspritze von 4,9 Mrd. Euro.
  3. Der Novo Banco wird (bis zu einem Verkauf) übernommen von einem Auffang-Fonds, den die Banken selbst gebildet haben. Der Fonds hat aber nur wenig Mittel; der grösste Teil der 4,9 Mrd. Euro bestehen deshalb in einem Hilfskredit des Staates (aus Geldern der „Troika“, genauer: aus dem IMF/EU-Hilfsprogramm für Portugal).
  4. Die normalen Einleger kommen in die gute Bank; Aktionäre (von der Börse seit Juni schon mit einem Verlust von 90% gebeutelt) sowie nachrangige und „junior“ Gläubiger und erhalten die „bad bank“.

Die gute Seite: Aktionäre und ungeschützte Gläubiger werden nicht gerettet. (Ob auch Cristiano Ronaldo die bis 2022 versprochenen Werbeeinnahmen verlieren wird?). Die schlechte Seite: Ohne Geld vom Staat geht es immer noch nicht. Erstens ist auch Geld aus einem Banken-Rettungsfonds Steuergeld, nur wurde es anstatt von den allgemeinen Steuerzahlern von den Banken erhoben. Die guten Banken zahlen also für die schlechten. Zweitens war der Hilfskredit von knapp 5 Mrd. Euro kaum zu den geltenden Bedingungen am Markt erhältlich. Der portugiesische Staat subventioniert also den Novo Banco durchaus — trotz allen gegenteiligen Beteuerungen. Und hinter ihm (falls er nicht zahlen kann) die europäischen Geldgeber und der IMF (also ein kleines bisschen auch der Schweizer Steuerzahler).

Vollgeld

Urs Birchler und Monika Bütler

Die Vollgeldinitiative ist lanciert. Volles Geld bringt volle email Boxen mit Anfragen von interessierten Journalist(inn)en und Student(inn)en. Glücklicherweise hat unser emeritierter (HSG) Kollege Jörg Baumberger sich schon die Mühe genommen, die Argumente gegen eine Vollgeldreform aufzuschreiben. Fazit: Nicht die Geldschöpfung der Geschäftsbanken ist verantwortlich für die Instabilitäten des Finanzsektors. Banken müssen mit anderen Mitteln sicherer gemacht werden – durch höhere Eigenmittelvorschriften, zum Beispiel.

Alle Anfragen zur Vollgeldinitiative erhalten daher von uns den Link auf Jörg Baumbergers NZZ Artikel.

PS: Jörg Baumberger ist zwar emeritiert aber keineswegs eremitiert. Er ist nach wie vor sehr aktiv und bringt ökonomische Zusammenhänge wie eh und je luzide auf den Punkt.

Ehrendoktor an Banken-Kritikerin

Urs Birchler

Die Ökonomin Anat Admati ist seit heute Ehrendoktorin der Universität Zürich. Damit wurde diese Ehre nach Doug Diamond zum zweiten Mal hintereinander an eine(n) Vertreter(in) der Banken- und Finanztheorie vergeben.

Die ehemalige Studentin der Hebrew University, Jerusalem, ist heute (mit einem PhD von Yale) Professor of Finance and Economics in Stanford (CV). Ihre Forschung und Publikationen gelten Fragen der Informationsverarbeitung auf den Finanzmärkten und anderen Fragen auf dem Gebiet der sogenannten Mikrostruktur der Märkte.

Anat Admati gehört aber auch zur Gruppe jener Ökonomen, die nach der Finanzkrise aktiv die Öffentlichkeit gesucht haben und den Argumenten der Banken entgegengetreten sind. Das Buch The Bankers‘ New Clothes, verfasst mit Martin Hellwig, räumt auf mit den Argumenten der Banken, weshalb hohe Eigenmittel schädlich seien. Für Eilige: Eine kurze Zusammenfassung durch Admati im Video-Clip. Eine Zusammenfassung auf deutsch bei iconomix, in der FuW und in der FAZ.

Gefängnis für Staatshilfe?

Urs Birchler

Der Bundesrat muss eine Strafnorm vorbereiten für Banken, die Staatshilfe in Anspruch nehmen. Dies hat gestern der Ständerat im Einverständnis mit dem Nationalrat beschlossen.

Wie viele Strafgelüste ist auch dieses verständlich. Staatshilfe an private Unternehmen ist ein Unding, und die Banken haben nicht immer in Form von Bescheidenheit reagiert. Zudem wären Konkursdelikte (Gläubigerschädigung und Misswirtschaft) bereits unter geltendem Recht strafbar (Art. 164-165 StGB). Bloss greifen sie eben erst im Konkurs, der durch Staatshilfe gerade abgewendet wird. Es läge daher nahe, die Sanierung mittels Staatshilfe dem Konkurs und den Steuerzahler dem geschädigten Gläubiger gleichzustellen.

Strafbar wären die Bank (die aber im konkreten Fall eben gerade kein Geld hat) sowie deren Organe, d.h. Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Revisionsstelle. An die rechtlichen Probleme im Dreieck zwischen Strafrecht, Banksanierungsrecht (Art. 25ff. BankG) und den revidierten Sanierungsbestimmungen im SchKG, will ich mich jedoch nicht heranwagen. (Für rechtliche Hinweise — ohne Verantwortung für meinen Text — danke ich Sabine Kilgus.)

Es gibt genug ökonomische Probleme. Aus ökonomischer Sicht ist die Lust, Bankiers für Staatshilfe zu bestrafen, kaum auf vernünftige Art und Weise zu befriedigen. Dem Bundesrat stellen sich verschiedene Knacknüsse:

  • Strafe für Staatshilfe schreckt nicht nur davon ab, Risiken für die Bank einzugehen, sondern in erster Linie davon, eine entsprechende Funktion bei einer Bank überhaupt anzunehmen. Man kann auch die Todesstrafe für gescheiterte Banker einführen, darf sich dann aber nicht wundern, in dem Gewerbe nur noch Phantasten und Kriminelle zu finden. Ein lesenswerter Aufsatz dazu stammt von Daniel Zuberbühler.
  • Staatshilfe findet innerhalb einer Sanierung statt. Eine Strafbarkeit kann deshalb zu einer Verschleierung der Probleme und einer Verzögerung der Sanierung führen, in der Hoffnung, es komme alles wieder gut. In dieser Zeit besteht ein grosser Anreiz für die Bank, Risiken einzugehen („gambling for resurrection“).
  • Staatshilfe wird oft nicht auf Ersuchen der Bank, sondern auf Druck der Behörden geleistet. Namentlich, wenn Staatshilfe zu Strafen führt, wird sich eine Bankleitung hüten, Hilfe anzufordern. Vielmehr wird sie nachträglich behaupten, die Hilfe wäre gar nicht notwendig gewesen. Einzelne Beobachter haben denn auch die (kaum zutreffende) Meinung geäussert, die UBS hätte im Oktober 2008 gar nicht gerettet werden müssen.
  • Der Tatbestand „Staatshilfe“ ist sehr vage. Die Notenbanken der wichtigsten Länder haben in der Finanzkrise eine Geldschwemme und ein tiefes Zinsniveau verursacht, wovon alle Banken profitierten. Das ist auch Staatshilfe. Ferner haben Bund und Nationalbank mit der Rettung der UBS indirekt auch andere Schweizer Banken gerettet. (Die Massnahmen hiessen nicht bloss euphemistisch „Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems“.)
  • Banken nehmen täglich Staatshilfe an in Form kurzfristiger Kredite der Nationalbank. Dies gehört zum normalen Funktionieren der schweizerischen Geldversorgung. Die Grenze zwischen Liquiditätsmanagement, Liquiditätshilfe und Solvenzhilfe ist jedoch fliessend. Sobald die Nationalbank die Anforderungen an Kreditsicherheiten lockert, besteht die Gefahr impliziter Staatshilfe.
  • Staatshilfe kann auch in Form von Vermittlerdiensten erfolgen. Bringt die Notenbank wichtige Gläubiger an einen Tisch oder findet die Aufsichtsbehörde eine übernehmende Bank (für die sie vorübergehend die Eigenmittelbestimmungen lockert) — ist das dann Staatshilfe?
  • Sind die Schuldigen nur die Banken? Warum strafen wir nicht Aufseher, die versagt haben, oder die Geldgeber, die einer Bank Geld im Vertrauen auf die implizite Staatsgarantie geliehen haben?
  • Und was machen wir mit den Bankenvertretern, die unrealistische, d.h. zu riskante Renditeziele anvisiert, aber Glück gehabt haben? Wir büssen Raser ja auch nicht bloss dann, wenn sie einen Unfall verursacht haben.

Kurz: Das Parlament hat nicht den Mut, die Banken mit genügend hohen Eigenmittelanforderungen oder — ultima ratio — mit Grössenbeschränkungen und Aufteilung weniger systemrelevant zu machen. Dafür versucht es, uns mit einer Strafbarkeitspille zu beruhigen.

Arena: Grossbanken zerschlagen?

Urs Birchler

Vergangenen Freitag war ich als einer von zwei Experten in der SRF Arena zum Thema „UBS-Rettung: Genug gelernt?“ Heute früh fand ich im Veston meine Vorbereitungsnotizen (eine A4-Seite). Für diejenigen, die sich fragen; „Was geht in diesen Köpfen jeweils vor?“, tippe ich sie hier ab:

  • TBTF-Problem ungelöst.
    1. CH-Grossbanken: Bilanz immer noch 4-5 mal BIP (internationaler Spitzenwert).
    2. Eigenmittel von 3% der Bilanzsumme ungenügend (nicht höher als vor der Krise).
    3. Rating Agenturen bewerten faktische Staatsgarantie für GB fast so hoch wie Staatsgarantie der ZKB.
    4. UBS wurde mindestens 3 mal gerettet: Okt 2008; Datenlieferung USA Feb. 2009; Schonungsvolle Busse durch USA im Libor-Fall 2013 („too big to jail“)
  • Aufsicht versagt:
    1. Aufseher hat nur Karrierechance bei Bank oder (Banken-)Beratung.
    2. Aufsicht ist für Informationen von Bankbranche abhängig.
    3. Mentale Unterordnung gegenüber Grossverdienern und Verantwortlichen für Arbeitsplätze.
    4. Aufsicht verlässt sich selbst auch auf faktische Staatsgarantie für Banken.
  • Was tun?
    1. Internationale Konkurs/Sanierungs-Plattform für Banken (wird nie kommen…)
    2. Massiv höhere Eigenmittel für systemrelevante Banken.
    3. Schulden in EM wandelbar machen (im BankG bereits möglich; international helfen nur CoCos)
  • Was man nicht tun sollte (Schaden > Nutzen):
    1. Verbot Eigenhandel: Aufwand gross, Gewinn an Sicherheit gering.
    2. Trennbankensystem: Die klassische Systemkrise kommt aus dem Immobilienbereich (CH 1991; US: Savings&Loans 1980ff.; sogar US Subprime-Krise.)
    3. Verkleinerung der Banken (die dann gemeinsam fallieren; zudem: UBS müsste mindestens in 20 Banken aufgeteilt werden).

Was nicht auf dem Zettel steht, ist meine stille, manchmal schwindende Hoffnung, im Bankwesen könnten wir zur Marktwirtschaft zurückkehren: Verantwortung der Entscheidungsträger (Aktionäre und Grossgläubiger) ohne staatliche Eingriffe, die wir letztlich in ihren Folgen nicht durchschauen.

Fama: „dramatisch“ mehr Eigenmittel

Urs Birchler

Gestern hat Eugene Fama den Nobelpreis erhalten, morgen gedenken wir der UBS-Rettung vor fünf Jahren. Die Verbindung zwischen den beiden Ereignissen findet sich in einem früheren Batz-Beitrag über ein Fernsehinterview mit Eugene Fama vom Fri 28 May 2010 (Video).

Fama spricht im Interview über die hohe (Informations-)Effizienz der Finanzmärkte und deren Rolle in einer Marktwirtschaft sowie (gegen Schluss des Interviews) über TBTF (faktische Staatsgarantie für Banken) als den Markt pervertierenden Eingriff („Dies ist nicht Kapitalismus“). Die richtige Medizin sieht er nicht in einer — meist nutzlosen — Detail-Regulierung sondern in „dramatisch höheren Eigenmittelanforderungen“ für Banken, „nicht von drei Prozent auf fünf Prozent, sondern auf vielleicht 40 oder 50 Prozent“ (gemeint in Prozenten der Bilanzsumme).

Warum Deutsche weniger vermögend sind als Griechen

Monika Bütler

(Kolumne NZZ am Sonntag, 21. April 2013)

Wohlgenährte deutsche Häuslebauer, bedürftige Griechen – an die Bilder haben wir uns gewöhnt. Nun werden sie gestört: Die vor kurzem veröffentlichten Statistiken der Europäische Zentralbank wollen so gar nicht passen zu den armen Südeuropäern, die von den knausrigen Deutschen kurz gehalten werden. Deutsche Haushalte sind im Mittel weniger vermögend als die Haushalte in Italien, Spanien, Griechenland und Zypern.

Eine Sensation, würde man meinen. Anders als viele Studien, die es in die Schlagzeilen schaffen, stammen die Zahlen aus einer langjährigen und wissenschaftlich seriös durchgeführten Datenerhebung. Also: europaweit grosse Zeitungsartikel? Weit gefehlt: Die Resultate werden nur verschämt präsentiert. Selbst in Deutschland üben sich Medien und Politik nur ein einem: dem verzweifelten Versuch, Deutschland reich zu rechnen.

Viele Gründe werden angeführt, weshalb den Statistiken nicht zu trauen sei. Die Haushalte seien unterschiedlich gross. Die Hauseigentümer-Quoten und die Entwicklung der Immobilienpreise seien von Land zu Land sehr verschieden. Das stimmt alles. Nur: Die Lektüre des Berichts samt Methodenteil haben sich die Kommentatoren offenbar erspart: Da steht nämlich alles schon drin. Also auch, dass Haushaltgrösse und Immobilienpreise nicht reichen, um das Bild umzukehren. Wie man es auch immer dreht und wendet: Südliche Haushalte haben nicht weniger Vermögen als die nördlichen. Dabei behauptet niemand, Deutschland sei arm. Die Suche nach dem richtigen Trick, Deutschland doch noch reich aussehen zu lassen, ist ohnehin müssig. Viel gescheiter wäre es, zu fragen, weshalb die deutschen Haushalte im Vergleich zu den südlichen so arm an Vermögen sind. Oder mindestens so aussehen.

Mein Versuch einer Erklärung: Die Deutschen können, müssen und wollen weniger sparen.

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Zypern

Urs Birchler

Einer unserer Leser schreibt: „Da kochen doch gröbere Geschichten hoch in EU-Land … und Batz schweigt?“ Recht hat er, nur: Erstens wollen Vorlesungen vorbereitet sein. Und zweitens: Nachdem sich schon Paul Krugman und Vladimir Putin einig sind, was können wir noch beitragen?

Daher ultra-kurz meine Einschätzung:

  1. Eine Bankensanierung mittels Gläubigerschnitt wäre grundsätzlich die bessere Alternative zur Rettung auf Staatskosten. Ein solcher Schnitt muss aber im voraus gesetzlich oder vertraglich festgelegt, nicht nachträglich verordnet werden.
  2. Die EU-Richtlinie zum Einlegerschutz verlangt von den Mitgliedländern eine Sicherung von Fr. 100’000 pro Einleger. Guthaben unter 100’000 anzutasten, widerspricht Treu und Glauben.
  3. Ein Abschlag auf gesicherte Einlagen zerstört das Vertrauen in die Einlagensicherung auch in anderen EU Ländern.
  4. Die EU-Einlagensicherung ist weitgehend Fassade. Die versicherten Einlagen sind lediglich zu rund 1,5 Prozent gedeckt, und die Sicherungsträger haben (anders als in USA, Schweiz u.a.) kein Konkursprivileg, das ihnen vorrangigen Zugriff auf das Bankvermögen garantiert.
  5. Die EU hat es versäumt, nach der Finanzkrise ein brauchbares Insolvenzrecht für Banken zu erlassen, daher kann sie erneut nur improvisieren.

Sehr durchdacht kommt mir das Rettungspaket insgesamt nicht vor.

Ähnliche Einschätzungen in Der Spiegel, bei FT-Alphaville oder bei Charles Wyplosz.

Die Tücken der Jugendarbeitslosigkeit

Monika Bütler

Wer kennt sie nicht, die alarmierenden Zahlen – vor allem aus den südlichen Ländern: Über 50% Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland, 30-40% in den anderen PIIGS Ländern Portugal, Italien und Irland. Doch was heisst das genau? Sechs namhafte Wissenschaftler sind der Frage nachgegangen (Giuseppe Bertola, John Driffill, Harold James, Hans-Werner Sinn, Jan-Egbert Sturm und Akos Valentinyi). Ihre spannenden Resultate finden sich im EEAG Report on the European Economy (chapter 3: auch online erhältlich).

50% Jugendarbeitslosigkeit heisst eben gerade nicht, dass jeder zweite Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist. Die Arbeitslosigkeit wird nämlich gemessen als Anteil der Erwerbslosen an der Erwerbsbevölkerung in einer Altersklasse. Zwischen 15 und 24 Jahren befinden sich die meisten jungen Menschen noch in der Schule, im Studium oder sonst in einer Ausbildung, sie gehören somit nicht zur Erwerbsbevölkerung. Die klassisch gemessene Arbeitslosenquote überschätzt das Problem, da nur eine Minderheit der Jugendlichen (und meist erst noch diejenigen mit schlechter Ausbildung) überhaupt zur Erwerbsbevölkerung gehört.  

Ein einfaches Zahlenbeispiel illustriert dies schön: Nehmen wir an, dass sich zwei Drittel der 15-24 jährigen in Ausbildung befinden (dies entspricht ungefähr den realen Verhältnissen). Somit gehört höchstens ein Drittel der Jungen überhaupt zur Erwerbsbevölkerung. Ist nun die Hälfte von ihnen ohne Arbeit, so beträgt die statistisch gemessene Arbeitslosigkeit 50%. Dies obwohl „nur“ ein Sechstel der Jugendlichen insgesamt betroffen ist.

Setzt man die Anzahl der jungen Arbeitslosen in Relation zur Gesamtbevölkerung im gleichen Alter (es dürften ja fast alle prinzipiell erwerbsfähig sein), so erhält man für alle Länder deutlich tiefere Zahlen. Zwar ist immer noch jeder fünfte junge Spanier und jeder sechste Grieche arbeitslos, aber der Unterschied zu „mehr als die Hälfte“ ist offensichtlich gross. Bei den Italienern ist jeder 10 Jugendliche ohne Arbeit oder Ausbildung, bei den Deutschen nur einer in 25.

Etwas anderes fällt bei der Lektüre des Reports auf. Die europäischen Länder haben die (vermeintlichen) Boom-Jahre vor der Finanzkrise nicht genutzt, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen. Auch in „guten“ Zeiten lag die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland und Italien bei rund 25%, in Spanien und Portugal bei rund 20%.

Fazit: Die traditionell gemessenen Arbeitslosenquoten lassen das Problem Jugendarbeitslosigkeit viel schlimmer aussehen als es wirklich ist. Das heisst nicht, dass die betroffenen Länder nicht etwas unternehmen sollten – im Gegenteil. Auch 20% Jugendliche ohne Arbeit sind viel zu viele. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit schon vor der Krise zeigt, dass das Probleme wahrscheinlich in den völlig verkrusteten Arbeitsmärkten liegt. Am Elend der Jungen der in den südeuropäischen Staaten sind nicht primär die Finanzkrise und schon gar nicht die geizigen Nordeuropäer „schuld“