UBS und Aktienrendite: Replik

Urs Birchler

Zum Eintrag Die UBS und ihre Aktienrendite hat uns Sergio P. Ermotti persönlich den folgenden Kommentar zugestellt.

Normalerweise reagiere ich nicht auf solche Forums-Beiträge, aber Ihre “richtig”- und “nicht richtig”-Analyse möchte ich doch nicht unkommentiert stehen lassen. Aus der Feder von Wirtschaftsprofessoren haben solche Zeilen Gewicht. Sie sollten daher einem akademischen Anspruch gerecht werden. Ich bin aus den folgenden Gründen überzeugt, dass sie dies nicht tun:

Zu 2) Ich habe in dem Artikel nicht behauptet, dass die Eigenkapitalkosten exogen gegeben sind. Eigenkapitalkosten, d.h. die von unseren Investoren am Markt geforderte Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals, reflektieren selbstverständlich Faktoren wie die Strategie von UBS oder das Risikoprofil. Diese Faktoren bestimmt das Management der Bank und somit beeinflussen wir auch die Eigenkapitalkosten. Ich habe am Investorentag von UBS die Strategie der Bank klar aufgezeigt. Auf dieser Basis ergibt sich im Markt eine geforderte Eigenkapitalverzinsung. Analysten schätzen für UBS, dass die Eigenkapitalkosten von UBS heute bei ca. 11 bis 14% liegen, dies unter Berücksichtung unserer Pläne, die Risiken weiter deutlich zu reduzieren und unser globales Vermögensverwaltungsgeschäft und die Universalbank in der Schweiz ins Zentrum zu stellen.

Zu 4) Hier erscheint mir die Argumentation doch sehr in einer idealisierten Welt gemacht zu werden. In einer Modellwelt, in der alle Spieler gleich sind, kann in einer Gleichgewichtssituation niemand eine Überschussrendite erzielen, da haben Sie Recht. In der Welt in der wir leben gibt es jedoch keine homogenen Unternehmen. Jedes Unternehmen muss den Anspruch haben, mindestens die geforderte Eigenkapitalverzinsung für seine Investoren zu erreichen. Einigen Unternehmen wird dies gelingen, da sie ein gutes Management, gute Prozesse und gute Risikokontrolle haben. Solche Unternehmen können bei gleichem Risiko einen Mehrwert für die Investoren schaffen. Anderen Unternehmen wird dies nicht gelingen und solche Unternehmen werden irgendwann vom Markt verdrängt.

Zu 5) Ich kann nicht nachvollziehen, auf welcher Basis Sie zu dem Schluss kommen, dass unsere angestrebte Eigenkapitalrendite von 12 bis 17% über einen Konjunkturzyklus hinweg für Beunruhigung sorgen sollte. Wie oben bereits erwähnt erwarten unsere Investoren von UBS nach Kenntnis unserer Strategie und unseres Risikoprofils eine Eigenkapitalverzinsung von ca. 11 bis 14%. Diese Rendite müssen und werden wir mit dem vorgestellten Risikoprofil erwirtschaften. Würden wir mehr Risiken eingehen, dann würde das in unserer Quartalsberichterstattung sichtbar werden und der Markt würde seine geforderte Risikoprämie erhöhen. Jedes Unternehmen, das nicht mindestens die geforderten Eigenkapitalkosten erwirtschaften kann, hat langfristig seine Existenzberechtigung verloren. Wenn das Marktumfeld insgesamt solche Renditen nicht für alle Spieler erreichbar macht, dann wird der Sektor konsolidieren. Genau in diesem Prozess sind wir: unrentable Geschäftsbereiche (insbesondere unter den neuen Basel III Regeln) werden geschlossen und die Kosten werden gesenkt.

Mir ist sehr an einer sachlichen Diskussion dieser Inhalte gelegen. Eine politisierende Sprache wie “irreführend” oder “beunruhigend” ist weder zielführend noch angemessen.

Sergio P. Ermotti

Anmerkung: Das Referat von Herrn Ermotti am Investorentag findet sich hier.

Die UBS und ihre Aktienrendite

Urs Birchler und Alexander Wagner

Kürzlich gab Sergio Ermotti, CEO von UBS, ein Interview mit Finanz und Wirtschaft (15.9.2012). Daraus eine Frage und die (nicht allzu beruhigende) Antwort.

Sie haben das Ziel erwähnt, auf Gruppenebene 12 bis 17% Eigenkapitalrendite zu erreichen. Analysten schätzen die Kapitalkosten der UBS auf 11 bis 14%. Der neue CEO von Barclays hat als erste Amtshandlung erklärt, das Ziel der britischen Grossbank sei neu, mindestens die eigenen ­Kapitalkosten zu verdienen. Auf eine fixe Vorgabe des Return on Equity verzichtet er. Wieso halten Sie trotzdem an einem klar definierten RoE-Ziel fest?
Weil die Aktionäre ein Recht darauf haben, zu wissen, was wir mit ihrem Geld erreichen wollen. Die Aufgabe besteht darin, das Geschäftsmodell so auszurichten, dass die angestrebten 12 bis 17% Eigen­kapitalrendite zustande kommen. Als kotierte Bank wären wir unglaubwürdig, wenn wir nicht das Ziel hätten, mindestens unsere Kapitalkosten zu decken. Über den mehrjährigen Zyklus betrachtet darf der Aktionär zudem eine Prämie erwarten. Wenn wir ausserdem die Volatilität des Ertrags reduzieren, lassen sich mit der Zeit sogar die Kapitalkosten senken.

Was ist hier richtig und was nicht ganz?

  1. Richtig: Die Aussage, eine Unternehmung müsse ihre Kapitalkosten längerfristig decken können. Denn tatsächlich verschwindet sie sonst aus dem Markt.
  2. Irreführend: Die Annahme, die Kapitalkosten seien der Bank als exogenes Ziel für die Eigenmittelrendite (return on equity, ROE) vorgegeben. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: Die Kapitalkosten widerspiegeln die von der Bank beim Streben nach Eigenmittelrendite eingegangenen operativen und finanziellen Risiken, da die Investoren je nach Risiko eine entsprechende Risikoprämie verlangen. Der Versuch, eine hohe Eigenmittelrendite zu erzielen führt daher zu hohen Kapitalkosten — und nicht umgekehrt, wie behauptet.
  3. Richtig: Die Aussage, eine tiefere Volatilität der Erträge führe zu tieferen Kapitalkosten (wie gesagt: die Kapitalkosten sind die Folge, nicht die Ursache.) Dies gilt ceteris paribus, also zum Beispiel wenn die Marktvolatilität nicht noch stärker fällt.
  4. Falsch: Die Behauptung, über den mehrjährigen Zyklus dürfe der Aktionär eine Prämie (=Aktienrendite–Kapitalkosten) erwarten. Hier beisst sich die Katze in den Schwanz. In einem kompetitiven Markt gibt es keine Extra-Prämie, denn die Risikoprämie ist ja gerade die Quelle der Kapitalkosten.  Abweichungen gibt es nur, wenn zum Beispiel die Aktionäre systematisch die Risiken der Unternehmung unterschätzen oder mit Staatshilfe rechnen.
  5. Beunruhigend: Die Zielsetzung, zweistellige Zahlen für die Eigenmittelrendite anzustreben. Auch der angegebene Bereich von 12-17 Prozent ist noch hoch. Der Versuch, die Eigenmittelrendite im zweistelligen Bereich zu halten, kann kaum ohne entsprechende Risiken gelingen (zumal im gegenwärtigen Umfeld eines tiefen Zinsniveaus).

Die Problematik ist insofern brisant, als die Eigenmittelrendite die Mutter allen Unglücks im Bankensektor ist. Ein Ziel für den RoE ohne Berücksichtigung der Risiken haben wir in diesem Blog schon früher kritisiert.

P.S.: Unser Beitrag wurde zitiert im Tages-Anzeiger von heute (S. 16; ohne Hinweis auf batz.ch) und mit einer schönen Ergänzung von Mark Dittli (und Hinweis auf batz.ch) in der Finanz und Wirtschaft.

LIBOR-Reform

Urs Birchler

Die britischen Behörden haben heute die Pläne zur Reform des LIBOR vorgestellt. Die Reform ist die Antwort auf Manipulation der von der British Bankers Association berechneten LIBOR-Sätze durch die beteiligten Banken.

Sowohl das Treasury, als auch die FSA haben je eine eigene Webpage eingerichtet (Treasury, FSA), auf der die relevanten Dokument zur Verfügung stehen, namentlich der Wheatley Report und die dazugehörige Pressenotiz.

Hier das Wichtigste in Kürze[der Eintrag wird bei Bedarf aktualisiert]:

  • Der LIBOR wird vorerst nicht ersetzt. Er ist „broken but not beyond repair“. [Das scheint vernünftig. Zu viele ausstehenden Verträge beruhen auf dem LIBOR. Ferner ist es eineswegs einfach, einen Ersatz zu finden, der mehr Vor- als Nachteile hat.]
  • Sowohl die Berechnung, als auch die Datenlieferung durch die Banken werden inskünftig beaufsichtigte Aktivitäten (und für Missetaten werden Strafen eingeführt).
  • Die Berechnung des LIBOR soll auf einen neuen Träger übertragen werden. Dieser wird durch einen Submissionsprozess bestimmt. Der Bericht weist auf das Problem hin, dass die Berechnung kommerziell nicht lohnend sein könnte (private Kosten/öffentlicher Nutzen). [Unklar scheint, ob ausländische Bewerber das Rennen machen könnten, oder ob das „L“ in LIBOR gesetzt ist.]
  • Der neue Träger der Berechnung soll möglichst rasch selber einen Code of Conduct für die am LIBOR beteiligten Banken vorlegen.
  • Grössere Transparenz (ab sofort) soll der Manipulation vorbeugen: Die von den Banken der BBA gemeldeten Sätze sollen nach 3 Monaten publiziert werden. [Dies könnte gleichzeitig auch „window dressing“-Anreize liefern, wenn die Banken gut aussehen wollen]
  • Ein reines Abstellen auf effektiv getätigte Transaktionen wird abgelehnt, da die Märkte gerade in Stress-Zeiten zu dünn sind.

Der Bericht weist auch darauf hin, dass Marktteilnehmer die ihren Verträgen zugrunde liegenden Basissätze mit Bedacht wählen sollen.

Weiteres zum Libor in früheren Batz-Einträgen: Einfache Arithmetik und Wer beerbt den LIBOR.

Staatshilfe-Poesie

Urs Birchler und Sandra Ujpétery

Den Begriff „Bailout“ kannte man im 19. Jahrhundert noch nicht, aber Spekulanten – offenbar auch solche, die auf Staatshilfe hofften – schon. Sie waren nicht beliebt, wie das folgende, von Sandra gefundene Spottgedicht zeigt. Der „Stoßseufzer eines verunglückten Spekulanten“ wurde gegen die Gründung der Zürcher Kantonalbank geschrieben, die Grossrat Johann Jakob Keller aus Fischenthal 1866 gefordert hatte.

Gebrannte Kinder …

Urs Birchler

… fürchten das Feuer, sagt der Volksmund. Daher könnte man erwarten: Banken, die gerettet werden mussten, sind nachher besonders vorsichtig. Aber ist das so? Die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) in Basel hat dazu eine Studie von Michael Brei und Blaise Gadanecz veröffentlicht (Dank für den Hinweis an die Blick-Redaktion, die mit mir ein Interview geführt hat). Die Autoren vergleichen (am Beispiel des Markts für syndizierte Unternehmenskredite) das Verhalten der Banken, die in der Finanzkrise gerettet werden mussten, mit dem der Banken, die nicht gerettet werden mussten. Sie finden:

  • Sowohl die geretteten als auch die nicht-geretteten Banken reduzierten das Volumen der (syndizierten) Kredite nach der Finanzkrise von 2008.
  • Die geretteten Banken gingen nach der Rettung immer noch höhere Risiken ein als die anderen (wohl ebenfalls systemrelevanten) Banken.
  • Die geretteten Banken schlossen vor der Rettung riskantere Geschäfte ab als die später nicht geretteten Banken; sie scheinen auch eher schlecht bezahlte Risiken auf sich genommen zu haben.

Die Studie besagt allerdings nicht (1.) dass grosse (systemrelevante) Banken riskanter sind, da sie mit Rettung rechnen dürfen (alle Banken in der Untersuchung dürften systemrelevant sein) oder dass (2.) gerettete Banken eindeutig riskanter wären als nicht gerettete (nur der Sektor der syndizierten Anleihen wurde untersucht; ob dieser repräsentativ ist für das gesamte Bankgeschäft, bleibt offen).*

Dass die geretteten Banken nicht in Scham erstarrt sind und alle Risiken über Bord geworfen haben (zum Glück), überrascht nicht wirklich. Wichtig ist nicht, ob eine Bank gerettet wurde, sondern ob sie (bzw. ihre Geldgeber) beim nächsten Mal mit einer Rettung rechnen darf. Hierin dürften sich die geretteten und die nicht-geretteten kaum wesentlich unterscheiden. Was ich aber nie ganz verstanden habe: Weshalb die Retter (die Staaten) nicht viel kräftiger in die Risiokopolitik der geretteten Banken eingegriffen haben (und weshalb die Aktionäre der zu rettenden Banken immer wieder geschont werden).

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* Eine unterschiedliche Wirkung nach Grösse der Bank finden Lamont Black und Lieu Hazelwood in einem FED-paper bezüglich des amerikanischen TARP-Hilfsprogramms von 2008: TARP führte nicht zu der angestrebten Ausweitung des Kreditgeschäfts, aber zu einer unterschiedlichen Risikopolitik: Grosse Banken vergaben Kredite mit schlechterem Rating, kleine Banken solche mit besserem Rating.

Connecting Minds

Urs Birchler

Das Swiss Finance Institute zusammen mit NCCR/FinRisk hat unter dem Titel Connecting Minds ein neues Programm lanciert, das Praktiker und Forscher zusammenbringen will. Am Abend des 9. Oktober beispielsweise findet in Zürich eine kleine Konferenz mit illustren Namen statt (Jean-Charles Rochet, Claudio Borio, Barbara Ridpath, Hyun Song Shin, Markus Staub). Titel: „The post-crisis banking regulatory environment: A Swiss first-mover advantage?“ Die Schweiz wieder voraus? Da bin ich aber gespannt.

Finanzplatz für oder gegen Werkplatz?

Urs Birchler

Der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Stephen Cecchetti, hat mit seinem Kollegen Enisse Kharroubi ein Arbeitspapier publiziert, das einen U-förmigen Zusammenhang zwischen der Grösse des Finanzsektors und der Produktivitätsentwicklung der Wirtschaft findet. Kurz: Der Finanzsektor ist unabdingbar für die wirtschaftliche Entwicklung, doch ab einer gewissen Grösse wird er zur Bürde. Beispielsweise, weil Physiker Derivate berechnen statt Turbinen.

P.S.: Stephen Cechetti wird seine These am kommenden Donnerstag, 6. September, am SUERF Colloquium in Zürich vorstellen.

Staat–Banken–Wirtschaft

Urs Birchler

Am 5./6. September findet an der Universität Zurich das 30. SUERF Colloquium statt. Es trägt den Titel: „States, Banks, and the Financing of the Economy“.
Wichtige Referenten werden sich mit den wirtschaftlich-politischen Folgen der Finanz- und Schuldenkrise auseinandersetzen. SUERF (Société Européenne de Recherches Financierès) ist ein nicht gewinnorientiertes Netzwerk von Vertretern aus Universitäten, Notenbanken und Praxis. Das Colloquium ist öffentlich (Platzzahl beschränkt). Alles weitere: siehe Programm.

[Transparenzhinweis: Der Autor dieses Eintrags ist Präsident des Council of Management von SUERF. In dieser Funktion möchte er auch hier allen Sponsoren und anderen Beteiligten, die das Colloquium möglich machen, ganz herzlich danken.]

Einfache Arithmetik

Inke Nyborg

Diese Tage ist es leicht zu vergessen, dass es nicht nur einen Liborsatz gibt, sondern viele. Der Liborsatz, der zur Zeit unter Investigation steht, und der auch gestern wieder im Mittelpunkt der Fragenrunde des Finanzausschusses im britischen Unterhaus steht, ist essentiell der US-Dollar 3-Monats- Libor. Es gibt jedoch, wie bekannt, noch viele mehr. Je nach Währung und Laufdauer bestimmen 7 bis 18 Banken die verschiedenen Liborsätze. Das scheint auf dem ersten Blick kompliziert, summiert es sich doch bei 10 Währungen und 15 Laufdauern schnell zu 150 verschiedene Sätzen. Festgelegt wird der Libor jedoch durch eine relativ einfache Kalkulation („trimmed arithmetic mean“): Die höchsten und tiefsten 25% von den Banken gebotenen Werte werden gestrichen; aus dem Rest wird das arithmetische Mittel errechnet. Dieses Verfahren wurde so bestimmt, weil es durch die Eliminierung der Sonderfälle – laut der British Bankers‘ Association – das Risiko zur Manipulation am geringsten hält. Jedoch zeigte bereits vor zwei Jahren ein Paper von Rosa M. Abrantes-Metz, Sofia B. Villas-Boas und George G. Judge mit Hilfe des Benfordschen Gesetzes auf, dass sich die Liborsätze zwischen 2005 und 2008 überaus verdächtig verhielten. Das Benfordsche Gesetz, auch bekannt als Newcomb-Benford’s Law, steht für eine bestimmte Gesetzmässigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen. Doch wie es scheint braucht es keine speziellen statistischen Kentnisse, um Zweifel an der Objektivität der Liborfestlegung zu haben. Neue Forschung von Andrew Verstein, welche zum Ende des Jahres im Yale Journal on Regulation erscheinen wird, deutet an, dass eine Manipulation von Libor auch ohne eine kartellähnliche Absprache unter den teilnehmenden Banken möglich ist. Versteins Arithmetik zu wie eine Bank alleine von einem Tag auf den anderen den Liborsatz um ausschlaggebende Prozentpunkte beeinflussen kann ist erstaunlich einfach und durchaus plausibel – und kann hier nachgelesen werden.