Kantonal-Bank-Gross-Räte

Urs Birchler

Kürzlich haben wir Parteizugehörigkeit von KB-Bankräten in ZH un BS verglichen. Dabei sind Bankräte oft nicht nur Parteimitglieder, sondern sitzen gleichzeitig in den Kantonsparlamenten (sie kontrollieren also, salopp gesagt, sich selbst). Claudio Kuster hat in einem Tweet auf die entsprechende Statistik verlinkt. Kurzfassung: Basel (7) „führt“ vor Schaffhausen (4).

Wirtschaftswissenschaften für alle

Urs Birchler

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Unsere Kinder durften in der Schule Bücher bestellen. Und womit kommt unser 11-jähriger nach Hause? Zum gelinden Entsetzen der Ökonomen-Eltern mit einem Buch Economics! Von aussen sieht’s zwar nicht schlecht aus. Und auch nach ausführlicher Innenbesichtigung müssen wir zugeben: echt gut. Geeignet für Nicht-Ökonomen und Ökonominnen gleichermassen.

Einige Wochen später: Vortrag über eine berühmte Persönlichkeit (Mensch und Umwelt). Und wen wählt der Junior? Einstein? Falsch. Federer? Falsch! Julius Cäsar? Erratum! Viel einfacher: Milton Friedman. Den Namen hat er bestimmt nicht am Familientisch aufgeschnappt. Aber eigentlich hat er Recht: Was ist denn besser als free to choose?

Ehrendoktorat für Bank-Run Forscher

Urs Birchler

Die Universität Zürich hat heute den Ehrendoktor verliehen an Douglas Diamond (University of Chicago) für seine Arbeiten zur Theorie der Banken und der Finanzintermediation. Doug Diamond hat eine eindrückliche Liste von Publikationen zu Themen wie Banken, Fragilität der Finanzmärkte sowie Finanzkrisen — die meisten verfasst längst vor der jüngsten Finanzkrise. Am berühmtesten sind zwei ältere Arbeiten Publikationen:

Im zweitgenannten Aufsatz zeigen die Autoren, dass die Verletzlichkeit gegenüber Bank Runs (Schalterstürmen) zum Wesen einer Bank gehört. (Eine Bank, welche die „Goldene Bankregel“ befolgt ist daher keine Bank). Der Bank Run kann auch eine solvente Bank treffen, wenn die Einleger aus irgend einem Grund in Panik geraten. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entscheidungssituation reduziert auf zwei Spieler.

Wenn beide Spieler warten, d.h. ihr Geld in der Bank belassen, bleibt die Bank bestehen; beide Spieler erhalten am Ende je 3 Franken. Wenn ein Spieler in Panik gerät, und sein Geld abzieht, muss die Bank ihre Vermögensteile notfallmässig verkaufen, wobei sie insgesamt 2 Franken löst. BankRunMatrix Diese erhält der abziehende Spieler, der wartende geht leer aus. Wer dem Gegenspieler nicht traut, wird also bessser auch zur Bank rennen. Im Durchschnitt erhalten dann beide je einen Franken (obwohl immer der schnellere gewinnt). Sowohl „Warten/Warten“ als auch „Abziehen/Abziehen“ sind Gleichgewichte, d.h. Spielausgänge, bei denen keiner der Beteiligten seine Entscheidungen bereut.

Das Diamond-Dybvig-Modell ist, wie Beispiele von Northern Rock bis Zypern zeigen, nach wie vor aktuell und wird es wohl auch noch bleiben. Jedenfalls hat Douglas Diamond seinen ersten (!) Ehrendoktortitel redlich verdient. Wir gratulieren ihm ganz herzlich!

Das garantierte Grundeinkommen: Eine (leider) nicht bezahlbare Idee

Von Florian Habermacher und Gebhard Kirchgässner

In der Schweiz wurde eine Initiative zur Einführung eines garantierten Mindesteinkommens lanciert. Gedacht ist an eine Rente in Höhe von 2’500 CHF für Erwachsene und 625 CHF für Kinder. Der Gesamtaufwand betrüge etwa 200 Milliarden CHF. Das von den Initianten vorgeschlagene Finanzierungskonzept trägt nicht. Aber auch eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer oder über die Einkommensteuer wäre nicht realisierbar. Damit zeigt sich wieder einmal das bereits aus anderen Studien bekannte Ergebnis, welches analog auch für das Konzept der Negativen Einkommensteuer gilt: Ein garantiertes Mindesteinkommen ist entweder zu niedrig, um (ohne zusätzliches Einkommen) ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, oder es ist, falls es dazu hoch genug ist, nicht finanzierbar. Zudem ist ein bedingungsloses Grundeinkommen auch aus ethischer Perspektive kaum zu rechtfertigen. Dieser Beitrag wurde kürzlich in der Ökonomenstimme publiziert.

Hier gehts zum Artikel: Garantiertes Grundeinkommen

Deutsch reich?

Monika Bütler und Urs Birchler

Der Deutschen Bundesbank ist der Geduldsfaden offenbar gerissen. Seit geraumer Zeit werkelt die EZB an der Auswertung einer neuen Erhebung (alles dazu auf einer speziellen Internetseite). Gegenstand: die Haushaltsvermögen in Europa. Ländervergleichend. Normalerweise werden die Ergebnisse solcher Grossuntersuchungen mit gebührendem Pomp vorgestellt. Diesmal ganz anders: Die EZB traut sich anscheinend nicht. Deshalb erfahren wir die Ergebnisse (zum Teil) aus einer eher verschämten Pressemeldung der Deutschen Bundesbank (die auch ein Arbeitspapier zur Methodologie hat.).

Und die Resultate zu den Haushaltsvermögen sind — gelinde gesagt — interessant: „Durchschnitt in Deutschland nicht weit unter den anderen großen Ländern“, steht unter der nachstehenden Tabelle aus der Pressenotiz zur „vorauseilenden Beschwichtigung“ der Leser.

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Deutschland ärmer als Spanien? Das wird zu reden geben, und als erstes wird man die Zahlen relativieren. Aber der Europahymne „Deutschland soll zahlen!“ geben die Zahlen bestimmt keinen Auftrieb!

Kapitalverkehrskontrollen und die Schweiz

Urs Birchler

Mit dem auf heute abend erwarteten Rettungspaket für die zypriotischen Banken wird voraussichtlich eine weitere tragende Wand des EU-Gebäudes eingerissen, nämlich die Freiheit des Kapitalverkehrs.

Artikel 63 EU-Vertrag
(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Damit ist ein Euro in Zypern nicht mehr gleich einem Euro in Frankfurt, wie die FT schreibt. Gleichzeitig entsteht im EU-Raum ein neues Delikt Kapitalflucht. In der Schweiz ist Kapitalflucht kein Strafdelikt, ebensowenig wie Majestätsbeleidigung oder Steuerhinterziehung. Damit haben wir gleich nochmals dasselbe Problem wie mit der Steuerhinterziehung: Die Schweiz darf Zypern keine Rechtshilfe leisten, wenn Geld aus zypriotischen Banken oder Matratzen in die Schweiz gelangt. Friktionen sind vorgespurt. Aber Zypern bleibt ja ein Einzelfall…

UBS und Abzockerinitiative

Urs Birchler

Wie der Tagesanzeiger meldet, geht die UBS voran: Sie schafft — wie von der Abzockerinitiative verlangt — das Organ- und das Depotstimmrecht ab. Offenbar versteht sich die Bank unter dem neuen VR-Präsident der Bank, Axel Weber, wieder vermehrt als Teil der Gesellschaft.

Allerdings: Ohne Organ. und Depotstimmrecht gäbe es die UBS in ihrer heutigen Form gar nicht. In den 1990er Jahren war die UBS, damals noch als SBG, Ziel eines erbitterten Übernahmeversuchs seitens von Martin Ebner und seiner BZ-Gruppe. Die Entscheidungsschlacht — formell eine Abstimmung über die Wiedereinführung der Einheitsaktie — stand auf der Kippe: Schliesslich „gewann“ der UBS-Verwaltungsrat hauchdünn (er übertraf die notwendige Zweidrittelsmehrheit von 21,1 Millionen Stimmen dank aggressiver „Stimmenbewirtschaftung“ hauchdünn um 65 000 Stimmen). Der Streit wurde in der Folge beigelegt (post mortem aus der NZZ), und die UBS fusionierte mit dem Schweizerischen Bankverein.

Gerhard Schwarz beschreibt einem höchst lesenswerten Rückblick im NZZ Folio, wie die Schweiz heute aussähe, wenn damals die Ebner-Gruppe obsiegt hätte: Die Schweiz hätte vermutlich noch drei Grossbanken. Die SBG/UBS hätte sich auf die Vermögensverwaltung spezialisiert und den Eigenhandel zurückgebunden. Sie hätte kaum die Verluste aus dem „Subprime“-Geschäft erlitten (der Artikel von Schwarz erschien im August 2008, d.h. zwei Monate vor der Rettung der UBS durch Bund und Nationalbank, konnte diese Verluste also noch nicht voll abschätzen). Ferner wäre die Swissair vermutlich nicht untergegangen.

Natürlich hätte die Geschichte auch ganz anders kommen können, als von Schwarz beschrieben. Was die Ebner-Gruppe aus der SBG gemacht hätte, wissen wir nicht. Doch dem Organ- und Depotstimmrecht weine ich keine Tränen nach. Dem Fazit, „die Ebnersche Kritik hat zugleich auf Schwachstellen bestehender Gesetze aufmerksam gemacht“, stimme ich gerne zu. Fast käme man ins Träumen: Wie wäre die Abzockerinitiative herausgekommen, wenn sie Gerhard Schwarz verfasst hätte?

Les commissions indépendantes de gestion et des finances: un instrument efficace pour des finances publiques durables

Mark Schelker

Publiziert im „Agefi“ vom 26. Februar unter dem Titel “L’indépendance du contrôleur.”

Les finances de nombreux États sont arrivées aux limites de leurs possibilités. En particulier, la situation fiscale dans plusieurs pays européens est dramatique. L’endettement de pays traditionnellement solides, comme la France, est considérable et toujours croissant. Les interventions monétaires de la Banque Centrale Européenne ont soulagé la situation à court terme, mais les problèmes de base ne sont toujours pas abordés de façon durable. Redressement et réformes constituent des sujets de discussion omniprésents. Mais si les budgets publics sont souvent si fortement déséquilibrés – quelle en est la cause?
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Kinderbetreuung in der Schweiz

Christina Felfe

Im Lichte der bevorstehenden Volksabstimmung zum Familienartikel am Sonntag, den 3.März 2013 und den dazu herrschenden kontroversen Diskussionen erscheint es sinnvoll und, die aktuelle Situation der Kinderbetreuung in der Schweiz zu beleuchten.

Wer ist zuständig für die Reglementierung, Bewilligung, Aufsicht und Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung? Wie ist die aktuelle Versorgung mit Betreuungsplätzen? Wie hoch sind die Kosten? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich meine Öffentliche Vorlesung am 28.Februar 2013, an der Hochschule St. Gallen (HSG).

Sucht man in der Familiendatenbank der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) nach internationalen Daten zum Versorgungsgrad von Kleinkindern (Alter 0-2 Jahre), erhält man für die Schweiz keine Informationen. Während der durchschnittliche Versorgungsgrad  in den OECD Ländern bei ca. 30% lag, gibt es für die Schweiz bislang keine Daten zum Angebot familienergänzender Betreuung. Einen ersten Schritt um diese prekäre Datenlage zu beheben wurde im Rahmen des Nationalfond Projektes zum Thema „Gleichstellung der Geschechter“ (NFP60) von INFRAS (Rolf Iten und Susanne Stern) und SEW/HSG (Christina Felfe, Michael Lechner und Petra Thiemann) getan. Mittels einer kantonalen Befragung wurden Daten zum Angebot von frühkindlicher Betreuung und schulergänzender Betreuung auf Gemeindeebene für das Jahr 2010/2011 erhoben. Diese Erhebung erlaubt erstmals den Ist-Zustand der Kinderbetreuung in der Schweiz darzustellen. Weiterlesen

QWERTY

Urs Birchler

Die QWERTY-Anordnung (im deutschen Sprachraum: QWERTZ, im französischen: AZERTY) der Buchstaben auf der Schreibmaschinentastatur ist bekannterweise unpraktisch, aber kaum mehr zu ändern. Spieltheoretiker sprechen von einem suboptimalen Gleichgewicht, das aber wegen der Netzwerkeffekte des offenen Standards sehr stabil ist.

In ihrem Buch Game Theory erzählen Hargreaves und Varoufakis, wie es zur QWERTY-Anordnung kam (siehe auch Wikipedia): Remington lancierte eine Schreibmaschine mit dem plausiblen Namen Typewriter. Damit ihre Verkäufer beim Vorführen rasch tippen konnten, wurden die Buchstaben in „Typewriter“ in die oberste Reihe gesetzt. Und da stehen sie noch heute. „Typewriter“ soll das längste englische Wort sein, das sich mit einer einzigen Reihe der Tastatur tippen lässt. In der mittleren Reihe sieht man übrigens noch Spuren der ursprünglichen alphabetischen Anordnung (dfghjkl).

Se non è vero, oder: zum Glück hat Remington nicht das Klavier erfunden …