Urs Birchler
Was fällt Ihnen auf dem Bild (einmal mehr) als erstes auf? Tragen Sie Ihre Lösung in die Sprechblase oben rechts ein!
Urs Birchler
Es gibt kein Mittel gegen Fake News? Falsch! Der Glaube, die gegenwärtige Fake News Epidemie sei unheilbar, beruht auf journalistischer Schulmedizin. Seit Paracelsus und Theophrast ist bekannt, dass Gleiches (nur) mit Gleichem geheilt wird.
Erkannt hat dies der Nachrichtendienst The Onion. Wie bei der Zwiebel lauert bei der Wahrheit unter jeder Schicht eine weitere, bis einem die Tränen kommen. So hat The Onion vorgestern enthüllt, dass US-Ökonomen angesichts der Wirtschaftsentwicklung ihre Familien heimlich in Sicherheit bringen (Nation’s Economists Quietly Evacuating Their Families).
Zwar sind die meisten Beiträge bei The Onion politischer Natur. Doch bietet das Magazin auch interessante ökonomische Beiträge, z.B. den Bericht über die von einer amerikanischen Airline eingeführte Alumni-Vereinigung für Passagiere.
Urs Birchler und Monika Bütler
Zugegeben, wir fliegen zuviel (dass wir weder Auto noch Hund haben, rettet das Klima auch nicht). Aber vielleicht sind wir als Klimaschweine gerade hier mal glaubwürdig:
Der Nationalrat hat gestern — zu unserem blanken Entsetzen — eine CO2-Abgabe auf Flugbenzin einmal mehr abgelehnt — mit 93 zu 87 Stimmen. (Wo waren die übrigen 20 Mitglieder? Hoffentlich nicht im Flugzeug.) Strittig war nicht die globale Erwärmung, auch nicht der menschliche Beitrag und nicht einmal der Umstand, dass Flugzeuge mit Flugbenzin fliegen.
Nein: Es wurde argumentiert, die Passagiere wanderten ins Ausland ab (obwohl alle Nachbarländer eine Abgabe auf Flugbenzin kennen, ausser Liechtenstein, das aber noch keinen Flughafen hat). Noch besser: Das Fliegen dürfe nicht zu einem Privileg für Reiche werden.
Liebe Damen und Herren Volksvertreter/innen: Fliegen ist ein Privileg der Gutverdienenden, auch wenn Familie Schmalhans auch irgendwann einmal auf die Kanaren fliegt. Wenn wegen einer CO2-Abgabe einmal ein Weihnachtsshopping in London oder ein Polterabend in Barcelona ausfiele, würde nicht einmal Caritas von einem Armutsproblem sprechen.
Schonung der Gutverdienenden bei gleichzeitiger Schröpfung derjenigen, die gegen Ende des Monats mit Sorge ins Portemonnaie schauen müssen: Das ist es doch, was den demokratischen Konsens zersetzt. In diesem Sinne hatte NR Christian Imark (SVP/SO) sogar recht als er — leider als Argument gegen einen höheren Benzinzuschlag für Autos — sagte: „Denken Sie an die Gelbwesten in Frankreich!“ Klar versteht der Auto-Pendler in Knonau nicht, warum er bezahlen muss, während die Business-Class ohne Klimabeitrag nach London City jettet.
Aber nicht genug: Ganz quer in der Landschaft steht die zum Teil bereits erfolgte und für die kommenden Jahre geplante Senkung der Flughafengebühren. Auch wenn eine solche Senkung aus anderen Gründen erfolgt, wirkt sie dennoch als sozusagen negative CO2-Abgabe, d.h. als Anreiz zum Fliegen.
Vielleicht könnte man einmal Flugpassagiere/innen fragen, was sie von einer Klimaabgabe halten. Aus dem Flugzeug sieht man nämlich auch gut auf den Planeten runter, auf all das, was wir zu verlieren haben. Oder würden die Ratsmitglieder aus den Antwortformularen einfach wieder Papierflieger falten?
Urs Birchler
Wie das Wall Street Journal berichtet, hat Ohio als erster Bundesstaat der USA Bitcoin als Zahlungsmittel für Steuern, Verkehrsbussen, etc. zugelassen. Ohio tritt damit in die Fusstapfen der Stadt Zug, die 2016 als erste Bitcoin für gewisse Zahlungen gelten liess.
In Zug ist mittlerweile eine gewisse Ernüchterung eingetreten (wie die NZZ schon im Februar berichtete). Das einst als gelobtes Land wahrgenommene Krypto-Valley wird mehr und mehr zum Klepto-Valley. (Kritische Beiträge zu Bitcoin bei batz.ch: Die sieben Geburtsfehler, Keine Zukunft, Kartoffelgeld, Sparsocken.) Dass Bitcoin gegenwärtig dreimal soviel Strom frisst, wie alle Schweizer AKWs zusammen produzieren — Tendenz steigend — scheint man in Columbus noch nicht vernommen zu haben.
Ohio ist also nicht der Pionier unter den amerikanischen Gliedstaaten, sondern eher der Nachzügler, der noch nicht gemerkt hat, dass die Party zu Ende ist.
Urs Birchler
Warum ist Bitcoin (fast schon) gescheitert?
Eine überzeugende und allgemein verständliche Darstellung der unlösbaren Probleme der Kryptowährungen wie Bitcoin hat John Lewis unter dem Titel The seven deadly paradoxes of cryptocurrency publiziert (im Blog bankunderground der Bank of England). Hier eine stichwortartige Zusammenfassung:
Urs Birchler
Gestern durfte Mit-Batzerin Monika Bütler das Ehrendoktorat der Universität Luzern entgegennehmen. Sie wurde geehrt für ihre international anerkannten Arbeiten im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Dekan, Dekan Christoph Schaltegger, würdigte die Geehrte (gekürzt; ganzer Text siehe Medienmitteilung):
Das Engagement von Monika Bütler spannt den Bogen von akademischer Forschung auf höchstem Niveau über öffentliche Beiträge zu Fragen der aktuellen politischen Debatte bis hin zur Übernahme unternehmerischer Verantwortung. Sie betreibt seit den Anfängen ihrer akademischen Karriere in überzeugender Weise den Dialog zwischen Theorie und Praxis und bringt so ihre tiefe Überzeugung zum Ausdruck, dass eine funktionierende Gesellschaft einer breit abgestützten und konstruktiven Diskussion bedarf.
Der Dekan erwähnte ausdrücklich auch Monikas Mitarbeit bei batz.ch, was uns besonders freut.
Michel Habib und Urs Birchler
Das Referendum gegen das neue Wassergesetz des Kantons Zürich kommt voraussichtlich im Frühjahr 2019 vors Volk. Umstritten ist die mögliche Privatisierung, d.h. die vorgesehene Kompetenz der Gemeinden, ihre Wasserversorgung an eine juristische Person auszulagern. Interessant sind in diesem Zusammenhang die britischen Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung in England und Wales seit den 1980er Jahren. Was können wir daraus lernen?
Eine häufige Kritik an der Privatisierung der Wasserversorgung behauptet eine Verschlechterung der Wasserqualität. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. das Abführen von 1,4 Mrd. Liter Abwasser in die Themse durch Thames Water) scheint jedoch die Wasserqualität in Grossbritannien nicht schlechter als beispielsweise in Frankreich oder Deutschland. Es scheint daher, dass eine Regulierung die Qualitätsstandards in der Wasserindustrie ebenso gut durchsetzen kann gegenüber Managern, bzw. Aktionäre, die nach Gewinn streben, wie gegenüber Regierungsbeamten, bzw. Politikern, die auf Stimmen aus sind.
Eine auffälliger Zug der privatisierten englischen Wasser-Unternehmen ist jedoch die explosionsartige Zunahme der Verschuldung. Aus Sicht der Unternehmen ist diese verständlich: Schuldzinsen sind steuerlich abzugsfähig, und das stabile, d.h. risikoarme Geschäft mit dem Wasser erlaubt eine relativ hohe Verschuldung. Schulden-getriebene Steuerverluste einiger Wasser-Unternehmen sind von deren Eignern, oft Private-Equity-Firmen, anscheinend tatsächlich verwendet worden, um die Steuerrechnung für andere Unternehmen in ihrem Portefeuille zu mildern. Eine Beteiligung an Wasser-Unternehmen scheint gerade für jene Firmen interessant, die verrechenbare Erträge erwirtschaften.
Sollte sich die britische Entwicklung in Zürich wiederholen, könnte dieser Steuereffekt die Privatisierungserlöse teilweise wegfressen. Vorgesehen ist zwar, dass 51 Prozent des Eigentums in der Hand der Gemeinde bleiben soll. Der Mit-Erwerber eines teilprivatisierten Wasser-Unternehmens könnte dennoch seine Steuerlast erleichtern, indem das Unternehmen hohe Schulden aufnimmt und mit den Schuldzinsen andere Einnahmen kompensiert. Der Kanton verliert dadurch einen Teil dessen, was die Gemeinde mit der Privatisierung gespart hat.
Die Lektion für Zürich: Wenn nicht klare Effizienzgewinne einer (Teil-)Privatisierung vorliegen, bedeutet diese eher eine Einladung zum Financial Engineering auf Kosten des Kantons.
(Wer erinnert sich noch an die Verkäufe und das Zurück-Leasen der Zürcher Trams durch die VBZ?)
Thomas von Ungern-Sternberg
Die SNB hat in den letzten 10 Jahren sehr hoch gepokert. Um eine zu starke Aufwertung des Frankens zu verhindern hat sie Jahr für Jahr hohe Fremdwärungsaktiva gekauft. Inzwischen sitzt sie auf einem Bestand von zirka 700 Millarden Franken (bei einem Brutto Inlandsprodukt von zirka 670 Millarden Franken).
Unter Ökonomen gibt das beherzte Eingreifen der SNB immer wieder Anlass zu Diskussion. Die finanziellen Risiken, welche unsere Nationalbank eingeht, sind beträchtlich. Immerhin hat die Schweiz die Wirtschaftskrise von 2008 bemerkenswert gut überstanden. Die Arbeitslosigkeit ist kaum gestiegen.und den Finanzen von Bund und Kantonen geht es blendend. Ohne das mutige Eingreifen der SNB würde das Bild wohl weniger erfreulich aussehen.
Bisher scheint der Poker der SNB aufgegangen zu sein. In ihrem Jahresbericht von 2017 weist sie ein scheinbar recht gesundes Eigenkapitalpolster (Reserven) von gut 130 Millarden Franken aus. Bei der Interpretation dieser Zahl ist allerdings sehr viel Vorsicht geboten. Sollte der Franken auch nur um 10% aufwerten, bleibt rein rechnerisch von dem „ausschüttbaren Gewinn“ kaum etwas übrig.
Auch kann die SNB ihre Buchhaltungsgewinne zum jetzigen Zeitpunkt kaum realisiseren. Würde sie in grösseren Stil Fremdwährungsaktiva verkaufen (d.h. Franken kaufen), so würde dies den Frankenkurs in die Höhe treiben und von den vermeintlichen Gewinnen würde nur noch wenig übrig bleiben.
Dies weist auf eine Schwäche in der zur Zeit gültigen Gesetzgebung hin. Es wird dort festgeschrieben, wie schnell das Eigenkapital (die Reserven) der SNB wachsen soll. Die Höhe der Fremdwährungsaktiva (und somit die Höhe der Währungsrisken) wird in dieser Regel nicht berücksichtigt. Man hat also eine Regel, in der die Höhe des Risikopolsters festgelegt wird…..ohne die Höhe der Risiken zu berücksichtigen. Das kann auf die Dauer keine gute Lösung sein!
Immerhin besteht eine gewisse Chance, dass der Schweizer Franken sich in der Zukunft soweit abschwächt (bzw der Euro sich soweit erholt), dass die SNB eine Teil ihrer Fremdwährungsaktiva verkaufen kann und will, um eine zu hohe inflationstreibende Abwertung des Frankens zu verhindern. Sollte dies der Fall sein, wird ihr Poker aufgegangen sein. Nicht nur hat sie den Franken dann, als es notwendig war geschwächt. Sie hat dazu auch noch enorm hohe Kapitalgewinne eingefahren.
Man kann sich darüber Gedanken machen, was in einem solchen Szenario mit den Milliarden-Gewinnen der SNB geschehen sollte. Die normal Gewinnausschüttung an Bund und Kantone wäre sowieso für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Eine Möglichkeit bestände darin einen Teil der zusätzlichen Beträge zu verwenden, um die AHV für die nächsten Jahrzehnte zu sanieren.
Die Defizite der AVH kommen mit Sicherheit. Aber es besteht auch eine (gute?) Chance, dass die enormen Kapitalgewinnne der SNB sich eines Tages tatsächlich relisieren lassen. Es wäre zu überlegen, ob man sich mit der Sanierung der AHV erst einmal Zeit lässt und abwartet, wie sich die Bilanz der SNB in den nächsten Jahren entwickelt.
Urs Birchler
Beim Krypto-Boom scheint die Luft draussen. Endlich!
Um die hinter Bitcoin stehende Idee, Geld ohne staatliche Autorität zu schaffen, ist es zwar schade. Nur: es geht nicht. Bitcoin und seine Abkömmlinge beruhen auf dezentraler Buchhaltung, niedergelegt in einem millionenfach kopierten elektronischen Wälzer genannt Blockchain. Die dezentrale Kontrolle jeder einzelnen Buchung durch die angeschlossenen Teilnehmer bedingt eine gigantische Duplizierung, eigentlich: Multiplizierung, des Kontrollaufwands (siehe z.B. eine Studie des St. Louis Fed). Für ihren Aufwand werden die Kontrolleure, sprich: Teilnehmer, aka „miners“, mit neuen Bitcoins oder was auch immer für Coins oder Tokens belohnt. Jetzt gibt’s zwei Probleme:
Erstens steigen die Kosten der „miners“ mit dem Wachstum des Systems ins Unermessliche. Das Bitcoin System verschlingt heute, so die Schätzungen, ungefähr gleich viel Strom wie die Schweiz (dreimal so viel wie unsere Kernkraftwerke zusammen). Das heisst, Bitcoin und co. sind als Geld (ausserhalb von Lösegeld-Zahlungen und Drogenhandel) schlicht unbrauchbar. Dazu kommt noch, dass im Bitcoin System kein Teilnehmer als Lender of Last Resort fungieren kann, was ein Banking oder eine Kursstabilisierung in Bitcoin faktisch ausschliesst.
Zweitens stehen den Mining-Kosten keine echten Erträge gegenüber. Die „miners“ verdienen zwar gut, nur werden sie mit Traumeinheiten bezahlt. Die mittlerweile in mehreren Tausend Varianten geschaffenen Coins sind volkswirtschaftlich wertlos. Auch wenn viele (nicht alle) sie noch zu positiven Preisen gehandelt werden.
Schon früh hiess es: Ja, Bitcoin funktioniert vielleicht nicht, aber die zugrundeliegende Blockchain ist die Zukunft. Sie wird die Finanzmärkte revolutionieren („disrupt“). Auch hier ist Vorsicht angezeigt: Übersehen wurde dabei, dass alle Blockcains mit dezentraler Buchung unter dem Duplikationsproblem leiden. Zwar gibt es verschiedene Versuche, dieses zu entschärfen, aber zum Preis geringerer Sicherheit oder anderer Nachteile. Am Ende bleiben höchstens Blockchains mit wenigen, handverlesenen Teilnehmern und beschränkter Transaktionshäufigkeit.
Kurzum: Es ist in der Finanzbranche wie in der Kirche. Das wichtigste ist das Schiff, nicht die Krypta. Ebenso ist es die Digitalisierung welche die Finanzbranche umkrempelt, nicht die Kryptisierung. Vergessen Sie (wenn Sie nicht gerade eine Lösegeldforderung stellen wollen) Bitcoin und co. Flüchten Sie vor ICOs (Initial Coin Offerings). Bewerben Sie sich nicht als Krypto-Valley.
Urs Birchler
Der Tagesanzeiger meldet, die Grossbäckerei mit dem phantasievollen Namen Groba AG müsse mehr als die Hälfte ihrer Stellen abbauen. Mein Gott! Dort war doch (vor bald einem halben Jahrhundert) mein erster Studentenjob! In einer Backstube am Zürcher Kreuzplatz fabrizierte Groba gefrorene Apfelstrudel für die Marke Findus. Die gewürfelten Äpfel kamen in grossen Büchsen. Dahinter stand irgendwie die Alkoholverwaltung, die verhindern wollte, dass die Äpfel verschnapst wurden.
Erinnern kann ich mich an den Chef und seine Frau, die gelegentlich mit dem grauen Pudeli zu Besuch kam, welches aber nicht an den Apfelstückli schnuppern durfte. Die Belegschaft bestand grösstenteils aus einer Gruppe Frauen, die jeweils in aller Herrgottsfrühe mit dem Minibus aus dem Thurgau herbeigefahren wurden für Fr. 3.50 die Stunde. Dazu die beiden Studenten: Ein Grieche, dessen Namen ich leider vergessen habe, und ich, beide für je Fr. 7.– die Stunde. Wir studierten beide Wirtschaft im selben Semester. Die in der Vorlesung mit einem Ohr vernommene Idee, dass Löhne etwas mit Produktivität zu tun hätten, kam uns in der Backstube nachhaltig abhanden. Die Thurgauerinnen berserkten den ganzen Tag und steckten mit blossen Händen gefrorene Strudel in die vorgefertigten Schachteln.
Was der Grieche und ich mit dem doppelten Lohn zum BIP beitrugen, ist mir nicht mehr in der notwendigen Schärfe erinnerlich. Auf dem mit Mehl eingestäubten Tisch, wo der Teig ausgewallt werden sollte, zeichneten wir jedenfalls mit dem Finger Grafiken zu den Aufgaben vom Proseminar am Vortag, Ich sehe noch deutlich, wie ich dem noch ahnungsloseren Kollegen erklärte, warum sich Indifferenzkurven nicht schneiden können (was sogar in den Zeiten der behavioral economics noch zu gelten scheint). Als uns der Chef ertappte, entliess er den Griechen. In einer Aufwallung von internationaler Arbeitersolidarität schleuderte ich ihm meine Kündigung auch gleich ins Gesicht.
Und jetzt baut die Groba AG wieder ab. Ironischerweise, weil der wichtigste Kunde von Frischbackwaren auf gefrorenes Zeug umstellt. Also auf das, was „wir“ damals herstellten. Wir Weitblickenden.