Finanzelite macht Bargeld den Prozess

Urs Birchler

So lautet, leicht gekürzt, die Schlagzeile im Tagesanzeiger zu unserer kürzlichen Aufführung im English Theatre in Frankfurt.

Dass das Bargeld noch einmal freigesprochen wurde, ist das eine. Mir (und der Dramaturgin Barbara Ellenberger) ist etwas anderes wichtig: Man kann eine Konferenz von morgens 8:30 bis abends 17:00 so inszenieren, dass den ganzen Tag lang (mit 2-3 unwesentlichen kurzen Ausnahmen) kein(e) Teilnehmer(in) je aufs Handy schaut. Und so, dass alle Referent(inn)en exakt zum Punkt reden. Und keine(r) überzieht.

Fragen gerne an:
Barbara Ellenberger
Urs Birchler
SUERF

Bargeld: Schuldig oder nicht schuldig?

Urs Birchler

Jetzt geht’s hart auf hart! Soll Bargeld abgeschafft werden? Am 20. Mai 2019 von morgens 8:30 bis 17:00 treten am English Theatre in Frankfurt erstklassige Experten als Zeugen pro und contra Bargeld vor den Richter. Der Ausgang ist offen.

Es wirken mit: Fritz Zurbrügg (Vizepräsident SNB), Friedrich Schneider (Uni LInz), Doris Schneeberger (Deutsche Bank), Marc Niederkorn (Mc Kinsey), Simon Riondet (Europol), Kathrin Assenmacher (EZB), Doris Schneeberger (EZB), Cecilia Skingsley (Vizegouverneurin Schwedische Riksbank).

Anklage und Verteidigung spielen die Mitglieder des Council of Management von SUERF, die die Konferenz zusammen mit der Deutschen Bundesbank organisiert. Am Richterpult sitzt der legendäre David Llewellyn.

Informationen und Anmeldung. Der Eintritt ist frei.

STAF: Ein Kuhhandel, der einigermassen aufgeht

Fabian Schütz und Marius Brülhart

Am 19. Mai stimmen wir ab über das Steuerreform-AHV-Paket (STAF) – bekannt auch als parlamentarischer „Kuhhandel“.

Zentral ist dabei die Frage, ob der Handel für beide Parteien aufgeht: hier die grossen Aktionäre, die von der Steuerreform profitieren dürften, und dort der Rest der Bevölkerung, dem mit der AHV-Finanzierung geholfen werden soll.

Einer von uns beiden hat im vergangenen Sommer überschlagsmässig errechnet, dass sich die beiden Elemente des Pakets rein ökonomisch betrachtet nicht schlecht ergänzen. Die Umverteilung von unten nach oben bei der Steuerreform schien mittelfristig in etwa kompensiert zu werden durch die Umverteilung von oben nach unten beim AHV-Teil.

Wir haben diese Berechnungen nun etwas verfeinert, unterteilen die Bevölkerung aber nach wie vor alles andere als fein in Haushalte mit Einkommen im schweizweit obersten Dezil („Top-10“) und den Rest („U-90“).

Zum Steuer-Teil haben wir insbesondere folgende drei verteilungsrelevante Annahmen angepasst:

  • Wir berücksichtigen nun, dass die U-90 schätzungsweise 17% des schweizerischen Aktienkapitals direkt oder indirekt über Pensionskassen halten. Folglich profitieren auch die U-90 von Unternehmenssteuersenkungen.
  • Zusätzlich zu den Ausfällen bei der Unternehmenssteuern berücksichtigen wir Auswirkungen auf die Verrechnungs- und Dividendenbesteuerung.
  • Steuerausfälle auf Stufe Kanton und Gemeinden belasten die U-90 etwas stärker als die Top-10.

Die neuen Schätzungen sind in unten stehender Tabelle zusammengefasst.

Die Steuerreform kostet die U-90 gemäss dieser Schätzung 380 Millionen Franken. Den inländischen Top-10 hingegen fliessen 450 Millionen zu. Die Steuerreform allein hat also klar degressiven Charakter.

Um den degressiven Effekt im Sinne eines „sozialen Ausgleichs“ zu kompensieren, wurde die AHV-Vorlage an die Steuerreform gekoppelt.

Beim AHV-Teil haben wir die ursprüngliche Verteilungsschätzung in vier Punkten verfeinert:

  • Gestützt auf eine Metastudie nehmen wir an, dass mittelfristig 70% der Arbeitgeberbeiträge auf die Arbeitnehmer überwälzt werden.
  • Wir berücksichtigen nun, dass auf Top-10-Einkommen ein überproportional grosser Teil an AHV-Beiträgen abgeführt wird.
  • Bei der Aufteilung der gesicherten AHV-Renten berücksichtigen wir, dass die Top-10 Haushalte leicht mehr als 10% des gesamten Rentenvolumens beziehen.
  • Opportunitätskosten durch neu an die AHV gebundene Bundesausgaben werden analog zu den Steuerausfällen auf die beiden Gruppen aufgeteilt.

In der Summe kosten die Massnahmen zur AHV-Finanzierung die Top-10 ungefähr 280 Millionen, welche somit den U-90 zugutekommen. Der AHV-Teil der STAF ist also klar progressiv.

Im Total betrachtet kompensiert die progressive Wirkung des AHV-Teils die degressive Wirkung der Steuerreform nicht vollständig. Unter dem Strich gewinnen die Top-10 170 Millionen, und die U-90 verlieren knapp 100 Millionen. (Der Rest geht auf Kosten ausländischer Aktionäre.)

Pro-Kopf gerechnet bedeutet diese Schätzung einen Gewinn von rund 340 Franken bei den Top-10 Steuerzahlern und einen Verlust von 22 Franken bei den U-90. Ohne den AHV-Teil würden die Top-10 satte 900 Franken pro Kopf gewinnen und U-90 85 Franken pro Kopf verlieren.

Diese Berechnungen sind natürlich immer noch holzschnittartig. Der leicht degressive Nettoeffekt liegt im statistischen Streubereich. Wenn man beispielsweise eine Überwälzung der Arbeitgeberbeiträge auf die Löhne von 30% statt 70% annimmt, kommt man auf eine ausgeglichene Rechnung zwischen den beiden Gruppen.

Der ursprüngliche Hauptbefund hat jedenfalls Bestand: Der AHV-Teil der STAF bildet ein signifikantes Gegengewicht zur degressiven Verteilungswirkung der Unternehmenssteuerreform.

20 Jahre Euro — live auf Youtube

Urs Birchler

Bei der Banque de France findet heute und morgen eine SUERF-Konferenz zum zwanzigsten Jarestag der Einführung des Euro statt. Die Konferenz wird live auf Youtube übertragen. Auf der Rednerliste die erste Garde:

Heute, Do 28. März, ab 13:40 (Youtube):

  • Christine Lagarde, Managing Director, International Monetary Fund (IMF)
  • François Villeroy de Galhau, Governor, Banque de France
  • Laurence Boone, Chief economist, Organisation of Economic Cooperation & Development (OECD)
  • Agustin Carstens, General Manager, Bank for International Settlements (BIS)
  • Richard Clarida, Vice Chairman, Board of Governors of the Federal Reserve System
  • Pascal Lamy, former President, World Trade Organisation

Morgen, Fr 29. März, ab 9:00 (Youtube):

  • Hélène Rey, Professor, London Business School
  • Lorenzo Bini Smaghi, Chairman, Société Générale
  • Benoît Coeuré, Member of the Board, European Central Bank
  • Gita Gopinath, Chief Economist, IMF
  • Lucrezia Reichlin, Professor, London School of Economics
  • Jean Tirole, Nobel Prize in economics, Professor, Toulouse School of Economics

Daneben gibt es Poster Sessions mit Arbeiten jüngerer Ökonomen/innen, unter denen auch der Marjolin-Preis vergeben wird.

Eigenmietwert: Steuerschikane für sparsame Rentner?

Marius Brülhart und Christian Hilber

Unser NZZ-Gastbeitrag und der ergänzende Batz-Artikel zur vorgeschlagenen Reform der Wohneigentumsbesteuerung haben einige Leserreaktionen ausgelöst. Dabei wurde uns einmal mehr klar, wie vehement viele Hausbesitzer die Besteuerung des Eigenmietwerts missbilligen.

Exemplarisch dafür steht der Brief eines Lehrers im Ruhestand aus dem Zürcher Oberland. Nennen wir ihn zur Wahrung seiner Privatsphäre Herrn Hauser.

Zitat:
Meine Frau und ich, beide aus ärmlichen Verhältnissen, leisteten uns 1966 ein Fertighäuschen. Jeden Franken dazu mussten wir selber verdienen, auch mit Teilzeitarbeit meiner Frau. Unterstützung seitens der Eltern fehlte. Verzicht auf allen Gebieten war angesagt: Auto, Reisen, Essen. Die Zeit war hart, aber ich konnte die nötigen Zahlungen, u.a. Abzahlung 2. Hypothek, leisten. Für all diese Entbehrungen zahle ich nun diese in Notzeiten erfundene, eigentlich nicht zu begründende Sondersteuer auf Eigenmietwert von Fr. 18‘600 jährlich. Für das Sparen werde ich bestraft.

Das Unbehagen von Herrn Hauser ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Er und seine Frau müssen Steuern zahlen auf ein Naturaleinkommen, das sie sich unter langjährigen Anstrengungen selber erwirtschaftet haben – und dies in einem Lebensabschnitt, in dem sie den Gürtel möglicherweise eh schon etwas enger schnallen müssen.

Bei genauer Betrachtung jedoch kommt man zum Schluss, dass schuldenfreie Eigenheimbesitzer im Rentenalter trotz Eigenmietwertbesteuerung finanziell besser gestellt sind, sowohl gegenüber verschuldeten Eigenheimbesitzern im Rentenalter und erst recht gegenüber Mietern, die genau gleich sparsam durchs Leben gegangen sind.

Eine Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung würde diese gut gestellten Haushalte noch weiter privilegieren.

Unsere Überlegungen dazu sprengen den Umfang eines Batz-Artikels und können daher hier nachgelesen werden.

Stablecoin nicht gedeckt

Urs Birchler

Zu den sonderbarsten Erscheinungen am gehören jene Coins, die angeblich einen festen Wechselkurs zu einer staatlichen Währung wie US-Dollar oder Schweizer Franken haben. Einen Fixkurs kann nämlich nur jemand garantieren, der in beiden Währungen genügend Kapital hat. Ein „Stablecoin“, das einen Fixkurs in US-Dollar verspricht, müsste also stets zu 100 Prozent durch wertsichere und liquide Anlagen in Dollars gedeckt sein. Wie aber mit dem Halten gesicherter Dollarguthaben und der Ausgabe von Gutscheinen darauf Geld zu verdienen ist, scheint mir rätselhaft. Die Vollgeldinitiative wäre überflüssig gewesen, wenn sich das Angebot von „Vollgeld“ privat lohnte.

Drum wundert es mich nicht, dass bitcoinnews.ch meldet, dass das Krypto-Vollgeld Stablecoin eben doch nicht so gedeckt ist, wie es seine Schöpfer dauernd behaupteten, aber nie wirklich nachwiesen.

Dies ist nur ein Beispiel: Aber es erinnert daran: Hände weg von all diesen Fancy-Coins!
Lieber heute dumm aussehen als für den Rest der Ewigkeit.

Schuldenbremse — Schweiz besser als EU-Länder

Urs Birchler

Um die Schuldenbremse kümmert sich bei batz.ch normalerweise Marius Brülhart. Er hat kürzlich hier argumentiert, dass die Schweizer Schuldenbremse sogar einen leichten Zug rückwärts, in Richtung Schulden-Abbau, beinhalte.

Genau umgekehrt ist es in der EU, wie die Vitor Gaspar (Chef Fiscal Affairs beim IMF und früherer Finanzminister Portugals) and David Amaglobeli (ebenfalls IMF, früherer Gouverneur der Zentralbank von Georgien) in einer soeben erschienenen SUERF Policy Note zeigen. Die verschiedenen Ausgaben- oder Schuldenregeln in den einzelnen Ländern sind zwar nicht ganz wirkungslos, haben aber immer noch einen Zug in Richtung höherer Verschuldung. Hauptgrund: Die EU-Länder haben kaum Sanktionen zu befürchten. Wer soll schon den ersten Stein werfen: Es gab in den Jahren 1999-2016 nicht weniger als 37 Regelverstösse. Im Schnitt waren in jedem Moment fast 50 Prozent der Mitgliedländer in der Verstoss-Zone. Bemerkenswert: Die Euro-Staaten (die mindestens seinerzeit die Maastricht-Kriterien erfüllt hatten) schnitten seit der Finanzkrise deutlich schlechter ab als die Nicht-Euro-Mitglieder.

Vernissage im Money Museum

Urs Birchler

Das Money Museum hat gestern mit einer Vernissage neu eröffnet, unter anderem mit einer Ausstellung zum Thema „Der gerechte Preis“, das seit dem Mittelalter nichts an Aktualität eingebüsst hat. Dann verfügt das Museum über eine sensationelle Sammlung von aktuell 2095 Münzen, aus der im übrigen unsere täglich wechselnden Batzen (oben rechts) stammen. So ganz beiläufig erhielt ich gestern plötzlich eine sumerische Tontafel in Keilschrift in die Hand gelegt.

Der Vater des Museums, Jürg Conzett, verblüfft immer wieder mit seiner Offenheit für Unkonventionelles und Neues. So zeigt er im Museum auch seine Bitcoin-Mining-Maschine (Bild). Auf einem Zähler können die Besucher laufend verfolgen, wieviele Bitcoins der Apparat dem System schon abgemolken hat.

Auch wer endlich alles zum römischen Geldwesen genau wissen will, wird fündig (Bild).

Achtung: Das Museum ist nur Freitags offen. Und es lohnt sich, eine Führung zu vereinbaren.