Griechisches Vexierbild

YdraNormalerweise prüfe ich Quittungen in Restaurants kaum. Schon gar nicht, wenn es um bloss einen Kaffee geht. Doch letzte Woche fand ich auf der Quittung der Hafenbar von Hydra etwas Sonderbares. Sehen Sie’s auch?

Richtig: Der Preis ist auch in Drachmen angegeben (Umrechnungskurs 340.75 Drachmen pro Euro), obwohl doch auch in Griechenland seit zehn Jahren unwiderruflich nur der Euro gilt. Sollen wir jetzt den Politikern glauben, die einen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Verbund für unmöglich halten, oder der leisen Botschaft auf der Quittung? Jedenfalls, meint der Kellner, ist mit dem Euro nur alles schlechter geworden. Die saugen uns doch aus!

Kellner haben vielleicht nicht immer recht, aber noch schwerer zu verstehen sind die Devisenmärkte. Wenn Griechenland „droht“, den Euro aufzugeben, fällt der Kurs des Euro gegenüber Franken und Dollar. Vereinfacht: Wenn der Schwächste aus der Mannschaft ausscheidet, spielt die Mannschaft schlechter!? Sicher habe ich etwas übersehen. Für sachdienliche Hinweise wird gedankt.

Frisst, schiesst und verschwindet

Rudolf Strahm hat den armen Peter Siegenthaler, Präsident des Kantonalbankenverbands und früherer Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, mit raffinierter Kommasetzung zur UBS befördert. In seinem heutigen Beitrag zum Thema TBTF im Tagesanzeiger (S. 11) schreibt er: „Die UBS tickt anders. Obwohl ihr Vertreter in der vorbereitenden Kommission, Peter Siegenthaler, der Stabilisierungsvorlage zugestimmt hatte …“. Das ist natürlich Mumpitz. Peter Siegenthaler vertrat nicht die UBS, sondern war Vorsitzender der Kommission Siegenthaler, ohne Komma dazwischen.

Wegen eines Kommafehlers ist auch schon ein Krieg ausgebrochen. Soweit wird es im vorliegenden Fall hoffentlich nicht kommen. Gleichwohl empfehlen wir allen Schreibenden, selber nachzulesen im Buch Eats, Shoots & Leaves: The Zero Tolerance Approach to Punctuation (2003) von Lynne Truss. Der Titel beruht auf einem Witz: Ein Panda kommt in ein Restaurant, isst eine Pizza, schiesst um sich und geht davon. Auf die Frage, was das soll, antwortet er, im Lexikon stehe unter „Panda“: „Black and white animal. Eats shoots and leaves.“

Warum die Immobilienwirtschaft «Basel III» fürchtet

Unter diesem Titel schreckt die Beilage NZZ Domizil vom Freitag ihre ahnungslosen Leser mit einer angedrohten Verteuerung der Hypotheken. „Die Konsequenz [von Basel 3] dürfte eine Senkung des Kreditangebots sein, was mit einer Verteuerung der Darlehen, auch für Hypothekarnehmer, einhergeht.“ Der Autor müsste es wissen, er ist Leiter des Wealth Management Real Estate Research von UBS.

Gleichwohl: Alles halb so schlimm. Der Artikel beruht auf einer Medienmitteilung der deutschen Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) bzw. einem Interview mit deren Vorsitzendem, Jens-Ulrich Kissling, vom 26. November 2010. Dieses bezieht sich jedoch auf den deutschen, nicht auf den schweizerischen Hypothekarmarkt. Der deutsche (ähnlich wie der dänische) Markt basiert nämlich auf dem Pfandbrief (”covered bond”), für den unter Basel III tatsächlich leicht weniger attraktive Konditionen gelten. Auf die Schweiz lässt sich das Argument nicht eins zu eins übertragen.

Zum einen: Die Risikogewichtung von Hypothekarkrediten ändert sich zwischen Basel 2 und Basel 3 überhaupt nicht. Zum anderen: Der Schweizer Markt finanziert seine Hypotheken hauptsächlich aus Depositen, siehe z.B. den Aufsatz von Martin Brown Note on Housing Finance in Switzerland. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Referat von Thomas Jordan (SNB) mit Datum vom 15. Mai 2008.

Basel 3 oder die Massnahmen des Bundes zur Eindämmung der faktischen Staatsgarantie werden, wie der Autor des NZZ Artikels im übrigen selbst zugibt, zu keiner Kreditklemme in der Schweiz führen. Verschiedene Studien und Umfragen bestätigen dieses. Andere Faktoren wie z. Bsp. die Platzknappheit sind wesentlich tragender wenn es um den Hypothekarmarkt in der Schweiz geht. Eigenheimbesitzer und solche, die es werden wollen, brauchen keine Angst vor der höheren Eigenmittelanforderungen für Banken zu haben, oder sich womöglich unter Zeitdruck gesetzt zu fühlen. Im Gegenteil — das letzte, was Familie Muster brauchen kann, wenn sie eine Hypothek sucht, sind schwach kapitalisierte Banken, die klamm auf ihrem bisschen Geld hocken müssen. Dies gilt nicht nur individuell, sonder auch für die Volkswirtschaft als ganze. Pierre Monnin und Terhi Jokipii haben in einem SNB working paper gezeigt, dass dicke Kapitalpolster der Banken das längerfristige Wirtschaftswachstum nicht bremsen, sondern unterstützen.

Schwindelfrei

Ich bin leider beim Bergsteigen nicht ganz schwindelfrei. Schwindelgefühle anderer Art packen mich bei der Lektüre der Argumente der UBS gegen die Vorschläge des Bundesrates zur Problematik der faktischen Staatshaftung. Zuerst: Wettbewerbsnachteil! Dann: Wir ziehen aus! Neuestens: Wir sind anders! Und nie auch nur mit einem vagen Hinweis auf warum, wie genau oder wieviel. Geschweige denn eine Zahl. Drum ist mir gestern das Interview mit Der Landbote etwas angriffig geraten. Reuen tut es mich nicht: Diese Bank wird (von zweien ihrer Vertreter) unter ihrem Wert verkauft. Mögen die Herren doch einmal trittsicher hinstehen und sagen: (1.) Wir sind eine erstklassige Bank [ist nämlich wahr] und brauchen keine Staatsgarantie, (2.) Wir verstehen, dass ohne Änderungen die Staatsgarantie nicht einfach verschwindet, und (3.) Wir stehen zum Expertenbericht, den wir mitunterzeichnet haben. Und bei der Gelegenheit: (4.) Danke, liebe Eidgenossen, für die dreimalige Rettung!

Im Osterstau ist Zeit nicht Geld

Monika Bütler

NZZ am Sonntag, 24. April 2011

Über Ostern in den Süden – ein teurer Spass. Die Strassen sind verstopft, die Züge überfüllt und lärmig. Flugtickets kosten ein Vielfaches des normalen Tarifs (sofern es überhaupt noch freie Plätze gibt). Auch wer zeitlich ausweicht, „zahlt“: Verlorene Ferientage, zusätzliche Hotelnächte oder protestierende Familienmitglieder machen den Vorteil der Feiertage oft wieder zunichte.

Der Preis als Steuerungsgrösse für die knappen Transportkapazitäten ist eher die Ausnahme als die Regel. Einigermassen akzeptierte Marktwirtschaft herrscht eigentlich nur im Flugzeug. Sonst zahlen die Benutzer lieber in „Sachwerten“: In Form von eingeschränktem Komfort, langen Wartezeiten, blanken Nerven. Die Abneigung gegen eine Lenkung der Nachfrage durch Preise ist von links bis rechts riesig. Road-Pricing, nach Zeit und Strecke abgestufte Tarife in Öffentlichen Verkehrsmitteln oder Marktmieten gelten abwechselnd, meist sogar gleichzeitig, als ungerecht, unsozial, oder wirtschaftsfeindlich.

Transport ist also kein Sonderfall. So manches Gut scheint uns zu heikel für den Markt: Schulbildung, Organspenden, der Platz im Zivilschutzraum – und die österliche Fahrt durch den Gotthardtunnel. Tatsächlich gibt es Ausnahmen, bei denen die Zuteilung über den Marktpreis nicht immer zur gewünschten Verteilung führt. Beispiele sind lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel zu Krisenzeiten. Doch Preiskontrollen alleine führen nicht weiter. Es braucht  gleichzeitig eine Rationierung der Mengen, damit wirklich alle davon profitieren können. Konsequenterweise müsste im Wohnungsmarkt nicht nur der Preis, sondern auch die zugeteilte Menge reguliert werden: Nicht mehr als 25 Quadratmeter pro Person.

Den Wunsch nach einer bezahlbaren Wohnung im Zürcher Seefeld oder den Ostersonntag am Lago Maggiore kann ich durchaus verstehen. Doch hat die Zuteilung ohne Preismechanismus ihre Schattenseiten. Ist es wirklich so viel besser, Dutzende von Bewerbungsdossiers für Mietwohnungen zu schreiben – und am Ende doch ohne Wohnung dazustehen, weil der Familienname auf -ic endet? Man muss schon ziemlich naiv sein, um zu glauben, dass alle die gleichen Chancen haben. Nicht die Bedürftigen kommen in den Genuss der tiefen Preise, sondern die Schlauen oder die Vernetzten. Wo der Handel verboten wird, blüht der Schwarzhandel. So werden viele günstige Wohnungen zu einem höheren Preis untervermietet – unter der Hand aber nicht unbedingt fair oder bedürfnisgerecht.

Richtig teuer wird der Verzicht auf den Preismechanismus langfristig. Künstlich verbilligte Tarife – zum Beispiel für die Bahnfahrt in den Stosszeiten zwischen Zürich nach Bern – gehen auf Kosten der Mittel zum Ausbau der Kapazitäten. Gleichzeitig fördern sie die Verschwendung. So ist die Wohnfläche pro Einwohner heute 50% höher als noch vor 30 Jahren. Schliesslich bedeutet der Verzicht auf Preise als Mittel der Zuteilung auch stets eine unsichtbare Hand im Hintergrund: Eine menschliche Hand, die entscheidet – nicht immer transparent -, wem was zusteht.

Erstaunlich ist, wie populär die im Einzelfall nervigen und besonders in der langen Frist ineffizienten Mechanismen trotz allem sind. Schon fast paradox wird es beim Verkehr. Die vielen Staus und Überlastungen sind ungerecht und wirtschaftsfeindlich, soweit sind alle einig. Doch das Warten im Stau scheint uns weniger unsympathisch als differenzierte Preise. Weder das auf der linken Seite beliebtere Road-Pricing, noch die von rechts portierte VIP-Spur auf der Autobahn haben die geringste Chance. Der Verkehrsstau gehört sozusagen zum nationalen Kulturerbe.

Mein Vater würde die Osterstaus allerdings vermissen. Den Stress einer Reise zu Stosszeiten nähme er zwar nie freiwillig auf sich. Doch an Feiertagen schaltet er jeweils das Radio an mit den Verkehrsmeldungen. Und geniesst es leise, seine Ruhe zu haben.

Die Ängste der Grossbanken

Leider ist der Kommentar von Ermes Gallarotti zur Bewertung der Too-Big-to-Fail Vorlage in der heutigen NZZ auf der Onlineplatform der NZZ viel zu schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Wer ihn nachlesen will, findet ihn hier.
Es ist schon erstaunlich, wie schnell vergessen wird, in welch kritischer Lage sich die UBS und mit ihr die Schweiz im Oktober 2008 befanden.  Dass die Kosten der Rettungsaktion für den Steuerzahler (bisher) relativ klein waren, darf nicht als Evidenz für Harmlosigkeit einer Grossbankenrettung interpretiert werden. Risiken müssen im voraus bewertet werden, nicht im nachhinein. Wer mit verbundenen Augen über die Strasse geht und dies ohne Schaden übersteht, darf daraus nicht schliessen, dass es ungefährlich sei, mit verbundenen Augen über die Strasse zu gehen.

Können die rechnen?

In einem Artikel in der Zeitung „DIE ZEIT“ (Nr. 15 Schweizer Ausgabe vom 7. April 2011, S. 15) kritisiert Gebhard Kirchgässner die Familienpolitik der SVP als rückständig und wohlstandsgefährdend. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, müssen Kinderbetreuungskosten (= Gestehungskosten) steuerlich absetzbar sein – analog zu Kapitaleinkommen. Es ist nicht allein eine Frage von Gleichstellung und Gerechtigkeit, Regelungen zu schaffen, welche Arbeitsanreize von Müttern verstärken und Karrierechancen intakt halten. Vielmehr ist es heute eine Frage der Ökonomie: Sinkende Geburtsraten und eine niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen verschärfen die Situation der Altersvorsorge. Es ist zudem eine Verschwendung von Ressourcen, wenn gut und teuer ausgebildete Frauen zu Hause bleiben.

Icesave zum Zweiten

Morgen, Samstag, entscheiden die isländischen Stimmbürgerinnen und -Bürger über ein neues revidiertes Icesave-Paket. Es geht darum, ob Island für die Schulden seiner Banken gegenüber englischen und niederländischen Gläubigern haftet oder nicht. Im März 2010 hat Island eine frühere Icesave-Vorlage abgelehnt — im Einklang mit unseren Empfehlungen! Batz lesen spart Milliarden! Das morgen zur Entscheidung vorliegende Paket kostet nur noch ein Drittel. Ob es angenommen wird, ist fraglich. Mehr und mehr berichten die neusten Umfragen von einer leichten Führung der Nein-Sager (55-57% dagegen, bei 40-24% unentschieden). Vor einem Monat war das Sentiment noch umgekehrt. Die Stimmung ist angespannt — angeblich wurden die dem Referendum positiv gesinnten Politker körperlich bedroht. Die offizielle Webseite des Volksreferendums versucht, die Befürworter mit einer Gegenüberstellung der Ja und Nein Argumente an die Urne zu bringen.

Die isländische Presse (Morgunbladid) von heute ist beschäftigt mit einer angeblichen Anschuldigung (Verletzung demokratischer Rechte) von Fischerleuten aus dem Norden von Island, die zu dieser Zeit des Jahres auf hoher See sind und nicht rechtzeitig zur Wahl wieder auf das Festland zurück kommen werden. Seien sie dann Menschen zweiter Klasse, zähle ihre Meinung nicht? Hinzugefügt sei, dass diese Fischerleute aus Saudarkrokur kommen, einer Gegend in Island, wo „wahre Männer“ mit einer Fackel in der Hand die Nationalhymne singend durch das Meer schwimmen (siehe Karte). In einem kleinen Land wie Island mit knapp 320´000 Einwohnern zählt morgen jede Stimme.

Eine reine Preisindexierung der AHV- und IV Renten ist nicht sinnvoll

Die meisten Sozialversicherungen, insbesondere die Alterssicherungssysteme, haben teilweise gravierende Finanzierungsprobleme. Als eine mögliche Lösung wird ein Wechsel von der heutigen Mischindexierung der Renten zu einer reinen Preisindexierung vorgeschlagen. Was auf den ersten Blick überzeugend wirkt, erweist sich auf bei genauerer Betrachtung allerdings als tückisch. Dabei geht es nicht nur um die von linken Parteien befürchtete Zunahme der Armut im Alter und bei Invalidität – diese Befürchtung hat sich in Grossbritannien nach Margaret Thatcher ja durchaus bewahrheitet. Ein anderer Mechanismus spricht ebenso dagegen. In Krisenzeiten, wenn die Finanzierung der Sozialleistungen ohnehin am schwierigsten ist, kann eine reine Preisindexierung sehr teuer werden. Nämlich dann, wenn die Preise steigen, die Nominallöhne aber konstant bleiben. Lesen Sie bitte hier weiter

Zur Wahlschlappe der FDP

Unsere Kernkompetenz liegt nicht in der Wahlanalyse. Das Resultat der Suche nach „FDP“ in unseren bisherigen batz-Beiträgen liest sich dennoch ein wenig wie eine vorweggenommene Analyse der Gründe für das schlechte Abschneiden der FDP in den Zürcher Wahlen:

Dänk für ein Porno us em Internet, Teil 2 (Monika Bütler, September 2010)

Überlegungen zu FDP – la liberté cacophonique (Lukas Schwank, August 2010)

Frohsinn und Steuerwettbewerb (Marius Brülhart, Juli 2010)

Nachts sind alle Batzen grau (Monika Bütler & Urs Birchler, März 2010)

Exzellenzförderung? (Monika Bütler, Januar 2010)