Vexierbild

Heute haben unsere Studenten die Prüfung zu „Banking Regulation and Supervision“ geschrieben. Ihnen sei folgende (nicht in der Prüfung enthaltene) „Bonus-Frage“ gewidmet: Wo steckt im folgenden Text der (ökonomische) Fehler?

„Any good bank should target a healthy return on equity that allows you to grow, lend and pay dividends and we’ve produced a 17% return on equity across the cycle. That was not by taking higher risks but by taking the right risks.“ (Ein Banker in EuroMoney vom 30. Mai 2011)

Antwort: Wieder einmal versucht uns jemand den RoE als sinnvolle Zielgrösse unterzujubeln. Und es klingt eigentlich ganz plausibel. Aber irgendwo kommt ein rosa Kaninchen aus dem Zylinder — ganz am Schluss: „taking the right risks“. Das gibt es leider nicht. Risiken bestehen ex ante; welches die richtigen sind, bzw. waren, zeigt sich erst ex post. Auch der Lottomillionär hat die richtigen Risiken genommen, im nachhinein gesehen. Im voraus betrachtet hat Lottospielen dennoch einen ziemlich miesen (sogar negativen) RoE. „Die richtigen Risiken“: Ein Perspektivwechsel (vorwärts/rückwärts) in einem Stabreim versteckt. Sprachlich hübsch, aber ökonomisch fatal, wenn man an die Schäden denkt, die der RoE als Zielgrösse im Bankgeschäft angerichtet hat — und, da offenbar unausrottbar, noch anrichten wird.

Ausstieg aus der ökonomischen Vernunft II

Das Bausparen soll nach dem Willen der beiden Kammern subventioniert werden. Gemäss der ökonomischen Logik bräuchte es für eine solche Subventionierung eine Begründung, die klar auf einem Marktversagen beruht oder sozialpolitisch wünschbare Verteilungseffekte hat. Doch eine solche Begründung gibt es nicht.

Eine hohe Eigentumsquote löst keine positiven externen Effekte aus, im Gegenteil. Die Subprime Krise war nicht nur eine Folge der tolpatschigen Anhäufung von Risiken im Subprime-Markt durch gewisse Banken. Erst die aggressive Förderung des Hauseigentums für wenig kreditwürdige Bevölkerungsgruppen durch die Bush-Administration in den USA machte den Markt für Subprime Hypotheken überhaupt attraktiv. Wie mein Basler Kollege Silvio Borner von einiger Zeit in der Weltwoche darlegte (Artikel leider nur für Abbonenten) hat eine Privilegierung des Wohneigentums zudem negative Folgen für die Mobilität der Arbeitnehmer. Wer dies nicht glaubt, soll in die Niederlande fahren. Dort stauen sich jeden Morgen und jeden Abend die Pendler stundenlang auf den total überlasteten Strassen, da die Kosten eines Umzugs für die Hausbesitzer viel zu teuer sind. Dass Hausbesitzer bessere Bürger seien, konnte wissenschaftlich auch noch nie gezeigt werden. Sollten Hausbesitzer tatsächlich „vernünftiger“ sein, dann wäre die Kausalität wohl umgekehrt: Wer „vernünftig“ ist, spart auch mehr und kann sich so eher ein Haus oder eine Eigentumswohnung leisten.

Bleibt somit noch die Möglichkeit, dass die Bevorzugung des Wohneigentums sozialpolitische wünschbare Verteilungseffekte hat. Von der steuerlichen Abzugsfähigkeit des Bausparens profitieren allerdings die gut verdienenden überproportional. Also genau diejenigen Kreise, die sich sonst immer lautstark gegen die grassierende Subventionitis wehren. Genau genommen haben wir das steuerlich begünstigte Bausparen ohnehin schon. Die angesparten Gelder der zweiten und dritten Säule können zum Erwerb einer Immobilie herangezogen werden (Vorbezug oder Verpfändung). Weshalb der Erwerb eines Eigenheims gegenüber anderen Investitionen (beispielsweise in die Ausbildung der Kinder) bevorzugt werden soll, kann ebenfalls nicht ökonomisch begründet werden.

Wer sich als noch-nicht-Hausbesitzer auf das Bausparen freut, der sei gewarnt. Die wirklichen Profiteuere der steuerlichen Privilegierung werden nicht die künftigen Hausbesitzer sein, sondern die heutigen Haus- und Landbesitzer und Baufirmen. Ein Blick nach Zug zeigt, welche Folgen geringere Steuern haben: Ein identisches Haus kostet dort viel mehr als in vergleichbaren Städten. Die Steuervorteile werden „eingepreist“, sodass der eigentlich vorgesehene Empfänger der Subvention gar nicht mehr profitiert. Der Mittelstand wird noch drauflegen müssen (wie in Zug schon heute).

Beim Bausparen wird eine Gruppe von gutverdienenden, wenig mobilen Bürgern gegenüber allen anderen Bürgern ohne ersichtlichen Grund bessergestellt Offenbar ist diese Gruppe im Parlament überdurchschnittlich gut vertreten.

PS 1: Siehe dazu auch den verwandten Beitrag von Gebhard Kirchgässner.

PS 2: Damit ich nicht in die Neid-Schublade gesteckt werde: Ich bin selber Hausbesitzerin und würde gemäss meiner eigenen Argumentation also profitieren vom Bausparen.

Ausstieg aus der ökonomischen Vernunft I

Um Himmels Willen, wo ist nur die ökonomische Vernunft im Bundeshaus geblieben?? Nein, ich ziele nicht auf den Ausstieg aus der Kernenergie, den ich persönlich durchaus unterstütze. Sorgen machen mir hingegen die Folgeentscheide dieses Ausstiegs die bar jeder ökonomischen Vernunft sind.

Bereits kurz nach dem Ausstiegsentscheid des Bundesrates wurden Massnahmen vorgestellt, die vor allem auf Vorschriften und milliardenschwere Subventionen beruhen.

Von einem Preismechanismus, der den Bürgern die Wahl überlässt, wie sie Strom sparen wollen, war nie die Rede. Lieber eine Tonne Mikroregulierung gewürzt mit Subventionen, damit niemand weiss, wer genau was bezahlt. Profitieren von den Vorschriften werden ohnehin nur Bürokraten und gewisse Anbieter, aber sicher nicht die Allgemeinheit.

Neuester Coup in der Debatte ist die Beschneidung des Verbandsbeschwerderechtes für Alternativ-Energie. Die Logik hinter dieser Entscheidung ist mir (und zu meiner Beruhigung auch dem Bundesrat) schleierhaft. Entweder braucht es das Verbandsbeschwerderecht oder es braucht es nicht. Der Sinn des Verbandsbeschwerderechts war es ja, gerade denjenigen Gruppen eine Stimme zu geben, die schwer organisierbare Anliegen vertreten. Es ist für Grossfirmen einfach zu lobbyieren, nicht aber für Einzelpersonen. Und schon gar nicht für künftige Generationen, die von Eingriffen in die Natur besonders betroffen werden. Wer mir erklären kann, weshalb es künftig noch möglich sein soll, eine Beschwerde gegen ein Fussballstadion zu machen, nicht aber gegen fundamentale Eingriffe in die Natur, die kaum je wieder rückgängig gemacht werden können, der hinterlasse einen Kommentar,

Stau am Gotthard

Wer denkt, die schönen Plätze der Schweiz seien überlaufen oder überteuert, dem können wir die Strada Alta empfehlen. Während am Wochenende von Auffahrt die Autos vor und hinter dem Gotthard stauten und die Besucher in den Tessiner Städten sich gegenseitig auf die Füsse traten, waren auf der Strada Alta (einem Höhenweg von Airolo nach Biasca) kaum Menschen anzutreffen. Dafür traumhafte Landschaften, Schmetterlinge in allen Farben und wunderschöne Blumen (inklusive Orchideen). Das Ganze äusserst preiswert: Wir haben für vier Nächte und vier Personen nicht einmal 1200 Franken ausgegeben, Speis und Getränk – auch weniger gesundes – inbegriffen. Wahrscheinlich ist es mit den Ferienorten wie mit dem Wohnraum und vielem anderen: Der Stau betrifft vor allem sogenannte „Topdestinationen“. Er ist somit nicht nur die Folge einer „Überbevölkerung“ sondern auch einer Änderung von Präferenzen.

Chapeau!

Da ich die Weltwoche nicht abonniert habe, kommt mein Kompliment fast eine Woche zu spät. Aber: Es gibt noch gradlinig denkende Ökonomen in diesem Land. Mindestens einen, nämlich Kurt Schiltknecht. In der Ausgabe vom 1. Juni schreibt er Klartext: Die Grossbanken brauchen mehr Eigenmittel. Konkret rund 10 Prozent der Bilanzsumme. (Das ist ungefähr doppelt so viel wie die vom Bundesrat vorgeschlagenen 19 Prozent der risikogewichteten Aktiven.) Dass dies kaum die Haltung der Chefredaktion sein dürfte, war ihm wohl bekannt. Trotzdem steht Schiltknecht ohne Wenn und Aber zu seiner ökonomischen Überzeugung. Gratulation!

P.S.: Ebenfalls weist Schiltknecht auf die Unstimmigkeit hin, dass der Staat die Banken steuerlich für ihre Eigenmittel bestraft (ein Punkt, auf den wir im Gutachten für die SP Schweiz vom vergangenen Juli ebenfalls hingewiesen haben).

Quarterly Capitalism

Werden die Finanzmärkte immer kurzsichtiger? Ja. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung „The short long“ von Andrew Haldane, Executive Director of Financial Stability bei der Bank of England. Offen bleibt die Frage nach den Ursachen: Sind es auf kurzfristigen Erfolg getrimmte Belohnungssysteme oder hirnphysiologische Folgen der Elektronik, die zum „survival of the fastest“ führen?

Konsequent

Kürzlich im Zug nach Bern. Ins Abteil nebenan setzt sich ein FDP-Parlamentarier, den ich von früher kenne. Er ist bereits am Arbeiten, derweil ich noch verzweifelt versuche, die Knöpfe an meinen Hemdsärmeln zu schliessen. „Weisst Du“, störe ich ihn, „mein Vater kam morgens in die Küche und streckte die Arme gradaus. Mutter wusste, was zu tun war. Heute arbeiten unsere Frauen; meine war heute morgen schon weg, als ich überhaupt erst in die Küche kam.“ „Ja, ja,“ meinte der Volksvertreter, „die Leistungsbereitschaft hat abgenommen, aber das Anspruchsniveau ist geblieben“. Baff ab soviel Prägnanz am frühen Morgen, schaue ich ihn nur dumm an. Warum lacht er jetzt so verschmitzt? Jetzt seh‘ ich’s auch: Er trägt ein Kurzarmhemd.

Wie sieht ein ideales Steuersystem aus?

Am 27. Mai findet in Zürich eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Ideales Steuersystem“ statt: Ökonomen diskutieren die Vorschläge des Mirrlees-Berichts für ein kohärentes Steuer- und Transfersystem (im Rahmen der CEPR-Konferenz der Finanzwissenschaft). Sie sind herzlich eingeladen.

Anlässlich dieser Konferenz hat mein Kollege Prof. Christian Keuschnigg auf dem Blog Ökonomenstimme einen Artikel über die ideale Mehrwertsteuer und einen über Kapitaleinkommenssteuern nach dem Mirrlees-Bericht geschrieben. Wir zeigen in einem weiteren Beitrag auf, welche Schlussfolgerungen aus dem Mirrlees-Bericht für das Steuer-und Transfersystem in der Schweiz gezogen werden können.

Lämpä wägem Schwiizertüütsch im Chindergarte

Die Zürcher und Basler Stimmbürger wollen der Mundart im Kindergarten wieder mehr Platz einräumen. Andere Kantone werden wohl folgen. Doch eigentlich ziehlt die Diskussion am wirklichen Problem vorbei. Die Ausbildung für den Lehrerberuf wird immer stärker akademisiert. Gleichzeitig wird den Lehrerinnen und Lehrer wird immer mehr vorgeschrieben, was sie zu tun haben. Und niemand evaluiert, ob diese Vorschriften auch wirklich den erhofften Erfolg bringen. Lesen Sie dazu meine Kolumne in der NZZ am Sonntag „Weshalb wir die Mundartdebatte ernst nehmen sollten – Schulversuche ohne Evaluation frustrierter Lehrer und Eltern“:

„Hochdeutsch im Kindergarten?! Unsere Sprache ist doch Schweizerdeutsch!?“, so ereiferte sich meine seit Jahren in den USA lebende Schweizer Kollegin Anna bei einem Besuch in ihrer Heimat. Die Mehrheit der Stimmbürger in Basel und Zürich denkt offenbar genauso. Das Thema Sprache weckt Emotionen: Die „Zuhausegebliebenen“ erleben die Diskussion in Verbindung mit dem Thema Zuwanderung; „Ausgewanderte“ spüren den möglichen Verlust der sprachlichen Identität. Lesen Sie bitte hier weiter

CoCos gegen Grounding

Im Interview mit Schweizer Bank habe den Satz von mir gegeben: «CoCos verhindern ein Grounding: Wenn die Swissair CoCos ausstehend gehabt hätte, würde sie heute noch fliegen.» CoCos sind bisher im Gespräch für Banken. Weil Banken nach einem Grounding in der Regel tot sind, können in Aktien wandelbare Schulden lebensrettend sein. Dies gilt aber auch für andere Unternehmen, die bei vorübergehendem Betriebsunterbruch massiv an Wert verlieren. Drum müsste es eigentlich erstaunen, dass kaum Unternehmen von solchen Instrumenten Gebrauch machen.