Euro: Hellblaues Auge für die SNB

Urs Birchler

Eveline Kobler von Radio DRS hat mir einen Crash-Kurs in SNB-watching gegeben: Die Devisenkäufe der SNB zur Verteidigung der Kursuntergrenze von Fr. 1.20 zum Euro lassen sich an einem versteckten Ort ablesen (grob und priovisorisch). Nämlich unter den Zahlen zum IMF Data Dissemination Standard. Nach den heute publizierten Zahlen ist die SNB im September glimpflich davon gekommen. Der Zuwachs an Devisenreserven liegt unter 30 Mrd. Franken.

Foreign currency reserves CHF mio
282’352 Sep 2011
253’351 Aug 2011

Hier der Link zu meinem Radio-Kommentar.

Stress für Stress-Tests

Urs Birchler

Nochmals zu Dexia, dann genug für heute. Dexia benötigt Staatshilfe. Wir schreiben Anfang Oktober 2011. Im Juli brillierte Dexia in den Stress-Tests der European Banking Authority (EBA), nachzuschauen in der Übersicht oder im Test für Dexia. Der Witz dabei: Die Stress-Szenarien sind nicht einmal eingetroffen! Weder der simulierte BIP-Rückgangs von 4% (die belgische Wirtschaft wächst im laufenden Jahr um 1,7%), noch ein „haircut“ auf Staatsschulden haben stattgefunden. Gleichwohl hat die im Stress-Test für Dexia ausgewiesene stolze Kernkapitalquote von 12% offenbar nicht ausgereicht.

Weshalb nicht? „The answer, my friend, is blowing in the wind“, würde Bob Dylan singen. Ich würde sagen: Die Risikogewichtung der Assets ist — bei aller Mühe, die sich der Basler Ausschuss und die nationalen Aufseher geben mögen — ein windiges Konzept.

Bad bank — bad idea

Urs Birchler

Ich habe immer vor Illusionen in bezug auf das Sanierungskonzept „good bank — bad bank“ gewarnt. Beispielsweise zusammen mit meinen Koautor(inn)en in der Studie zum „Too-big-to-fail“. Das Problem: Dem Staat bleiben am Ende die schlechte Bank und die Schulden. Durchgespielt in der Schweiz mit der von der Berner Kantonalbank abgespalteten Dezennium AG, die 2002 mit einem Gesamtverlust von 2,6 Mrd. Fr. liquidiert wurde. Gleichwohl hat die Expertengruppe des Bundes, und in der Folge auch das Parlament, die „good bank — bad bank“-Idee hoffnungsvoll übernommen.

Nun kommt sie wieder einmal zum Einsatz: Die belgisch-französische Bank Dexia soll nach dem „good bank — bad bank“-Konzept saniert werden. Die Einzelheiten sollen bis Donnerstag fixiert sein (näheres im Blog des Wall Street Journal). Wetten, dass den Staaten Belgien und Frankreich die faulen Titel und die guten Schulden verbleiben?

Und damit es auch wieder einmal gesagt ist: Die teuerste Bankenrettung ist eine Garantie der Verbindlichkeiten. Gescheiter, wenn schon, ist die volle Verstaatlichung bei gleichzeitiger Enteignung der bestehenden Aktionäre. Wenn auch bestehende Schulden gekürzt werden können, umso besser. Aber Garantien sind eben praktisch: Sie müssen meist nicht vorher durchs Parlament.

Banken und Staat: Zwei Ertrinkende?

Urs Birchler

Gestern im Echo der Zeit von Radio DRS („Europas Banken auf Kapitalsuche“, 4.10.2011) habe ich ein gewagtes Bild verwendet: Die europäischen Banken und die Staaten klammern sich aneinender wie zwei Ertrinkende. So gehen sie gemeinsam unter, anstatt sich mit letzter Kraft freizuschwimmen. Ich stand dabei zwar unter dem Eindruck eines Vorschlags, die europäischen Banken sollten den finanzschwachen Staaten helfen. Noch nichts wusste ich hingegen vom Beschluss der belgischen und französischen Behörden, Dexia wieder einmal zu retten.

Europäische Banken: Schwierige Unterscheidung

Urs Birchler

Das positive Denken der europäischen Politiker beginnt doch Früchte zu tragen. So fordert die NZZ in der heutigen Ausgabe („Wacklige europäische Banken“, Nr. 232, S. 25), es müsse je früher, desto besser die „Unterscheidung zwischen solventen und solventen Banken gemacht werden“. Noch vor kurzem häte man eher eine Unterscheidung zwischen insolventen und insolventen Banken erwartet.

Neue Studie zur Wohneigentumsbesteuerung

Subventionen und steuerliche Sonderbehandlungen stellen immer eine Bevölkerungsgruppe auf Kosten aller anderer besser. Verteilungseffekte ziehen Preisänderungen und Verhaltensanpassungen nach sich, die nicht immer erwünscht sind. Interessant ist, dass nicht nur Linke und Bauern Subventionen fordern, sondern auch bürgerliche Kreise mit einer Reihe von Wohneigentumsförderprojekten und – initiativen. Deswegen sind sie allerdings nicht besser, wie wir (Gebhard Kirchgässner und ich) in diesem Blog, schon einige Male argumentiert haben.

Es gibt nun eine neue Studie des Basler Ökonomen Frank Bodmer, welche die Auswirkungen einer Privilegierung von Wohneigentum im Detail und mit numerischen Lebenszyklusmodellen untersucht. Der Autor kommt zu den gleichen Schlüssen wie ich, etwas wissenschaftlicher und diplomatischer formuliert als meine batz-Beiträge.

Zu den Verteilungswirkungen schreibt Frank Bodmer im Abschnitt 7.4.
„Die steuerliche Sonderbehandlung des Wohneigentums soll die Wohneigentümer besser stellen. Da Wohneigentümer tendenziell Haushalte mit mittleren bis hohem Einkommen sind und da die Abzüge über eine Milderung der Progression wirken, kommt diese steuerliche Sonderbehandlung vor allem den Haushalten mit überdurchschnittlichem Einkommen zugute. Die übrigen Haushalte, d.h. vor allem Mieterhaushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen, dürften dagegen zu den Verlierern gehören. Die Förderung des Wohneigentums wird nämlich mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einer Verteuerung des Bodens und damit zu einer Verteuerung aller Immobilien führen. Bei den Hauseigentümern mit hohem Einkommen werden die steuerlichen Begünstigungen diesen Bodenpreiseffekt mehr als kompensieren. Bei den Eigentümern mit durchschnittlichem Einkommen kann der negative Bodenpreiseffekt allerdings bereits grösser sein als der positive Effekt der tieferen Besteuerung.
Mit Sicherheit werden allerdings die bisherigen Eigentümer von Boden und Immobilien profitieren. Die Senkung der steuerlichen Belastung auf der Nutzung der Immobilien erhöht die so genannte Bodenrente, d.h. denjenigen Teil des Wertes eines Grundstücks, welcher über den Erschliessungskosten liegt. Dieser Effekt ist nicht nur verteilungspolitisch von fraglichem Wert, sondern er führt auch in einem Bereich zu steuerlichen Entlastungen, wo keinerlei Effizienzgewinne zu erreichen sind. Reine Renten können nämlich besteuert werden, ohne dass es zu Verhaltensänderungen und damit zu Effizienzverlusten kommt.“

Transparenz in der Parteienfinanzierung

Der Ständerat hat dem Nationalrat die heisse Kartoffel zugespielt: Sollen Parteien offenlegen, woher sie ihr Geld erhalten?

Dazu gibt es die umgekehrte Fragestellung: Sollen Firmen ihre Parteispenden offenlegen? Dazu hat die Harvard Law School kürzlich eine interessante Studie (verfasst von John Coates und Taylor Lincoln) präsentiert. Der Befund: Unternehmen, die freiwillig ihre Parteispenden offenlegen, haben im Durchschnitt um 7,5 Prozent höhere market-to-book-ratios (Marktkapitalisierung dividiert durch Eigenkapital). Das heisst, die Offenlegung liegt im Interesse der Aktionäre (vermutlich dienen nicht alle Spenden der Unternehmung, sonder eher dem Freundschaft-Netzwerk der Geschäftsleitung). Gefunden habe ich die Studie über den Eintrag von James Kwak in The baseline scenario.

Die Schweizer Unternehmen könnten dem Nationalrat die Arbeit daher etwas erleichtern. Umgekehrt könnte der Nationalrat mit der Offenlegung den Aktionären der Spender-Firmen einen kleinen Gefallen tun.

FINMA bitte Stecker ziehen!

Ich habe die Ereignisse um das Investment-Banking der UBS (wie viele seriöse UBS-Mitarbeiter auch) bisher mit einer Mischung von Erstaunen und Entsetzen wahrgenommen. Nun ist aber Zeit für die komplette Verzweiflung. Der Tagesanzeiger meldet, der Chef des Investment Banking der UBS habe gesagt „Lasst uns den Milliardenverlust wettmachen“. Dies heisst unter Ökonomen „Gambling for resurrection“. Mit gutem Geld versuchen, bereits verlorenes wieder zu gewinnen. Wie die Glücksspieler sagen: „In case of trouble, double.“ Genauso hat Nick Leeson die Bank Barings umgebracht, genauso funktionierte Jérôme Kerviel bei Société Générale. Genauso dürften auch die Verluste bei UBS so gross geworden sein. Jetzt fordert der Chef: Mehr vom selben! Er wird wohl nicht gemeint haben, die 2 Milliarden einzusparen, indem Bleistifte vorsichtiger gespitzt werden.

Entweder hat der Tagi gelogen oder aber: Jetzt bitte Ende Feuer! Wenn jetzt die FINMA nicht den Stecker zieht, dann weiss ich nicht, wozu wir eine Bankenaufsicht brauchen.

Nachtrag (20.9.16:30): In einer Email an seine Mitarbeiter schrieb der Chef des Investment Banking, Carsten Kengeter, gemäss mehreren englischen Zeitungen: „The key to repairing the financial damage to the firm, as well as to our shareholders, is to deliver excellent ongoing performance from each desk and each team, starting today. A very strong fourth quarter is the best way to demonstrate to all that we are bigger than the acts of one misguided individual…..“. Das mag in deren Ohren gut klingen. Übersetzt kann es nichts anderes heissen als: Eigenhandel forcieren und Gewinne einfahren, was bekanntlich nicht ohne zusätzliche Risiken geht.

Wer hat die 2 Milliarden?

Alle fragen sich ungläubig: Wie kann eine Bank wegen eines einzelnen Händlers 2 Mrd. Fr. verlieren, ohne das Loch rechtzeitig zu bemerken? Dazu macht Jonathan Guthrie in der Financial Times eine interessante Bemerkung: Warum fliegen Händler, die zu hohe Risiken eingehen, immer nur auf, wenn der Verlustfall eintritt? Bei einem anständigen Kontrollsystem müssten auch unerklärbare Gewinne die Sirenen starten. Drum finde ich die Frage genial, die gestern mein Kollege Peter Lautenschlager gestellt hat (als Verwaltungsdirektor des Instituts hat er das Auge für institutionelle Hygiene): Wo sind eigentlich die 2 Milliarden Franken? Mit anderen Worten: Bei welchem Institut hat die Alarmanlage ebenfalls versagt?

Eines kann ich versprechen: In unserer Institutskasse sind sie nicht. Peter hätte schon die ersten 20 Franken gemerkt.

Investment Banking: Denk- und Lesepause?

Das Parlament hat es abgelehnt, noch im Rahmen der TBTF-Vorlage über die Abtrennung des Investment Banking zu debattieren. Dies gibt den Interessierten Zeit, sich ins Thema einzulesen. Ein guter Einstieg ist der Bericht der britischen Independent Banking Commission (IBC). Er entwickelt das Konzept des „ring-fencing“, d.h. eines regulatorischen Zauns zur Abgrenzung der gefährlichen Teile des Bankgeschäfts von den systemisch wichtigen Teilen.

Selbstverständlich gehen die Meinungen über den Bericht weit auseinander. Dennoch dürfte er auch für die Schweiz als Katalysator der Diskussion wichtig werden. Also: Neuer Ausdruck für den Party-talk: Ring-fencing. Vielleicht auch eine Strategie der Zürcher Polizei gegen rabiate Party-Gänger.