Vollgeld

Urs Birchler und Monika Bütler

Die Vollgeldinitiative ist lanciert. Volles Geld bringt volle email Boxen mit Anfragen von interessierten Journalist(inn)en und Student(inn)en. Glücklicherweise hat unser emeritierter (HSG) Kollege Jörg Baumberger sich schon die Mühe genommen, die Argumente gegen eine Vollgeldreform aufzuschreiben. Fazit: Nicht die Geldschöpfung der Geschäftsbanken ist verantwortlich für die Instabilitäten des Finanzsektors. Banken müssen mit anderen Mitteln sicherer gemacht werden – durch höhere Eigenmittelvorschriften, zum Beispiel.

Alle Anfragen zur Vollgeldinitiative erhalten daher von uns den Link auf Jörg Baumbergers NZZ Artikel.

PS: Jörg Baumberger ist zwar emeritiert aber keineswegs eremitiert. Er ist nach wie vor sehr aktiv und bringt ökonomische Zusammenhänge wie eh und je luzide auf den Punkt.

Was Sie immer über Ungleichheit wissen wollten

Ernst Fehr

SCIENCE magazine has just published a series of articles on the „Science of Inequality“ written by economists such as Thomas Piketty (Paris School of Econ), Emanuel Saez (Berkeley), David Autor (MIT), Janet Currie (Columbia), etc.. The articles are freely available (without a pay wall) at: http://www.sciencemag.org/site/special/inequality/

Content of the Special Issue on the Science of Inequality

Review Papers by economists:

  • Inequality in the long run
    Thomas Piketty and Emmanuel Saez
  • Skills, education, and the rise of earnings inequality among the “other 99 percent”
    David H. Autor
  • Income inequality in the developing world
    Martin Ravallion
  • The intergenerational transmission of inequality: Maternal disadvantage and health at birth
    Anna Aizer and Janet Currie
  • On the psychology of poverty
    Johannes Haushofer and Ernst Fehr

Short pieces written by Science Editors or Scientists:

  • The Science of Inequality: What the numbers tell us
    Gilbert Chin and Elizabeth Culotta
  • The Science of Inequality: The ancient roots of the 1%
    Heather Pringle
  • The Science of Inequality: Our egalitarian Eden
    Elizabeth Pennisi
  • The Science of Inequality: Tax man’s gloomy message: the rich will get richer
    Eliot Marshall
  • The Science of Inequality: Can disparities be deadly?
    Emily Underwood
  • The Science of Inequality: While emerging economies boom, equality goes bust
    Mara Hvistendahl

Piketty für Eilige

Urs Birchler

Der Ökonom Thomas Piketty, der Autor des gegenwärtigen No 1 Bestsellers Capital in the 21st Century, ist in aller Munde. In der NZZaS von heute (S.34; mit Kommentar von Reto Föllmi) sowie in früheren NZZ-Ausgaben ([1],[2],[3],[4]). Im Tagesanzeiger ([15] und [6]) und seinem Blog Never Mind the Markets ([7]).

Wer die 700 Seiten nicht sofort lesen will, dem können wir hier eine ausgezeichnete Besprechung empfehlen. Sie stammt von Robert E. Solow, Wirtschafts-Nobelpreisträger von 1987 und ist erschienen in der New Republic (Printversion). Solow bespricht Pikettys Buch wohlwollend und fair, obwohl er dessen politischen Ansichten (v.a. den Vorschlag einer scharfen Besteuerung der Reichen) keineswegs teilt.

Die Vermögensverteilung, Pikettys Hauptthema, und die Probleme bei deren Messung hat Monika Bütler schon verschiedentlich diskutiert, sowohl hier als auch als Quiz und dessen Auflösung. Letztere verweist auch auf den Artikel in der NZZaS.

NZZ klaut Batz-en

Urs Birchler

NZZ_Batzen
Den Kampf gegen die Mindestlohninitiative unterstützen wir gerne mit einem Batzen. Drum freuen wir uns, dass die NZZ jetzt, wie unser Blog, auch einen Batzen im Titel führt. Nur hoffen wir, dass die Leser daraus nicht schliessen, die Annahme der MLI koste nur ein paar Batzen.

May the force be with you!

Urs Birchler

Star Wars-Fans kennen diesen Satz als Abschiedsgruss zwischen Jedis. Als George Lucas, der Regisseur der Star Wars-Filmreihe, bei einer deutschen Privatfernsehstation sagte, „May the force be with you!“, übersetzte der anscheinend leicht überforderte deutsche Simultanübersetzer (x) jedoch: „Am vierten Mai sind wir bei Ihnen.“ [hat tip: Michael Laricchia]

Warum berichten wir darüber in einem Blog zur Wirtschaftspolitik? Erfunden hat die Pointe die Partei von Margaret Thatcher als Glückwunsch zu deren Amtsantritt als britische Premierministerin am 4. Mai 1979: „May the fourth be with you!“. Seither feiert die Star Wars-Gemeinde den 4. Mai als (Star Wars Day). Umstritten bleibt laut NZZ, welche Schweizer Partei das geistige Erbe von Frau Thatcher vertritt. Die wahren Jedis unter unseren Politikern erkennt man am kommenden Sonntag, 4. Mai, am blauen Laserschwert.

lightsaber

Die abschliessende — je nach dem, gute oder schlechte — Nachricht: Es folgt noch eine Folge Star Wars VII, das ist dann aber scheint’s die letzte.

[Jonas Kocher teilt per Twitter mit: Es geht weiter mit VII bis IX]

Ritalin-Schwindel zum zweiten

Urs Birchler

Die Anti-Ritalin-Sekte hat wieder zugeschlagen. Der Tages-Anzeiger online entblödet sich nicht, heute dieselben Legenden nochmals abzudrucken, die wir in der NZZaS, bzw. hier und hier bereits entlarvt haben.

Wiederum spiel der Soziologe Pascal Rudin eine Hauptrolle. Er zitiert diesmal auch eine Studie, genauer „die amerikanische MTA-Studie (Multimodal Treatment Approach)“ (ohne den altmodischen Luxus einer genaueren Quellenangabe). Da aber die Studie an 579 Kindern durchgeführt wurde, kann man sie identifizieren. Und siehe da: Die Studie stammt aus dem Jahr 1999 und findet eine klare Überlegenheit der (von Rudin verteufelten) medikamentösen Behandlung gegenüber von Verhaltensorientierten Therapien (Rudin sVorliebe) [sehr ähnlich eine Studie aus von 2001]:

Conclusions For ADHD symptoms, our carefully crafted medication management was superior to behavioral treatment and to routine community care that included medication. Our combined treatment did not yield significantly greater benefits than medication management for core ADHD symptoms, but may have provided modest advantages for non-ADHD symptom and positive functioning outcomes.

Rudin behauptet laut TA, „dass die Einnahme von Methylphenidat nach 14 Monaten zwar Vorteile zeigte. Nach drei Jahren Einnahme jedoch waren diese nicht mehr nachweisbar und es zeigten sich sogar Nachteile gegenüber nicht-medikamentöser Hilfen.“ Diese Behauptung ist einmal mehr erlogen und erstunken. Wie schon die im TA wiederholte Behauptung Rudins, in der Schweiz seien 95 Prozent der Ritalin-Verschreibungen überflüssig.

Der TA meint, Ritalin werde jahrelang ohne Diagnose verschrieben. „Dies bestätigen auch Erfahrungsberichte von Betroffenen.“ Wir können versichern: Wir haben nach unserem Artikel in der NZZaS fast zwei Dutzend Zuschriften erhalten von Betroffenen, die uns alle gedankt haben. Niemand hat geschrieben: Ich hätte kein Ritalin bekommen sollen.

Skandal: Bankenprofessor beim Betteln erwischt

Urs Birchler

Bettler

Bild: Silke Declerck

Nicht jeden Tag erwischt man einen Bankenprofessor (und dann noch von der Uni Zürich) beim Betteln. So geschehen vergangenen Sonntag in Baden-Baden vor der Aufführung von „Geld und Glück“, der letzten Folge der Trilogie des Geldes. Wenn ich schon mitwirken durfte, dann wollte ich doch die Erfahrung der Mikro-Sponsorensuche einmal selber machen.

Finanzieller Erfolg: Gut 13 Euro in einer Stunde (wobei einzelne Passanten den Theaterbettler durchschauten und gerne etwas springen liessen). Erkenntnisgewinn: Am ehesten gibt, wer selber gerade Glück hatte (Parklücke gefunden; attraktive Partnerin am Arm). Am knausrigsten waren die Betrachter der Auslage der Juweliergeschäfte (auch ein Brillant beginnt mit einem Cent). Und niemand schaut einem Bettler ins Gesicht. Aber ausgestossen sein macht auch stark: Buchen Sie bei mir eine Probelektion in Betteltherapie® (Platzzahl beschränkt).

Ungeeignete Leverage Ratio?

Urs Birchler

Der Tages-Anzeiger lobt die Universität Zürich für die Wahl der Bankenkritikerin Anat Admati zur Ehrendoktorin: „Ihre Ehrung markiert Distanz zum Bankenplatz: zur UBS, die ein eigenes Kompetenzzentrum sponsert [das UBS Center for Economics in Society], und zum Swiss Finance Institute, das von den Banken finanziell unterstützt wird. Regulierungsfragen werden dort mehr als zurückhaltend behandelt.“ [Hyper-Links von uns eingesetzt.]

Dass uns der TA Unabhängigkeit attestiert, ist erfreulich. Er hätte noch erwähnen können: Am Institut für Banking und Finance und dessen Zentrum für Finanzmarktregulierung (ZeFiR) nehmen wir ständig zu Regulierungsfragen Stellung. (Das Institut erhält m.W. keine Gelder von Grossbanken und ist nicht zu verwechseln mit dem bankenfinanzierten SFI.)

Ferner hat der TA mit dem Zitat „Ungewichtete Kapitalquoten sind völlig ungeeignet, um das «Too big to fail»-Problem zu managen“ ein unglückliches Beispiel erwischt. Die Aussage stammt aus einem White Paper des SFI, verfasst unter der Leitung von Prof. Jean-Charles Rochet (UZH). Das Paper zieht Bilanz zur Diskussion um die Kapitalkosten und kommt zum — keineswegs bankenfreundlichen — Schluss, dass der Nutzen höherer Eigenmittel der Banken die Kosten vor allem aus gesamtwirtschaftlicher Sicht klar übersteigen dürfte.

Eine Leverage-Ratio als einzige Eigenmittelanforderung für Banken ist gleichwohl ungeeignet. Eine solche würde das Bankgeschäft in die riskantesten Ecken abdrängen. Wenn Anat Admati fordert, die Banken sollen Eigenmittel von 20% der Bilanz haben, heisst dies nicht, dass diese Eigenmittel durch eine alleinige Leverage-Ratio erzwungen werden sollen.

Wir können Anat Admati selber fragen. Morgen Dienstag, 17 Uhr, hält sie einen öffentlichen Vortrag an der UZH.

Mindestlohn: Weshalb 22 Franken pro Stunde und 4000 Franken pro Monat nicht dasselbe sind

Monika Bütler

Als unsere Kinder noch kleiner waren, hatten wir während gut zweier Jahre eine Haushälterin mit einem 80% Pensum. Aus verschiedenen Gründen kehrten wir wieder zum alten System zurück; zu einer Haushälterin im Stundenlohn mit einem geringeren Pensum. Obwohl wir nun einen deutlich höheren Stundenlohn zahlen, kostet uns das Ganze nur noch etwa die Hälfte. Dies bei einem nur minim höheren eigenen Arbeitsaufwand.

Vor der Mindestlohninitiative hätten wir uns in beiden Fällen nicht fürchten müssen. Die ungelernte 80% Haushälterin verdiente rund 24.50 pro Stunde (bei einem 100% Pensum wäre der Monatslohn etwas über 4400 Franken gelegen), die neue Haushälterin verdient rund 32 Franken pro Stunde. Dennoch: Für die neue Haushälterin dürfte es trotz deutlich höherem Stundenlohn gar nicht so einfach sein, denselben Monatslohn wie ihre Vorgängerin zu erreichen, weil die Arbeit mit mehreren Haushalten viel zerstückelter ist. Die Arbeit ist zudem anstrengender, ruhige Perioden seltener.

Weshalb erzähle ich dies überhaupt? Der Ersatz von Stellen im regulären Monatslohn durch Stellen im Stundenlohn dürfte wohl eine der wichtigsten Anpassungsmechanismen bei einer Annahme der Mindestlohninitiative sein. Auch wenn es bei uns nicht Kostengründe waren, die zum Systemwechsel führten. Für ein kleines Restaurant sieht das anders aus. Es wird sich eventuell das Servicepersonal im Stundenlohn noch leisten können, aber nicht mehr im Monatslohn. Unter dem Strich wird dann die (fast) gleiche Arbeit unter grösserem Stress mit kleineren Sicherheiten für die Arbeitnehmer geleistet. Unter Einhaltung des Mindestlohnes zwar – besser gestellt ist damit aber niemand, im Gegenteil. Vielleicht haben die Initianten sogar recht, wenn sie denken, dass sich der Abbau an Stellen in Grenzen hält. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass gute Stellen im Monatslohn (meist mit Aussicht auf höhere Löhne nach einiger Zeit) durch schlechtere Stellen im Mindestlohn-kompatiblen Stundenlohn ersetzt werden.

Andere Anpassungsmechanismen könnten sein, allfällige Lohnnebenleistungen (Spesen, Beiträge ans Essen) nicht mehr separat auszuweisen. Wer früher 3800 Franken verdiente und 200 Franken in anderer Form, erhält neu einfach 4000 Franken pro Monat ohne Nebenleistungen (und muss unter Umständen erst noch mehr Steuern bezahlen). Wer nun sofort böse Arbeitgeber wittert, dem empfehle ich einmal in grenznahen Gebieten (im St. Galler Rheintal zu Beispiel) einen Nachmittag mit dem Velo oder Auto herumzufahren. In diesen Gebieten haben schon heute Restaurants und andere kleine Dienstleister die grösste Mühe mit der Konkurrenz ännet der Grenze mithalten zu können. Dies obwohl schon heute die Preise aus der Zürcher Konsumentenperspektive traumhaft tief sind.

Die Internationale Erfahrung hat uns gezeigt, dass ein rigiderer Arbeitsmarkt zu einer grösseren Anzahl von prekären Stellen und ineffizienten Umgehungsmechanismen führt. Gerade weil die Schweiz bisher einen relativ liberalen Arbeitsmarkt hat, kommen schon ganz junge und unerfahrene Menschen in den Genuss von Festanstellungen im Monatslohn mit den dazu gehörenden Sicherheiten. Die allermeisten, die mit einem Lohn unter 4000 Franken beginnen, werden nach relativ kurzer Zeit darüber entlohnt.

Damit ich nicht missverstanden werde. Ich teile die Meinung der Initianten, dass einem in Vollzeit tätigen Arbeiter der Gang zum Sozialamt erspart werden müsste. Nur ist der Mindestlohn als Massnahme zur Unterstützung der Working Poor schrecklich ungeeignet. Erstens lebt nur eine Minderheit von Tieflohnbezügern in Armutsgefährdeten Haushalten. Zweitens garantiert auch ein Mindestlohn nicht, dass eine Arbeiterin (mit Kindern zum Beispiel) genug zum Leben hat.

Was wären dann die Alternativen? Zuerst einmal muss das Existenzminimum von Einkommensteuern befreit werden, wie ich hier auch schon ausgeführt habe. Dem Argument, dass auch auf dem Existenzminimum Steuern bezahlt werden müssten, um den Leuten die Kosten staatlicher Leistungen vor Augen zu halten, kann ich nicht folgen (hier nachzulesen). Um die Lücke zwischen Einkommen und Existenzsicherung zu garantieren sollte die Schweiz ein System einer negativen Einkommenssteuer für Niedrigverdiener einführen. Dabei werden kleine Einkommen bis zu einer gewissen Grenze subventioniert. Das System hat sich in den USA sehr bewährt und hat gerade vielen Frauen aus der Armut geholfen – und ihnen den ungeliebten Gang zum Sozialamt erspart.

Ehrendoktor an Banken-Kritikerin

Urs Birchler

Die Ökonomin Anat Admati ist seit heute Ehrendoktorin der Universität Zürich. Damit wurde diese Ehre nach Doug Diamond zum zweiten Mal hintereinander an eine(n) Vertreter(in) der Banken- und Finanztheorie vergeben.

Die ehemalige Studentin der Hebrew University, Jerusalem, ist heute (mit einem PhD von Yale) Professor of Finance and Economics in Stanford (CV). Ihre Forschung und Publikationen gelten Fragen der Informationsverarbeitung auf den Finanzmärkten und anderen Fragen auf dem Gebiet der sogenannten Mikrostruktur der Märkte.

Anat Admati gehört aber auch zur Gruppe jener Ökonomen, die nach der Finanzkrise aktiv die Öffentlichkeit gesucht haben und den Argumenten der Banken entgegengetreten sind. Das Buch The Bankers‘ New Clothes, verfasst mit Martin Hellwig, räumt auf mit den Argumenten der Banken, weshalb hohe Eigenmittel schädlich seien. Für Eilige: Eine kurze Zusammenfassung durch Admati im Video-Clip. Eine Zusammenfassung auf deutsch bei iconomix, in der FuW und in der FAZ.