Bankensanierung: Kompass über Bord

Der Bundesrat hat am 12. Mai einen neuen Entwurf zum Einlegerschutz präsentiert. En passant werden auch die Bestimmungen zur (Zwangs-)Sanierung revidiert. Einiges daran ist gut (Schuldumwandlung, Art. 31 Abs. 3 EBankG) oder mindestens gut gemeint (good bank — bad bank, Art. 30 EBankG).

Mit Entsetzen stelle ich jedoch fest, dass der ökonomische Kompass der Sanierung verloren gegangen ist. Bisher verlangte das Gesetz, dass ein Sanierungsplan „die Interessen der Gläubiger und der Eigner bestmöglich wahrt“ (Art. 29 Abs. 1 BankG). Auf gut ökonomisch bedeutete dies: Die Aufsichtsbehörde muss bei der Zwangssanierung einer Bank die vorhandenen Werte der Bank maximieren. Dies schliesst Lieblingslösungen der Behörde auf Kosten der Aktionäre aus.

Der neue Entwurf verlangt nur noch, dass die Sanierung „die Gläubiger voraussichtlich besser stellt als die sofortige Eröffnung des Bankenkonkurses“ (Art. 31 Abs 1 lit.c EBankG). Das ist viel bescheidener, unanständig bescheiden. Die Behörde gewinnt nämlich hier einen Spielraum auf Kosten der Aktionäre. Ich bin zwar der letzte, der mit den Aktionären einer sanierungsbedürftigen Bank Erbarmen hat. Und oft wird für die Aktionäre auch bei wertschonendster  Sanierung tatsächlich nichts übrig bleiben. Aber in der Marktwirtschaft geht’s eben manchmal ums Prinzip, sonst landen wir bei der Behördenwillkür.

Ich war seinerzeit Mitglied der Arbeitsgruppe, welche die bestehenden Bestimmungen erarbeitet hat. Es war nicht einfach, die Juristen in der Gruppe davon zu überzeugen, dass aus ökonomischer Sicht bei einer Sanierung die Substanz zu maximieren ist. Aber es ist damals gelungen. Acht Jahre älter und um eine Krise reicher werfen wir den ökonomischen Kompass wieder über Bord.

TBTF: Pioniernation Schweiz!

Gerade erhielt ich von Inke Nyborg den Hinweis, dass es der Zwischenbericht der Expertengruppe des Bundes (vom 23. April) in die internationale Blogosphäre geschafft hat, und zwar gleich auf ein hohes Podest. Harvard-Professor Greg Mankiw rühmt die Schweiz, da die Expertengruppe explizit sogenannte CoCos (Contingent Convertible Bonds) vorschlägt.

Mich hat’s gefreut, weil ich die (von namhaften Akademikern und Praktikern propagierten) CoCos kürzlich in meiner Antrittsvorlesung und im Zwischenbericht für die SP Schweiz unterstützt hatte.

Mankiw’s Beitrag ist auch eine gute Ergänzung zu meinem Interview in NZZ Impulse zum Zwischenbericht der Expertengruppe.

RAV online – ein Erfahrungsbericht

Wir suchen eine Haushalthilfe mit circa 50%-Pensum. Das wäre keinen Blogeintrag wert. Dafür die Online-Stellenvermittlung Treffpunkt Arbeit: Die vom seco organisierte Informationsplattform ist zumindest aus der Sicht potentieller Arbeitgeber verbesserungsfähig — um es milde auszudrücken.

Eine Online-Suche nach Haushalthilfen/Haushälterinnen für den Arbeitsplatz Zürich lieferte am Stichtag 168 Hits. Die vom Computer ausgespuckte Liste enthielt folgende Information: Je eine Identifikationsnummer im Format AE123456, Kanton und Beruf. Neben einer für uns nutzlosen Nummer somit die zwei Suchbegriffe, die wir bereits selber eingegeben hatten. Hingegen keine brauchbare Kurzbeschreibung wie: „Ältere Italienisch sprechende Frau sucht 60% Stelle in Familie mit Kindern“, welche mindestens eine erste Vorauswahl zugelassen hätte.

Die 168 potentiellen Bewerberinnen müssen einzeln angeklickt werden. Das Studium der Einträge ist allerdings wenig ergiebig: Es finden sich auch im Dossier keine Informationen, die einem potentiellen Arbeitgeber erlauben würden, eine engere Auswahl zu treffen und sich dann mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) in Verbindung zu setzten. Abgesehen davon, dass alleine schon die Ansicht von 168 Profilen mehrere Stunden dauern würde.

Im Dossier finden sich Informationen zu Alter, Geschlecht, Führerausweiskategorie (meistens B) und detaillierte Infos über den Aufenthaltsstatus. Letzteres, obwohl des RAV kaum Personen ohne Arbeitsbewilligung vermitteln dürften. Der Wohnort wird nicht erwähnt,  dafür die Bereitschaft diesen zu wechseln (fast immer „nein“). Aus der Adresse des RAV ist dann der ungefähre Wohnort indirekt doch ersichtlich.

Aus gut gemeinten Datenschutzgründen nicht erwähnt wird die Nationalität. Bei einer Person mit Bewilligung F (= vorläufig aufgenommen) und Muttersprache Französisch wird es sich allerdings kaum um eine Französin handeln. Apropos Sprachen: Unter den aufgelisteten Kandidatinnen scheint es einige Sprachwunder zu geben, die neben ihrer Muttersprache mehrere Sprachen in Wort und Schrift gut beherrschen. Mindestens steht es so im Dossier.

Am Schluss bleibt Ratlosigkeit: Wie soll denn ein potentieller Arbeitgeber aufgrund dieser Angaben Kandidatin AE123456 (46, Aufenthalt B, Muttersprache Spanisch, Wohnortswechsel nein, Tagespendler) von Kandidatin AE987654 (35, Aufenthalt C, Portugiesisch, Wohnortswechsel nein, Tagespendler) unterscheiden können? Es fehlen genau die Informationen, welche normalerweise in der Stellenvermittlung im Zentrum stehen: Frühere Erfahrungen, Fertigkeiten (Kochen? Bügeln?), Motivation, persönliche Angaben, Engagement, Flexibilität und zeitliche Verfügbarkeit.

Möglich, dass das RAV die Zügel selber in der Hand behalten möchten, weil es die Bewerberinnen besser kennt. Mit der gewählten Informationsstrategie steigt allerdings die Chance auf erfolgreiche Vermittlung kaum.

Harter Fall statt Härtefall

Eine Hiobsbotschaft für die Lehrerin unseres jüngeren Sohnes: Sie darf ab sofort nicht mehr unterrichten. Nein, sie hat weder gestohlen noch Kinder geschlagen. Es ist viel einfacher: Sie ist Südafrikanerin. Ihre Arbeitsbewilligung wird nach zwei Jahren erfolgreicher Tätigkeit nicht mehr verlängert.

Der Hintergund: Der Bundesrat hat das Kontingent für Arbeitsbewilligungen für Spezialistinnen und Spezialisten aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) halbiert. Es wird 2010 deshalb maximal 2000 unbeschränkte Aufenthaltsbewilligungen („B“) und maximal 3500 Kurzzeit-Aufenthaltsbewilligungen („L“) geben. Entsprechend werden die Kantone auch nur halb so viele Arbeitsbewilligungen erteilen können. Zu den Nicht-EU Staaten gehören Länder wie die USA, Kanada und Australien, aus denen von schweizerischen Firmen hoch begehrte Spezialisten kommen. IT Firmen, internationale Schulen und Forschungsanstalten sind von den Einschränkungen ganz besonders betroffen.

Zum Vergleich: Im Jahre 2009 erhielten rund 50’000 Personen aus EU17- und EFTA-Staaten B- und L-Aufenthaltsbewilligungen. Ferner erhielten 10’542 Personen Asyl, wurden vorläufig aufgenommen, oder ihr Aufenthalt wurde aus anderen Gründen mit einer fremdenpolizeilichen Bewilligung geregelt, davon 2700 aufgrund einer Härtefallregelung.

Unsere Kinder und ihre hoch-qualifizierte und engagierte Lehrerin werden nicht die einzigen sein, die unter der absurden Einwanderungspolitik leiden. Ein Härtefall ist dies offenbar dennoch nicht. Öffentlicher Widerstand gegen den Verhältnisblödsinn bei den Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen scheint sich auch nicht zu regen. Der nichtgewährte Härtefall für einen in der Schweiz mehrfach vorbestraften, in seinem Heimatland in keiner Weise bedrohten Kolumbianer rührte hingegen die Tränen der Härtefallkommission und füllte während Tagen mehrere Seiten im Tagesanzeiger.

L’empreinte digitale des „insider“

Pour le détenteur d’informations privilégiées, opérer sur les marchés dérivés est probablement plus avantageux que de directement acheter ou vendre le titre concerné. Il bénéficie à la fois d’incitatifs économiques (coût de transaction réduit, capital initial faible, importante capacité de levier financier) et d’incitatifs stratégiques (discrétion offerte par le marché des options). Il est dès lors raisonnable de penser que des acteurs de marché bénéficiant d’informations privilégiées relatives à une société puissent préférer traiter des options plutôt que des titres de la compagnie. C’est bien l’objet de notre étude qui a permis de détecter un certain nombre d’opérations suspicieuses tant aux Etats-Unis qu’en Europe (voire aussi l’article dans Le Temps).

A titre d’exemple, l’analyse de 6 ans de données, permet de détecter des transactions suspectes pour 5 options de vente, sur le titre EADS sur les marchés EURONEXT à Paris et EUREX à Francfort. Celles-ci ont toutes été effectuées au printemps 2006, soit peu de temps avant l’annonce du 13 juin révélant publiquement les retards de livraison de l’A380, dont pâtira le cours de l’action EADS. Dans un tel jeu de bourse, acheter par exemple le 3 mai 2006 des options de vente de prix d’exercice 30 euros et de maturité le 16 juin à un prix de 1,54 euros l’unité, lorsque le cours d’EADS est de 29,76 euros et les exercer ou les revendre le 14 juin, quand le cours de l’action s’est effondré à 18,79 euros et que la valeur de l’option est passée à 11,27 euros, peut s’avérer très rémunérateur. En l’occurrence, nous estimons à 25,6 millions d’euros sur la place de Paris et à 10,7 sur celle de Francfort, les gains nets réalisés lors de ces transactions suspectes. L’intérêt des options ? Pour obtenir ces 36 millions d’euros, les opérateurs, n’ont eu a misé qu’environ 9 millions. Soit des rendements proches de 400% en quelques dizaines de jours….

Les autorités de marchés prétendent contrôler de près ces marchés dérivés. Est-ce le cas ?  Si ces derniers ne sont pas suffisamment surveillés, d’importantes affaires de délit d’initiés risquent de leur échapper.

Die Bürger-Rückhaltevorrichtung

Eine Zeitung meldete gestern, dass Kinder über sieben Jahre im Auto nun doch nicht schon ab dem 1. April 2010 ins Kindersitzli müssen. Diese Meldung ist falsch — leider. Bis heute gibt es nämlich keinerlei wissenschaftliche Evidenz, dass mit dieser Massnahme die Sicherheit der Kinder über das Angurten hinaus verbessert wird. Der wirtschaftliche Nutzen ist hingegen klarer: Produzenten der sogenennten „Kinderrückhaltevorrichtungen“, Grossverteiler und Verleger von Testmagazinen, dürften begeistert sein. Für alle anderen ist die Ausdehnung der Kindersitz-Pflicht im Auto teuer und nutzlos, wie ich im externen Standpunkt in der NZZ am Sonntag vom 29. November dargelegt habe.

Wer stoppt diesen beispiellosen bürokratischen Unsinn?

Hier mein externer Standpunkt in der NZZ am Sonntag vom 29. November 2009:

Kindersitze für 12 -Jährige sind eine lächerliche Vorschrift

Meine Schwester braucht nun doch keine Lizenz für die Betreuung unserer Kinder. Als Ersatz sozusagen haben sich die Bürokraten etwas anderes ausgedacht, was uns sicherer macht: Die Kindersitzpflicht im Auto für grössere Buben und Mädchen bis 12. Glücklicherweise haben wir kein Auto. Glücklicherweise? Nein, dummerweise, denn die Massnahme betrifft unsganz besonders. Bei akuter Atemnot mitten in der Nacht oder nach einem Skateboard-Unfall werden wir nun nicht mehr einfach ein Taxi rufen können: es kommt nur über den Umweg zur Taxizentrale oder – wahrscheinlicher – gar nicht mehr.

Als Mutter erstaunt mich zunächst, dass den Eltern nicht mehr zugetraut wird, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Normalerweise tun sie dies nämlich nicht schlecht: Dies zeigt ein Blick auf die Skipisten: Kaum ein Kind fährt mehr ohne Helm. Ohne dass dies vorgeschrieben wäre; einfach weil die Schutzwirkung den Eltern einleuchtet. Ein Verzicht auf die Sitzli-Pflicht für grössere Kinder hiesse ja nicht, dass diese Kinderrückhaltevorrichtungen (wie sie offiziell heissen) verboten würden.

Natürlich braucht es manchmal Regeln, zum Beispiel wenn Dritte gefährdet werden (Tempolimiten) oder wenn der Einzelne sein Gegenüber nicht kennt oder nicht auswählen kann (obligatorische Haftpflichtversicherung). Bei vielen Regeln übersteigen die Kosten jedoch den angestrebten Nutzen. Die Sitzli-Pflicht für grosse Kinder ist so ein Fall, und zwar ein krasser. Selbst wenn sich alle autofahrenden Eltern daran halten, nützt der Schaumstoff-Thron für Grosse praktisch nichts. Die Sitzhersteller präsentieren zwar eindrückliche Zahlen zur Schutzwirkung. Nur: In ihren Statistiken vergleichen sie stets „angegurtet im Sitz“ mit „nicht angegurtet und ohne Sitz“. Die Gurte macht aber den Unterschied.

Gurten alleine können beinahe den ganzen Unterschied in der Verletzungshäufigkeit und -schwere von Kindern zwischen 2 und 6 Jahren erklären. Dies zeigt eine sorgfältige Analyse von Unfällen in den USA (Doyle & Levitt, 2008). Die zusätzliche Schutzwirkung der Sitze im Vergleich zu Gurten („restrained in any way“) ist sehr gering und meist gar nicht messbar. Wenn das schon für die 2 bis 6 jährigen gilt, bei denen die Gurten ohne Sitze offensichtlich ungeeignet sind und für die ein Obligatorium auch kaum bestritten wird, dann ist nicht mit einer Verbesserung der Sicherheit der grösseren Kinder zu rechnen.

Am meisten gefährdet durch Unfälle im Strassenverkehr sind ohnehin nicht die Kinder, die im Auto sitzen. Doppelt so viele Kinder sterben als Fussgänger oder Fahrradfahrer, bei den schweren Verletzungen sind es gar sechs mal mehr. Es erstaunt daher nicht, dass mehr und mehr Eltern ihre Kinder per Auto zur Schule fahren und so – ohne böse Absicht – die zu Fuss gehenden Kinder noch mehr gefährden.

Die Ausdehnung der Kindersitz-Pflicht bis 12 Jahre ist somit eine nutzlose Steuer für autofahrende Eltern, eine sperrige Art Kindervignette, deren Erlös direkt zum Hersteller der teuren Sitze fliesst sowie zu den Grossverteilern und den Verlegern der Testmagazine. Besonders bestraft werden die Familien ohne Auto. Also diejenigen, die nicht nur zu einerbesseren Umweltbilanz beitragen, sondern auch dafür sorgen, dass nicht noch mehr Autos die Sicherheit der Kinder gefährden. Durch den Sitzzwang wird es schwieriger, den Alltag ohne Auto zu bewältigen. Die Koffer zum Bahnhof kann notfalls auch die Mama alleine im Taxi bringen. Mit dem Loch im Kopf der Tochter oder dem Asthma-Anfall des Sohnes mitten in der Nacht, kann sie nicht allein fahren. Was tun, wenn der Taxifahrer sich weigert, ein Kind ohne Sitz zu befördern? Mit einem grosszügigen Trinkgeld bestechen oder gleich die Ambulanz rufen?

Dies mag leicht übertrieben klingen. Es geht aber nicht nur um Kindersitze. Es geht um ein Geflecht von Vorschriften, das anscheinend unkontrolliert wuchert. Die Sitzli-Pflicht für grosse Kinder wird nicht der letzte Akt in diesem Stück sein. Wir werden zwar nicht müde, Nachbarländer zu bemitleiden für ihre hohe Regulierungsdichte, aber wir leisten uns offenbar eine Bürokratie, die einen florierenden Import der geschmähten Vorschriften betreibt. Dabei wird der Unsinn in gewohnt schweizerischer Manier noch perfektioniert: Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern werden bei uns die Taxis nämlich nicht von der Sitzpflicht für grosse Kinder ausgenommen. Am Ende liegt die Schweiz da wie Gulliver im Lande Liliput – gefesselt von einer Vielzahl von Fäden, die einzeln leicht zu zerreissen wären, aber in ihrer Gesamtheit unüberwindlich sind. Dies untergräbt dann auch das Ansehen von Vorschriften dort, wo sie gerade sinnvoll oder notwendig sind. Selten lag eine Verordnung auf dem Tisch, die in ihrer Nutzen-Kosten-Bilanz derart lächerlich anmutet wie die Kinderrückhaltevorrichtungspflicht bis zum 12. Lebensjahr. Schade muss sie nicht vor die Landsgemeinde.