Urs Birchler
Inke Nyborg hat mir einen tollen Link geschickt: Live-Übertragung einer Konferenz zur Sanierung von Banken, die mit erstklassigen Referenten in Reykjavik stattfindet.
Urs Birchler
Inke Nyborg hat mir einen tollen Link geschickt: Live-Übertragung einer Konferenz zur Sanierung von Banken, die mit erstklassigen Referenten in Reykjavik stattfindet.
Urs Birchler
Das am Euro-Gipfel geschnürte Massnahmenpaket ist ein Zauberkasten mit tollen Tricks.
Trick 1 ist die Hebelung des Stabilitätsfonds. Darüber muss ich nichts schreiben; der brilliante Artikel von Manuel Ammann in der jüngsten Ausgabe der Sonntagszeitungsagt alles. Für Eilige: Die Hebelung bewirkt, dass der EFSF statt dem durchschnittlichen Risiko aufeinem Kredit von 100 Euro die ersten (d.h. die wahrscheinlichsten) zehn Prozent Verlust auf 1000 Euro kauft. Der EFSF wird damit zu einem Kreditversicherer (der schlechtesten Risiken).
Trick 2 ist der Schuldendeal mit Griechenland. Griechenland erklärt nicht etwa seine Zahlungsunfähigkeit. Die Gläubiger verzichten „freiwillig“. Analogie: Der Gast im Restaurant hat zwei Tassen Kaffe getrunken, hat aber nur Geld für eine. Um dem Gast die Schmach zu ersparen, verrechnet der Kellner nur einen Kaffee. Weshalb diese Höflichkeit seitens der Gläubiger Griechenlands? Ein offizieller „default“ durch Griechenland hätte sämtliche Kreditversicherungen für griechische Anleihen ausgelöst. Solche Versicherungen werden meist in Form sogenannter „credit default swaps“ abgeschlossen (lesenswert dazu der Wikipedia-Artikel). Ein CDS ist im Prinzip einfach: A zahlt B eine Prämie, B zahlt A einen vereinbarten Betrag, wenn z.B. Griechenland nicht zahlt. Betrogen sind durch den „freiwilligen“ Verzicht der griechischen Gläubiger also alle, die sich gegen einen griechischen Default gewappnet und (zunehmend teure) CDS gekauft haben. Beglückt werden die Verkäufer dieser Versicherungen sein. Sie sind offenbar Too-big-to-fail oder Too-beautiful-to-suffer.
Trick 1, die Kreditversicherung auf dem gehebelten Betrag, enspricht im Grunde einem geschriebenen (leer verkauften) CDS. Sonst liebt die EU diese „naked CDS“ nicht. Vor gut einer Woche beschloss sie ein Verbot solcher Transaktionen. Mit Trick 2 wird sie diesen Markt nun wohl ohnehin trockenlegen (siehe dazu die gestrige Financial Times): Wer soll eine Versicherung kaufen, wenn das Auto nie in den Baum fährt, sondern immer der Baum ins Auto? Das scheint aber gerade der Zweck: Die (hohen) CDS-Prämien sind der böse Bote, der der ganzen Welt die Schuldenprobleme der EU-Staaten verkündet hat. Nicht überlegt hat sich die EU: Wer kauft ein Auto, wenn niemand eine Versicherung anbietet? Das heisst: Wer gibt den gefährdeten Staaten Kredit, wenn keine Absicherunginstrumente erhältlich sind? Und wie soll jemand, der an Italien glaubt, seine Meinung im Markt einbringen können, wenn das notwendige Instrument (ein naked CDS) verboten oder unmöglich gemacht wird? Die Zeche für den Trick werden die Schuldnerstaaten bezahlen.
Fazit: Probleme werden mit Konzepten gelöst, nicht mit Tricks.
Urs Birchler
Nach neuesten Berichten sollen die europäischen Banken zusätzliche Eigenmittel aufnehmen, vor allem um gegen einen Abschreiber auf griechischen Anleihen gewappnet zu sein. Dies tönt auf den ersten Blick plausibel. Ich habe immer weder für höhere Eigenmittel plädiert.
Nur — das Rezept stammt wieder aus der Hexenküche der europäischen Politik und ist ist von Anfang an vergiftet.
Vollends verquer ist die Koppelung der Eigenmittelanforderungen an die Bereitschaft der Banken, griechische Schulden zu erlassen. Es gibt weiss Gott vieles zu verhandeln dieser Tage. Aber eines braucht nicht verhandelt zu werden: Der griechische Schuldenschnitt. Den kann Griechenland einseitig deklarieren. Nur ist das nicht attraktiv, solange Geld aus Europa zufliesst.
Urs Birchler
Gestern hat mich der Blick zu Dexia und zur europäischen Bankenkrise befragt (in der online-Version hier).
Gerne hätte ich auch gesagt: Bei der Sanierung der Bank Dexia sollen jetzt einmal die Aktionäre bluten, nicht immer nur der Staat (d.h. die Steuerzahler). Aber leider: Dexia gehört (wie das aus dem Geschäftsbericht 2010 entnommene Diagramm zeigt) schon zur Hälfte staatlichen oder staatsnahen Institutionen. Zu den direkten Beteiligungen der Staaten (in der Grafik hellblau) kommen jene der staatlichen Institutionen Caisse des Dépôts et Consignations und Holding Communal (Anlage von Spargeldern und Pensionsfonds sowie Gemeinefinanzierung). Je ein Viertel entfällt ferner auf Genossenschaften, Versicherungen und auf übrige (zum Teil institutionelle) Anleger.
Bei einer Enteignung der Aktionäre hätte der Staat also zur Hälfte ins eigene Fleisch geschnitten und zur andern Hälfte in das „schützenswerter“ Anleger. Kein Wunder kommt hier die Marktwirtschaft (mit Verantwortung der Eigner) unter die Räder …
Urs Birchler
Nochmals zu Dexia, dann genug für heute. Dexia benötigt Staatshilfe. Wir schreiben Anfang Oktober 2011. Im Juli brillierte Dexia in den Stress-Tests der European Banking Authority (EBA), nachzuschauen in der Übersicht oder im Test für Dexia. Der Witz dabei: Die Stress-Szenarien sind nicht einmal eingetroffen! Weder der simulierte BIP-Rückgangs von 4% (die belgische Wirtschaft wächst im laufenden Jahr um 1,7%), noch ein „haircut“ auf Staatsschulden haben stattgefunden. Gleichwohl hat die im Stress-Test für Dexia ausgewiesene stolze Kernkapitalquote von 12% offenbar nicht ausgereicht.
Weshalb nicht? „The answer, my friend, is blowing in the wind“, würde Bob Dylan singen. Ich würde sagen: Die Risikogewichtung der Assets ist — bei aller Mühe, die sich der Basler Ausschuss und die nationalen Aufseher geben mögen — ein windiges Konzept.
Urs Birchler
Ich habe immer vor Illusionen in bezug auf das Sanierungskonzept „good bank — bad bank“ gewarnt. Beispielsweise zusammen mit meinen Koautor(inn)en in der Studie zum „Too-big-to-fail“. Das Problem: Dem Staat bleiben am Ende die schlechte Bank und die Schulden. Durchgespielt in der Schweiz mit der von der Berner Kantonalbank abgespalteten Dezennium AG, die 2002 mit einem Gesamtverlust von 2,6 Mrd. Fr. liquidiert wurde. Gleichwohl hat die Expertengruppe des Bundes, und in der Folge auch das Parlament, die „good bank — bad bank“-Idee hoffnungsvoll übernommen.
Nun kommt sie wieder einmal zum Einsatz: Die belgisch-französische Bank Dexia soll nach dem „good bank — bad bank“-Konzept saniert werden. Die Einzelheiten sollen bis Donnerstag fixiert sein (näheres im Blog des Wall Street Journal). Wetten, dass den Staaten Belgien und Frankreich die faulen Titel und die guten Schulden verbleiben?
Und damit es auch wieder einmal gesagt ist: Die teuerste Bankenrettung ist eine Garantie der Verbindlichkeiten. Gescheiter, wenn schon, ist die volle Verstaatlichung bei gleichzeitiger Enteignung der bestehenden Aktionäre. Wenn auch bestehende Schulden gekürzt werden können, umso besser. Aber Garantien sind eben praktisch: Sie müssen meist nicht vorher durchs Parlament.
Urs Birchler
Gestern im Echo der Zeit von Radio DRS („Europas Banken auf Kapitalsuche“, 4.10.2011) habe ich ein gewagtes Bild verwendet: Die europäischen Banken und die Staaten klammern sich aneinender wie zwei Ertrinkende. So gehen sie gemeinsam unter, anstatt sich mit letzter Kraft freizuschwimmen. Ich stand dabei zwar unter dem Eindruck eines Vorschlags, die europäischen Banken sollten den finanzschwachen Staaten helfen. Noch nichts wusste ich hingegen vom Beschluss der belgischen und französischen Behörden, Dexia wieder einmal zu retten.
Ich habe die Ereignisse um das Investment-Banking der UBS (wie viele seriöse UBS-Mitarbeiter auch) bisher mit einer Mischung von Erstaunen und Entsetzen wahrgenommen. Nun ist aber Zeit für die komplette Verzweiflung. Der Tagesanzeiger meldet, der Chef des Investment Banking der UBS habe gesagt „Lasst uns den Milliardenverlust wettmachen“. Dies heisst unter Ökonomen „Gambling for resurrection“. Mit gutem Geld versuchen, bereits verlorenes wieder zu gewinnen. Wie die Glücksspieler sagen: „In case of trouble, double.“ Genauso hat Nick Leeson die Bank Barings umgebracht, genauso funktionierte Jérôme Kerviel bei Société Générale. Genauso dürften auch die Verluste bei UBS so gross geworden sein. Jetzt fordert der Chef: Mehr vom selben! Er wird wohl nicht gemeint haben, die 2 Milliarden einzusparen, indem Bleistifte vorsichtiger gespitzt werden.
Entweder hat der Tagi gelogen oder aber: Jetzt bitte Ende Feuer! Wenn jetzt die FINMA nicht den Stecker zieht, dann weiss ich nicht, wozu wir eine Bankenaufsicht brauchen.
Nachtrag (20.9.16:30): In einer Email an seine Mitarbeiter schrieb der Chef des Investment Banking, Carsten Kengeter, gemäss mehreren englischen Zeitungen: „The key to repairing the financial damage to the firm, as well as to our shareholders, is to deliver excellent ongoing performance from each desk and each team, starting today. A very strong fourth quarter is the best way to demonstrate to all that we are bigger than the acts of one misguided individual…..“. Das mag in deren Ohren gut klingen. Übersetzt kann es nichts anderes heissen als: Eigenhandel forcieren und Gewinne einfahren, was bekanntlich nicht ohne zusätzliche Risiken geht.
Das Parlament hat es abgelehnt, noch im Rahmen der TBTF-Vorlage über die Abtrennung des Investment Banking zu debattieren. Dies gibt den Interessierten Zeit, sich ins Thema einzulesen. Ein guter Einstieg ist der Bericht der britischen Independent Banking Commission (IBC). Er entwickelt das Konzept des „ring-fencing“, d.h. eines regulatorischen Zauns zur Abgrenzung der gefährlichen Teile des Bankgeschäfts von den systemisch wichtigen Teilen.
Selbstverständlich gehen die Meinungen über den Bericht weit auseinander. Dennoch dürfte er auch für die Schweiz als Katalysator der Diskussion wichtig werden. Also: Neuer Ausdruck für den Party-talk: Ring-fencing. Vielleicht auch eine Strategie der Zürcher Polizei gegen rabiate Party-Gänger.
In seinem Kommentar zu meinem letzten Eintrag votiert Warren@marketobservation.com für die von SP und SVP geforderte Abrennung des Investment Banking. Anstatt (wie ich) einfach höhere Eigenmittel zu fordern, schlägt er vor: Zuerst das Geschäftsmodell, dann die dazu nowendigen Eigenmittel.
Warum glaube ich nicht an die gesetzliche Trennung des Investment Banking vom „guten“ Bankgeschäft?
Vor allem brauchen wir das Investment Banking wohl nicht zu verbieten. Wenn wir von den Banken genügend hohe Eigenmittel verlangen (20-30% der Bilanzsumme), vergeht ihnen der Appetit auf sinnlose Risiken von selbst. Solange eine Bank für ihre Risiken selbst haftet, können uns ihre Verluste eigentlich auch egal sein.
In allen Punkten lasse ich mich gerne eines besseren belehren; das Thema ist zu wichtig für dogmatische Positionsbezüge. Und wer weiss: Wenn ein Händler dereinst in kurzer Zeit die halbe Bilanz verspielen kann, dann sind Eigenmittel tatsächlich für die Katz. Dann ist das Bankgeschäft aber kaum mehr in marktwirtschaftlichem Rahmen durchführbar.