Der “Regulatorische Filter”: Das Filetstück des PUK-Berichts:

Urs Birchler

Mein ökonomisches Gutachten zum Regulatorischen Filter ist ein zentraler Beitrag hinter dem heute veröffentlichten Bericht der PUK zum Untergang der CS. Das rechtliche Schwestergutachten stammt von Corinne Zellweger-Gutknecht.

Mein Gutachten zeigt, wie der Regulatorische Filter vom vermeintlichen Segen zum Fluch wurde. Die FINMA erlaubte dem CS-Stammhaus, entstandene Verluste auf Beteiligungen bei der Eigenmittelberechnung herauszufiltern. Die CS hat ihre Eigenmittel-Probleme dadurch lange vertuschen können — bis es zu spät war.

Mein Gutachten enthält im übrigen auch Folgerungen zur künftigen Eigenmittelanforderungen der Banken (die nicht allen Bankenvertretern gefallen werden).

Familienknatsch bei Bitcoins

Der oft zitierte Einleitungssatz zu Leo Tolstois Anna Kerenina — „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“ — gilt offenbar auch für die Bitcoin-Familie.

Familie? Richtig. Der ursprüngliche Bitcoin (an den Börsen BTC) hat nämlich verschiedene Abkömmlinge gezeugt. Einer davon ist Bitcoin Cash (BCH), entstanden 2017 durch eine Gabelung (fork) in der Blockchain aufgrund einer Meinungsverschiedenheit der Teilnehmer. Durch eine weitere Gabelung entstand 2018 Bitcoin SV (BSV). BCH seinerseits verzweigte sich im November 2020 in Bitcoin Cash Node (BCHN) und in Bitcoin Cash ABC (BCH ABC).

Diese Sprösslinge versuchen alle, gewisse Mängel des originalen Bitcoin-Protokolls zu beseitigen, namentlich beschränkte Transaktionsgrössen und mangelnde Skalierbarkeit. Mit ähnlicher Zielsetzung sind ausserhalb des Bitcoin-Stammbaums Tausende anderer Crypto-Currencies — zusammenfassend Alt-Coins genannt — entstanden, wie Ether, Ripple, etc.

Hier geht es nur um die Bitcoin-Familie im engeren Sinn. Hier ist nämlich in der letzten Februar-Woche eine Bombe geplatzt. Ein Australier namens Craig Wright behauptet schon seit längerem, er sei der mysteriöse Schöpfer des Bitcoin-Protokolls, das heisst die wahre Person hinter dem Pseudonym Sakoshi Nakamoto. Sein Anspruch wird in der Szene angezweifelt, hat aber auch Anhänger. Bewiesen hat er einstweilen noch nichts.

Dessen ungeachtet schaltete Craig Wright einen Gang höher: Er beansprucht wie die Financial Times berichtet, das Urheberrecht auf dem Bitcoin White Paper, sozusagen der Geburtsurkunde des Bitcoin. Verklagt werden die Entwickler hinter den Bitcoin-Töchtern BTC, BCH, BCH ABC and BSV mit einem Streitwert von £ 3,5 Mrd.

Der Hintergrund: „Craig-Toshi“ behauptet, Hacker hätten ihm zwei wallets mit seinen Bitcoins gestohlen. Wert (bei heutigem Kurs): £ 3,5 Mrd. Er sucht aber nicht die Diebe, sondern versucht, die Entwickler dazu zu bringen, dass sie die Blockchain gewissermassen zurückdrehen, um sie ab dem Punkt, wo seine Guthaben verschwunden sind, ungültig zu machen. Dies wäre eine „gute“ Variante das berüchtigten 51-Prozent-Angriffs, mit dem eine Mehrheit der Teilnehmer eine bereits „geronnene“ Blockchain wieder auflösen kann. Neuestens wäre er aber auch zufrieden, wenn ihm einfach neue Bitcoins im selben Wert zugeteilt würden. Wie die FT bemerkt: Sowohl die Diebe. als auch das Opfer hätten dann das Geld.

Ob die Copyright-Klage Erfolg haben wird, wissen wir nicht. Eher könnte sie, wie mancher Familienstreit, letztlich allen Mitgliedern schaden. Beispielsweise wurde BSV (für Bitcoin Satoshi Version, ein Versuch, zu den „Wurzeln“ von Bitcoin zurückzukehren), an dessen Entstehung Craig Wright beteiligt war, von der grössten australischen Coin-Börse dekotiert, da die Copyright-Klage als bullying empunden wurde (obwohl — ein weiteres Rätsel — BSV selbst zu den Beklagten gehört).

Die Bitcoin-Familie scheint tatsächlich eine ganz eigene Form des Unglücks gefunden zu haben. Und dass man einen Familienstreit als Aussenstehender nie bis in seine Tiefen verstehen kann, wussten wir schon vorher.

Verbot der Staatshilfe an die Kantonalbank

Urs Birchler und Christoph Basten

Der Kanton Glarus hat nichts weniger als eine Pioniertat vor.
Wir haben kürzlich über sein Vorhaben berichtet, die Kantonalbank zu privatisieren. In der Zwischenzeit hat die Glarner Regierung die gesamten diesbezüglichen Unterlagen an den Landrat publiziert. Zu diesen Unterlagen gehört namentlich ein Rechtsgutachten von Prof. Christoph Bühler (UZH) zur Frage der sogenannten impliziten, d.h. nicht ausdrücklich im Gesetz abgestützten Staatsgarantie.

Das Gutachten Bühler nennt drei mögliche Gründe einer Staatshaftung ohne gesetzliche Staatsgarantie:

  1. Haftung aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit (Art. 39 BankG, Art. 754 OR)
  2. Vertrauenshaftung des Kantons (Art. 2 ZGB)
  3. Risiko eines „Faktischen Beistandszwangs“ (keine gesetzliche Verankerung)

Die ersten beiden Risiken sind zivilrechtlicher Natur. Der Kanton kann diese Risiken — immer gemäss Gutachten — minimieren, indem er seine konkreten Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftstätigkeit der Bank aufgibt und auf die Formulierung einer eine Eignerstrategie verzichtet. Der Kanton würde sich wie ein gewöhnlicher Aktionär verhalten und sich beschränken auf Wahrnehmung seiner Interessen an der jährlichen Generalversammlung. Ferner wäre im Auftritt sowohl des Kantons als auch der Bank jeder Anschein auf eine Garantie oder Solidarbürgschaft strikt zu vermeiden; zusätzlich wäre sicherheitshalber ausdrücklich im Gesetz festzuhalten, das der Kanton nicht für die Verbindlichkeiten der Bank haftet.

Das drittgenannte Risiko — der faktische Beistandszwang — beruht darauf, dass der Kanton auch ohne ausdrückliche Haftung für die Verbindlichkeiten im Krisenfall versucht sein könnte, die Kantonalbank “freiwillig“ finanziell zu unterstützen, anstatt sie zu liquidieren (siehe dazu auch unser ökonomisches Gutachten. Gegen dieses Risiko empfiehlt das Gutachten Bühler lediglich, im Kantonalbankgesetz vorbeugend eine komfortable Eigenmittel-Ausstattung zu verlangen. Es weist ferner auf den entscheidenden Faktor hin, dass das Bankensanierungs- und -insolvenzrecht des Bundes (bei nicht international verflochtenen Banken) bereits verschiedene Mittel zum Verhindern einer Bankliquidation und einer Kantonshilfe bietet.

Der Kanton Glarus fasst nun aber auch den letzten Schritt ins Auge: Er formuliert in der revidierten Verfassung ein ausdrückliches Verbot von Staatshilfe:

Der Kanton garantiert nicht für die Verbindlichkeiten der Kantonalbank. Eine Unterstützung ist selbst in einer Notlage und anderen Fällen zeitlicher Dringlichkeiten gestützt auf Artikel 99 Absatz 1 Buchstabe d ausgeschlossen.

[Jener Artikel besagt: Der Regierungsrat ist zuständig für … Verordnungen und Verfügungen in Notlagen und andern Fällen zeitlicher Dringlichkeiten, insbesondere zur raschen Einführung von Bundesrecht; diese Erlasse sind sobald als möglich dem Landrat oder der nächsten Landsgemeinde vorzulegen.]

Damit dürfte die Glarner Kantonalbank zur ersten Kantonalbank werden, bei der im Rahmen einer Privatisierung auch die Risiken konsequent privatisiert werden.

Privatisierung der Glarner Kantonalbank?

Christoph Basten und Urs Birchler

Der Glarner Regierungsrat (Exekutive) hat heute dem Landrat (Legislative) eine grundlegende Änderung im Verhältnis des Kantons zur Kantonalbank beantragt. Dies geht hervor aus einer entsprechenden Medienmitteilung.

Kernpunkte sind:

  1. Aufhebung der Staatsgarantie
  2. Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft
  3. Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung des Kantons

Der Regierungsrat hatte im Juni 2020 eine Vorlage zur Vernehmlassung gegeben. Dies basierte zum Teil auf einem Gutachten, das wir im Herbst 2019 im Auftrag des Departements für Finanzen und Gesundheit verfassten. Die Vernehmlassung ist in der Zwischenzeit abgeschlossen (die einzelnen Eingaben werden anders als beim Bund nicht publiziert) und die Ergebnisse sind in die neue Vorlage eingeflossen.

Diese geht nun in den Landrat (sie wird vermutlich in den nächsten Tagen publiziert). Geändert werden sollen nicht nur das Kantonalbankgesetz. Die Revision erfordert auch eine Änderung der Kantonsverfassung. Daher bedarf sie auch der Zustimmung durch die Landsgemeinde. Dies könnte zu einer Verzögerung führen, falls die Landsgemeinde wegen der Covid-19 Pandemie nicht abgehalten werden kann. Eine schriftliche Abstimmung ist nämlich nicht zulässig, da an einer Landsgemeinde nicht nur JA oder NEIN beschlossen, sondern auch Abänderungsanträge eingebracht werden können.

Wir haben bei der Arbeit an unserem Gutachten vieles gelernt, aber jetzt auch noch etwas zur Glarner und damit zur Schweizer Demokratie.

Willkommen in unserem Vorgarten

Urs Birchler

Die Pläne der Stadt Zürich zur Vergesellschaftung der Grünflächen begrüsse ich sehr. Bloss ist mir nach längerem Nachdenken noch kein Areal eingefallen, welches (a) grün ist, (b) mehr als 10qm misst und (c) nicht schon im Eigentum der öffentlichen Hand wäre. Das Letzigrund-Stadion gehört m.W. der Stadt und könnte schon unter geltendem Recht zum Grillieren, Hundetraining und Bumerang-Werfen freigegeben werden. Dito der Car-Parkplatz hinter dem Hauptbahnhof. Dieser zählt aber vielleicht bei spitzfindigen Bürokraten nicht als Grünfläche. Eigentlich kommt mir als Kandidat nur unser Vorgarten in Zürich Wiedikon in den Sinn, wo doch eine “Rasen“-Fläche von schätzungsweise 5×5 Metern zur Verfügung stünde.

Anbieten kann ich nicht viel: Ich habe nur einen einzigen Rasenmäher, und den Löwenzahn habe ich selber bereits ziemlich ausgejätet. Aber attraktiv wäre es sicher, bei mir am Gartentischchen zu sitzen und meinen fast zu allen Themen fundierten Meinungen zu lauschen („Warnung vor dem Dozenten“), anstatt diese hier bei batz.ch mühsam nachlesen zu müssen.

Unterstützung bräuchte ich von der Stadt. Sie hat ja in bewährter Mafia-Art ihre Hilfe in Form von Beratung angeboten (unentgeltlich, aber kaum ohne Kostenfolge). Dürfen meine Besucher — Gäste darf ich ja nicht mehr sagen, da keine Einladung eforderlich sein wird — auf dem Parkplatz jener Nachbarn parkieren, die weitblickend ihre ver-stadt-lichungsgefährdeten Vorgärten zubetoniert haben? Muss ich für Katzenhaar-Allergiker*Innen ein Warnschild aufstellen? Und was mache ich mit dem WC, welches bei uns nicht ohne Treppensteigen erreichbar ist? Wird mir Blau-Grün Zürich ein Toi-Toi aufstellen? Das darf ich wohl hoffen! Aber eins weiss ich jetzt schon: Drauf stehen wird dann nicht Toi-Toi. Sondern: Moi-Moi!!!

Frau darf nicht mehr neben Schnarcher schlafen

Urs Birchler

Bitte, wer kann mir helfen? Mein Weltverständnis liegt in Trümmern. Meine Frau darf aufgrund eines Gerichtsentscheids nicht mehr in unserem gemeinsamen Schlafzimmer nächtigen. Grund: Mein Schnarchgeräusch liegt über dem gesetzlichen Grenzwert von 55dB(A) (Kategorie: Erholung, nachts).

Dass der Staat mein Frau vor gesundheitlichen Schäden schützen möchte, weiss diese durchaus zu schätzen. Aber sie versteht nicht, weshalb nicht — nach dem Verursacherprinzip — ich des Bettes verwiesen worden bin. Vielleicht haben die Richter ein Lehrbuch der Mikroökonomie angeschaut und dort gefunden, dass es ein Verursacherprinzip im Prinzip gar nicht gibt. Meine Frau und ich möchten des Schlafzimmer bloss unterschiedlich nutzen: sie zum Schlafen, ich zum Schnarchen. Erst, wenn in einem solchen Nutzungskonflikt die Eigentumsrechte zugeordnet sind,
lässt sich von einem „Verursacher“ sprechen. Wenn das Schlafzimmer meiner Frau gehört, bin ich der Verursacher externer Kosten (ihrer Schlaflosigkeit). Wenn das Zimmer mir gehört, verursacht meine Frau die externen Kosten in Form etwa von schlechter Laune infolge Schlafentzug. Die richterliche Ausweisung der Frau deutet also darauf hin, dass Bett und Luftraum mir, dem Schnarcher, gehören.

Selbstverständlich hat ein derartiger Gerichtsentscheid nie stattgefunden. Zu absurd würde man meinen. Doch nicht in Zürich. Es mehren sich die Fälle in denen Gerichte das Erstellen von Wohnungen verbieten, wenn die Bewohner einem Verkehrslärm ausgesetzt wären, welcher die gesetzlichen Grenzwerte übersteigt. So geschehen, wie der Tagesanzeiger berichtet, bezüglich der Überbauung Brunaupark. Ähnliches droht der Wohnüberbauung beim geplanten Fussballstadion — über das wir demnächst zum dritten Mal vielleicht für die Katz abstimmen werden.

Es werden in diesen Fällen also die potentiellen Mieter prophylaktisch weggewiesen, weil ihnen der Verkehr mit übermässigem Lärm schaden könnte.
Als ob die Stadt den Schnarchern, d.h. den Autofahrern, gehörte. Dabei schien die Sache klar: Als Verursacher der externen Kosten gelten guteidgenössisch nicht die ruhebedürftigen Bewohner, sondern die Erzeuger des Lärms (die Schnarcher). Das BAFU schreibt:

Es bestehen noch wesentliche externe Kosten in der Höhe von ca. 1–1.6 Mrd. CHF, die ausschliesslich vom Verkehr verursacht werden. … Die Lärmquelle Nummer eins ist der Verkehr. … Handlungsbedarf besteht … bei den externen Kosten. Im Vordergrund steht dabei die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips, d.h. die Reduktion von Lärm an den Emissionsquellen (BUWAL 2002a, 169).

Spinnen jetzt die Zürcher Richter oder spinnen das BAFU und ich?

Lottomillionen oder Freiheit?

Urs Birchler

Die finanzielle Privatsphäre geniesst einen schlechten Ruf. Dabei geht oft vergessen, wie wichtig sie sein kann. Dies zeigt der (z.B. von Business Insider berichtete) Fall einer Frau aus New Hampshire, die in der Lotterie den „Powerball Jackpot“ gewonnen hat — umgerechnet rund 530 Mio. CHF. Gewonnen, aber nicht abgeholt. Die Frau hat nicht etwa den Lottozettel verloren. Vielmehr traut sie sich nicht, den Gewinn abzuholen, weil New Hampshire (zusammen mit wenigen anderen Bundesstaaten) ein Gesetz kennt, das Lottogewinner(innen) zur Preisgabe ihres Namens und Wohnorts zwingt. Was es bedeutet, wenn landauf, landab bekannt ist, dass Frau X eine halbe Milliarde gewonnen hat, wäre Stoff für einen Roman — kaum mit Happy End für die Gewinnerin. Im besten Fall noch könnte sie mit einer kleinen Privatarmee weiterleben.

Hätte die Frau — mittlerweile von den Medien Jane Doe getauft — einen Trust gegründet, bliebe sie anonym (es gibt also nicht nur böse Trusts). Dazu ist es wohl zu spät. Die Anwälte versuchen nun, das Gericht davon zu überzeugen, dass das Interesse der Gewinnerin an ihrer Anonymität schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der Kenntnis der Lotteriegewinner. In der Zwischenzeit liegt der Jackpot noch bei der Lottogesellschaft, und die Gewinnerin verliert pro Tag 12’000 Franken an Zinsen…

Mit dem Navi im Kofferraum gegen Uber

Letzten Donnerstag besuchte ich einen kranken Kollegen etwas ausserhalb von St. Gallen. Da ich rund 20 Minuten hätte auf den Bus warten müssen, nahm ich ein Taxi.

Also setzte ich mich ins Taxi und gab dem Fahrer die Adresse.

Fahrer freundlich: Wissen wo ist?

Ich habe Ihnen doch die Adresse gegeben!?

Fahrer etwas weniger freundlich: Ich meine, wo fahren?

Das weiss ich nicht. Deshalb nehme ich ja ein Taxi.

Fahrer verwirft die Hände.

Haben Sie kein Navi?

Fahrer verwirft die Hände und steigt aus. Im Kofferraum findet er das Navi, installiert es und tippt die Adresse ein. Nach mehr als 5 Minuten fahren wird dann doch noch los.

Geärgert hat mich die Sache besonders, weil ich sonst bei jeder Gelegenheit die Ostschweizer Taxis als service-orientiert, kundenfreundlich und zuverlässig lobe. Kein „Du schweigen, du Frau“, keine kostspieligen Umwege, keine versifften Taxis mit unfreundlichen Fahrern wie in Zürich.

Natürlich hätte ich mein eigenes Mobil Navi zücken können. Für einen ausländischen Gast wäre dies allerdings teuer geworden. So extravagant ist ein installiertes Navi in einem Taxi nun auch wieder nicht.

Man kann die ungleichen Bedingungen für Taxiunternehmen und für Uber anprangern. Glaubwürdiger wären die Bedenken über ungleiche Wettbewerbsbedingungen allerdings, wenn sich die Taxiunternehmen in Sachen Kundenfreundlichkeit an die von neuen Wettbewerbern mitgeprägten Standards hielten. Diese wären in den meisten Fällen gratis (freundlich) oder mit geringen Anstrengungen (Navi aus dem Kofferraum) zu erreichen.

 

 

 

Znacht mit Nobelpreisträger

Urs Birchler

Mit den heute gekrönten Wirtschaftsnobelisten habe ich je schon einmal ein Nachtessen bestritten und war nachher beide Mal nudelfertig. Mit Bengt Holmström (in grösserer Ökonomen-Tischrunde des Studienzentrims Gerzensee) bewegte sich das Gespräch auf einer Reiseflughöhe und in einer Geschwindigkeit, dass mir schwindlig wurde.
Noch schlimmer war es mit Oliver Hart (zu zweit ). Er ist ein derart interessierter Geist, dass er mich vom ersten Satz an ausfragte über die Schweiz, von Initiative und Referendum bis zur (Nicht-)Handelbarkeit von Milchkontingenten und Alprechten. Erst in diesem Gespräch wurde mir bewusst, wie oberflächlich ich mich in vielem auskannte und was intellektuelle Neugier bedeutet.

Oliver Hart hatte ich damals (1999) eingeladen als Referent in einem gemeinsamen Seminar von SNB und FINMA (damals EBK) zum Thema Bankenkonkursrecht. Hart hatte mit Lucien Bebchuk ein Konkursverfahren erfunden, welches den Wert der zu liquidierenden Unternehmung maximiert und die Anspruchsberechtigten fair behandelt. Wir waren damals überzeugt, dass die Schweiz mit ihren Grossbanken so etwas brauchte. Eine vereinfachte Version floss dann schrittweise tatsächlich ins Bankengesetz ein und wird heute als „bail-in“ (Gläubigerbeteiligung an den Verlusten) international hoch gehandelt.

Als ich Oliver Hart Jahre später wieder traf, berichtete ich ihm stolz, wir hätten seinen Vorschlag immerhin teilweise umgesetzt. Doch liess ihn dies völlig kalt; er hatte seine Neugier längst auf neue Fragen gerichtet.

Immerhin haben wir Oliver Hart in den Artikeln 31ff. des Bankengesetzes ein „lebendes“ Denkmal gesetzt. Lange vor dem Nobelpreiskomittee.

Der Coach als Schiedsrichter

Urs Birchler

Die NZZ berichtet heute unter dem Titel „Die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt“ über die seit 1989 bestehenden IMD-Rankings. Die gute Nachricht: Die Schweiz, neu auf Platz 2, hat sich verbessert. Die schlechte: Hong-Kong ist uns grad noch vor die Nase auf Platz 1 gekurvt. Wie haben die das bloss geschafft?

Einerseits betreibt Hong-Kong auch unter chinesischer Flagge eine wirtschaftsfreundliche Politik. Zudem haben aber die Hong-Kong-Chinesen auch die Spielregeln verstanden. Die NZZ berichtet nämlich:

Ein positives Echo finde[t] … die Tatsache, dass die Hongkonger Behörden das IMD ersucht haben, zusätzliche Massnahmen vorzuschlagen, um die Kompetitivität des Standortes weiter zu verbessern. Habe ich das richtig gelesen? Das IMD ist also einerseits Schiedsrichter im Wettbewerbsfähigkeits-Ranking und andererseits Berater einzelner Teilnehmer?

Das hatten wir doch schon: Schon zu Beginn der Finanzkrise wurde den Rating-Agenturen vorgeworfen, sie verkauften gleichzeitig sowohl Ratings als auch Beratung, wie ein Unternehmen sein Rating verbessern könne. Der US-Senator Menendez kritisierte, die Rating Agenturen spielten gleichzeitig Trainer und Schiedsrichter. In der Tat erhalten Unternehmen, die mehr Geschäfte mit den Agenturen machen, bessere Ratings, wie Mathias Efing (UniGE) und Harald Hau in einem Paper des Swiss Finance Institute nachweisen.

Muss die Schweiz, um auf Platz 1 zu kommen oder wenigstens Platz 2 zu verteidigen, jetzt beim IMD ein Wettbewerbsfähigkeitsprogramm kaufen? Nein. Das für Unternehmen entwickelte Konzept Wettbewerbsfähigkeit angewendet auf ganze Staaten ist nämlich mehr als umstritten. Sogar Wikipedia bezeichnet „Internationale Wettbewerbsfähigkeit als substanzloses Schlagwort“. Wir können es also getrost bleiben lassen.

Das IMD könnte sich aber einmal Gedanken zu Interessenkonflikten machen.