Jahrestag der flexiblen Wechselkurse

Inmitten der Währungsturbulenzen scheint es angebracht, heute des 23. Januars 1973 zu gedenken. An diesem Tag beschloss die Nationalbank nach Rücksprache mit dem Bundesrat, die Dollarkäufe zur Stützung der offiziellen Parität (Mittelkurs: CHF/USD = 3.84) vorübergehend einzustellen.

In Abwesenheit des erkrankten Präsidenten der Nationalbank kontaktierte der damalige Leiter des für den Devisenhandel zuständigen III. Departements (und spätere Präsident), Fritz Leutwyler, direkt den Finanzminister Nello Celio. (Für die Festlegung der Parität war der Bundesrat zuständig). Die beiden kamen überein, angesichts der angeschwollenen Kapitalzuflüsse und der damit verbundenen Ausdehnung der Geldmenge keine weiteren Dollars zu kaufen.

Aus der vorübergehenden Massnahme —  c’est le provisoire qui dure — wurde ein Dauerzustand. Dieser gibt der Nationalbank zwar die Kontrolle über die Geldmenge, nicht aber über die wirtschaftlichen Störungen aus dem Ausland. Sie ist daher seit 1973 zum Hochseilakt zwischen zu starkem Franken und zu grosser Geldschöpfung verurteilt.

Woher die Batzen kommen

Seit gestern fällt unseren Lesern auf, dass der Batzen oben rechts täglich ändert. Anstelle des Zürcher Batzens kommen jetzt auch Berner, Waadtländer und andere Batzen zum Zuge. Die wechselnden Batzen kommen alle aus dem Money Museum. Wir danken dem Museum und seinem Gründer, Herrn Dr. phil. Jürg Conzett, ganz herzlich für die Genehmigung, die Batzen benützen zu dürfen.

Wer nicht nur Batzen, sondern auch Lydische Stater, Athenische Tetradrachmen oder Venezianische Zecchini sehen möchte, begibt sich auf die virtuelle Tour oder gleich direkt an die Hadlaubstrasse in Zürich (näheres hier). Wetten, dass die Geldgeschichte auch ein Licht auf die gegenwärtigen Währungsturbulenzen wirft?

Ein Jahr Batz

Heute vor einem Jahr starteten wir batz.ch. Wir haben zahlreiche, zum Teil sehr treue Leser gewonnen. Sicher Grund zum Feiern. Aber auch ein Anlass, kurz Rückschau zu halten auf den ersten Batz-Eintrag. Am 3.1.2010 gratulierten wir Philipp Hildebrand zu seiner Wahl als Präsident des Direktoriums der SNB. Wir wagten auch die Prognose, dass er Erfolg in der Geldpolitik brauchen würde, um seinen Vorschlägen zur Bankenregulierung Nachdruck zu verschaffen. Dies hat sich — leider — nur zu sehr bestätigt. Die Gegner einer schärferen Linie gegen die implizite Staatsgarantie für Banken haben versucht, Philipp Hildebrand auszuhebeln mit der Kritik an geldpolitischen „Fehlern“. Dass die SNB in der Finanzkrise die Schweizer Wirtschaft und vor allem auch die Exportwirtschaft vor Schlimmerem bewahrt hat, ging dabei vergessen.

Wir wagen die Befürchtung, 2011 werde nicht einfacher. Die Nationalbank wird es nicht allen recht machen können. Die einen verteufeln jeden gekauften Euro, verlangen also indirekt, jedweden Wechselkurs wehrlos hinnehmen. Die andern fordern feste Wechselkurse — gleichbedeutend mit unbegrenzten Käufen von Euro und/oder Dollars.

Weshalb sich Banken und Ökonomen nicht verstehen

Vor zwei Wochen haben wir hier berichtet, dass der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, aus Sicht der Banken übergeschnappt ist. Er hat den Glaubenssatz in Frage gestellt, wonach Eigenmittel teurer sind als Fremdmittel. King wurde sogar vorgeworfen, er wolle das britische Bankensystem zerstören. Seine auf  die Finanztheorie gestützte Argumentation steht tatsächlich im Widerspruch zur Alltagserfahrung der Praktiker. Wer hat recht?

Des Rätsels Lösung liegt darin: Beide Seiten sprechen über unterschiedliche Dinge. Die Bankpraktiker sprechen über die Kosten der Beschaffung von Eigenmitteln, die Theoretiker über die Kosten der Haltung von Eigenmitteln. Kurzfristig haben die Praktiker recht, langfristig die Theoretiker. Mervyn King hat gut getan, sich an der längerfristigen Sicht zu orientieren. Im einzelnen findet sich die Argumentation in meinem Aufsatz.

Eine kürzere Version wurde von der NZZ vor über einer Woche akzeptiert, aber noch nicht gedruckt. Da ich soeben von Inke Nyborg den gestrigen Artikel von David Miles (Monetary Policy Committee Bank of England) aus der Financial Times erhalten habe, in der dieser ähnlich argumentiert, wollte ich meinen Text hier zur Verfügung stellen, bevor er abgeschrieben scheint. Die NZZ möge mir verzeihen.

Mervyn King wetzt die Klinge

Hans Geiger schickt mir einen Artikel aus dem Wall Street Journal, in dem der Gouverneur der Bank of England als Zerstörer des britischen Bankensystems bezeichnet wird. Grund: King bezweifelt aufgrund der Finanztheorie die Argumente der Banken, wonach Eigenmittel teuer sind. Jetzt dürfte der Krieg losgehen. Einen Friedensvorschlag hätten wir für Interessenten parat.

Noch eine Gratulation: Christian Thöni erhält den Latsis-Preis

Die Fondation Latsis Internationale, Genf, hat Dr. Christian Thöni „für seine Forschungstätigkeit und seine Fachpublikationen“ den diesjährigen Latsis-Preis verliehen. Christian Thöni ist Assistenzprofessor an der Universität St. Gallen (HSG).

Christian’s Forschungsschwerpunkt ist die empirische Erforschung sozialer Präferenzen in sozialen Dilemma-Situationen sowie im Marktgeschehen mit Hilfe von Labor- und Feldexperimenten. Des weiteren beschäftigt sich der Latsis-Preisträger 2010 mit der experimentellen Validierung von Befragungen, welche das Vertrauen, die Fairness und Hilfsbereitschaft der Mitmenschen untersuchen. Ein dritter Teil seiner Forschungsarbeiten betrachtet das Wahlverhalten im Wettbewerbsumfeld und unter unsicheren Bedingungen.

Die offizielle Preisübergabe (25’000 Franken) und Zeremonie findet am 30. September in Genf statt.

Wir gratulieren!

Der Vater der Finance über TBTF

Eugene Fama, Mitbegründer der modernen Finanzmarktwissenschaft und geistiger Vater der „Efficient Market Hypothesis“ bleibt einer der überzeugtesten Vertreter der Marktwirtschaft und der Finanzmärkte als Nervenzentrum der Wirtschaft. Umso bemerkenswerter seine Ausführungen zum Problem der unfreiwilligen Staatshaftung für Banken (Too Big to Fail) in einem Fernsehinterview mit CNBC.

Fama stellt mit aller Prägnanz fest, dass TBTF eine Lizenz zum Eingehen von Risiken auf Kosten der Allgemeinheit darstellt. „Das ist nicht Kapitalismus“. Mit anderen Worten: Die Standard-Argumentation der Banken, Massnahmen zur Eindämmung der Staatshaftung seien Eingriffe in den Markt, ist Unsinn.

Fama hält allerdings wenig von komplizierten Regelwerken nach Art der Obama-Reform oder der EU-Regulierungs-Offensive. Sein Rezept: Mehr Eigenmittel, und zwar dramatisch mehr: nicht eine Anhebung von drei auf fünf Prozent, sondern auf 40 oder 50 Prozent!

Und wie gesagt: Fama ist nicht ein unbelehrbarer Anti-Kapitalist, sondern ein intellektueller Kapitän, der wohl mit dem Schiff der Martwirtschaft unterginge, wenn es sein müsste. (Anders als prominente schweizerische TBTF-Kritiker, die das Schiff bereits verlassen haben.)

Wer mehr wissen möchte, findet weitere Beiträge im Blog The Baseline Scenario.

Hartelijke gelukwensen, Lans!

Am  diesjährigen  Dies  Academicus  hat  die  Universität  St.  Gallen  die Ehrendoktorwürde  an  Prof. Lans Bovenberg (Tilburg University, Niederland) verliehen.  Und dies nicht weil auch die HSG „bovenberg“ ist – auf dem Berg oben.  Nein,  Lans  Bovenberg ist einer der weltweit führenden Forscher im Bereich der Public Economics.

 Lans  Bovenberg  hat  vor  allem  zu  zwei  Gebieten  wesentliche  Beiträge geleistet hat: zur Finanzwissenschaft und zur Umweltökonomik. Seit Ende der neunziger  Jahre  hat  er  sich  verstärkt Problemen der Sozialversicherung sowie insbesondere der Altersvorsorge zugewandt. Im Jahre 2003 erhielt Lans Bovenberg  den mit 2.5 Millionen dotierten Spinoza-Preis, den angesehensten niederländische Wissenschaftspreis. Mit diesem Betrag finanzierte sich Lans Bovenberg   nicht  etwa  eine  Weltreise,  sondern  gründete  Netspar,  ein unabhängiges  Netzwerk  für  Forschung,  Ausbildung  und Wissenstransfer im Bereich  von  „Pensions,  Aging and Retirement“. Von diesem profitiert auch die  HSG.  So  erlaubt uns Netspar, am 10. und 11. Juni eine internationale Konferenz  zu  Fragen  der  Alterssicherung in Zürich zu organisieren (mehr dazu später im batz).

 Lans  Bovenberg  ist  kein  weltfremder Forscher, im Gegenteil. Er wirkt in ausserordentlicher  Weise  in  die  Öffentlichkeit  hinein und hilft dabei, ökonomische  Erkenntnisse  in  die wirtschaftspolitische Praxis umzusetzen. Diese  Verbindung  von  hochstehender Wissenschaft und praktischer Relevanz der ökonomischen Forschung ist vorbildlich. Wir freuen uns daher sehr über diese hochverdiente Ehrendoktorwürde.

Hartelijke gelukwensen, Lans!

Lesen Sie hier die vollständige Würdigung von Lans Bovenberg.

Panta Rhei

Alles fliesst. Auf griechisch verabschiedet sich einer der aktiven Wirtschafts-Blogger von der Szene. William Buiter schliesst seinen vielbeachteten Blog Maverecon bei Financial Times. Dort zog er als Professor der London School of Economics zum Beispiel gegen die faktische Staatsgarantie für Grossbanken ins Feld „Too big to fail is too big“. Jetzt zieht der Maverick (gemäss leo.org: Aussenseiter, Eigenbrötler, Einzelgänger, mutterloses Kalb) als Chefökonom zu Citigroup. Citigroup (16’000 Niederlassungen mit 300’000 Angestellten in 140 Ländern) ist eine der vier amerikanischen Grossbanken, die die Finanzkrise überlebten — dank massiver Staatshilfe im November 2008.

Citigroup ist also „too big to fail“. Damit wäre die Bank nach der Logik ihres frischgebackenen Chefökonomen schlicht zu gross. Eine der beiden Seiten muss jetzt nachgeben. Wird Buiter Citigroup zerhacken oder umgekehrt? Mal sehen, was alles fliesst.

Wo die milden Kerle wohnen

Der Urvater der Volkswirtschaftslehre, Adam Smith (1723-1790), baute seine Gesellschaftsphilosophie (Theory of Moral Sentiments, 1759) noch auf das Grundgefühl der zwischenmenschlichen Sympathie. Später kamen dem homo oeconomicus die weicheren Züge abhanden. Zurück blieb eine oft fast mechanistisch (miss-)verstandenen Rationalität. Moderne Forscher wie Prof Ernst Fehr zeigten im Labor, wie wichtig Empathie, Vertrauen und Fairness bei wirtschaftlichen Entscheidungen sind. Die gleichzeitige spektakuläre Entwicklung der Neurowissenschaften erlaubt ein vertieftes Studium dieser Faktoren durch interdisziplinären Schulterschluss verschiedener Disziplinen.

Die Universität Zürich hat heute die Gründung eines Laboratory for Social and Neural Systems Research (SNS Lab) bekanntgegeben. Das Eröffnungssymposium wird am 4. Juni 2010 stattfinden. Wir werden die Aktivitäten des SNS Lab mit Sympathie verfolgen.