1 Euro = 50 Rappen ?

Die Presse von heute will wissen, der Präsident des Direktoriums der SNB, Philipp Hildebrand, habe im Bundesrat die Möglichkeit eines Falls des Euro auf 50 Rappen erörtert. Ich war nicht dabei, möchte aber doch eines klarstellen. Was Philipp Hildebrand immer gesagt haben mag: Diese 50 Rappen sind sicher keine Prognose. Bitte also keine Panik im Devisenhandel. Eine Regierung muss sich natürlich auch auf Extremszenarien gefasst machen; in diesem Sinne ist die Frage „Was tun wir, wenn der Euro auf X fällt?“ wichtig. Der Bundesrat muss eine Antwort haben. Die Frage sollte aber nicht Anlass sein, den Euro auch gleich mit X zu bewerten.

Bekanntlich bin ich kein Euro-Romantiker und habe den Euro sogar einmal als „langfristig unhaltbar“ bezeichnet. Gemeint war, dass der Währungsverbund mit den heutigen Mitgliedländern irgendwann reissen wird oder aber den Frieden und/oder Demokratie in Europa zerstört (Ungarn beispielsweise ist auf bestem Weg). Dazu stehe ich nach wie vor. Bloss bedeutet ein Auseinanderbrechen der Währungsunion nicht unbedingt eine Schwächung des Euro. Wenn die schwachen Länder ausscheiden, kann der Euro sogar härter werden.

Also nochmals: 50 Rappen sind ein Szenario unter vielen, keine Prognose.

Adventskalender 13

Heute wäre der Österreichische Schilling 65 geworden. Er entstand in der Währungsreform von 1945 aus jeweils 150 Reichsmark pro Schilling. Im Jahre 2002 ging der Schilling im Euro auf.

Der zweite Jubilar ist erst 57. Ob er jubilieren mag ist zudem zweifelhaft. Trotzdem ein grosses Happy Birthday an Ben Bernanke, den vierzehnten Chairman of the Federal Reserve.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir auch an unser Währungsquiz vom 6. Dezember erinnern. Wir haben noch keinen eindeutigen Sieger, aber mehrere Einsendungen mit 5 von 8 Richtigen. Das müsste doch zu schlagen sein! (Wir behandeln Einsendungen vertraulich, werden aber den/die Sieger(in) mit Erlaubnis bekanntgeben.

Adventskalender 6

Im Heimatland muss beginnen, was leuchten soll in Europa. Unser Chlausrätsel versucht deshalb, die Leser für die Eurodebatte mit einigen Testfragen über unsere eigene Währung, den Schweizer Franken, zu stählen. Viel Spass!

  1. Wann erhielt die Schweiz zum ersten Mal eine einheitliche nationale Währung?
    (a) 1291, (b) 1798, (c) 1848, (d) 1907.
  2. Seit wann ist der Schweizer Franken offiziell Landeswährung?
    (a) 1848, (b) 1907, (c) 1918, (d) 1936.
  3. War die Schweiz früher einmal Teil einer Währungsunion?
    (a) ab 1815, (b) ab 1848, (c) ab 1865, (d) nie.
  4. Ist die Schweiz heute Teil einer Währungsunion?
    (a)  seit 1881, (b) seit 1924, (c) seit 1980, (d) nein.
  5. Seit wann hat die Schweiz einheitliche Banknoten?
    (a) 1848, (b) 1881, (c) 1907, (d) 1936.
  6. Die Banknoten der Schweizerischen Nationalbank müssen in der Schweiz als Zahlungsmittel angenommen werden. Seit wann ist dies ordentliches Recht?
    (a) 1881, (b) 1936, (c) 1954, (d) 2000.
  7. Die gesetzliche Golddeckung des Schweizer Frankens galt
    (a) bis 1936, (b) bis 1973, (c) bis 2000, (d) sie gilt bis heute.
  8. Seit wann kann die Schweizerische Nationalbank die von ihr ausgegebene Geldmenge de facto kontrollieren?
    (a) seit 1907, (b) seit 1936, (c) seit 1973, (d) seit 2000.

Die Lösung besteht aus acht Buchstaben (von a bis d). Wen dürfen wir als Einsender(in) der ersten richtigen Lösung (an: birchler@isb.uzh.ch) feiern?

Weshalb sich Banken und Ökonomen nicht verstehen

Vor zwei Wochen haben wir hier berichtet, dass der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, aus Sicht der Banken übergeschnappt ist. Er hat den Glaubenssatz in Frage gestellt, wonach Eigenmittel teurer sind als Fremdmittel. King wurde sogar vorgeworfen, er wolle das britische Bankensystem zerstören. Seine auf  die Finanztheorie gestützte Argumentation steht tatsächlich im Widerspruch zur Alltagserfahrung der Praktiker. Wer hat recht?

Des Rätsels Lösung liegt darin: Beide Seiten sprechen über unterschiedliche Dinge. Die Bankpraktiker sprechen über die Kosten der Beschaffung von Eigenmitteln, die Theoretiker über die Kosten der Haltung von Eigenmitteln. Kurzfristig haben die Praktiker recht, langfristig die Theoretiker. Mervyn King hat gut getan, sich an der längerfristigen Sicht zu orientieren. Im einzelnen findet sich die Argumentation in meinem Aufsatz.

Eine kürzere Version wurde von der NZZ vor über einer Woche akzeptiert, aber noch nicht gedruckt. Da ich soeben von Inke Nyborg den gestrigen Artikel von David Miles (Monetary Policy Committee Bank of England) aus der Financial Times erhalten habe, in der dieser ähnlich argumentiert, wollte ich meinen Text hier zur Verfügung stellen, bevor er abgeschrieben scheint. Die NZZ möge mir verzeihen.

Expertenbericht TBTF

Der Schuss ist raus: die Expertenkommission des Bundes zur „Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen“ (Too big to fail, TBTF) hat ihren Schlussbericht publik gemacht. Eine erste Durchsicht zeigt Gutes und Schlechtes.

Zuerst die gute Nachricht: Der Bericht nennt das Kind beim Namen: Die faktische Staatsgarantie ist eine Subvention mit hohen Kosten und Risiken für die Steuerzahler. Der Bericht schlägt vier Kernmassnahmen vor (Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung, Organisation). Der eigentliche Kern sind jedoch die Vorschläge zum Thema Eigenmittel. Hier übernimmt der Bericht im wesentlichen die Vorschläge unseres Gutachtens vom Juli 2010: Es braucht deutlich mehr haftende Substanz, bestehend aus Eigenmitteln und aus Schulden, die im Krisenfall gekürzt oder in Eigenmittel verwandelt werden können. Die gesamten Anforderungen müssen über Basel 3 hinausgehen. Ebenfalls übernommen wurde der von der Grösse (Bilanzsumme, Marktanteil) abhängige Eigenmittelzuschlag. Ein Teil der geforderten Eigenmittel soll als „contingent convertible bonds“ (bedingte Pflichtwandelanleihen), kurz: CoCos, emittiert werden können.

Leider gibt es auch schlechte Nachrichten. Erstens bemessen sich die Eigenmittelanforderungen an den risikogewichteten Assets, genau wie bei Basel 3. Wenn aber die Finanzkrise eines gezeigt hat, dann dass die Risikomessung im entscheidenden Moment versagt. Krisen kommen oft oder meist aus dem toten Winkel. Risikomessung ist sogar dann unzuverlässig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen wurde. Aber erst recht gefährlich wird sie, wenn die Banker ein Interesse haben, geringe Risiken auszuweisen (zum Beispiel damit Boni fliessen). Sie beherrschen die Kunst, die gemessenen Risiken abzubauen, aber die effektiven Risiken zu erhöhen.

Zweite schlechte Nachricht. Auf den Eigenmittelzuschlag für Grösse, den mutigsten Teil der Vorschläge, gibt es einen Rabatt. Je besser die Bank glaubhaft machen kann, sich durch ihre Organisation im Krisenfall aufteilbar gemacht zu haben, desto grösser der Rabatt. Leider funktionieren diese Aufteilungspläne nur in behördlichen Wunschträumen.

Ein grundsätzlich richtiges Konzept wird also an zwei nicht tragfähigen Nägeln aufgehängt: Der Messbarkeit der Risiken durch die Banken selbst und der Organisierbarkeit der Aufteilung im Krisenfall.

Drittens schliesslich sind die vorgesehenen Eigenmittelanforderungen zwar strenger als Basel 3, aber nicht streng genug, um das TBTF-Problem zu lösen. Die Anforderungen wurden kalibriert auf die schweizerischen Erfahrungen aus der Finanzkrise. Dabei geht vergessen, dass die Finanzkrise für die Schweiz und die UBS, als Hauptbetroffene, trotz allem eigentlich glimpflich ablief, gemessen an früheren Krisen und an ausländischen Erfahrungen. In der Krise der frühen 1990er Jahre („Regionalbankenkrise“) verloren die Grossbanken 12,5 Prozent des Kreditvolumens. Dies wären heute rund 75 Milliarden Franken. Die von der Expertengruppe geforderten (bei heutigen Zahlen) 19 Prozent der risikogewichteten Assets beträgt gerade etwa so viel. Dabei ist aber nicht eingerechnet, dass die Banken ihre Bilanzen an das neue Konzept anpassen werden; auch nicht eingerechnet ist, dass die Banken die vorgesehenen Grössenpuffer wesentlich abbauen werden, indem sie den Organisationsrabatt abholen.

Dass die Arbeitsgruppe überhaupt soweit gekommen ist, ist namentlich den Behördenvertretern hoch anzurechnen. Die Banken und ihre Verbündeten haben massiv Druck gemacht, mit Abwanderung, Kreditklemme und der Pest gedroht. Sie haben sogar hart auf den Mann gespielt. Nur eines haben sie nicht: Ein einziges vernünftiges Argument gebracht, weshalb mehr Eigenmittel anstelle hoher Fremdfinanzierung teuer sein soll. Eigenmittel sind nur teuer für TBTF-Banken und für Manager, die ihre Boni nicht gerne mit den Aktionären teilen. Jeder, der diese Botschaft im Bundesrat und im Parlament verbreitet, tut etwas zur Lösung des TBTF-Problems und zur Erhaltung der Schweiz als Wirtschaftsstandort.

Link zum Bericht der Expertenkommission des Bundesrates
Link zur Studie Faktische Staatsgarantie für Grossbanken

Eine FIFA für die Notenbanken

FIFA droht Frankreich mit Sanktionen: Die Politik (angeführt von Präsident Nicolas Sarcozy) habe sich in Fussball-interne Fragen eingemischt. Die Unabhängigkeit der Fussballverbände wird bei der FIFA offenbar gross geschrieben. Fussball ist eben wichtig.

Vielleicht bräuchten auch die Notenbanken eine FIFA. Die Notenbanken stehen in der Krise unter ganz besonderem Druck der Politik. Die Europäische Zentralbank hat politischen Wünschen zur Abwehr der „Spekulation“ gegen einzelne Mitgliedländer der Währungsunion stattgegeben — gegen den Geist von Währungsvertrag und Stabilitätspakt. Aber kein Sepp Blatter hat sie zurückgepfiffen.

Viel Negatives wurde über die FIFA in letzter Zeit geschrieben. Aber eins muss man ihr lassen. Im entscheidenden Moment weiss sie, was wichtig ist: Dass der Ball rollt — ohne Ablenkung durch den unsichtbaren Fuss (oder gar die Hand) der Politik.