Congratulations, Charles!

Urs Birchler

Heute morgen verlieh die Uni Basel die Ehrendoktorwürde an den amerikanischen Ökonom und Bankenhistoriker Charles Calomiris (Columbia).

Bekannt wurde Charles Calomiris für seinen mit Charles Kahn verfassten Aufsatz in der American Economic Review von 1991 zur disziplinierenden Wirkung der Gefahr von Bank Runs. Doch zuvor und seitdem publizierte er eine eindrückliche Reihe von Arbeiten, viele davon zu Themen der Bankenstabilität und -überwchung. Roter Faden in seinem Werk ist das Thema Anreize. Auch in seinem Referat an der Uni Basel von gestern abend: Bankenregulierung hat nur eine Chance, wenn sie zwei Bedingungen erfüllt:

  1. Sie muss berücksichtigen, dass die Überwachten stets Anreize zur Umgehung haben,
  2. Sie muss berücksichtigen, dass auch die Überwacher Anreizen ausgesetzt sind, die das Ziel der Überwachung gefährden können (beispielsweise, weil ihre berufliche Weiterentwicklung nur bei einer der überwachten Banken möglich ist).

Charles Calomiris ging es immer auch um die die praktische Anwendbarkeit seiner Forschung. Verschiedene Regierungen und Behörden, namentlich in Lateinamerika, haben ihn denn auch als Berater beihezogen. Die lange Liste seiner Arbeiten findet sich bei IDEAS oder auf seiner Homepage.

Wir wünschen Charles alles Gute und gratulieren auch der Uni Basel zur klugen Wahl.

Städterivalitäten

Urs Birchler (ZH) und Monika Bütler (SG)

Wir haben uns die Ausstellung Kapital — Kaufleute in Venedig und Amsterdam im Zürcher Landesmuseum angesehen (bis 17. Februar 2013). Sie ist nicht ganz so faszinierend wie damals die Ausstellung Geld und Schönheit in Florenz. Trotzdem ist sie empfehlenswert; es gibt ja wenig gute Ausstellungen zu wirtschaftlichen Themen. Auch für Kinder ab ca. 4. Klasse ist das meiste zugänglich; die zahllosen Treppen des für Ausstellungen eigentlich unbrauchbaren Hauses bieten zudem Gelegenheit zur Bewegung.

Für uns die Hauptattraktion war der St. Galler Globus aus dem 16. Jahrhundert (näheres bei Wikipedia). Der Globus — 1712 von Zürcher Truppen bei der Plünderung des Klosters erbeutet — war vor 10 Jahren Gegenstand eines erbitterten Streits zwischen den revisionistischen St. Gallern und den kunsträuberischen Zürchern. Nur durch Vermittlung eines Bundesrates konnte eine bewaffnete Auseinandersetzung vermieden werden. Die Salomonische Lösung: Zürich behielt das Original und spendierte den St. Gallern eine prächtige Kopie.

In der Ausstellung Kapital war also dieser Globus zu bewundern. Allein: nicht etwa das hart erkämpfte Original, sondern — als Leihgabe aus St. Gallen! — die Kopie. Der hehre Altglobus, auf dessen patinierter Oberfläche nur noch Forscher etwas sehen, steht ein Stockwerk tiefer und gilbt verschmäht vor sich hin, derweil oben in der Ausstellung die Kopie in leuchtenden Farben die Zuschauer erfreut.

Die „Globalisierung“ zwischen Zürich und St. Gallen hat also, dies unsere Haupterkenntnis aus der Ausstellung, ihren friedlichen Abschluss gefunden. Vollkommen hätte man sie nennen können, hätte das Landesmuseum den St. Gallern einen Gratis-Eintritt offeriert. Das wäre dann aber wieder nicht nach Zürcher Art gewesen.

Staatshilfe-Poesie

Urs Birchler und Sandra Ujpétery

Den Begriff „Bailout“ kannte man im 19. Jahrhundert noch nicht, aber Spekulanten – offenbar auch solche, die auf Staatshilfe hofften – schon. Sie waren nicht beliebt, wie das folgende, von Sandra gefundene Spottgedicht zeigt. Der „Stoßseufzer eines verunglückten Spekulanten“ wurde gegen die Gründung der Zürcher Kantonalbank geschrieben, die Grossrat Johann Jakob Keller aus Fischenthal 1866 gefordert hatte.

Die Familienkiste

Urs Birchler

Die Familienkiste ist nicht nur ein Begriff aus der Familientherapie (wie etwa hier). Vielmehr handelt es sich um ein Finanzinstrument. Ich habe zum ersten Mal davon gelesen in der unlängst erschienenen Geschichte der Familie von Graffenried Notabeln, Bürger, Patrizier von Hans Braun.

Die Familienkiste (S. 147ff.) war in Berner Patrizierfamilien ein Vermögen, das durch Einschüsse der (männlichen) Familienmitglieder geäufnet wurde, um aus dessen Erträgen die Ausbildung minderbemittelter (männlicher) Kinder der Familie zu unterstützen. Die Familie von Graffenried gründete ihre Familienkiste im Jahr 1723. Eine Zeitlang gab es eine separate „Weiberkiste“: Töchter erhielten einen Zustupf zur Heirat oder zur Pension im Welschland. Daneben gab es eine Offizierskiste.

Einen Kistenverwalter, unterstützt durch den Kistenrat, gibt noch heute, und vermutlich [Rechtsbelehrung willkommen!] gilt sogar noch das Gesetz über die Familienkisten und Stiftungen von 1837. Mitglieder der Familienkiste von Graffenried (und vielleicht solche, die es werden wollen) können sich übrigens hier melden.

Die Rolle der Familienkiste zwischen Ausbildungsfinanzierer, Sozialversicherung und Optimierung der Erbschaftssteuer wäre noch ein Thema für eine Bachelor- oder Masterarbeit. Am besten finanziert von der Kiste.