Ich bin auch ein Heizpilz

Die Tagepresse meldet, Heizpilze dürften künftig nur noch mit Ökostrom betrieben werden. Dies sieht aus wie der salomonische Kompromiss zwischen den Extremlösungen Verbot oder Laissez Faire, bzw. Laisser Chauffer. Ist es aber gerade nicht. Die Zuordnung von zulässigen Energiequellen zu einzelnen Verbrauchsgeräten führt direkt in die Hölle. Heizpilz mit Ökostrom, Operationssaal auch mit Atomstrom, das Opernhaus je nach Standpunkt mit Kerzen, mit Mischstrom oder gar nicht. Obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche als den pedalgetriebenen Laubbläser: Solche Lösungen züchten eine Erlass- und Kontrollbürokratie, die uns direkt in den kafkaesken Wahnsinn führt. Nimmt mich wunder, wer all den Heizpilzen nachgehen wird, um zu schauen, was sie grad für Strom gefressen haben.

Wollen wir wirklich enden wie Gulliver im Lande Liliput — gefesselt von einer Unzahl dünner Fäden, die einzeln leicht zu zerreissen wären, aber gemeinsam unüberwindlich sind?

Wenn wir uns nicht kollektiv zu Sklaven machen wollen, bleibt nur der Preismechanismus. Wenn CO2 (oder Energie) einen Preis hat — auch wenn dieser wesentlich höher sein sollte als heute –, kann immerhin jeder selber entscheiden, wieviel er ausgeben will und wofür. Des einen Heizpilz mag dann des anderen Candlelight Dinner sein. Ökostrom-für-böse-Geräte-Vorschriften hingegen sind die Henkersmahlzeit. Und ja, der Preismechanismus ist blind; auf den „Bedarf“ nimmt er keine Rücksicht. Zuschriften wegen Neoliberal werde ich deshalb sorgfältig lesen. Im Dunkeln.

Glücklich geschieden

Der Tagesanzeiger und andere Zeitungen meldeten gestern, dass Ehen am häufigsten im 7. Ehejahr geschieden werden. Doch mit dem verflixten Siebten habe dies nichts zu tun. Dafür mit dem Ausländerrecht: „Kommt die C-Bewilligung, kommt Scheidung“, meint der Tagesanzeiger.
Als Ökonomin überrascht mich dies kaum. Wer nun aber glaubt, Anreize wirkten nur bei Ausländern, respektive gemischten Paaren, täuscht sich. Die 10. AHV Reform mit Splitting und Kindergutschriften sowie die obligatorische Teilung des BVG Guthabens brachten vor rund 10 Jahren nicht nur Verbesserungen für Frauen. Eine Scheidung wurde durch dieser Reformen gerade für Paare um das Rentenalter herum deutlich „billiger“.
Und siehe da, die Anreize wirken. Wer die untenstehende Graphik genau studiert, sieht zwei Dinge. Erstens passten eine beträchtliche Anzahl der Paare ihren Scheidungszeitpunkt an und trennten sich gerade noch vor dem Inkrafttreten der neuen Regeln. Zweitens hat sich der Unterschied in den Scheidungsraten zwischen allen Ehepaaren und Ehepaaren zwischen 55 und 75 seit den Reformen deutlich verringert (etwa halbiert). In anderen Worten: Ältere Ehepaare scheiden nun relativ häufiger als vorher. Mit grosser Wahrscheinlichkeit weil es sich seit 2000 besser lohnt. Und daran sind nicht die Ausländer „schuld“.
Es soll ja ältere Paare geben, die sich alleine deswegen scheiden lassen, um der Rentenplafonierung zu entgehen (oder um Steuern zu sparen). Das erinnert mich an eine Werbekampagne in Holland bei der eine gutgelaunte Frau ihrem Ehepartner fröhlich zuruft: „Theo, wij gaan scheiden“. (In Holländisch heisst dies sowohl „wir scheiden“ als auch „wir trennen“ – in diesem Fall Abfall).

PS: Damit keine Missverständnisse entstehen: Dies ist KEIN Plädoyer für die Aufhebung der Plafonierung der AHV Ehepaarrenten.

Scheidungsraten

Wild-West Anreize?

GAPWer kennt sie nicht, die Umfragen zur Konsumentenzufriedenheit. Sei es nach einem Flug, einer Hotelübernachtung oder nach einem Einkauf im Kleiderladen. Alle wollen „ehrliches“ Feedback zur Dienstleistungsqualität. Aber nicht nur dies. Die Umfrageergebnisse werden auch mannigfaltig eingesetzt. Einerseits in der Werbung, „90 Prozent zufriedene Kunden…“, andererseits auch intern, indem die Kundenzufriedenheit in die Bewertung von Niederlassungen oder Mitarbeitern einfliesst.

Die ständige Evaluation anhand der gemessenen Kundenzufriedenheit veranlasst die Evaluierten nach Möglichkeit die Messung zu beeinflussen. Zum Beispiel wird man selektiv im Falle einer besonders gut gelaufenen Dienstleistung freundlich aufgefordert, doch so nett zu sein und einen Evaluationsbogen auszufüllen. Im besten Fall kann man den Fragebogen anonym ausfüllen und seine eigene Meinung kundtun. Aber wer möchte schon diesen netten Herrn oder die freundliche Dame mit einer objektiven, allenfalls auch nicht perfekten Evaluation enttäuschen?

Einen Schritt weiter ging vor kurzem eine Filiale des Kleiderlabels GAP im wilden Westen der USA. Ich wurde aufgefordert eine Evaluation online auszufüllen. Dies ist an sich noch nichts besonderes. Jedoch wurde mir im Falle einer Evaluation mit der Bestnote 10 eine Vergünstigung von 20% auf das gesamte Sortiment gewährt. Im Klartext: Die GAP Filiale kauft sich die Bestnote bei ihren Kunden ein!

Angesprochen auf diese interessante Massnahme wurde ich von einem lokalen Mitarbeiter aufgeklärt, dass die Filialen vom Mutterhaus bei guten Evaluationen belohnt werden. Warum also nicht gleich die Evaluation einkaufen, die Belohnung einstreichen und gleichzeitig das Mutterhaus für die mit 20% Rabatt gekauften Evaluationen bezahlen lassen? Wie im Schlaraffenland!

Nun, was lernen wir daraus? Wie immer, Anreize wirken! Sie wirken jedoch nicht nur auf die Bemühungen der Evaluierten gute Dienstleistungen zu erbringen, sondern auch auf deren Anreize die Messung möglichst zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Sei dies nun der Einkauf“ der Evaluationen, wie er z.B. auch bei Ratingagenturen teilweise kritisiert wurde, oder die Anbindung von Managern an den Aktienkurs der Firma, das zu kurz- statt langfristiger Ausrichtung der Unternehmenspolitik führen kann. Quintessenz: Evaluationen sind zwar ein wichtiges, aber auch heikles Anreizinstrument für Mitarbeiter und Manager.

 

Quarterly Capitalism

Werden die Finanzmärkte immer kurzsichtiger? Ja. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung „The short long“ von Andrew Haldane, Executive Director of Financial Stability bei der Bank of England. Offen bleibt die Frage nach den Ursachen: Sind es auf kurzfristigen Erfolg getrimmte Belohnungssysteme oder hirnphysiologische Folgen der Elektronik, die zum „survival of the fastest“ führen?

Wenn CEOs Töchter haben …

Hartnäckige Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau sind ökonomisch noch immer nicht voll erklärbar. Umso interessanter sind Erkenntnisse darüber, wie die Unterschiede allenfalls verschwinden könnten. Ernst Fehr schickt mir dazu eine Studie von Dahl, Dezsö und Ross über Dänemark. Die Fragestellung ist: Spielt es für die Lohnunterschiede eine Rolle, ob der Geschäftsführer des Unternehmens eine Tochter bekommt? Antwort: Es spielt. CEO Väter, denen Töchtern geboren werden, heben das Lohniveau der weiblichen Mirabeiterinnen um gut ein Prozent an (bei CEO Müttern ist der Effekt nicht vorhanden). Die Lohnerhöhung wiederholt sich abgeschwächt bei der Geburt weiterer Töchter. Besonders stark steigen die Frauenlöhne, wenn die Tochter das erste Kind des CEO ist. Allerdings steigt nur der Lohn gut ausgebildeter Frauen (mit denen ein CEO seine Töchter offenbar am ehesten identifizieren kann).

Klar ist auch, weshalb Ernst Fehr und ich faire Vorgesetzte sind: Wir haben beide zur Erstgeborenen eine Tochter geschenkt erhalten.

Adventskalender 11

„Einhundert Batzen mein Gebot“. Dass Verträge Anreize schaffen, ist bekannt. Beispielsweise wird verlangt, Bankverantwortliche müssten mit ihrem Vermögen für Verluste der Bank haften. Das nachfolgende Gedicht rät zur Vorsicht im Umgang mit vertraglichen Strafen.

Der rechte Barbier

Adalbert von Chamisso (1781-1838)

„Und soll ich nach Philisterart
Mir Kinn und Wange putzen,
So will ich meinen langen Bart
Den letzten Tag noch nutzen.
Ja ärgerlich wie ich nun bin,
Vor meinem Groll, vor meinem Kinn
Soll mancher noch erzittern!

Holla! Herr Wirt, mein Pferd! macht fort!
Ihm wird der Hafer frommen.
Habt Ihr Barbierer hier im Ort?
Lasst gleich den rechten kommen.
Waldaus, waldein, verfluchtes Land!
Ich ritt die kreuz und quer und fand
Doch nirgends noch den rechten.

Tritt her, Bartputzer, aufgeschaut!
Du sollst den Bart mir kratzen;
Doch kitizlig sehr ist meine Haut,
Ich biete hundert Batzen;
Nur, machst du nicht die Sache gut,
Und fliesst ein einz’ges Tröpflein Blut –
Fährt Dir mein Dolch ins Herze.“

Das spitze, kalte Eisen sah
Man auf dem Tische blitzen,
Und dem verwünschten Ding gar nah
Auf seinem Schemel sitzen
Den grimm’gen, schwarzbehaarten Mann
Im schwarzen Wams, woran
Noch schwärzre Troddel hingen.

Dem Meister wird’s zu grausig fast,
Er will die Messer wetzen,
Er sieht den Dolch, er sieht den Gast,
Es packt ihn das Entsetzen;
Er zittert wie das Espenlaub,
Er macht sich plötzlich aus dem Staub
Und sendet den Gesellen.

„Einhundert Batzen mein Gebot,
Falls du die Kunst besitzest;
doch merk es dir, dich stech ich tot,
So du die Haut mir ritzest.“
Und der Gesell: „Den Teufel auch!
Das ist des Landes nicht der Brauch.“
Er läuft und schickt den Jungen.

„Bist du der Rechte, kleiner Molch?
Frisch auf! fang an zu schaben;
Hier ist das Geld, hier ist der Dolch,
Das beides ist zu haben!
Und schneidest, ritzest du mich bloss,
So geb ich dir den Gnadenstoss;
Du wärest nicht der erste.“

Der Junge denkt der Batzen, druckst
Nicht lang und ruft verwegen:
„Nur stillgesessen! nicht gemuckst!
Gott geb Euch seinen Segen!“
Er seift ihn ein ganz unverdutzt,
Er wetzt, er stutzt, er kratzt, er putzt:
„Gottlob! nun seid Ihr fertig.“ –

„Nimm kleiner Knirps, dein Geld nur hin;
Du bist ein wahrer Teufel!
Kein andrer mochte den Gewinn,
Du hegtest keinen Zweifel;
Es kam das Zittern dich nicht an,
Und wenn ein Tröpflein Blutes rann,
So stach ich dich doch nieder.“ –

„Ei! guter Herr, so stand es nicht,
Ich hielt euch an der Kehle;
Verzucktet Ihr nur das Gesicht
Und ging der Schnitt mir fehle,
So liess ich Euch dazu nicht Zeit;
Entschlossen war ich und bereit,
Die Kehl Euch abzuschneiden.“ –

„So, so! ein ganz verwünschter Spass!“
Dem Herrn ward’s unbehäglich;
Er wurd auf einmal leichenblass
Und zitterte nachträglich:
„So, so! das hatt ich nicht bedacht,
Doch hat es Gott noch gut gemacht;
ich will’s mir aber merken.“