Frau darf nicht mehr neben Schnarcher schlafen

Urs Birchler

Bitte, wer kann mir helfen? Mein Weltverständnis liegt in Trümmern. Meine Frau darf aufgrund eines Gerichtsentscheids nicht mehr in unserem gemeinsamen Schlafzimmer nächtigen. Grund: Mein Schnarchgeräusch liegt über dem gesetzlichen Grenzwert von 55dB(A) (Kategorie: Erholung, nachts).

Dass der Staat mein Frau vor gesundheitlichen Schäden schützen möchte, weiss diese durchaus zu schätzen. Aber sie versteht nicht, weshalb nicht — nach dem Verursacherprinzip — ich des Bettes verwiesen worden bin. Vielleicht haben die Richter ein Lehrbuch der Mikroökonomie angeschaut und dort gefunden, dass es ein Verursacherprinzip im Prinzip gar nicht gibt. Meine Frau und ich möchten des Schlafzimmer bloss unterschiedlich nutzen: sie zum Schlafen, ich zum Schnarchen. Erst, wenn in einem solchen Nutzungskonflikt die Eigentumsrechte zugeordnet sind,
lässt sich von einem „Verursacher“ sprechen. Wenn das Schlafzimmer meiner Frau gehört, bin ich der Verursacher externer Kosten (ihrer Schlaflosigkeit). Wenn das Zimmer mir gehört, verursacht meine Frau die externen Kosten in Form etwa von schlechter Laune infolge Schlafentzug. Die richterliche Ausweisung der Frau deutet also darauf hin, dass Bett und Luftraum mir, dem Schnarcher, gehören.

Selbstverständlich hat ein derartiger Gerichtsentscheid nie stattgefunden. Zu absurd würde man meinen. Doch nicht in Zürich. Es mehren sich die Fälle in denen Gerichte das Erstellen von Wohnungen verbieten, wenn die Bewohner einem Verkehrslärm ausgesetzt wären, welcher die gesetzlichen Grenzwerte übersteigt. So geschehen, wie der Tagesanzeiger berichtet, bezüglich der Überbauung Brunaupark. Ähnliches droht der Wohnüberbauung beim geplanten Fussballstadion — über das wir demnächst zum dritten Mal vielleicht für die Katz abstimmen werden.

Es werden in diesen Fällen also die potentiellen Mieter prophylaktisch weggewiesen, weil ihnen der Verkehr mit übermässigem Lärm schaden könnte.
Als ob die Stadt den Schnarchern, d.h. den Autofahrern, gehörte. Dabei schien die Sache klar: Als Verursacher der externen Kosten gelten guteidgenössisch nicht die ruhebedürftigen Bewohner, sondern die Erzeuger des Lärms (die Schnarcher). Das BAFU schreibt:

Es bestehen noch wesentliche externe Kosten in der Höhe von ca. 1–1.6 Mrd. CHF, die ausschliesslich vom Verkehr verursacht werden. … Die Lärmquelle Nummer eins ist der Verkehr. … Handlungsbedarf besteht … bei den externen Kosten. Im Vordergrund steht dabei die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips, d.h. die Reduktion von Lärm an den Emissionsquellen (BUWAL 2002a, 169).

Spinnen jetzt die Zürcher Richter oder spinnen das BAFU und ich?

NZZ reitet auf totem Pferd — Kommentar von Oliver Kessler

Urs Birchler

Gestern habe ich einen Beitrag von Oliver Kessler in der NZZ kritisiert. Dazu ist folgende Stellungnahme des Autors eingegangen:

Vielen Dank für Ihre Zeilen und Ihren Beitrag, den ich im Sinne des Wettstreits der Ideen natürlich begrüsse und mit Interesse gelesen habe.

In Ihrem Beitrag erkenne ich drei Argumente, die die Thesen von Rothbard angeblich widerlegen:

1.) Die als „Beweis“ angeführten Käufe der FED von Staatsobligationen sind nur ein Teil des Ganzen: Die gleichzeitig auslaufenden Guthaben der FED werden dabei ausgeblendet.

Rothbard hatte konkret aufgezeigt, wie die Geldmenge von 1921-29 stark gewachsen ist. Es geht da nicht nur um Staatsanleihenkäufe, sondern um das Wachstum der Geldmenge, das eines der wichtigsten Kriterien für die Beurteilung ist, ob eine Geldpolitik expansiv oder restriktiv ist. Wächst die Geldmenge in nur 8 Jahren um satte 62 Prozent, kann man meiner Meinung nach nicht sagen, es sei falsch, hier von einer expansiven Geldpolitik zu sprechen. Sonst haben wir hier einfach unterschiedliche Definitionen von „expansiv“.

2.) Die FED war in diesen Jahren keineswegs autonom, sondern operierte unter dem Goldstandard. Unter diesem floss aber aufgrund der Entwicklung in Europa in grösserem Ausmass Gold in die USA. Die eigenständigen Massnahmen der FED zielten darauf ab, diese expansiven Einfluss wenigstens teilweise zu kompensieren.

Ob die Fed in diesen Jahren autonom war oder nicht, spielt für die Feststellung, dass eine expansive Geldpolitik zu Zeiten vor und am Anfang der Krise vorherrschte, letztlich keine Rolle. Der Grund für eine expansive Geldpolitik wäre eine andere Diskussion.

3.) Sie zitieren anschliessend noch aus dem Buch von Friedman und Schwarz:

Doch auch aus diesem Zitat entnehme ich ausser einer Behauptung keine Belege, die darauf hinweisen, dass es sich um eine restriktive Geldpolitik gehandelt haben soll.

Ich kann Ihnen daher nicht folgen, wenn Sie schreiben: „Die „übermässig expansive“ Politik der FED ist daher eine Legende“.

Gibt es noch andere (nicht genannte) Gründe, weshalb Sie zu diesem Schluss kommen? Diese würden mich interessieren.

Mit freundlichen Grüssen,
Olivier Kessler

Ich erlaube mir dazu zwei Bemerkungen:

  • War die Politik der FED expansiv, weil sie die durch den Goldstandard bedingten Zuflüsse nicht energisch genug oder nur mit unzulänglichen Mitteln bekämpfte? Hier besteht die Gefahr, um Worte zu streiten. Ich finde es etwas irreführend, die FED zu kritisieren für ein Problem, das letztlich am Goldstandard liegt.
  • Die Geldpolitik war weder besonders expansiv noch restriktiv, sondern ungefähr „akkomodierend“. Die von Rothbard behauptete Geldmengenexpansion von 1921-29 von 62 Prozent entspräche einer Wachstumsrate von 7.75 Prozent pro Jahr. Rothbard schliesst aber in der Geldmenge den Wert ausstehender Lebensversicherungspolicen ein, was bereits von Milton Friedman kritisiert wurde. Ohne diese Policen stieg die Geldmenge um 46 Prozent oder 5.75 Prozent im Jahr, das heisst ungefähr im Gleichschritt mit dem realen BIP.

Friedensvorschlag: Eine aus meiner Sicht faire Beurteilung gibt Mark Skousen in einem informativen Blog-Beitrag. Er weist auch darauf hin, dass die Vertreter der Österreichischen Schule Ludwig von Mises und Friedrich A. Hayek vor einer kommenden Krise warnten, während deren Gegner John M. Keynes und Irving Fisher völlig überrascht und mit herben finanziellen Verlusten bestraft wurden. (Keine Rehabilitation erfährt jedoch Murray Rothbard).

NZZ reitet auf totem Pferd

Urs Birchler

In der NZZ von gestern präsentiert der Direktor des Liberalen Instituts, Oliver Kessler, unter dem Titel „Falsche Lehren aus der Grossen Depression“ eine alte, längst widerlegte Kritik an der amerikanischen Zentralbank FED.

Die Federal Reserve soll die Krise von 1929 mit einer übermässig expansiven Geldpolitik (mit)verursacht haben. Kessler bezieht sich auf den 1995 verstorbenen radikalen Vertreter der (staatskritischen) Österreichischen Schule (Mises, Hayek u.a.) Murray Rothbard, Autor des Buches America’s Great Depression (1963).

Das Argument von Rothbard/Kessler, die FED habe in den Jahren 1921-29 die Geldmenge ausgeweitet, ist aber falsch:

  • Die als „Beweis“ angeführten Käufe der FED von Staatsobligationen sind nur ein Teil des Ganzen: Die gleichzeitig auslaufenden Guthaben der FED werden dabei ausgeblendet.
  • Die FED war in diesen Jahren keineswegs autonom, sondern operierte unter dem Goldstandard. Unter diesem floss aber aufgrund der Entwicklung in Europa in grösserem Ausmass Gold in die USA. Die eigenständigen Massnahmen der FED zielten darauf ab, diese expansiven Einfluss wenigstens teilweise zu kompensieren.

Die „übermässig expansive“ Politik der FED ist daher eine Legende, bzw. eine Folge des Goldstandards, der gerade bei der Östereichischen Schule einen guten Ruf geniesst. Auch die Interpretation des Börsenbooms bis 1929 als „verdrängte Inflation“ wurde schon von Friedmann und Schwarz „A Monetary History of the United States 1867-1960“ — nach wie vor dem Standardwerk zur amerikanischen Geldgeschichte (siehe zum Beispiel die detaillierte Diskussion durch Michael Bordo) — ausdrücklich verworfen:

„The widespread belief that what goes up must come down … plus the dramatic stock market boom, have led many to suppose that the United States experienced severe inflation before 1929 and the Reserve System served as an engine of it. Nothing could be further from the truth.“ Noch weiter von der Wahrheit entfernt dürfte dennoch Rothbards Behauptung sein, die FED sei nach dem Börsencrash von 1929 zu expansiv gewesen.

Die NZZ und der Leiter des Liberalen Instituts reiten hier auf einem zumindest lahmen Pferd. Das ist schade: Wer selber liberal fühlt (wie der Autor dieses Beitrags) wünscht sich den Wettstreit der (gerne auch neuen) Ideen und nicht das Aufwärmen längst abgetischter Irrtümer.

P.S.: Dieser Beitrag ist in keiner Weise gemeint als Verharmlosung der Geldmengenexpansion der meisten Notenbanken seit Beginn der Finanzkrise von 2007.

Das Theater mit dem Virus

Urs Birchler

Am Zürcher Theaterspektakel inszeniert der in Genf lebende holländische Regisseur Yan Duyvendak das Stück Virus. Bemerkenswert ist, dass er dieses vor der Corona-Zeit konzipiert hat. Bemerkenswert ist auch, dass im Stück die Zuschauer selbst mitspielen. Duyvendak hat die Zuschauer schon 2013 als Richter/innen darüber entscheiden lassen, ob Hamlet am Tod von Ophelia schuldig ist. Ein bisschen waren wir vermutlich davon inspiriert, als wir mit Cash on Trial (Zürich 2015, Frankfurt 2019) die Teilnehmer über das Bargeld zu Gericht sitzen liessen. Hier aber geht es um die Kontrolle eines plötzlich aufgetauchten Virus.

Duyvendak lässt (Zitat NZZ) „sein Publikum «Virus» spielen und dabei versuchen, in der Rolle eines real existierenden Players – eines Vertreters der Wirtschaft, der Forschung, der Sicherheit, der Gesundheit, der Presse zum Beispiel – eine globale Pandemie in den Griff zu bekommen.“

Nicht überraschend für die bei James Buchanan geschulten Ökonomen läuft dabei, wie die NZZ berichtet, nicht alles rund: „Mit einem Schlag erhalten Partikularinteressen mehr Gewicht als verbindende Strategien. Die «Sicherheit» will Polizei an die Grenze stellen und sucht dafür bei der «Wirtschaft» nach Geld. Die Gruppe «Presse» wiederum verlautbart ihre Krisencommuniqués, die im Tumult ungehört bleiben, jeder ist mit sich selbst beschäftigt und mit wildem Aktivismus.“

Die Leserschaft der NZZ mag grossenteils, ohne zu husten auch den folgenden Satz geschluckt haben: „Die «Forschung» aber sieht ihre Stunde gekommen und stellt bei ihren Mitspielern reihum irrwitzig hohe finanzielle Forderungen.“ Ich nicht. Ich habe mich nicht nur verschluckt, sondern auch fast noch die Kaffeetasse fallen lassen. Nicht nur, weil die Pharma-Industrie mit vielen Beispielen bewiesen hat, dass sie in einer allgemeinen Notlage Gemeinnutz über Gewinnstreben stellen kann. Vielmehr ist der Kaffee auf meinem Hemd dem Gedanken an die Covid-19 Task Force geschuldet: Als Ehemann eines Task Force Mitglieds kann ich bezeugen, dass die Mitglieder der Task Force (und ihrer Untergruppen) über Wochen fast tägliche Videokonferemzen abhielten, dazwischen Forschungsergebnisse aufbereiteten und die Diskussionsergebnisse zu (elektronischem) Papier brachten, und dies — la réalité dépasse le théatre — gratis und franko, in Fronarbeit als Dienstleistung an die Schweiz. Da alle Mitglieder daneben einen „Job“ haben, wie z.B. die Leitung eines Spitals, des Schweizerischen Nationalfonds, oder eines Forschungsinstituts, fanden die Konferenzen in der Regel abends und an den Wochenenden statt. Nicht immer zur Begeisterung der Familien.

Wenn laut NZZ das Theaterstück (das ich in keiner Weise kritisieren möchte!) „eine fiese Lektion in Menschenkunde“ darstellt, bietet die Realität (auch der Einsatz des Gesundheitspersonals und vieler anderer an der viralen „Front“ bis hin zu freiwilligen Maskenträgern) auch die eine oder andere eine Lektion in Gemeinsinn.

Covid-19-Hilfe an die Unternehmen: Kredit oder „Geschenk“?

Michel Habib

[Kurzfassung: Angesichts der Covid-19-Pandemie bietet der Bundesrat Unternehmen Zugang zu garantierten Krediten. Diese verschaffen den Unternehmen Liquidität zur Deckung der trotz Krise weiterlaufenden Kosten. Angesichts der oft engen Margen kleinerer Unternehmen kann aber eine zusätzliche Verschuldung längerfristig in den Bankrott führen. Eine prüfenswerte Alternative wäre daher eine Staatshilfe in Form von Beiträgen, die nicht direkt zurückbezahlt werden müssen, sondern via die im Steuersystem angelegte Risikoteilung zwischen Staat und Unternehmen an den Staat zurückfliessen. Ein solches „Geschenk“ an eine Unternehmung in einem Verlustjahr führt zu höheren künftigen Gewinnen. Im idealtypischen Beispiel fahren Staat und Unternehmung gleich gut wie bei einer Kreditgewährung, jedoch ohne Konkursrisiko für die Unternehmung (Urs Birchler)]

A few days ago, in order to help businesses deal with the collapse in demand most businesses have experienced in the wake of the Covid-19 pandemic, the Federal Council announced that it would be guaranteeing bank loans made to Swiss businesses. Guaranteed loans can be no larger than 10% of annual turnover; loans of up to CHF 500,000 are guaranteed in their entirety, loans between CHF 500,000 and 20 million, the maximum loan amount possible, are guaranteed at a rate of 85%, the lending bank being responsible for the remaining 15%. The interest rate on the smaller loans, those up to CHF 500,000, is 0%; that on the larger loans is 0.5%.
There is not the least doubt that these loans have been a very welcome lifeline to Swiss businesses: demand for the guaranteed loans has been extremely high, reflecting the urgent need for liquidity of businesses that have been required to close in order to help stem the spread of the virus yet still need to meet their fixed charges—interest, rent, essential maintenance—even where employee wages can be covered by unemployment insurance and variable costs have declined to near zero in line with the collapse in demand.
Yet, there is a danger to relying on debt financing to meet the challenges posed by the current situation. The character of the small farmer who lost his family farm because of his inability to repay loans contracted in difficult circumstances is a familiar one in world fiction, because the reality of such farmers has alas been all too common across the world. While this is still the case in many countries today, it is by and large no longer so in Switzerland, thanks to farm support policies. The plight of yesterday’s small farmer may instead become that of today’s small business owner: many small businesses operate on very thin margins; even a closure of a few months may make these businesses unable to pay back their loans, thereby driving them into bankruptcy.
There is an alternative to loans, one which nonetheless differs from the grants eschewed by the Federal Council. This alternative exploits the risk-sharing nature of the tax system, which makes the government a partner of the firm in sharing profit, that is, in reaping revenue and in bearing cost. The government’s share equals the corporate tax rate.
Adopting the risk-sharing perspective has many advantages. It makes it clear that the government will be bearing part of the cost of the crisis, through reduced tax revenues. This observation suggests that government help to firms may in fact be not so much a grant as an advance: the government may pay its share of costs immediately, thereby providing much needed help to the firm, rather than paying its share when the firm returns to profit, through the reduced tax that results from the firm’s ability to carry its loss forward (the example below will make that reasoning concrete). If that share of costs borne by the government, which we recall equals the tax rate, is deemed too small to help firms survive, then the advance can be increased, to be offset by decreased cost deductibility in future years.
The simple example below may help. It proceeds in three steps. The first step illustrates the manner in which the tax system has the government bear part of the cost of the crisis, even if there should be no grant or guarantee whatsoever. An important limitation of the current system is that the government will bear its share of costs after rather than during the crisis. The second step shows how a tax system that treats profit and loss symmetrically can serve to make the government bear its share of costs during the crisis, thereby providing much needed relief to firms faced with the Herculean task of financing fixed costs out of little to no revenues. The third step shows how a desire to increase the share of costs borne by the government whilst still eschewing grants can be accommodated by limiting expense deductibility after the crisis.
Consider a firm that, in normal times, has revenues 300 and fixed costs 200. The firm is assumed to have no other costs: this assumption is in line with our focus on fixed costs; it also simplifies our analysis. The corporate tax rate is 20%. In a normal year, then, the firm has taxable income 300-200=100 and pays tax 100×20%=20.
The assumption that the firm in the example is a corporation does not detract from the generality of the reasoning below, which applies to corporations, partnerships, and sole proprietorships alike: owners’ personal tax rates replace corporate tax rates in the case of flow through entities such as partnerships and sole proprietorships.
Step 1: The present tax system
Suppose a given year, denoted year 1, sees a collapse in revenues to zero. The firm still has fixed costs 200, so it makes a loss of that same amount. It pays no taxes, but is able to carry its 200 loss forward.
Assume the situation reverts to normal in year 2. Despite the fact that the firm’s revenues in year 2, back at 300, are higher than the firm’s costs in that year, still 200, the firm does not owe any income tax because it can utilize 100 of its net operating loss (NOL) carryforward to offset its pre-NOL taxable income. The tax savings from NOL utilization are 20. They constitute part of the government’s share of the fixed costs incurred in year 1, the year revenues collapsed.
Year 3 is also a normal year. In that year as in year 2, the firm can take advantage of the loss carry forward to decrease its taxable income to zero, thereby paying no tax. The tax savings from NOL utilization are again 20. The sum of the 20 in year 2 and 20 in year 3 is 40, which is exactly the government’s share of the costs incurred in year 1: 200×20%=40.
There is no loss carry forward balance to be utilized in year 4; the firm pays tax again.
Step 2: A symmetric tax system
Note the asymmetry in the tax system’s treatment of profit and loss in step 1: the firm must pay tax when it is profitable, but it can only carry its loss forward to future years when it is loss making. In contrast, a symmetric tax system would have the government pay the firm in a loss-making year, the counterpart to the firm paying the government in a profitable year. In the context of our example above, the government would pay 20% of the loss to the firm in year 1 already, that is, 200×20%=40. The firm naturally would have no loss carryforward to years 2 and 3, as it otherwise would be double counting its year 1 loss. The firm will then be paying 20 in tax again already in year 2.
Further note that the decrease in government tax revenue is identical under symmetric and asymmetric tax: it is 40 in both cases. The difference is merely timing: the firm receives the 40 already in year 1 under the symmetric tax system, exactly at the time when it most urgently needs the money. That money is not a grant, it is an advance: the government will in any case have to forego 40 in taxes, but it does so at the time of greatest firm need for cash under the symmetric system. The money is not debt, either, at least not debt in its usual form: there is no repayment as such, and the resumption of tax payments naturally must wait for the return to profitability. In our example above, suppose for example revenues were to recover only to 200 in year 2, and that full recovery to 300 were to be delayed to year 3. Then the firm would just break even in year 2, it would pay no taxes, and it would carry its 200 loss from year 1 forward to years 3 and 4, which would now play the role of years 2 and 3 in our original example. This illustrates the risk-sharing nature of the tax system.
Step 3: From twenty to eighty percent
The reimbursement of 20% of fixed costs might be deemed insufficient to allow firms to weather the storm from the crisis. Suppose for example that it were desired to help firms cover 80% of fixed costs, the same percentage as the income replacement rate of unemployment insurance. Again, the use of the tax system can help achieve the desired result. Thinking in terms of risk sharing and of symmetry can help us devise an appropriate mechanism.
Return to the example above. An advance of 80% of fixed costs has the government pay 4 times its share of costs, 20%x4=80%, amounting to 200×80%=160. Having overpaid its share of costs in year 1, the government should be dispensed from paying its share of costs in the early years of recovery, specifically three years since the government would have paid three times more than its share of costs in the year of crisis, 160-40=120=3×40. This means that, if recovery to normal conditions were to occur in year 2, then the firm would have taxable income 300 in years 2 to 4, as the firm would now be bearing the entirety of the costs as opposed to sharing them with the government through the tax system. Tax would be 300×20%=60 per year, 40 more than the 20 that the firm would have paid had there been no additional advance from 20% to 80%. The additional tax revenues of 40 per year over the three years 2, 3 and 4 add up to the 120 additional advance made by the government in year 1.
Reality is of course far messier than our simple example: revenues and costs are not constant, even in normal times; some firms may try to manipulate the system, for example by substituting variable for fixed costs; last but not least, firms may go bankrupt. Yet, it is possible to address these issues whilst preserving the basic nature of the mechanism we have presented: the government makes an advance which constitutes a contribution to fixed costs; the government recovers that advance through the tax system by limiting firms’ ability to deduct costs in the computation of taxable income; bankruptcy by a firm jeopardizes recovery by the government, but the risk-sharing nature of the mechanism makes bankruptcy less likely than in the case of government-guaranteed loans. The mechanism bears much similarity to the student loans in countries such as Australia and the United Kingdom referred to by Bonardi, Brülhart, Danthine, Jondeau and Rohner (Batz.ch) in their analysis of desirable responses to the crisis, not least with regards to risk sharing, but the perspective we have adopted helps guide us in devising appropriate ways of recovering the advances made, though limited cost deductibility.

Michel Habib, University of Zurich, SFI and CEPR
The author would like to thank Urs Birchler and Alexandre Ziegler for helpful discussions, suggestions and comments. He is solely responsible for all errors.

Wieso und wie der Staat die wirtschaftlichen Kosten des Lockdown übernehmen sollte: Lohnfortzahlungen und Corona-Darlehen

Jean-Philippe Bonardi, Marius Brülhart, Jean-Pierre Danthine, Eric Jondeau, Dominic Rohner

Unser Wirtschaftsmotor wird zur Zeit angesichts der Bedrohung durch das Corona-Virus künstlich gedrosselt. Um Menschenleben zu retten, verzichten wir alle vorübergehend auf Konsum und Freizeitsaktivitäten, und viele von uns sind für einen noch ungewissen Zeitraum zum wirtschaftlichen Nichtstun verdammt.

Dieser ökonomische Komazustand verursacht enorme privatwirtschaftliche Kosten. Die Umsätze brechen in vielen Branchen ein, und den betroffenen Firmen geht damit das Geld aus, um Löhne und andere Fixkosten zu zahlen.

Es herrscht grosse Einigkeit darüber, dass diese drohenden Zahlungausfälle verhindert werden sollten. Täglich erscheinen Medienberichte über Rufe nach immer grösseren Hilfsfonds. Was dabei allzu oft vergessen geht, ist die Frage, wieso und in welchem Mass es am Staat liegt, hier einzupringen, und wie genau man das Geld am intelligentesten verteilt, so dass Anreizwirkungen und Externalitäten Rechnung getragen wird. Wie schnell sich die Wirtschaft nach der Krise erholen und wie rasch sie danach wachsen kann, hängt in erster Linie von der Kreativität, den Handlungsmöglichkeiten und den Anreizen von Unternehmern ab – im Kleinen wie im Grossen. Darauf gehen wir in diesem Beitrag ein.

Ein wichtiges Grundprinzip ist hier, dass niemand Schuld trägt für den Ausbruch der Epidemie, und dass die wirtschaflichen Opfer somit möglichst breit zu verteilen sind. Die Logik ist mit einer Gebäudeversicherung vergleichbar: Sie wird von obligatorischen Prämien aller Immobilienbesitzer gespiesen und versichert gegen Schäden, von welchen einige ohne eigenes Zutun mehr betroffen sind als andere. Die sonst so wichtige Eigenverantwortung ist hier also ausnahmsweise weniger relevant, da die Krise unverschuldet über uns hereingebrochen ist. Und man kann von den meisten Firmen nicht erwarten, dass sie sich abgesichert haben gegen ein solches Jahrhundertereignis (dies ist erst das dritte Mal, dass Olympische Spiele nicht durchgeführt werden können, und das erste Mal nicht wegen einem Weltkrieg!).

Staatliche Kompensation der Corona-Kosten: effizient und gerecht

Alle schauen nun zum Staat: Er soll einspringen, um die Corona-Lücken in den Buchhaltungen und Lohnzahlungen der zwangsgeschlossenen Firmen und derer Mitarbeiter zu stopfen. Der Staat hat richtig gehandelt, indem er diesen Rufen Folge geleistet hat, und zwar sowohl aus Effizienz- wie auch aus Gerechtigkeitsüberlegungen.

Effizient ist eine Übernahme der Corona-Kosten durch den Staat aus einer ganzen Reihe von Gründen. Staatshilfen sind in der gegenwärtigen Ausnahmesituation weitgehend frei vom üblichen Makel der negativen Leistungsanreize: die Epidemie grassiert unabhängig von der Schweizer Wirtschaftspolitik. Zudem würde eine Welle von Konkursen die wirtschaftliche Erholung nach Ende der Corona-Krise verlangsamen. Es besteht hier also eine negative Externalität (Belastung der Konjunktur) von unternehmerischen Entscheidungen (einzelne Konkurse) – ein Lehrbuchbeispiel für effiziente staatliche Intervention. Zudem ist es wichtig, für nach der Krise noch eine solide Nachfrage zu sichern, indem man die Konsumenten und Produzenten nicht unnötig mit Schulden belastet. Schliesslich geniesst der Staat auf den internationalen Finanzmärkten bessere Kreditkonditionen als private Schuldner. Eine beim Staat gebündelte Schuldenlast kommt somit der Schweiz insgesamt billiger zu stehen.

Auch aus der Gerechtigkeitsperspektive spricht alles für ein starkes Engagement des Staats. Wenn wir die wirtschaftliche Überbrückung des Lockdown einzelnen Firmen und Personen überlassen, sind vor allem diejenigen betroffen, die in exponierten Branchen tätig sind und über wenig finanzielle Polster verfügen. Die Hauptbetroffenen des Corona-Stillstands – Gastgewerbe, persönliche Dienstleistungen, Non-Food-Detailhandel, Privatmedien etc. – sind aber nicht mehr oder weniger schuld an der Krise, als die vom Lockdown weniger tangierten Branchen, wie beispielsweise der öffentlichen Dienst oder die Landwirtschaft. Wieso sollte man die Kosten den unverschuldet exponierten Firmen aufbürden? Eine Kompensation der Opfer durch den Staat hat zudem den Vorteil, dass die finanzielle Last so von der gesamten Gesellschaft getragen wird, und zwar mit einem über den demokratischen Entscheidungsprozess fein austarierten Belastungsschlüssel namens Steuersystem. Wenn wir es ernst meinen mit einer breiten Verteilung der Lasten, dann kommt in erster Linie der Staat als sinnvoller Geldgeber in Frage.

Wieso der Staat dennoch nicht 100% der Kosten übernehmen sollte

Während der Staat also den Grossteil der Corona-Kosten übernehmen sollte, plädieren wir nicht für eine hundertprozentige Deckung. Hauptgrund dafür ist, dass auch in der gegenwärtigen Ausnahmesituation noch gewisse „moral hazard“-Anreizprobleme existieren. So würde ein voller Lohnersatz vielen Arbeitnehmern den finanziellen Ansporn nehmen, sich nach Tätigkeiten umzusehen, die während des Lockdown expandieren, beispielsweise im Gesundheitswesen oder in der Logistik. Unternehmen, die während der Corona-Krise neue Tätigkeitsfelder eröffnen könnten – man denke an Restaurants, die neu Heimlieferungen anbieten – hätten dazu auch kaum mehr Anreiz. Und mit Blick auf die Zeit der allmählichen Lockerung des Lockdown gilt es auch, der arbeitsfähigen Bevölkerung den Anreiz zu lassen, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Durch den Corona-Lockdown bedingte Lohnausfälle gehen für die betroffenen Arbeitnehmer zudem mit mehr (wenn auch eingeschränkter) Freizeit und Kostenersparnissen (zum Beispiel für externe Kinderbetreuung) einher, was eine gewisse Lohneinbusse rechfertigen kann. Die vom Bund aufgegleiste weitgehende Übernahme der betroffenen Lohnkosten via Kurzarbeit und Erwerbsersatz scheinen uns somit vorbildlich: Die ausfallenden Löhne, Honorare, Gagen, etc. werden bis zu 80% vom Staat kompensiert.

Die Finanzhilfen für Kapitalkosten sind noch ungenügend

Ganz anders steht es um die Kapitalkosten (Mieten, Unterhaltskosten, Lagerkosten, Abschreibungen, Zinsen, etc.). Diese machen geschätzte 40% der Wertschöpfung der Schweizer KMU aus. Dafür sind bis jetzt bloss binnen maximal 7 Jahren voll rückzahlbare Darlehen vorgesehen. Die implizite staatliche Kompensation liegt hier somit sehr nahe bei Null. Dies ist weder effizient noch gerecht.

Die Ineffizienz einer reinen Darlehens-Politik liegt daran, dass ein rückzahlbarer Kredit im Umfang des Umsatzes von mehreren Wochen oder gar Monaten für viele Firmen eine grosse Belastung darstellen dürfte. Firmen mit knappen Margen und Polstern sähen sich angesichts einer solchen binnen sieben Jahren zurückzuzahlenden Schuldenlast gezwungen, Konkurs anzumelden. Dieses Phänomen würde mit zunehmender Dauer des Lockdown einen immer grösseren Teil der Firmen betreffen. Angesichts der grossen externen Kosten einer Konkurswelle ist eine Null-Kompensation der Kapitalkosten daher gesamtwirtschaftlich ineffizient.

Auch aus der Gerechtigkeitsperspektive ist die angedachte Politik fragwürdig: Wieso sollen die Eigner betroffener Betriebe die Einkommenseinbussen selber stemmen? Sie sind nicht mehr oder weniger schuldig an der Krise als Eigner zufälligerweise nicht betroffener Betriebe (beispielsweise Nahrungsmittelläden oder gewisse IT-Firmen). Die oben skizzierte Versicherungslogik gilt also auch für den Faktor Kapital.

Wie könnte eine praktikable Lösung aussehen? Auch hier sprechen Effizienzüberlegungen nicht für eine 100%-ige Kostenübernahme durch den Staat. Firmen, die während dem Lockdown noch ein gewisses Umsatzpotenzial besitzen, sollen keinen Anreiz haben, ganz am Tropf des Staates zu hängen. Zudem sollen keine eh marode Firmen künstlich am Leben gehalten werden.

Eine effiziente und gerechte A-fonds-perdu-Übernahme der Kapitalkosten betroffener Firmen dürfte somit im ähnlichen Prozentbereich liegen wie bei den Lohnersatzmassnahmen, das heisst bis zu 80%. Dieser Ersatzanteil könnte mit zunehmender Dauer des Lockdown und je nach Betroffenheit der Firma höher oder tiefer angelegt werden. Diese Zahlungen könnten durchaus auch in der Form von Darlehen durch die Geschäftsbanken an Firmen vergeben werden. Der Unterschied zu den gegenwärtig beschlossenen Massnahmen würde darin liegen, dass solche „Corona-Darlehen“ von Anfang an nicht nur mit einer staatlichen Bürgschaft sondern auch mit einem Versprechen verbunden wären, dass künftig bloss ein Teil davon zurückzuzahlen ist und vom Staat übernommen wird. Der präzise Abschlag wäre nach ausgestandener Krise festzulegen, je nach Dauer des Lockdown, Schwere der Beeinträchtigung der einzelnen Unternehmen, und derer Kostenstruktur. Für eine solche Prüfung bestände nach der Krise (im Gegensatz zu jetzt, sofort) ausreichend Zeit.

Vorbild Studiendarlehen?

Eine Zwischenform zwischen den aktuell vorgesehenen Darlehen und A-fonds-perdu-Zuschüssen wären Kredite, die nur bei künftig gutem Geschäftsgang rückzahlbar wären – vergleichbar mit Studiendarlehen in angelsächsischen Ländern, die im späterern Leben nur dann abzuzahlen sind, wenn die Absolventen genügend hohe Einkommen erzielen.
Solche bedingt rückzahlbare Kredite würden die Konkursgefahr wohl wesentlich schmälern im Vergleich zu einfachen Darlehen. Es könnte allerdings immer noch ungerecht erscheinen, dass Firmen in Lockdown-betroffenen Branchen dadurch mittelfrisig Gewinneinbussen zu gewahren hätten, von welchen nicht betroffene Firmen völlig verschont würden. Auch wäre es wichtig, dass die Rückzahlungen nicht den ganzen Gewinn wegfressen würden, da sonst Innovationsanreize beeinträchtigt würden.

Gewinnbedingt rückzahlbare Darlehen scheinen besonders sinnvoll für Firmen in Sektoren mit relativ tiefer Wettbewerbsintensität und somit hohen Gewinnmargen. Staatliche Hilfen an Firmen, die in Folgejahren grosse Gewinne und Boni ausschütten, wären trotz aller theoretischen Argumente für Gleichbehandlung politisch schwer vertretbar.

Ähnlich verhält es sich für Firmen, welche in Branchen operieren, wo globale Risiken zum täglichen Brot gehören, und so auch in den Gewinnmargen einkalkuliert werden sollten. Dies ist zum Beispiel in der Luftfahrt und Reisebranche der Fall, wo regelmässig Ereignisse wie 9/11, die Subprime-Krise, isländische Vulkane, SARS, etc. zu temporären Einbussen führen, und so quasi zum Geschäftsalltag gehören. Da die Corona-Pandemie in ihrer Wucht und Ausdehnung jedoch kaum vorhersehbar war, scheint auch für diese Sektoren eine gewisse staatliche Unterstützung gerechtfertigt.

Wie könnte eine praktikable Regel für „Corona-Darlehen“ aussehen? A-fonds-perdu-Kredite könnten beispielsweise denjenigen Sektoren vorbehalten bleiben, die Einnahmeausfälle während des Lockdown nicht oder nur sehr beschränkt durch aufgeschobene Nachfrage wettmachen können – man denke an die Gastronomie, persönliche Dienstleistungen oder Floristen. Andere Sektoren, wie zum Beispiel Möbelhäuser oder Baufirmen, haben grösseres Nachholpotenzial nach der Krise, womit gewinnbedingt oder gar voll rückzalbahre Darlehen dort sinnvoller sein könnten. Wichtig wäre, diese branchenspezifischen Kriterien möglichst rasch zu erarbeiten und zu publizieren, um die finanzielle Ungewissheit der kreditnehmenden Firmen auf ein Minimum zu beschränken. Für die Verzinsung könnte problemlos das bestehende Modell übernommen werden, mit Zinsätzen von 0% für kleine und 0.5% für grosse Kredite.

Whatever it takes

Aus Effizienz- wie auch Gerechtigkeitsüberlegungen empfehlen wir also eine grosszügige staatliche Kompensation der Umsatzrückgänge infolge des Lockdown. Wie gross sollte der Gesamtumfang dieser Zahlungen sein? In den berühmten Worten von Mario Draghi: Whatever it takes (was auch immer es braucht). Die Schweiz hat eine international beneidenswert tiefe Staatsverschuldung, welche gegenwärtig gar negativ verzinst ist. Auch eine Ausdehnung der Bundesverschuldung um einen dreistelligen Milliardenbetrag würde unsere Staatfinanzen nicht aus dem Lot bringen.

Es ist effizienter und gerechter, die Corona-Schulden im Bundeshaushalt mit demokratischer Kontrolle zu verwalten, als sie vom Virus zufallsverteilt der Privatwirtschaft aufzubürden.

Welches Medikament gegen die Corona-Rezession?

Urs Birchler

Die Kommentatoren sind sich einig: Der Corona (oder Sars-Covid-19) Virus schwächt die Weltwirtschaft. Die Menschen bleiben zuhause, statt zu Reisen; öffentliche Anlässe werden gemieden, wenn nicht zum vornherein verboten; Anschaffungen werden vertagt. Auch die OECD warnt in ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht Bericht vor allem vor dem Rückgang der Nachfrage.

Der bekannte Ökonom Kenneth Rogoff erinnert deshalb in einem im Artikel im Guardian, dass das Problem mindestens so sehr auf der Angebotsseite liegt. Dutzende Millionen von Arbeitern bleiben dem Arbeitsplatz fern, globale Lieferketten zerfallen, Grenzen werden geschlossen, der Welthandel harzt.

All dies addiert sich zu einem „supply shock“, so Rogoff, wie ihn die Welt seit dem Ölschock der frühen siebziger Jahre nicht mehr gesehen hat. In einer solchen Situation sind zusätzliche Staatsausgaben gut und recht, aber das Angebotsproblem lösen sie nicht. Wichtig wäre es, Handelsbeschränkungen abzubauen und Handelskriege sofort zu beenden. Und — so würde ich anfügen –, den gehäuften Zusammenbruch längerfristig lebensfähiger Unternehmen zu vermeiden.

Nach einem negativen Angebotsschock, erinnert Rogoff, kann die Inflation trotz gleichzeitigem Rückgang der Nachfrage steigen anstatt fallen. Wie war es doch damals? Wir hatten im Studium eben gerade gelernt, dass schwere Rezessionen nicht mehr vorkommen könnten, da Geld- und Fiskalpolitik über genügende Munition verfügten, um die Nachfrage notfalls zu stützen. Da kam der Ölschock, und wir mussten ein neues Wort lernen: „Stagflation“ — das bis dahin als unmöglich erachtete Zusammengehen von Stagnation und Inflation. Oder: Die Strafe für den Versuch, eine Angebotslücke mit Nachfragestimulierung zu schliessen.

Ein ARTE-fakt zum Recht auf Wohnen

Urs Birchler

Gestern Abend verging mir bei ARTE-tv als Ökonom Hören und Sehen. Die „Dokumentation“ zum Recht auf Wohnen türmte in 90 Minuten ein Gebäude aus irreführenden und falschen Aussagen auf, das fast bis zu den Wolken reicht.

Dabei beginnt der Film witzig: „Wie merkst Du, dass Du Deine Wohnung verlierst?“ Antwort: „Wenn in der Nachbarschaft ein 2nd-Hand-Kleiderladen aufgeht.“ Weil: dann kommen die Künstler und anderen coolen Leute, das Quartier wird hip, und die Mieten steigen. Nicht für alle ist das witzig, weil sich einige die höheren Mieten nicht mehr leisten können.

Ökonomisch gesprochen, steigt die Nachfrage rascher als das Angebot, auch in der Schweiz: Die Leute verdienen mehr, geben mehr für’s Wohnen aus und beanspruchen mehr Wohnfläche oder zentralere und hippere Lagen — oder beides.

Der ARTE-Film will uns eine ganz andere Geschichte unterjassen: Das Problem sind „die Spekulanten“, „die Finanzmärkte“, „die Geier“, „Ausbeutung“, „die Eliten“. Schon die Terminologie macht deutlich, dass die Zuhörerschaft nicht zum Denken, sondern zum Fühlen angeregt werden soll.

Dort, aber, wo tatsächlich inhaltlich argumentiert wird, kommt’s strub:

Schon die Hauptthese ist verkehrt: Spekulanten kaufen Häuser, drücken die Preise nach oben, wodurch sich die Mieten verteuern. Diese Geschichte kann man auch beim Mieterverband lesen. Sie stimmt trotzdem nicht. Der Apfelbaum ist wertvoll, weil daran Äpfel wachsen. Und ein Haus ist wertvoll, weil man es vermieten oder darin wohnen kann. Nicht umgekehrt. Den Mieter kümmert es nicht, wieviel die Vermieterin für das Haus gezahlt hat. Noch nie habe ich in einem Wohnungsinserat einen Hinweis gelesen, das Haus sei teuer oder billig gewesen, als Argument für eine hohe Miete („Aufwendig renoviert“ zählt wegen des damit verbundenen Komforts, nicht wegen der Kosten.). Hingegen steht bei Immobilienangeboten oft: „Voll vermietet“ als Argument für einen hohen Kaufpreis. Kurz: „Spekulation treibt Mieten“ ist eine Schwanz-wedelt-mit-Hund-Geschichte.

Der vorliegende Fernsehbeitrag setzt aber noch einen drauf und behauptet, die Spekulanten liessen Häuser aus blanker Gier leerstehen. Wie das zusammengeht, erfahren wir nicht. Vielleicht macht die Regulierung einen vorübergehenden Leerstand lohnend, aber von Regulierung des Wohnungsmarktes ist im Beitrag nicht die Rede. Schade — gerade hier hätte man eine Geschichte von Eigennutz versus Gemeinsinn erzählen können: Generell mögen Bauherren Bauvorschriften nicht besonders; wie der The Economist, berichtet, befürworten jedoch diejenigen, die bereits ein Haus haben, oft Einschränkungen der weiteren Bautätigkeit in ihrem Quartier.

Der Fernsehbericht belegt die Ruchlosigkeit der Immobilienspekulanten jedoch mit dem (durch Mängel in Bau und Unterhalt mitverursachten) Brand des Londoner Grenfell Tower von 2017. Mit keinem Wort wird dabei erwähnt, dass das Hochhaus dem Kensington and Chelsea London Borough Council gehört, d.h. gerade nicht einem gierigen Privatspekulanten, sondern der dem Allgemeinwohl verpflichteten öffentlichen Hand!

Dann eher schräg: Die (in ihrem Fach durchaus renommierte) Soziologie-Professorin Saskia Sassen unterscheidet zunächst zwischen den „bösen“ Finanzmärkten und den (man höre und staune) „guten“ Banken. Sie beklagt, dass Finanzmärkte aus Gewinnsucht Dinge verkauften, die sie gar nicht haben. Die (seit der Finanzkrise permanent gescholtenen) Banken hingegen kümmerten sich echt um das Wohl ihrer Kunden, weil sie dereinst auch deren Kinder und Enkel bedienen möchten. Ferner hat die Soziologin den in ihren Augen haarsträubenden Umstand entdeckt, dass der Wert der Immobilien weltweit grösser sei als das globale BIP, d.h. das gesamtwirtschaftliche Jahreseinkommen. Es scheint der Soziologin bisher entgangen zu sein, dass die meisten Häuser (wohl auch ihr eigenes) selbstverständlich teurer sind als ein Jahreseinkommen ihrer Bewohner.

Überhaupt ist der Beitrag in erster Linie eine Selbstdarstellung der UNO-Sonderbeauftragten Leilani Farha, die zuhanden des UNO-Menschenrechtsrates die Einhaltung des Rechts auf Wohnung in verschiedenen Ländern und Städten beobachtet (im Film: Uppsala, London, Berlin, Valparaiso, New York). Kürzlich intervenierte Frau Farha, wie SRF berichtete, auch beim Bund. Sie will festgestellt haben, dass ein von der CS-Pensionskasse geplanter Neubau einer Wohnsiedlung in Zürich Wiedikon gegen die Menschenrechte verstösst, weil die Mieter in den abbruchbedrohten Liegenschaften zunächst ausziehen müssten. Der Bundesrat muss nun dazu Stellung nehmen.

Ich musste selber nachschauen: Was beinhaltet das Menschenrecht auf Wohnen? Grob gesagt: Es soll jede(r) ein Dach über dem Kopf haben, und zwar ein zumutbares (also beispielsweise mit Wasseranschluss). Ausdrücklich kein Menschenrecht ist jedoch der Verbleib in einer Wohnung im Falle von Renovation oder Neubau. Das offizielle UNO-Dokument sagt dazu klipp und klar: „The right to adequate housing does NOT prohibit development projects which could displace people“ (The Right to Adequate Housing, S. 7). Die Dame könnte auf einer ihren vielen von der UNO (d.h. den Steuerzahlern) finanzierten Reisen vielleicht einmal die eigenen Dokumente lesen, anstatt den Bundesrat mit der Strafaufgabe eines Berichts zur Wohn-Menschenrechtslage in Zürich Wiedikon zu beglücken. Aber, wie sie im Bericht selbst sagt (siehe Bild), es geht nicht um Fakten, „es ist eine Schlacht der Worte“.

Traurig hinterlässt mich nach neunzig Minuten, dass es ausgerechnet den sonst so sympathischen Sender ARTE-tv erwischt hat.

Libra für Eilige

Urs Birchler

Zur kürzlich von Facebook angekündigten Privatwährung „Libra“ ist bei SUERF ein Leitfaden erschienen. Autor ist Beat Weber, Ökonom bei der Österreichischen Nationalbank. Von ihm stammt auch das Buch
Democratizing Money? Debating Legitimacy in Monetary Reform Proposals (Cambridge University Press, 2018).

Webers Analyse lautet in (meinen) Stichworten:

  • Libra ist keine Kryptowährung, sondern eine private Digitalwährung. Solche Währungen haben durchaus Chancen, wie das Beispiel von Q-Coin (emittiert von Tencent) zeigt.
  • Libra beruht — im Gegensatz zu Bitcoin — auch nicht auf einem dezentralisierten System; zwar sind mehrere Unternehmen beteiligt, aber die Ausgabe und die Vewaltung von Libra erfolgt zentral durch einen Libra-Council, der eine private Zentralbank darstellt. Libra ähnelt dem Euro, einfach mit Firmen anstatt Staaten.
  • Libra beruht — entgegen der Aussage von Facebook — nicht auf einer Blockchain; die Konti werden nicht dezentral und unabänderlich geführt.
  • Libra ist konzipiert als „stablecoin“; der Wert wird — gemäss Ankündigung von Facebook — konstant gehalten im Vergleich zu einem Korb bestehender Währungen. Libra ähnelt daher einer Bankeinlage (die auch immer im Verhältnis von 1:1 in SNB-Franken eintauschbar ist. (Der Libra-Council kann daher auch nie als Lender of Last Resort auftreten oder eine aktive Politik führen.) Libra ist damit auch kein Hedge gegen Inflation der Währungen, die im korb enthalten sind.
  • Das Versprechen, den Wert von Libra konstant zu halten kann in Konflikt stehen mit dem Interesse der dahinter stehenden Unternehmen.
  • Geld existiert aufgrund von (oder: besteht in) Vertrauen. Bei Libra fehlt aber einstweilen eine Legitimation, die Vertrauen schafft.
  • Die Marktmacht der hinter Libra stehenden Unternehmen kann der Währung eine starken Rückhalt geben, auch wenn diese nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt, für welches sie gemäss Facebook geschaffen ist.

Libra existiert bisher nur als Idee in einem White Paper. Wie sich die Behörden und Regulatoren verhalten werden, sollte Libra tatsächlich dereinst vom Stapellaufen, ist noch ungewiss.

Finanzelite macht Bargeld den Prozess

Urs Birchler

So lautet, leicht gekürzt, die Schlagzeile im Tagesanzeiger zu unserer kürzlichen Aufführung im English Theatre in Frankfurt.

Dass das Bargeld noch einmal freigesprochen wurde, ist das eine. Mir (und der Dramaturgin Barbara Ellenberger) ist etwas anderes wichtig: Man kann eine Konferenz von morgens 8:30 bis abends 17:00 so inszenieren, dass den ganzen Tag lang (mit 2-3 unwesentlichen kurzen Ausnahmen) kein(e) Teilnehmer(in) je aufs Handy schaut. Und so, dass alle Referent(inn)en exakt zum Punkt reden. Und keine(r) überzieht.

Fragen gerne an:
Barbara Ellenberger
Urs Birchler
SUERF