Twittern für Unterricht und Forschung

Urs Birchler

„Nein, das lerne ich jetzt nicht auch noch!“, sagte Fräulein G., als kurz vor ihrer Pensionierung die ersten Bürocomputer kamen. Bald wurde das „Fräulein“ als Anrede abgeschafft und der Computer eine Selbstverständlichkeit.

„Nein, das brauche ich sicher nicht!“ sagte ich, als ich das Wort Twitter zum ersten Mal hörte. In der Zwischenzeit kann ich auf Twitter schon den Stemmbogen. Einen simplen Führer über rote und schwarze Pisten hat die London School of Economics publiziert (PDF), und zwar besonders für den Einsatz von Twitter in Unterricht und Forschung. Den gibt’s zwar schon seit 2011; aber ich habe erst jetzt davon erfahren. Wie? Wie denn sonst: über Twitter halt, in einem Beitrag von SUERF:

Island gerettet?

Urs Birchler

Wir haben uns von Anfang an auf die Seite Islands geschlagen: Bitte nichts zahlen! rieten wir Island im Streit mit seinen Gläubigern schon vor drei Jahren. Als dann die EFTA auf Drängen der britischen und niederländischen Gläubiger der gescheiterten isländischen Banken gegen Island vor Gericht zog, lagen unsere Sympathien im Konflikt EFTA gegen Island ebenfalls bei den Isländern.

Umso erfreulicher, dass heute der EFTA-Gerichtshof zugunsten von Island entschieden hat, dass ein kleines Land im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht bedingungslos für die Schulden seiner Einlagensicherung haftet. Näheres dazu im Beitrag Icesaved? von FT Alphaville.

Das Urteil ist auch aus Schweizer Sicht interessant, bzw. wäre, sollten wir dereinst dem EWR beitreten oder (nicht als politische Empfehlung gemeint) bilateral die EU-Einlegerschutzkonvention übernehmen (umgesetzt haben wir sie im wesentlichen bereits) .

Geld: Wunder oder Bluff?

Urs Birchler

Sind Sie zufällig Notenbankgouverneur und wissen schon alles über’s Geld?
Oder sind sie blutiger Laie und haben schon fast resigniert?

Egal — ich wette, dass Sie staunen werden.

BamakoUm Sie ein bisschen auf die Folter zu spannen: Ich wollte ja eigentlich nur eine internationale Uno-Schutztruppe ins Leben rufen zum Schutz einer besonderen Sehenswürdigkeit. In Bamako, Mali, einem Ort, der gegenwärtig von Kriegswirren heimgesucht wird, steht nämlich ein eiffelturmartiges Denkmal (siehe Bild). An der Kinderuni liess ich die Zuhörer(innen) raten: Gilt das Denkmal (a) einem Baseball, (b) der Kaffeebohne, (c) einer Weltwährung? Batz-Leser(innen) tippen sofort richtig auf (c), genauer auf die Kauri-Schnecke (Cypraea Moneta) die erste und vor allem in Asien und Afrika weit und bis spät verbreitete Weltwährung. An ihre bewegte Geschichte erinnern die Banknoten der Malediven und eben das Denkmal in Bamako — und ein Video, auf das ich über einen (Anti-)Sklaverei-Blog gekommen bin.

Ich hoffe, ich habe nicht zuviel versprochen: Wer sich das Video anschaut, versteht plötzlich alles über das Geld oder nichts mehr, oder beides. Viel Spass!
WivesCowries

Jubiläum verpasst

Urs Birchler

So weit ist es gekommen: Alle sprechen über Währungskrieg und niemand erinnert sich des historischen Datums: Heute vor genau 40 Jahren gab die Nationalbank, wie in ihrer Chronik vermerkt, folgende Entscheidung bekannt: „Die Schweizerische Nationalbank stellt im Einvernehmen mit dem Bundesrat ihre Dollarkäufe zur Stützung des Wechselkurses bis auf weiteres ein.“ Diese Freigabe des Wechselkurses war, wie sich im nachhinein herausstellte, der ziemlich definitive Übergang zu einem „System“ flexibler Wechselkurse.

Hat eine Zeitung dieses Ereignisses gedacht?

Der afrikanische Euro

Urs Birchler

Schlagzeilen aus Afrika betrafen jüngst vor allem die französische Intervention in Mali. Etwas untergegangen sind dabei Berichte wie dieser über neuen Schub in der afrikanischen Währungsunion. Schon im Juni 1991 (d.h. acht Monate vor dem Vertrag von Maastricht) unterzeichneten 52 afrikanische Staaten den Vertrag von Abuja über die Einführung des Afro. Unter Führung der Afrikanischen Entwicklungsbank wollen die 19 Staaten der Comesa zusammen mit einigen weiteren Ländergruppen nun vorwärts machen. Die Afrikanische Entwicklungsbank hat in einem Bericht ihre Vorschläge, v.a. auch Kriterien der fiskalischen Konvergenz präsentiert. Vielleicht macht’s Afrika besser.

Eigenmittel sind wie Wasser: teuer in der Wüste

Urs Birchler

In einem Beitrag auf voxeu.org diskutiert David Miles, Mitglied des Monetary Policy Committee der Bank of England die Frage, ob Eigenmittel wirklich so teuer sind, wie die Banken immer wieder (bzw. immer noch) behaupten. Miles kommt zum Schluss, dass Eigenmittel im Grunde nur für jene Banken teuer sind, die viel zu wenig Eigenmittel davon (oder gar einen „debt overhang“) haben. Das sind genau die Banken, die aus Stabilitätsgründen unbedingt ihre Eigenmittel erhöhen sollten. Mit der Aussage: „Strengere Eigenmittelanforderungen sind für uns teuer“, sollten Bankiers daher vorsichtig sein.

Probezeit für Axel Weber?

Urs Birchler

Der Verwaltungsratspräsident der UBS referiert am 7. Februar an einer Veranstaltung der Paulus-Akademie zum Thema „Mit Werten führen. Erfolgsrezept oder Phrase?“. Es sei denn, es gehe nach dem Willen des Präsidenten der evangelisch-reformierten Kirche Glattfelden. Er möchte Bankier Weber zuerst in die Qualifikationsrunde schicken. Der Tages-Anzeiger von heute (S. 19) zitiert ihn: „Wenn er [Axel Weber] seinen Job einige Jahre lang gut macht, kann man wieder darüber reden.“

Ein recht selbstbewusstes Statement gegenüber einem — soweit ich weiss — unbescholtenen Mann mit einem beeindruckenden Leistungsausweis. Aber in der Kirche Glattfelden gilt offenbar die Schuldvermutung, ganz nach Römer 3:23 (gemäss Zürcher Bibel: „Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verspielt.“)

Dies illustriert einen bedenklichen Aspekt der Ethikdebatte: die Selbstherrlichkeit der selbsternannten Sittenwächter. Einzelfall? Leider nein, siehe unseren früheren Beitrag. Ein schlechtes Gewissen beim Inkasso der Kirchensteuer von Unternehmen wie der UBS kommt dabei nicht auf. Und schon gar nicht die Idee, dass der VR-Präsident der grössten Schweizer Bank vielleicht Gescheiteres zu tun hätte, als Ethikvorträge zu halten.

Der Glattfelder Kirchenpräsident wird (immer laut TA) höchstens „unter heftigem Protest“ teilnehmen (was immer das konkret bedeuten mag.) Aber, was reg‘ ich mich denn auf — als Ökonom solle ich wissen, dass Organisationen mit schmelzendem Marktanteil gerne auf sonderbare Ideen kommen.

ZKB wohin?

Urs Birchler

Die ZKB renoviert. Gemäss Medienmitteilung sollen nicht weniger als neun Erlasse und Reglemente geändert werden (Übersichtiliche Zusammenstellung im Factsheet). Dies ist kein Totalumbau, aber mehr als eine Pinselrenovation.

Die wichtigste Änderung ist die Erweiterung des Geschäftsbereichs, gefolgt von einer Kapitalerhöhung.

  • Der Geschäftsbereich soll über die Kantonsgrenzen hinaus (in andere Kantone und ins Ausland) ausgedehnt werden, was eine Änderung des Kantonalbankgesetzes erfordert.
  • Die ZKB will gemäss ihr Dotationskapital um 2 Mrd. Fr. auf 4,5 Mrd. Fr. erhöhen. Ferner soll das Dotationskapital nicht mehr fest, sondern via Gewinnausschüttung abgelten.

Dann gibt es aber auch die wichtigste Nicht-Änderung:

  • Die Staatsgarantie wird nicht angetastet (trägt also künftig auch Risiken der „geografischen Diversifikation“).

Hierzu ein paar Kommentare, basierend auf unseren bisherigen Beiträgen zur ZKB.

  1. Es scheint mir klar, dass es eine Bank für die finanziell Unkundigen braucht.
  2. Für die ZKB ist die Staatsgarantie besonders wertvoll: siehe batz.ch
  3. Die Staatsgarantie ist eine gefährliche Einrichtung, wie wir hier dargelegt und hier präzisiert haben.
  4. Die ZKB geniesst neben der gesetzlichen Staatsgarantie (die erst im Konkurs zum Tragen kommt) eine faktische Staatsgarantie, da der Kanton seine Bank nicht vor die Hunde gehen lassen kann. Dies haben wir in einem wichtigen Beitrag (gestützt auf eine Referat von Regierungsrätin Frau Ursula Gut) näher erläutert. Pro memoria: Privatisierungen von Banken mit faktischer Staatgarantie machen das Problemnoch grösser.
  5. Das einzige echte (noch vor dem Zürcher Steuersubstrat) risikotragende Substanz ist daher die nachrangige Wandelanleihe.
  6. „Kapitalerhöhungen“ durch den Kanton bedeuten, dass der Kanton Geld vom rechten in den linken Hosensack legt. Das einzige was er dadurch erreicht: Die Leine der ZKB wird länger.
  7. Die FINMA vertritt die Einleger, nicht den Kanton Zürich. Daher ist ihr vermutlich egal, ob Kapitalerhöhungen der ZKB vom Markt oder aus der Zürcher Staatskasse finanziert werden.
  8. Im Ausland hat die ZKB die Zürcher Unternehmen zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie (mit der Staatsgarantie im Sack), wie hier behauptet, im Ausland eigentlich wenig verloren, aber viel zu verlieren.

Einstweiliges Fazit: Wenn die geografische Diversifikation als notwendig erachtet wird, dann ist diese voll zu finanzieren mit nachrangigen Anleihen, die verfallen, wenn die Eigenmittel der Bank unter eine bestimmte Grenze fallen. Alles andere liegt nicht im Interesse von Herrn und Frau Zürcher.

Braucht die ZKB ein Auslandgeschäft?

Urs Birchler

Armin Müller von der Handelszeitung fragt mich auf Twitter: „Trotzdem: Gibt es eigentlich einen überzeugenden Grund für das Auslandgeschäft einer Kantonalbank?“ Er will mich offenkundig provozieren. Er weiss natürlich auch, dass die Aufgaben der ZKB im Kantonalbankgesetz umschrieben sind:

Paragraph 2

1 Die Bank hat den Zweck, zur Lösung der volkswirtschaftlichen und sozialen Aufgaben im Kanton beizutragen. Sie unterstützt eine umweltverträgliche Entwicklung im Kanton.
2 Sie befriedigt die Anlage- und Finanzierungsbedürfnisse durch eine auf Kontinuität ausgerichtete Geschäftspolitik. Dabei berücksichtigt sie insbesondere die Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmungen, der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer, der Landwirtschaft und der öffentlichrechtlichen Körperschaften. Sie fördert das Wohneigentum und den preisgünstigen Wohnungsbau.

Ein Auslandgeschäft läst sich durchaus rechtfertigen, wenn dieses den Bedürfnissen der — ziemlich weltoffenen — Zürcher Wirtschaft entgegenkommt. Ob im vorliegenden Fall Vermögensverwaltung in Österreich dazugehört, wage ich nicht zu beurteilen; vielleicht sind die Kunden ja alle Auslandzürcher.

Ferner könnte man sagen: Internationaler Erfolg ist ein Zeichen dafür, dass eine Bank effizient arbeitet. Das Auslandgeschäft wäre dann als Fitness-Test notwendig. Dies scheint (bei wohlwollender Interpretation) gemeint mit der Spitze der ZKB-Zielpramide aus ihrem nachstehend abgebildeten Konzernleitbild:

ZKBvision

Einen eigenständigen Grund zu einer Auslandtätigkeit, beispielsweise als Ertragsquelle, finde ich im Aftrag der ZKB nirgends. Die Auslandtätigkeit ist ihr aber nicht explizit verboten. Hier wären die Grenzen bei einer Revision eventuell schärfer zu ziehen. Das Kostet Ertrag? Richtig. Drum würde ich gleichzeitig bei den anderen, potentiell teuren Pflichten ausholzen: Soziale Aufgaben? Ja, aber nicht über die Bank! Die Umwelt? Ja, aber nicht über die Bank! Gemeinnütziger Wohnungsbau? Velleicht, aber nicht über die Bank! Landwirtschaft? Nicht über die Bank! Die Universität? Ach, die ist gar nicht erwähnt…

Mein ungehobelter Vorschlag für den Zweckartikel:

1 Die Bank hat den Zweck, einerseits der Bevölkerung des Kantons liquide und sichere Anlagemäglichkeiten zu bieten und andererseits die Kreditversorgung der Zürcher Wirtschaft, namentlich der kleinen und mittleren Unternehmungen, sicherzustellen.
2 Sie handelt nach Treu und Glauben als verlässliche Partnerin. Sie strebt nach einem der Geschäftstätigkeit entsprechenden Gewinn, ohne Informationsnachteile der Kunden auszunützen.

Vielleicht hat Armin Müller einen Gegenvorschlag.