Wirtschaftswissenschaften für alle

Urs Birchler

9781409376415H

Unsere Kinder durften in der Schule Bücher bestellen. Und womit kommt unser 11-jähriger nach Hause? Zum gelinden Entsetzen der Ökonomen-Eltern mit einem Buch Economics! Von aussen sieht’s zwar nicht schlecht aus. Und auch nach ausführlicher Innenbesichtigung müssen wir zugeben: echt gut. Geeignet für Nicht-Ökonomen und Ökonominnen gleichermassen.

Einige Wochen später: Vortrag über eine berühmte Persönlichkeit (Mensch und Umwelt). Und wen wählt der Junior? Einstein? Falsch. Federer? Falsch! Julius Cäsar? Erratum! Viel einfacher: Milton Friedman. Den Namen hat er bestimmt nicht am Familientisch aufgeschnappt. Aber eigentlich hat er Recht: Was ist denn besser als free to choose?

Parteien im Kantonalbank-Bankrat: Basel versus Zürich

Urs Birchler

Ich bin Nationalrätin Leutenegger Oberholzer (@SusanneSlo) ein bisschen unhöflich vorbeigekommen. Sie schrieb bei Twitter „Kantonalbanken haben gefehlt. Verantwortung tragen sie dafür nicht. Ein gutes Vorbild für die Jugend.“ Ich fragte zurück: „Wieviele SP-Bankräte haben ZKB und BKB?“ Das war frech (ich bitte höflich um Entschuldigung) und faul: Ich hätte ja nachschauen können.

Bei der ZKB genügen drei Mausklicks, um Bankratsmitglieder samt Parteizuehörigkeit zu finden. Bei der Basler Kantonalbank findet man die Parteizugehörigkeit der Bankratsmitglieder, wie mich Claudio Kuster in einem Tweet vorgewarnt hatte, allerdings nur in Handarbeit. Nachstehend daher (damit die Basler am Tag nach der Meisterfeier nicht selber suchen müssen) die zusammengestellte Parteiliste der beiden Gremien. Die beiden gemeinsame Glückszahl 13 verteilt sich wie folgt auf die politischen Lager:

  1. ZKB: SVP+FDP (6), „Mitte“ (3), SP+Grüne (4)
  2. BKB: SVP+FDP (4), „Mitte“ (3), SP+Grüne+Alternativ (6)

Basler Kantonalbank

  • Andreas Albrecht (Präs.) (LDP)
  • Christine Keller (Vizepräs.) (SP)
  • Sebastian Frehner (SVP)
  • Jan Goepfert (SP)
  • Helmut Hersberger (FDP)
  • Markus Lehmann (CVP)
  • Ralph Lewin (SP)
  • Ernst Mutschler (FDP)
  • Hans Ulrich Scheidegger (Basta)
  • Karl Schweizer (SVP)
  • Jürg Stoecklin (Grüne)
  • Andreas Sturm (GLP)
  • Karoline Sutter Okomba (SP)

Zürcher Kantonalbank

  • Jörg Müller-Ganz (FDP) (Präs.)
  • János Blum (Vizepräs.) (SP)
  • Bruno Dobler (Vizepräs.) (SVP)
  • Alfred Binder (SVP)
  • Thomas Heilmann (Grüne)
  • Hans Kaufmann (SVP)
  • Peter Ruff (SVP)
  • Kurt Schreiber (EVP)
  • Anita Sigg (GLP)
  • Hans Sigg (Grüne)
  • Liliane Waldner (SP)
  • Rolf Walther (FDP)
  • Stefan Wirth (CVP)

Bankenplatz Schweiz: quo vadis?

Urs Birchler

Das Institut für Banking und Finance der Universität Zürich verliert einen der aufrechtesten und gradlinigsten Ökonomen der Schweiz. Drum am besten den Termin vormerken:

Abschiedsvorlesung Prof. Dr. Martin Janssen
Datum: Mittwoch, 12. Juni 2013
Thema: „Bankenplatz Schweiz: Quo vadis?“
Zeit: 18:15 Uhr
Ort: Aula (Raum KOL-G-201, Hauptgebäude der Universität Zürich, Rämistrasse 71, 8006 Zürich)

Aus der offiziellen Einladung:
Prof. Dr. Martin Janssen, Professor für Finanzmarktökonomie am Institut für
Banking & Finance (IBF) und bekannter Exponent des Schweizer Finanzplatzes,
wird Ende dieses Semesters nach 35 Jahren als Professor emeritiert. Neben
seiner Arbeit an der Universität Zürich gründete er 1985 das Beratungs- und
Software-Unternehmen Ecofin, welches massgeblich an der Entwicklung des
Swiss Market Index (SMI) beteiligt war. Martin Janssen ist Verfasser
mehrerer Bücher und Aufsätze im Bereich der Finanzmarktökonomie und zu
staatspolitischen Themen, sowie regelmässig Experte in verschiedensten Fach-
und Tageszeitschriften.

Ehrendoktorat für Bank-Run Forscher

Urs Birchler

Die Universität Zürich hat heute den Ehrendoktor verliehen an Douglas Diamond (University of Chicago) für seine Arbeiten zur Theorie der Banken und der Finanzintermediation. Doug Diamond hat eine eindrückliche Liste von Publikationen zu Themen wie Banken, Fragilität der Finanzmärkte sowie Finanzkrisen — die meisten verfasst längst vor der jüngsten Finanzkrise. Am berühmtesten sind zwei ältere Arbeiten Publikationen:

Im zweitgenannten Aufsatz zeigen die Autoren, dass die Verletzlichkeit gegenüber Bank Runs (Schalterstürmen) zum Wesen einer Bank gehört. (Eine Bank, welche die „Goldene Bankregel“ befolgt ist daher keine Bank). Der Bank Run kann auch eine solvente Bank treffen, wenn die Einleger aus irgend einem Grund in Panik geraten. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entscheidungssituation reduziert auf zwei Spieler.

Wenn beide Spieler warten, d.h. ihr Geld in der Bank belassen, bleibt die Bank bestehen; beide Spieler erhalten am Ende je 3 Franken. Wenn ein Spieler in Panik gerät, und sein Geld abzieht, muss die Bank ihre Vermögensteile notfallmässig verkaufen, wobei sie insgesamt 2 Franken löst. BankRunMatrix Diese erhält der abziehende Spieler, der wartende geht leer aus. Wer dem Gegenspieler nicht traut, wird also bessser auch zur Bank rennen. Im Durchschnitt erhalten dann beide je einen Franken (obwohl immer der schnellere gewinnt). Sowohl „Warten/Warten“ als auch „Abziehen/Abziehen“ sind Gleichgewichte, d.h. Spielausgänge, bei denen keiner der Beteiligten seine Entscheidungen bereut.

Das Diamond-Dybvig-Modell ist, wie Beispiele von Northern Rock bis Zypern zeigen, nach wie vor aktuell und wird es wohl auch noch bleiben. Jedenfalls hat Douglas Diamond seinen ersten (!) Ehrendoktortitel redlich verdient. Wir gratulieren ihm ganz herzlich!

Wo Reiche und Arme die U-Bahn nehmen

Urs Birchler

Wer in Zürich mit der Tramlinie 8 fährt, stellt fest, dass sich die Zusammensetzung der Fahrgäste auf beiden Ästen der Linie oft deutlich unterscheidet. So hat jede Linie ihr Benutzerprofil. Wissenschaftlich untersucht hat es m.W. bisher noch niemand — jedenfalls nicht für Zürich. Für New York hat The New Yorker einen Artikel mit interaktiver Grafik publiziert, welche die Medianeinkommen nach U-Bahn-Stationen abbildet. Dass die grösste Differenz der Medianeinkommen auf derselben Linie zwischen Manhattan und der Bronx fast 200’000 Dollar beträgt, mag vielleicht nicht überraschen. Aber die grösste Differenz zwischen benachbarten Stationen von 142’000 Dollar (Fulton Street und Chambers Street) ist dann doch beträchtlich — mehr wohl als zwischen Stauffacher und Börse.

Dank an: Alice Korngold (@alicekorngold) 16. April 2013

Deutsch reich?

Monika Bütler und Urs Birchler

Der Deutschen Bundesbank ist der Geduldsfaden offenbar gerissen. Seit geraumer Zeit werkelt die EZB an der Auswertung einer neuen Erhebung (alles dazu auf einer speziellen Internetseite). Gegenstand: die Haushaltsvermögen in Europa. Ländervergleichend. Normalerweise werden die Ergebnisse solcher Grossuntersuchungen mit gebührendem Pomp vorgestellt. Diesmal ganz anders: Die EZB traut sich anscheinend nicht. Deshalb erfahren wir die Ergebnisse (zum Teil) aus einer eher verschämten Pressemeldung der Deutschen Bundesbank (die auch ein Arbeitspapier zur Methodologie hat.).

Und die Resultate zu den Haushaltsvermögen sind — gelinde gesagt — interessant: „Durchschnitt in Deutschland nicht weit unter den anderen großen Ländern“, steht unter der nachstehenden Tabelle aus der Pressenotiz zur „vorauseilenden Beschwichtigung“ der Leser.

Haushaltsvermoegen2

Deutschland ärmer als Spanien? Das wird zu reden geben, und als erstes wird man die Zahlen relativieren. Aber der Europahymne „Deutschland soll zahlen!“ geben die Zahlen bestimmt keinen Auftrieb!

Kapitalverkehrskontrollen und die Schweiz

Urs Birchler

Mit dem auf heute abend erwarteten Rettungspaket für die zypriotischen Banken wird voraussichtlich eine weitere tragende Wand des EU-Gebäudes eingerissen, nämlich die Freiheit des Kapitalverkehrs.

Artikel 63 EU-Vertrag
(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Damit ist ein Euro in Zypern nicht mehr gleich einem Euro in Frankfurt, wie die FT schreibt. Gleichzeitig entsteht im EU-Raum ein neues Delikt Kapitalflucht. In der Schweiz ist Kapitalflucht kein Strafdelikt, ebensowenig wie Majestätsbeleidigung oder Steuerhinterziehung. Damit haben wir gleich nochmals dasselbe Problem wie mit der Steuerhinterziehung: Die Schweiz darf Zypern keine Rechtshilfe leisten, wenn Geld aus zypriotischen Banken oder Matratzen in die Schweiz gelangt. Friktionen sind vorgespurt. Aber Zypern bleibt ja ein Einzelfall…

KapitAlchemie

Urs Birchler

Die Grossbanken und jetzt auch die ZKB verkaufen ihre Bankliegenschaften, gemäss Pressekommentaren mindestens zum Teil in der Absicht, ihre Eigenmittelquote aufzubessern. Falls dem so sein sollte: Der Umtausch von Liegenschaften in Geld macht die Banken nicht reicher. Echtes Kapital entsteht dabei nicht. Sicherer werden die Banken auch nicht: Mit Bargeld kann man eher Fehler machen als mit einer Liegenschaft an der Bahnhofstrasse.

Wenn verkaufte Liegenschaften in der Bilanz unter ihrem Wert standen, verbessert sich allenfalls die regulatorisch gemessene Eigenmittelquote. Die Vorschrift, bzw. deren Absicht, wird dabei umgangen — in braver Kollusion der Banken und der FINMA.

Zypern

Urs Birchler

Einer unserer Leser schreibt: „Da kochen doch gröbere Geschichten hoch in EU-Land … und Batz schweigt?“ Recht hat er, nur: Erstens wollen Vorlesungen vorbereitet sein. Und zweitens: Nachdem sich schon Paul Krugman und Vladimir Putin einig sind, was können wir noch beitragen?

Daher ultra-kurz meine Einschätzung:

  1. Eine Bankensanierung mittels Gläubigerschnitt wäre grundsätzlich die bessere Alternative zur Rettung auf Staatskosten. Ein solcher Schnitt muss aber im voraus gesetzlich oder vertraglich festgelegt, nicht nachträglich verordnet werden.
  2. Die EU-Richtlinie zum Einlegerschutz verlangt von den Mitgliedländern eine Sicherung von Fr. 100’000 pro Einleger. Guthaben unter 100’000 anzutasten, widerspricht Treu und Glauben.
  3. Ein Abschlag auf gesicherte Einlagen zerstört das Vertrauen in die Einlagensicherung auch in anderen EU Ländern.
  4. Die EU-Einlagensicherung ist weitgehend Fassade. Die versicherten Einlagen sind lediglich zu rund 1,5 Prozent gedeckt, und die Sicherungsträger haben (anders als in USA, Schweiz u.a.) kein Konkursprivileg, das ihnen vorrangigen Zugriff auf das Bankvermögen garantiert.
  5. Die EU hat es versäumt, nach der Finanzkrise ein brauchbares Insolvenzrecht für Banken zu erlassen, daher kann sie erneut nur improvisieren.

Sehr durchdacht kommt mir das Rettungspaket insgesamt nicht vor.

Ähnliche Einschätzungen in Der Spiegel, bei FT-Alphaville oder bei Charles Wyplosz.