Die Nöte des Mittelstands: Schwelleneffekte und Subventionen

Vom Mittelstand war viel die Rede im Zusammenhang mit der Steuerinitiative.

Doch die Nöte des Mittelstands haben wenig mit den Einkommenssteuern zu tun. Viel wichtiger ist eine inkohärente Transferpolitik, die über eine grosse Zahl von einkommensabhängigen Subventionen und Tarifen zu teils grotesken Schwelleneffekten führt. Vor allem aber dazu, dass sich Arbeit und Vorsorge nicht mehr lohnen – eher schon die Maximierung der Subventionen.

10 vor 10 brachte gestern einen sehr anschaulichen Beitrag zu den Schwelleneffekten (wer mich nicht sehen will, konzentriere sich auf die ausgezeichneten graphischen Erläuterungen)

Dass es sich auch für den mittleren und oberen Mittelstand oft nicht lohnt zu arbeiten, zeigt der Beitrag „Wir Abzocker“ im Magazin vor einigen Jahren.

Für mich einer der besten Beiträge, die das Magazin je publiziert hat.

Steuerinitiative: SP, Batz, und Berner Zeitung

Die Berner Zeitung („Die SP annektiert Professoren“) stellt klar, dass unser Batz-Kollege Marius Brülhart (UniLausanne) und Gebhard Kirchgässner (UniSG; auch Batz-Mitautor) nicht für die Steuerinitiative sind. Der Artikel von Marius kann hier nachgelesen werden.

Besten Dank an die Berner Zeitung. An die SP Schweiz geht der Trostpreis in Form eines Batz-Abo in Grosschrift, damit sich die Leser und Leserinnen nicht mehr verlesen.

Doch noch Zwischentöne…

Die NZZ hat die Kolumne zur Vermögensverteilung doch noch zum Steuerwettbewerb gelinkt. Und dann noch, was mich besonders freut, mit dem Originaltitel: „Vermögen ist Vorsorge“. Der unsägliche Titel „Die Vermögensverteilung ist im Sozialstaat nicht gerechter“ stammt nämlich nicht von mir. Ich habe mich gehütet das Wort „gerecht“ auch nur einmal im Text zu erwähnen. Denn jede(r) versteht wieder etwas anderes unter gerecht.

Vielleicht ist ja deshalb die Debatte um die Steuerinitiative der SP so gehässig.

Quiz Vermögensverteilung: Die Auflösung

Die Gleichheitsrangliste der 4 Länder lautet wie folgt:

 1 (= am „gleichsten“): JAPAN

So sehr sich die Messungen der Vermögensverteilung unterscheiden, Japan ist fast immer das Land mit der gleichmässigsten Vermögensverteilung.

2, knapp dahinter: Irland

3, deutlich ungleicher: Deutschland

4, am ungleichsten: Schweden

Schweden haben die Vermögens-ärmsten 30% der Haushalte sogar Schulden

Und welche Kurve ist die Fiktive? Nicht die braune, wie fast alle meinen, sondern die blaue. Ich habe die Japanische Kurve so frisiert, dass die ärmste Hälfte der Haushalte rund 50% mehr Erspartes besitzt und für die restliche Hälfte linear interpoliert.

Somit ist die Legende zur Kurve:

Blau = Fiktiv

Grün = Japan

Rot = Irland

Violett = Deutschland

Braun = Schweden

In der heutigen NZZ Kolumne steht, weshalb dies so sein könnte – und weshalb die Vermögensverteilung fast nichts über die wirtschaftliche Situation der „normalen“ Leute aussagt.

Quelle der Daten: http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/discussion-papers/2008/en_GB/dp2008-03/

Quiz: Welches Land gehört zu welcher Vermögensverteilung?

In den letzten Tagen wurde in der Schweiz sehr viel über die ungleiche Verteilung der Vermögen berichtet und diskutiert. Doch bevor wir an dieser Stelle näher auf die Tücken der Messung und der Interpretation der Vermögensverteilung eingehen, hier ein kleines Quiz.

In der untenstehenden Graphik finden Sie die Lorenzkurven der Vermögensverteilung von 5 Ländern. Um diese Kurven zu zeichnen, ordnet man die Haushalte eines Landes zuerst nach ihrem Vermögen. Danach berechnet man den kumulativen Anteil am Gesamtvermögen, den die ärmsten 10%, 20%, 30% etc besitzen. Betrachten wir als Beispiel die rote Kurve in der Graphik. Da die Kurve bei 20 waagrecht (x-Achse) ungefähr bei 0 liegt (y-Achse), heisst dies, dass die Vermögens-ärmsten 20% der Haushalte kein Vermögen besitzen. Geht man der Kurve entlang nach rechts, das heisst nimmt man statt der 20% ärmsten die 40% so landet man bei circa 6%. Die untere Hälfte der Vermögensverteilung besitzt zusammen circa 12% der Vermögen. Und so weiter. Nimmt man die Vermögensärmeren 90%, so besitzen diese zusammen 58% des Vermögens des Landes. Dies heisst auch, dass die reichsten 10% die restlichen 42% der Vermögen besitzen.

Je weiter weg die Lorenzkurve von der 45 Grad Linie (die gestrichelte Linie) entfernt ist, desto ungleicher sind die Vermögen verteilt. Die oben beschriebene rote Kurve entspricht also nicht einer gleichmässigen Verteilung der Vermögen, doch die braune und violette Kurve sind noch viel weiter „unten“, repräsentieren somit noch weit ungleichere Verteilungen.

Hier also endlich die Quiz-Frage: Um welche Länder handelt es sich bei den aufgeführten Vermögensverteilungen? Zur Auswahl stehen: Deutschland, Irland, Japan, und Schweden. Eine der Linien ist fiktiv (d.h. eine solche Verteilung findet sich in keinem Industrieland).

Antworten bitte als Kommentar zu diesem Eintrag. Die Auflösung erfolgt am Sonntag – zusammen mit einer möglichen Erklärung für die beobachteten Vermögensverteilungen in der NZZ am Sonntag.

PS: Wer mehr zu Lorenz-Kurve wissen möchte, konsultiere http://de.wikipedia.org/wiki/Lorenz-Kurve.

Mindeststeuersätze machen die Schweiz nicht gerechter

Die Befürworter der Steuergerechtigkeits-Initiative argumentieren gerne, dass ein Mindeststeuersatz nur eine kleine Gruppe von Steuerzahlern (die Reichen) betreffe. Und dies ohnehin nur in wenigen Kantonen. Der Mindestsatz sei daher für die effektive Steuerbelastung der weniger Reichen und für diejenigen Kantone irrelevant, in denen die Steuersätze bereits über den vorgeschlagenen Grenzen liegen. Doch eine Analogie mit den Mindestlöhnen zeigt, dass diese Einschätzung sehr wahrscheinlich falsch ist.

Eine Reihe empirischer und experimenteller Studien hat eindeutig gezeigt, dass die Einführung eines Mindestlohnes auch jene Löhne anheben kann, die bereits über dem neuen Mindestlohn liegen. Mindestlöhne haben somit einen Einfluss auf die gesamte Lohnverteilung und nicht nur auf die direkt betroffenen Arbeiter und Firmen. Einige der in der Literatur über Mindestlöhne diskutierten Erklärungen lassen sich auch für die Mindeststeuersätze übertragen.

Werden die Steuersätze für Reichere in den Kantonen mit tiefen Steuern angehoben, so gibt es zwei unmittelbare Auswirkungen und die auch von den Initianten nicht bestritten werden. Erstens vergrössert sich der Abstand in der Steuerbelastung zwischen Personen, deren Einkommen oder Vermögen gerade unter der Grenze liegt und den von der Initiative betroffenen Steuerzahlern. Zweitens verringert sich der Abstand zwischen den betroffenen Kantonen und den nicht betroffenen Kantonen. Doch damit ist die Anpassung der Steuertarife noch nicht fertig. Die beiden oben erwähnten Auswirkungen ziehen weitere nach sich.

Vergrössert sich der Abstand in der Steuerbelastung zwischen den von der Initiative betroffenen Steuerzahlern und jenen, die gerade nicht mehr betroffen sind, dann lohnt es sich für erstere, weniger zu arbeiten oder das Vermögen so umzuschichten, dass sie von der höheren Steuerbelastung nicht mehr betroffen sind. Die Kantone werden somit gezwungen sein, die Steuerbelastung auch für die weniger gut verdienenden Personen anzuheben. Genau wie Firmen die Löhne für jene Arbeiter, deren Lohn vor Einführung des Mindestlohnes über dem Mindestlohn lag, nach oben anpassen müssen.

Ein geringerer Abstand zwischen den betroffenen Kantonen und den nicht betroffenen Kantonen klingt auf den ersten Blick „gut“ im Sinne einer gerechteren Belastung der Steuerzahler. Doch wenn heute bereits ziemlich grosse Unterschiede toleriert werden (beispielsweise, weil der Hochsteuerkanton billigere Wohnmöglichkeiten anbietet oder sich einen besseren Public Service leistet), so ist es nicht einzusehen, dass dies nach der Einführung des Mindestsatzes anders sein sollte. Die Hochsteuerkantone haben somit mit wenig Widerstand zu rechnen, die Steuerbelastung weiter zu erhöhen. Zum Schluss bleiben die Unterschiede wohl bestehen – einfach auf einem höheren Niveau. Auch diesen Anpassungskanal kennen wir aus der Analyse von Mindestlöhnen: Auch Firmen, die von den Mindestlöhnen nicht betroffen sind (weil sie beispielsweise qualifiziertere Mitarbeiter haben), müssen nach der Einführung oder Erhöhung der Mindestlöhne ihre Lohnskala nach oben anpassen.

Es gibt gute Gründe, dem Steuerwettbewerb gewisse Schranken zu setzen. Mit dem neuen Finanzausgleich ist dies bereits zu einem gewissen Teil geschehen. Gut möglich, dass noch weitere Massnahmen nötig sind. Ein „gerechter“ Steuerwettbewerb ist aber nicht über eine Mindestbelastung gewisser Steuerzahler zu erreichen. Ein Mindestsatz löst eine ganze Reihe von Anpassungen aus, die die gesamte Einkommens- und Vermögensverteilung in allen Kantonen betreffen. Am Schluss werden die Unterschiede zwischen den Kantonen kaum kleiner. Es zahlen einfach alle mehr – ohne dass die Bürger und Bürgerinnen dafür notwendigerweise mehr erhalten. Mehr Gerechtigkeit sehe ich hier nicht.

Schuldenabbau durch Inflation: Zu viele Nebenwirkungen

Hätten wir eine Inflation von 4% pro Jahr wäre unsere Hypothek in 10 Jahren real um einen Drittel kleiner. Eine verlockende Perspektive. Kein Wunder träumen Schuldner – vor allem aber Politiker von Staaten mit hoher Verschuldung –  von einer solch angeblich schmerzlosen Reduktion ihrer Lasten. Doch die Sache hat einen Haken. Mit der Inflation steigen auch die Zinsen. Wer knapp bei Kasse ist, also die meisten Staaten, wird die Zinskosten nur über eine höhere Neuverschuldung begleichen können. Am Ende des Tages wird die Schuld vielleicht gar nicht kleiner.

Die Realität ist allerdings noch viel komplizierter. In den Nominalzinsen sind nicht nur die aktuelle Inflation enthalten sondern auch die Erwartungen über künftige Inflationsraten.  Die Geschwindigkeit mit der Zinsen steigen und sinken hängt zudem davon ab , wie die Zentralbank kommuniziert und wie glaubwürdig ihre Ankündigungen sind. Möglicherweise steigt zu Beginn der Inflationsperiode die Zinsbelastung weniger schnell wie die Inflation. Auf diesen Effekt bauen wohl die meisten Befürworter einer „weg mit Schulden durch Inflation“ Strategie. Doch ebenso wahrscheinlich bleiben die hohen Schuldzinsen über die Inflationsperiode hinaus bestehen und belasten die Schuldner. Und je höher die Inflationsrate, desto volatiler ist sie. Mit den stärkeren Schwankungen der Inflationsraten steigen auch die Risikoprämien und die Zinslasten steigen noch mehr. Zu guter Letzt ist die Laufzeit der Schulden wichtig, wie sehr die Inflation den Schuldnern schadet oder nützt.

Angesichts dieser Komplexität ist es kaum verwunderlich, dass die effektiven Kosten und Nutzen einer Inflationierungsstrategie nur schwer abgeschätzt werden können.

Mein früherer Kollege aus der Zeit in Tilburg, Michael Krause, hat mit Stephan Moyen zusammen einen Versuch zur Quantifizierung der Kosten und Nutzen der Inflation gewagt. Die beiden Forscher der Deutschen Bundesbank bauen dazu ein (ebenfalls kompliziertes) Modell, welches die oben genannten Effekte berücksichtigen soll. Krause und Moyen finden, dass es in der Tat sehr schwierig ist mit einer vorübergehenden Inflationsperiode die Schulden durch Inflation zu beseitigen. Es bräuchte dazu eine permanent höhere Inflationserwartung der Märkte (auf deutsch: die Menschen müssen daran glauben, dass die Inflation für immer hoch bleibt). Doch selbst in einem solchen Szenario kann durch Inflation nur circa  25% der Schuldenlast weginflationiert werden. Um 40% der Schuld wegzuinflationieren bräuchte es eine Erhöhung der Inflation um ganze 8 Prozentpunkte.

Der Grund für die relativ geringe Reduktion der Schulden durch Inflation liegt in den Zinsen. Um die Inflation wirksam zu erhöhen, müssen auch die Märkte eine höhere Inflation erwarten. Damit steigen aber auch die (langfristigen) Zinsen und somit die Kosten der Schulden. Doch auch der Ausstieg aus der Inflation ist schwierig. Falls die Inflationspolitik „gut“ funktioniert, warum sollte die Öffentlichkeit dann nicht befürchten, dass Politiker der Versuchung erliegen, damit auch noch weiter zu machen.

Fazit: Die Schulden lassen sich nicht einfach schmerzlos durch höhere Inflation kurieren.  Schon die bekannten Nebenwirkungen sind nicht harmlos. Von den unbekannten ganz zu schweigen.

Dänk für en Porno us em Internet, Teil 2

Die NZZ und andere Zeitungen melden, dass der Ständerat eine Motion von Rolf Steiger, FDP Zug, für einen obligatorischen Medienführerschein mit 22 zu 14 Stimmen angenommen hat. Damit trägt ausgerechnet die FDP zu einer weiteren Bürokratisierung der Schule bei. Dabei steht auf ihrer Webseite so schön:

FDP. Die Liberalen bieten Hand an gegen die Regulierungsflut.

Hier nochmals meine Argumente gegen obligatorische Medienkurse an Schulen in der NZZ am Sonntag vom 15. August. Die online Version der NZZ hat die Kolumne sogar selber verlinkt.

Das AHV Rentenalter kommt ins Rentenalter

Wer 65 wird, bezieht schon fast reflexartig die AHV, auch aktive und gesunde Menschen. In meiner NZZ-Kolumne vom 12. September plädiere ich für eine Anpassung des ordentlichen Rentenalters an die gestiegene Lebenserwartung. Nur so kann sicher gestellt, dass genügend Mittel für jene bleiben, die aus gesundheitlichen Gründen nicht länger arbeiten können.

Wer mehr Hintergrund zur Debatte ums AHV Rentenalter haben möchte, dem sei das Buch von Katja Gentinetta und Christina Zenker empfohlen (erschienen im NZZ Verlag)