Inke Nyborg
Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann hatte eine besonders enge Beziehung zu der Schweiz. Bereits 1905 führte ihn seine Hochzeitsreise nach Zürich. Ein halbes Jahrhundert später starb er in Kilchberg. Sein literarischer Nachlass, die Bibliothek, Teile des Mobiliars und die Ausstattung seines Arbeitszimmers befinden sich heute im Thomas-Mann-Archiv, das im zweiten Stock des Bodmerhauses auf dem Gelände der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich untergebracht ist. Thomas Mann besuchte seine Heimatstadt Lübeck zum letzen Mal im Jahr 1955. Lübeck war Schauplatz für einen seiner bekanntesten Romane, Buddenbrooks: Verfall einer Familie. Der Roman beschreibt das Schicksal der Kaufmannsfamilie Buddenbrook in der Hansestadt Lübeck im neunzehnten Jahrhundert. Der geschäftliche Grundsatz der Familie zu Beginn ihrer Blütezeit kann mit den folgenden Worten umrissen werden: „Sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bei Nacht ruhig schlafen können.“ Doch dann schwinden von Generation zu Generation Unternehmensgeist, Kaufmannsmentalität und Gesundheit. Die Familie verfällt.
Beim Erscheinen des Werkes 1901 waren die Lübecker empört. Versteckte Anspielungen auf die Stadt, ihre Bürger und die Familiengeschichte der Manns waren eindeutig. Die meisten Porträtierten waren wegen der ironisierenden Darstellung nicht begeistert, sich im Buch wiederzufinden. Angeblich kursierte eine Schlüsselliste, die die lebenden Vorbilder identifizierte und die eine Lübecker Buchhandlung ihrer Kundschaft auslieh. Doch heute soll es um das nahende Weihnachtsfest gehen, ein besonders festliches und glanzvolles Ereignis bei der wohlhabenden Kaufmannsfamilie. In den Worten von Thomas Mann hat es bei den Buddenbrooks 1869 so ausgesehen: „Der ganze Saal, erfüllt von dem Dufte angesengter Tannenzweige, leuchtete und glitzerte von unzähligen kleinen Flammen, und das Himmelblau der Tapete mit ihren weißen Götterstatuen ließ den großen Raum noch heller erscheinen. Die Flämmchen der Kerzen, die dort hinten zwischen den dunkelrot verhängten Fenstern den gewaltigen Tannenbaum bedeckten, welcher, geschmückt mit Silberflittern und großen, weißen Lilien, einen schimmernden Engel an seiner Spitze und ein plastisches Krippenarrangement zu seinen Füßen, fast bis zur Decke emporragte, flimmerten in der allgemeinen Lichtflut wie ferne Sterne.“